Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 12/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für eine laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT).
Die am 00.00.1937 geborene Klägerin ist freiwilliges Mitglied der Beklagten und nimmt am Kostenerstattungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) teil.
Bei der Klägerin wurden im März 2004 Lebermetastasen nachgewiesen. Sie begab sich daraufhin in die ambulante Behandlung in das Klinikum der K-Universität in G. Dort wurde am 01.04.2004 eine LITT durchgeführt, eine erneute Behandlung fand am 29.04.2004 statt. Hierfür wurden der Klägerin insgesamt Kosten in Höhe von 10.846,19 EUR in Rechnung gestellt. Die private Zusatzversicherung der Klägerin, die Signal Iduna Krankenversicherungs-AG, hat ihr Kosten in Höhe von 4.338,48 EUR erstattet. Am 24.06.2004 beantragte die Klägerin unter Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen und Rechnungen die Kostenerstattung für die LITT.
Nach zwei gutachterlichen Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 06.08.2004 und 11.11.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenerstattung mit Bescheid vom 15.11.2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die gewünschte Behandlungs- bzw. Diagnostik-Methode nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sei. Die LITT stehe derzeit wieder auf der Liste der aktuellen Beratungsthemen des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft sei. Die Inanspruchnahme einer LITT sei unaufschiebbar gewesen, da die Tumorbehandlung nach Feststellung der Lebermetastasen umgehend hätte eingeleitet werden müssen. Die LITT sei Gegenstand des Überprüfungsverfahrens beim Gemeinsamen Bundesausschuss und in der medizinischen Fachwelt hinreichend anerkannt und akzeptiert. Auch die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme stehe im Vergleich zur operativen Tumorbehandlung außer Frage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führt unter anderem folgendes aus: Die Klägerin habe sich die Leistungen selbst beschafft, ohne zuvor sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Zwar nehme sie am Verfahren der Kostenerstattung teil, allerdings könne sich dies nur auf Vertragsleistungen beziehen. Bei der LITT handele es sich jedoch nicht um eine solche. Grundsätzlich sei zwar eine kurzfristige Behandlungsnotwendigkeit bei der Klägerin anzuerkennen; ein Notfall habe jedoch nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin läge auch kein Systemmangel vor, da es am wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis für die LITT fehle.
Am 23.02.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Vorverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass weder eine Operation, noch eine Chemotherapie aufgrund ihres damals geschwächten Allgemeinzustandes zumutbar gewesen wären.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid der Beklagten vom 15.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die LITT (anteilig) in Höhe von 6.507,52 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss müsse ein gewisses Zeitfenster zur Bewertung neuer Behandlungsmethoden eingeräumt werden. Von einer bewusst verzögerten Bewertung der LITT könne nicht ausgegangen werden. Auch würde ein Systemmangel nur dann vorliegen, wenn die Beratung verzögert erfolgte, obwohl die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode schon statistisch relevant nachgewiesen sei. Ein solcher Wirksamkeitsnachweis für die LITT fehle jedoch bisher.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte. Im Einzelnen wird auf Blatt 26 bis 68 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die am 01.04.2004 und 29.04.2004 durchgeführten LITT-Behandlungen.
Als Rechtsgrundlage der geltend gemachten Erstattungsforderung kommen sowohl § 13 Abs. 2 als auch § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Beide Vorschriften statuieren Ausnahmen, von dem die gesetzliche Krankenversicherung prägenden Sachleistungsgrundsatz (§ 2 Abs. 2 S. 1, § 13 Abs. 1 SGB V). Während § 13 Abs. 2 SGB V einer bestimmten Versichertengruppe generell die Möglichkeit einräumt, an Stelle von Dienst- oder Sachleistungen Kostenerstattung zu wählen, sich also auf eigene Rechnung behandeln und die entstandenen Kosten später in der durch Gesetz und Satzung festgelegten Höhe erstatten zu lassen, gibt § 13 Abs. 3 SGB V einen Kostenerstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung in Folge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Gemeinsam ist beiden Ansprüchen, dass sie an die Stelle eines an sich bestehenden Sachleistungsanspruchs treten und deshalb nicht weiter gehen können als dieser.
