Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 41/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 345 EUR und Mehrbedarfsleistungen für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Ziff. 1 SGB II ab Antrag- stellung vom 20.02.2006 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bis einschließlich zum 19.08.2006 zu erbringen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen. Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 5/11.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten, ob der Antragstellerin Regelleistungen und Mehrbedarfsleistungen als Alleinerziehende nach dem SGB II zustehen.
Die Antragstellerin wurde am 1978 geboren. Sie ist nun 28 Jahre alt. Ihre Tochter, M., wurde am 1999 geboren und ist derzeit sechs Jahre alt.
Die Antragstellerin lebt vom Kindesvater getrennt. Er zahlt monatlich 122 EUR an Kindesunterhalt. Weiterhin erhält die Antragstellerin das Kindergeld für die Tochter in Höhe von monatlich 154 EUR.
Die Antragstellerin zog im Herbst vergangenen Jahres von T. nach B. in das dort befindliche Elternhaus. Im Haus bewohnt sie im Obergeschoss einen Schlaf-/Wohnraum und ein Kinderzimmer für ihre Tochter. Im Obergeschoss befindet sich ein weiteres Zimmer für die Schwester der Antragstellerin sowie ein WC und ein Abstellraum. Im Erdgeschoss der Immobilie liegt ein Wohnzimmer, das Schlafzimmer der Eltern, die Küche und das Badezimmer. Wohnzimmer, Küche und Bad werden von allen Familienmitgliedern genutzt.
Die Antragstellerin beantragte am 07.09.2005 für sich und die minderjährige Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Diese Leistungen hatte sie zuvor in T. bereits bezogen.
Die Antragsgegnerin führte am 26.10.2005 einen Hausbesuch bei der Antragstellerin im S. Weg 11 in B. durch. Dabei stellte sie fest, dass lediglich ein Kühlschrank für alle Familienmitglieder vorhanden war. Nach Auffassung der Mitarbeiter der Antragsgegnerin wurden die Lebensmittel der Familienmitglieder nicht getrennt aufbewahrt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Vorräte getrennt eingekauft und gelagert worden seien. Die Antragsgegnerin soll angegeben haben, sie sei zu ihren Eltern gezogen, um bei der Arbeitssuche flexibel zu sein. Zwei Waschmaschinen seien vorhanden und beide in Betrieb. Auf Nachfrage habe die Antragstellerin angegeben, ihre Eltern würden sie vor die Tür setzen, wenn sie keine Leistungen erhalte. Das sei jedoch nicht überzeugend. Eher sei zu vermuten, dass sie Leistungen benötige, um ihre Versicherungen bezahlen zu können und frühere, zu Unrecht erlangte Sozialleistungen rückzuerstatten. Ebenfalls werde für die Tochter, die unter Neurodermitis leide, Geld für die Behandlung durch einen Heilpraktiker benötigt.
Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin aufgrund des Ergebnisses des Hausbesuchs zwar Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II jedoch lediglich in Höhe von monatlich 144,03 EUR. Die Antragstellerin sei nicht (mehr) alleinerziehend. Ihr würde durch die Eltern und durch die Schwester S., mit denen sie in einer Haushaltsgemeinschaft wohne, bei der Erziehung geholfen. Ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 3 Ziff. 1 SGB II für Alleinerziehende bestehe danach nicht. Auch die Kosten der Unterkunft könnten nicht übernommen werden, da diese in vollem Umfange von den Eltern getragen würden. Ein Untermietvertrag bestehe nicht. Ebenfalls bestehe eine Haushaltsgemeinschaft. Nach § 9 Abs. 5 SGB II würden daher Leistungen der Eltern an die Antragstellerin vermutet. Danach ergebe sich aufgrund der Einkünfte der Eltern ein auf den Bedarf der Antragstellerin anzurechnender Betrag in Höhe von 131,97 EUR monatlich.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Über ihn ist noch nicht entschieden worden.
Die Antragstellerin begehrt mit dem am 20.02.2006 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Gewährung der vollen Regelleistung ohne Anrechnung der Einkünfte der Eltern und zuzüglich des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren. Sie sei 27 Jahre alt und erziehe ihr Kind alleine. Mittlerweile sei auch ein zweiter Kühlschrank angeschafft worden. Im Übrigen verfüge sie über ein eigenes Konto. Es werde getrennt gewirtschaftet. Das ergebe sich auch aus dem von ihr geführten Haushaltsbuch. Die begehrten Leistungen benötige sie dringend für den eigenen Bedarf und den Bedarf des Kindes. Insofern beständen besondere Kosten durch die Notwendigkeit der Behandlung der Neurodermitis und eine entsprechende ausgewogene Ernährung des Kindes.
Die Antragstellerin begehrt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie Leistungen nach dem SGB II ab Oktober 2005 in Höhe des Regelbedarfs zuzüglich des Mehrbedarfs für Alleinerziehende zu erbringen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen auf die Ausführung und Argumentation im Verwaltungsverfahren Bezug. Eine Hausgemeinschaft liege vor, wenn ein Haushalt geführt werde und aus einem Topf gewirtschaftet werde. Indizien gegen eine Haushaltsgemeinschaft und für eine reine Wohngemeinschaft seien insofern getrennte Mietverträge oder ein Untermietvertrag. An einem solchen (Unter-)Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und ihren Eltern fehle es. Zudem hätten sich die Lebensmittel aller Familienmitglieder im selben Kühlschrank befunden. Die Antragstellerin kümmere sich um ihre behinderte Schwester, die Eltern umgekehrt um das Enkelkind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II. Der zulässige Antrag ist in dem Umfang, in dem ihm stattgegeben wurde, begründet und im Übrigen unbegründet.
Die Stadt B. ist die richtige Antragsgegnerin. In Eilverfahren spielen die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und damit die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides in aller Regel eine wesentliche Rolle. Für die Frage des richtigen Antragsgegners kommt es daher darauf an, gegen welchen Rechtsträger die Klage in der Hauptsache zu richten wäre. Für das sozialgerichtliche Verfahren gilt insoweit ebenso wie nach § 78 VwGO für das verwaltungsgerichtliche Verfahren das Rechtsträgerprinzip, wonach Beteiligter die juristische Person ist, deren Behörde sachlich zuständig ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 70 Rn 4). Passiv legitimiert ist daher derjenige Rechtsträger, der auch materiell verpflichtet ist (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer a.a.O. § 69 Rn 4). Sachlich zuständig und materiell verpflichtet zur Erbringung der mit dem Antrag begehrten Leistung ist hier die Stadt B ... Der Kreis M. ist zwar gemäß § 6a SGB II zugelassener Träger für die Grundsicherung für Arbeitssuchende, er hat diese Aufgaben jedoch entsprechend § 5 Abs. 2 AG-SGB II NRW vom 16.12.2004 durch Satzung an die Stadt B. delegiert. Nach § 1 der Satzung vom 16.12.2004 überträgt der Kreis M. den kreisangehörigen Städten und Gemeinden die in § 4 und 5 der Satzung näher bezeichneten Aufgaben zur Entscheidung im eigenen Namen. Zu diesen Aufgaben gehört gemäß § 4 Nr. 3 und Nr. 4 der Satzung u. a. die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der Erlass von entsprechenden Verwaltungsakten. § 1 der Satzung des Kreises M. vom 16.12.2004 enthält damit eine delegationsähnliche Aufgabenübertragung und nicht nur die Übertragung eines Mandats. Unter Delegation ist ein Rechtsakt zu verstehen, durch den ein Hoheitsträger seine ihm durch das Recht eingeräumte Befugnis zum Erlass von Hoheitsakten auf ein anderes Subjekt überträgt, auch wenn er selbst weisungsbefugt bleibt. Von einem Mandat spricht man dagegen, wenn der Inhaber einer Zuständigkeit in einem oder mehreren Einzelfällen oder auch abstrakt ein anderes öffentlich-rechtliches Subjekt beauftragt, die Kompetenz des Mandanten in dessen Namen auszuüben (vgl. Schenke, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, Verwaltungsarchivband 68,118, 120, 148). Da hier der Stadt B. – entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung – die Aufgaben zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen wurden, handelt es sich um eine Delegation im weiteren Sinne. Dementsprechend werden die kreisangehörigen Gemeinden in § 8 der Satzung auch als "Delegationsnehmer" bezeichnet. Diese Unterscheidung hat entscheidende Auswirkungen auf die Frage der Beteiligung im Prozess, weil der im eigenen Namen entscheidende Delegationsnehmer auch Beklagter ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.05.1988 – 8 A8 125/86; Schmidt – Jortzig, Strukturen einer Einbeziehung kreisangehöriger Gemeinden in den Vollzug von Kreiszuständigkeiten, Verwaltungsarchiv 75. Band, 1984, 104, 118). Nur wenn die herangezogene Kommune im Namen des zuständigen Trägers entscheiden würde, würde gegenüber dem leistungsberechtigten Bürger klargestellt, dass dieser gegenüber dem Bürger verantwortlich bleibt und auch als Beklagter in einem gerichtlichen Verfahren anzugreifen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11.09.1991 – 4 AL 148/90).
Das Gericht vermag der neueren Rechtsprechung des LSG NRW (Beschluss vom 22.11.2005 – L 12 B 38/05 AS ER und vom 24.11.2005 – L 9 B 87/05 AS ER) nicht zu folgen. Zutreffend wird in diesen Entscheidungen zwar darauf hingewiesen, dass sich der Kreis M. in § 8 der Satzung die Durchführung von Rechtsbehelfs- und Rechtsstreitverfahren vorbehalten hat und diese Satzungsregelung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Dies ändert jedoch nichts an der sachlichen Zuständigkeit und materiellen Verpflichtung zur Erbringung der Leistung auf Seiten der herangezogenen Kommune als Delegationsnehmerin. Ausschlaggebend ist nicht die selbstverständlich weiterhin bestehende Leistungsträgerschaft des Kreises nach § 6a SGB II, sondern die Frage, welcher Rechtsträger leistungsverpflichtet ist. Diese Frage kann im Sozialhilferecht und im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II nur einheitlich beantwortet werden, zumal nach dem AG-SGB XII NRW vom 16.12.2004 (GVBL NRW Seite 816) in § 3 der örtliche Träger der Sozialhilfe die kreisangehörigen Gemeinden zur Durchführung der ihnen als Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben ebenfalls durch Satzung heranziehen kann. Auch in diesem Bereich entscheiden die Kommunen dann im eigenen Namen. Diese Regelung gibt insoweit nur den bereits vor dem 01.01.2005 geltenden Rechtsstand wieder. Insoweit war – und soweit ersichtlich – ist unumstritten, dass die Rücknahme der Delegation bezüglich des Widerspruchsverfahrens nicht dazu führt, dass der Landkreis nunmehr als Beklagter zu führen ist. Diese Regelung entspricht § 90 SGB X und § 6 Abs. 2 SGB II. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme von der allgemeinen Delegation und diese Sonderregelung erfasst, jedenfalls im Bereich der Sozialhilfe, lediglich die Zuständigkeit im Vorverfahren. Für das Klageverfahren bleibt weiterhin Beklagte die kreisangehörige Gemeinde, es sei denn, der Widerspruchsbescheid hat den Kläger erstmals im Sinne des § 78 Abs. 2 VwGO beschwert (Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Auflage, § 96, Rn 20). Entsprechend diesen weiterhin im Bereich der Sozialhilfe geltenden Rechtsgrundsätzen kann auch bei den aufgrund einer Delegation von den kreisangehörigen Gemeinden zu erbringenden Leistungen nach dem SGB II wegen der Durchführung des Widerspruchsverfahrens durch den Kreis nicht die Passivlegitimation der materiell verpflichteten Kommunen entfallen.
Soweit in § 8 der Satzung vom 16.12.2004 dem Kreis die Durchführung der Rechtsstreitverfahren obliegt, handelt es sich lediglich um eine Befugnis der Prozessvertretung in gerichtlichen Streitigkeiten. Die oben dargelegte Stellung der kommunalen Delegationsnehmer als Beklagte bzw. Antragsgegner wird im Wesentlichen durch die Verfahrensgrundsätze des Sozialgerichtsgesetzes und damit durch ein Bundesgesetz bestimmt, welches durch eine untergesetzliche Satzungsbestimmung nicht modifiziert werden kann. Dem Kreis M. bleibt es unbenommen, das Rechtsstreitverfahren sowohl schriftlich als auch durch Entsendung eines Beamten des Kreises als Prozessvertreter der Gemeinde durchzuführen. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz wird nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in einem solchen Vorgehen nicht gesehen. Die Beteiligtenrolle der Gemeinde als Beklagte bzw. Antragsgegnerin wird allerdings hierdurch nicht berührt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29.07.1979 – VIII B 295/78).
Dieser Einschätzung entspricht auch die vom Kreis M. in diesem Verfahren selbst vorgetragene Argumentation, wonach die Stadt B. örtlich nicht zuständig ist. Hierauf könnte sich der Kreis als Antragsgegner nicht berufen, denn der Antragsteller hält sich offensichtlich, unabhängig davon welcher Auffassung zum gewöhnlichen Aufenthalt man folgt, weiterhin auf dem Gebiet des Kreises M. auf.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Grundsätzlich ist der Anspruch der Antragsgegnerin auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Ziff. 1 SGB II unstreitig. Sie erzieht ein unter sieben Jahre altes Kind ohne Hilfe des getrennt lebenden Kindesvaters. Die Antragsgegnerin vermutet insoweit lediglich, dass Unterstützungsleistungen der Eltern erbracht würden. Das wird von der Antragstellerin jedoch bestritten. Die Vermutung der Antragsgegnerin wird durch keine Tatsachen gestützt. Der Antragsgegnerin steht es (aufgrund der besonderen Wohnsituation) zwar frei, insoweit weiter zu ermitteln. Eine Versagung der Leistungen aufgrund der bloßen Vermutung kommt jedoch nicht in Betracht. Dabei ist insbesondere zur berücksichtigen, dass Mutter und Vater der Antragstellerin arbeiten. Wie da eine Betreuung oder Pflege des Kindes der Antragstellerin durch sie erfolgen soll, ist nicht nachvollziehbar. Das gilt insbesondere auch deswegen, weil die Schwester der Antragstellerin das Kind ebenfalls nicht betreuen oder erziehen kann. Sie bedarf unstreitig eher selbst der Betreuung oder Erziehung. Weiter ist zu berücksichtigen, dass nicht jede Unterstützungsleistung im Familienkreis, die praktisch in sehr vielen Fällen vorkommen wird, dazu führt, dass keine Alleinerziehung vorliegt. Vielmehr ist erforderlich, dass mindestens gleiche Teile am Tag mit Erziehung oder Pflege des Kindes durch dritte Personen erbracht werden (Lang in Meyer-Ladewig, § 21 Rn 36 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte). Das scheint hier aufgrund der Erwerbstätigkeit der Eltern eher ausgeschlossen.
Im Übrigen spricht auch mehr gegen als für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft. Eine Haushaltsgemeinschaft setzt neben der gemeinsamen Wohnung ein gemeinsames Wirtschaften der Beteiligten voraus, das nach den konkreten Umständen das Decken zumindest eines Teils des Bedarfs des Hilfebedürftigen durch die anderen Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft vermuten lässt. Das Vorliegen der Haushaltsgemeinschaft muss feststehen. Insofern greift keine Vermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II. Vielmehr greifen die dort geregelten Vermutungen erst, nachdem eine entsprechende Haushaltsgemeinschaft festgestellt wurde. Insofern äußert die Antragsgegnerin ebenfalls lediglich Vermutungen. Die Ausführungen zur Nutzung eines gemeinsamen Kühlschranks überzeugen nicht. Die Nutzung eines einzigen Kühlschranks ist auch in Wohngemeinschaften üblich. Im Übrigen ist inzwischen nach dem Vortrag der Antragstellerin ein zweiter Kühlschrank angeschafft worden. Selbst gemeinsame Einkäufe von Grundnahrungsmitteln gehören zu dem, was ebenfalls in einer reinen Wohngemeinschaft üblich ist. Auch die Trennung von Lebensmitteln, die für jeden Dritten offensichtlich sein muss, kann nicht gefordert werden.
Betrachtet man das Ausgabeverhalten der Antragstellerin für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs, wie es sich aus den Kontoauszügen in der Verwaltungsakte ergibt, und zwar auch für die Zeit nach dem Zuzug zu den Eltern, spricht insofern viel dafür, dass die Antragstellerin ihren eigenen Bedarf und den Bedarf des Kindes durch eigene Einkünfte deckt.
Selbst wenn jedoch eine Haushaltsgemeinschaft vorliegen würde, würde das nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Antragsgegnerin hat nämlich einen Rechenfehler bzw. einen Denkfehler in ihrer Berechnung des Arbeitslosengeldes II. Sie hat bei dem von den Eltern der Antragstellerin einzusetzenden Vermögen und dem eigenen Bedarf der Eltern lediglich einen Teil der Kaltmiete und der Nebenkosten auf Seiten der Eltern berücksichtigt. Im Übrigen seien die Kosten der Unterkunft durch die Antragstellerin zu decken, die ebenfalls im Haus der Eltern wohnt. Zieht man jedoch von den Kosten der Unterkunft der Eltern einen wesentlichen Betrag aufgrund der Nutzung durch die Antragstellerin ab, so kann man nicht andererseits beim Bedarf der Antragstellerin sämtliche Kosten der Unterkunft außer Acht lassen, weil sie von den Eltern getragen würden. Hier müsste dann ein entsprechender Bedarf erscheinen, nämlich zumindest in Höhe des Abzugs auf Seiten der Eltern, d.h. für die Kaltmiete in Höhe von 114 EUR monatlich. Hinzu käme der Bedarf für die Nebenkosten. Insgesamt würde auf diese Weise zur Überzeugung des Gerichts der aus dem Einkommen der Eltern nach Auffassung der Antragsgegnerin anzurechnende Betrag von 131,97 EUR monatlich aufgezehrt, so dass hierdurch der Bedarf der Antragstellerin nicht weiter eingeschränkt wird.
Nur bei einer derartigen Berechnung wird berücksichtigt, dass die Eltern die Antragstellerin kostenfrei bei sich wohnen lassen, weil sie offenbar ebenso wie die Antragstellerin der irrigen Annahme sind, dass der Abschluss eines Untermietvertrages innerhalb der Familie nicht zulässig sei.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar erhält sie Leistungen nach dem SGB II und ist insoweit auch krankenversichert. Die ihr nach überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Unrecht nicht gewährten Beträge liegen jedoch deutlich über 200 EUR pro Monat, so dass Eilbedürftigkeit gegeben und ein Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist.
Eine Bewilligung von Leistungen für die Zeit vor Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kommt nicht in Betracht. Mit der einstweiligen Anordnung soll eine gegenwärtige Notlage behoben werden. Das kann in der Regel nicht rückwirkend geschehen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Die Kostenverteilung entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Rechtsstreit. Die Antragstellerin obsiegt für die laufenden Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten, für den nach den gesetzlichen Vorgaben in der Regel Leistungen gewährt werden. Sie unterliegt für den Zeitraum von fünf Monaten, für den sie rückwirkend Leistungen beantragt hat.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten, ob der Antragstellerin Regelleistungen und Mehrbedarfsleistungen als Alleinerziehende nach dem SGB II zustehen.
Die Antragstellerin wurde am 1978 geboren. Sie ist nun 28 Jahre alt. Ihre Tochter, M., wurde am 1999 geboren und ist derzeit sechs Jahre alt.
Die Antragstellerin lebt vom Kindesvater getrennt. Er zahlt monatlich 122 EUR an Kindesunterhalt. Weiterhin erhält die Antragstellerin das Kindergeld für die Tochter in Höhe von monatlich 154 EUR.
Die Antragstellerin zog im Herbst vergangenen Jahres von T. nach B. in das dort befindliche Elternhaus. Im Haus bewohnt sie im Obergeschoss einen Schlaf-/Wohnraum und ein Kinderzimmer für ihre Tochter. Im Obergeschoss befindet sich ein weiteres Zimmer für die Schwester der Antragstellerin sowie ein WC und ein Abstellraum. Im Erdgeschoss der Immobilie liegt ein Wohnzimmer, das Schlafzimmer der Eltern, die Küche und das Badezimmer. Wohnzimmer, Küche und Bad werden von allen Familienmitgliedern genutzt.
Die Antragstellerin beantragte am 07.09.2005 für sich und die minderjährige Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Diese Leistungen hatte sie zuvor in T. bereits bezogen.
Die Antragsgegnerin führte am 26.10.2005 einen Hausbesuch bei der Antragstellerin im S. Weg 11 in B. durch. Dabei stellte sie fest, dass lediglich ein Kühlschrank für alle Familienmitglieder vorhanden war. Nach Auffassung der Mitarbeiter der Antragsgegnerin wurden die Lebensmittel der Familienmitglieder nicht getrennt aufbewahrt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Vorräte getrennt eingekauft und gelagert worden seien. Die Antragsgegnerin soll angegeben haben, sie sei zu ihren Eltern gezogen, um bei der Arbeitssuche flexibel zu sein. Zwei Waschmaschinen seien vorhanden und beide in Betrieb. Auf Nachfrage habe die Antragstellerin angegeben, ihre Eltern würden sie vor die Tür setzen, wenn sie keine Leistungen erhalte. Das sei jedoch nicht überzeugend. Eher sei zu vermuten, dass sie Leistungen benötige, um ihre Versicherungen bezahlen zu können und frühere, zu Unrecht erlangte Sozialleistungen rückzuerstatten. Ebenfalls werde für die Tochter, die unter Neurodermitis leide, Geld für die Behandlung durch einen Heilpraktiker benötigt.
Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin aufgrund des Ergebnisses des Hausbesuchs zwar Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II jedoch lediglich in Höhe von monatlich 144,03 EUR. Die Antragstellerin sei nicht (mehr) alleinerziehend. Ihr würde durch die Eltern und durch die Schwester S., mit denen sie in einer Haushaltsgemeinschaft wohne, bei der Erziehung geholfen. Ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 3 Ziff. 1 SGB II für Alleinerziehende bestehe danach nicht. Auch die Kosten der Unterkunft könnten nicht übernommen werden, da diese in vollem Umfange von den Eltern getragen würden. Ein Untermietvertrag bestehe nicht. Ebenfalls bestehe eine Haushaltsgemeinschaft. Nach § 9 Abs. 5 SGB II würden daher Leistungen der Eltern an die Antragstellerin vermutet. Danach ergebe sich aufgrund der Einkünfte der Eltern ein auf den Bedarf der Antragstellerin anzurechnender Betrag in Höhe von 131,97 EUR monatlich.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Über ihn ist noch nicht entschieden worden.
Die Antragstellerin begehrt mit dem am 20.02.2006 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Gewährung der vollen Regelleistung ohne Anrechnung der Einkünfte der Eltern und zuzüglich des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren. Sie sei 27 Jahre alt und erziehe ihr Kind alleine. Mittlerweile sei auch ein zweiter Kühlschrank angeschafft worden. Im Übrigen verfüge sie über ein eigenes Konto. Es werde getrennt gewirtschaftet. Das ergebe sich auch aus dem von ihr geführten Haushaltsbuch. Die begehrten Leistungen benötige sie dringend für den eigenen Bedarf und den Bedarf des Kindes. Insofern beständen besondere Kosten durch die Notwendigkeit der Behandlung der Neurodermitis und eine entsprechende ausgewogene Ernährung des Kindes.
Die Antragstellerin begehrt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie Leistungen nach dem SGB II ab Oktober 2005 in Höhe des Regelbedarfs zuzüglich des Mehrbedarfs für Alleinerziehende zu erbringen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen auf die Ausführung und Argumentation im Verwaltungsverfahren Bezug. Eine Hausgemeinschaft liege vor, wenn ein Haushalt geführt werde und aus einem Topf gewirtschaftet werde. Indizien gegen eine Haushaltsgemeinschaft und für eine reine Wohngemeinschaft seien insofern getrennte Mietverträge oder ein Untermietvertrag. An einem solchen (Unter-)Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und ihren Eltern fehle es. Zudem hätten sich die Lebensmittel aller Familienmitglieder im selben Kühlschrank befunden. Die Antragstellerin kümmere sich um ihre behinderte Schwester, die Eltern umgekehrt um das Enkelkind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II. Der zulässige Antrag ist in dem Umfang, in dem ihm stattgegeben wurde, begründet und im Übrigen unbegründet.
Die Stadt B. ist die richtige Antragsgegnerin. In Eilverfahren spielen die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und damit die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides in aller Regel eine wesentliche Rolle. Für die Frage des richtigen Antragsgegners kommt es daher darauf an, gegen welchen Rechtsträger die Klage in der Hauptsache zu richten wäre. Für das sozialgerichtliche Verfahren gilt insoweit ebenso wie nach § 78 VwGO für das verwaltungsgerichtliche Verfahren das Rechtsträgerprinzip, wonach Beteiligter die juristische Person ist, deren Behörde sachlich zuständig ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 70 Rn 4). Passiv legitimiert ist daher derjenige Rechtsträger, der auch materiell verpflichtet ist (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer a.a.O. § 69 Rn 4). Sachlich zuständig und materiell verpflichtet zur Erbringung der mit dem Antrag begehrten Leistung ist hier die Stadt B ... Der Kreis M. ist zwar gemäß § 6a SGB II zugelassener Träger für die Grundsicherung für Arbeitssuchende, er hat diese Aufgaben jedoch entsprechend § 5 Abs. 2 AG-SGB II NRW vom 16.12.2004 durch Satzung an die Stadt B. delegiert. Nach § 1 der Satzung vom 16.12.2004 überträgt der Kreis M. den kreisangehörigen Städten und Gemeinden die in § 4 und 5 der Satzung näher bezeichneten Aufgaben zur Entscheidung im eigenen Namen. Zu diesen Aufgaben gehört gemäß § 4 Nr. 3 und Nr. 4 der Satzung u. a. die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der Erlass von entsprechenden Verwaltungsakten. § 1 der Satzung des Kreises M. vom 16.12.2004 enthält damit eine delegationsähnliche Aufgabenübertragung und nicht nur die Übertragung eines Mandats. Unter Delegation ist ein Rechtsakt zu verstehen, durch den ein Hoheitsträger seine ihm durch das Recht eingeräumte Befugnis zum Erlass von Hoheitsakten auf ein anderes Subjekt überträgt, auch wenn er selbst weisungsbefugt bleibt. Von einem Mandat spricht man dagegen, wenn der Inhaber einer Zuständigkeit in einem oder mehreren Einzelfällen oder auch abstrakt ein anderes öffentlich-rechtliches Subjekt beauftragt, die Kompetenz des Mandanten in dessen Namen auszuüben (vgl. Schenke, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, Verwaltungsarchivband 68,118, 120, 148). Da hier der Stadt B. – entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung – die Aufgaben zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen wurden, handelt es sich um eine Delegation im weiteren Sinne. Dementsprechend werden die kreisangehörigen Gemeinden in § 8 der Satzung auch als "Delegationsnehmer" bezeichnet. Diese Unterscheidung hat entscheidende Auswirkungen auf die Frage der Beteiligung im Prozess, weil der im eigenen Namen entscheidende Delegationsnehmer auch Beklagter ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.05.1988 – 8 A8 125/86; Schmidt – Jortzig, Strukturen einer Einbeziehung kreisangehöriger Gemeinden in den Vollzug von Kreiszuständigkeiten, Verwaltungsarchiv 75. Band, 1984, 104, 118). Nur wenn die herangezogene Kommune im Namen des zuständigen Trägers entscheiden würde, würde gegenüber dem leistungsberechtigten Bürger klargestellt, dass dieser gegenüber dem Bürger verantwortlich bleibt und auch als Beklagter in einem gerichtlichen Verfahren anzugreifen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11.09.1991 – 4 AL 148/90).
Das Gericht vermag der neueren Rechtsprechung des LSG NRW (Beschluss vom 22.11.2005 – L 12 B 38/05 AS ER und vom 24.11.2005 – L 9 B 87/05 AS ER) nicht zu folgen. Zutreffend wird in diesen Entscheidungen zwar darauf hingewiesen, dass sich der Kreis M. in § 8 der Satzung die Durchführung von Rechtsbehelfs- und Rechtsstreitverfahren vorbehalten hat und diese Satzungsregelung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Dies ändert jedoch nichts an der sachlichen Zuständigkeit und materiellen Verpflichtung zur Erbringung der Leistung auf Seiten der herangezogenen Kommune als Delegationsnehmerin. Ausschlaggebend ist nicht die selbstverständlich weiterhin bestehende Leistungsträgerschaft des Kreises nach § 6a SGB II, sondern die Frage, welcher Rechtsträger leistungsverpflichtet ist. Diese Frage kann im Sozialhilferecht und im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II nur einheitlich beantwortet werden, zumal nach dem AG-SGB XII NRW vom 16.12.2004 (GVBL NRW Seite 816) in § 3 der örtliche Träger der Sozialhilfe die kreisangehörigen Gemeinden zur Durchführung der ihnen als Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben ebenfalls durch Satzung heranziehen kann. Auch in diesem Bereich entscheiden die Kommunen dann im eigenen Namen. Diese Regelung gibt insoweit nur den bereits vor dem 01.01.2005 geltenden Rechtsstand wieder. Insoweit war – und soweit ersichtlich – ist unumstritten, dass die Rücknahme der Delegation bezüglich des Widerspruchsverfahrens nicht dazu führt, dass der Landkreis nunmehr als Beklagter zu führen ist. Diese Regelung entspricht § 90 SGB X und § 6 Abs. 2 SGB II. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme von der allgemeinen Delegation und diese Sonderregelung erfasst, jedenfalls im Bereich der Sozialhilfe, lediglich die Zuständigkeit im Vorverfahren. Für das Klageverfahren bleibt weiterhin Beklagte die kreisangehörige Gemeinde, es sei denn, der Widerspruchsbescheid hat den Kläger erstmals im Sinne des § 78 Abs. 2 VwGO beschwert (Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Auflage, § 96, Rn 20). Entsprechend diesen weiterhin im Bereich der Sozialhilfe geltenden Rechtsgrundsätzen kann auch bei den aufgrund einer Delegation von den kreisangehörigen Gemeinden zu erbringenden Leistungen nach dem SGB II wegen der Durchführung des Widerspruchsverfahrens durch den Kreis nicht die Passivlegitimation der materiell verpflichteten Kommunen entfallen.
Soweit in § 8 der Satzung vom 16.12.2004 dem Kreis die Durchführung der Rechtsstreitverfahren obliegt, handelt es sich lediglich um eine Befugnis der Prozessvertretung in gerichtlichen Streitigkeiten. Die oben dargelegte Stellung der kommunalen Delegationsnehmer als Beklagte bzw. Antragsgegner wird im Wesentlichen durch die Verfahrensgrundsätze des Sozialgerichtsgesetzes und damit durch ein Bundesgesetz bestimmt, welches durch eine untergesetzliche Satzungsbestimmung nicht modifiziert werden kann. Dem Kreis M. bleibt es unbenommen, das Rechtsstreitverfahren sowohl schriftlich als auch durch Entsendung eines Beamten des Kreises als Prozessvertreter der Gemeinde durchzuführen. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz wird nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in einem solchen Vorgehen nicht gesehen. Die Beteiligtenrolle der Gemeinde als Beklagte bzw. Antragsgegnerin wird allerdings hierdurch nicht berührt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29.07.1979 – VIII B 295/78).
Dieser Einschätzung entspricht auch die vom Kreis M. in diesem Verfahren selbst vorgetragene Argumentation, wonach die Stadt B. örtlich nicht zuständig ist. Hierauf könnte sich der Kreis als Antragsgegner nicht berufen, denn der Antragsteller hält sich offensichtlich, unabhängig davon welcher Auffassung zum gewöhnlichen Aufenthalt man folgt, weiterhin auf dem Gebiet des Kreises M. auf.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Grundsätzlich ist der Anspruch der Antragsgegnerin auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Ziff. 1 SGB II unstreitig. Sie erzieht ein unter sieben Jahre altes Kind ohne Hilfe des getrennt lebenden Kindesvaters. Die Antragsgegnerin vermutet insoweit lediglich, dass Unterstützungsleistungen der Eltern erbracht würden. Das wird von der Antragstellerin jedoch bestritten. Die Vermutung der Antragsgegnerin wird durch keine Tatsachen gestützt. Der Antragsgegnerin steht es (aufgrund der besonderen Wohnsituation) zwar frei, insoweit weiter zu ermitteln. Eine Versagung der Leistungen aufgrund der bloßen Vermutung kommt jedoch nicht in Betracht. Dabei ist insbesondere zur berücksichtigen, dass Mutter und Vater der Antragstellerin arbeiten. Wie da eine Betreuung oder Pflege des Kindes der Antragstellerin durch sie erfolgen soll, ist nicht nachvollziehbar. Das gilt insbesondere auch deswegen, weil die Schwester der Antragstellerin das Kind ebenfalls nicht betreuen oder erziehen kann. Sie bedarf unstreitig eher selbst der Betreuung oder Erziehung. Weiter ist zu berücksichtigen, dass nicht jede Unterstützungsleistung im Familienkreis, die praktisch in sehr vielen Fällen vorkommen wird, dazu führt, dass keine Alleinerziehung vorliegt. Vielmehr ist erforderlich, dass mindestens gleiche Teile am Tag mit Erziehung oder Pflege des Kindes durch dritte Personen erbracht werden (Lang in Meyer-Ladewig, § 21 Rn 36 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte). Das scheint hier aufgrund der Erwerbstätigkeit der Eltern eher ausgeschlossen.
Im Übrigen spricht auch mehr gegen als für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft. Eine Haushaltsgemeinschaft setzt neben der gemeinsamen Wohnung ein gemeinsames Wirtschaften der Beteiligten voraus, das nach den konkreten Umständen das Decken zumindest eines Teils des Bedarfs des Hilfebedürftigen durch die anderen Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft vermuten lässt. Das Vorliegen der Haushaltsgemeinschaft muss feststehen. Insofern greift keine Vermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II. Vielmehr greifen die dort geregelten Vermutungen erst, nachdem eine entsprechende Haushaltsgemeinschaft festgestellt wurde. Insofern äußert die Antragsgegnerin ebenfalls lediglich Vermutungen. Die Ausführungen zur Nutzung eines gemeinsamen Kühlschranks überzeugen nicht. Die Nutzung eines einzigen Kühlschranks ist auch in Wohngemeinschaften üblich. Im Übrigen ist inzwischen nach dem Vortrag der Antragstellerin ein zweiter Kühlschrank angeschafft worden. Selbst gemeinsame Einkäufe von Grundnahrungsmitteln gehören zu dem, was ebenfalls in einer reinen Wohngemeinschaft üblich ist. Auch die Trennung von Lebensmitteln, die für jeden Dritten offensichtlich sein muss, kann nicht gefordert werden.
Betrachtet man das Ausgabeverhalten der Antragstellerin für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs, wie es sich aus den Kontoauszügen in der Verwaltungsakte ergibt, und zwar auch für die Zeit nach dem Zuzug zu den Eltern, spricht insofern viel dafür, dass die Antragstellerin ihren eigenen Bedarf und den Bedarf des Kindes durch eigene Einkünfte deckt.
Selbst wenn jedoch eine Haushaltsgemeinschaft vorliegen würde, würde das nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Antragsgegnerin hat nämlich einen Rechenfehler bzw. einen Denkfehler in ihrer Berechnung des Arbeitslosengeldes II. Sie hat bei dem von den Eltern der Antragstellerin einzusetzenden Vermögen und dem eigenen Bedarf der Eltern lediglich einen Teil der Kaltmiete und der Nebenkosten auf Seiten der Eltern berücksichtigt. Im Übrigen seien die Kosten der Unterkunft durch die Antragstellerin zu decken, die ebenfalls im Haus der Eltern wohnt. Zieht man jedoch von den Kosten der Unterkunft der Eltern einen wesentlichen Betrag aufgrund der Nutzung durch die Antragstellerin ab, so kann man nicht andererseits beim Bedarf der Antragstellerin sämtliche Kosten der Unterkunft außer Acht lassen, weil sie von den Eltern getragen würden. Hier müsste dann ein entsprechender Bedarf erscheinen, nämlich zumindest in Höhe des Abzugs auf Seiten der Eltern, d.h. für die Kaltmiete in Höhe von 114 EUR monatlich. Hinzu käme der Bedarf für die Nebenkosten. Insgesamt würde auf diese Weise zur Überzeugung des Gerichts der aus dem Einkommen der Eltern nach Auffassung der Antragsgegnerin anzurechnende Betrag von 131,97 EUR monatlich aufgezehrt, so dass hierdurch der Bedarf der Antragstellerin nicht weiter eingeschränkt wird.
Nur bei einer derartigen Berechnung wird berücksichtigt, dass die Eltern die Antragstellerin kostenfrei bei sich wohnen lassen, weil sie offenbar ebenso wie die Antragstellerin der irrigen Annahme sind, dass der Abschluss eines Untermietvertrages innerhalb der Familie nicht zulässig sei.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar erhält sie Leistungen nach dem SGB II und ist insoweit auch krankenversichert. Die ihr nach überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Unrecht nicht gewährten Beträge liegen jedoch deutlich über 200 EUR pro Monat, so dass Eilbedürftigkeit gegeben und ein Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist.
Eine Bewilligung von Leistungen für die Zeit vor Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kommt nicht in Betracht. Mit der einstweiligen Anordnung soll eine gegenwärtige Notlage behoben werden. Das kann in der Regel nicht rückwirkend geschehen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Die Kostenverteilung entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Rechtsstreit. Die Antragstellerin obsiegt für die laufenden Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten, für den nach den gesetzlichen Vorgaben in der Regel Leistungen gewährt werden. Sie unterliegt für den Zeitraum von fünf Monaten, für den sie rückwirkend Leistungen beantragt hat.
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