Die Klägerin hat als freiwilliges Mitglied der Beklagten Kostenerstattung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Da Kostenerstattung nur "an Stelle der Sach- oder Dienstleistung" erfolgt, dürfen Kosten nur für Leistungen vergütet werden, die auch als Sachleistung erbracht werden können. Es gilt damit der Leistungskatalog des § 11 SGB V (Kasseler Kommentar - Höfler, SGB V, § 13 Rnr. 24). Eine Erstattung von Kosten ist demnach ausgeschlossen, wenn die erbrachten Leistungen nicht dem in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V festgelegten medizinischen Standard entsprochen haben bzw. ihre Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit nicht in dem für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in § 135 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Verfahren festgestellt worden sein sollten. Bei der hier streitgegenständlichen LITT-Therapie handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V. Im Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin im April 2004 war sie nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung; es lag keine positive Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses zur LITT-Therapie vor. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 2 SGB V scheidet damit aus.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten die Kosten einer selbst beschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte (erste Fallgruppe) oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte (zweite Fallgruppe). Die Voraussetzungen der ersten Fallgruppe haben entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vorgelegen, denn sie hätte sich vor Inanspruchnahme der privatärztlichen Leistungen mit der Beklagten in Verbindung setzen und über die Möglichkeiten einer Behandlung auf Krankenschein bzw. Krankenversichertenkarte informieren können. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die umstrittenen Behandlungen unaufschiebbar im Sinne der gesetzlichen Regelung gewesen sind, ob sie also im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich waren, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand. Das ist nicht von vorn herein ausgeschlossen, denn die erste Fallgruppe erfasst nicht nur Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann. Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn für die erste Fallgruppe wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. § 13 Abs. 3 SGB V will lückenlos alle Sachverhalte der berechtigten Selbstbeschaffung von Leistungen in Fällen des Systemversagens erfassen. Bei seiner Auslegung müssen deshalb die Merkmale der beiden Fallgruppen so aufeinander abgestimmt werden, dass dieser Zweck erreicht wird. Daraus folgt, dass der Kostenerstattungsanspruch mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung nur begründet werden kann, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten. Im Fall der Klägerin waren die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Vor der Selbstbeschaffung hätte der Beklagten die Prüfung ermöglicht werden können, ob die Behandlung im Rahmen des vertragsärztlichen Versorgungssystems bereit gestellt werden konnte und, sofern dies nicht möglich war, wie Abhilfe zu schaffen sei. Gründe, die eine Selbstbeschaffung ohne Einschaltung der Krankenkasse rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Ebenso wenig kommt eine Kostenerstattung unter dem Gesichtspunkt einer Systemstörung bzw. eines Systemversagens in Frage. Die Beklagte hat die Kostenübernahme der streitigen Therapie zu Recht abgelehnt, weil die Klägerin keinen entsprechenden Sachleistungsanspruch bezüglich der streitigen Behandlungsmethode hatte. Bei der LITT handelt es sich um ein Therapieverfahren zur minimal-invasiven Behandlung von Tumoren bzw. Metastasen der Leber. Diese Behandlung unterliegt dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V. Die Leistungspflicht der Krankenkassen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden besteht so lange nicht, bis diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss als zweckmäßig anerkannt sind. Zum Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin lag eine solche Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht vor. Wurde über die Anerkennung einer neuen Methode ohne sachlichen Grund nicht oder nicht zeitgerecht entschieden, kann ausnahmsweise ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht kommen, wenn die Wirksamkeit der Methode festgestellt wird. Lässt sich die Wirksamkeit aus medizinischen Gründen nur begrenzt objektivieren, hängt die Einstandspflicht der Krankenkasse davon ab, ob sich die fragliche Methode in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat. Der Grundsatz des § 12 Abs. 1 SGB V verbietet es, die Erprobung neuer Methoden oder die medizinische Forschung zu den Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu rechnen. Der Ausschluss nicht anerkannter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 SGB V und die damit einhergehende Beschränkung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung verletzt kein Verfassungsrecht. Das Bundessozial-gericht (BSG) hat mit Urteil vom 28.03.2000 (BSGE 86, 54) entschieden, dass das Verbot des § 135 Abs. 1 SGB V auch in Fällen eines Systemmangels nur überwunden werden kann, wenn zum Behandlungszeitpunkt ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis vorlag, so dass eine positive Entscheidung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss veranlasst gewesen wäre. Eine Erweiterung oder Leistungspflicht der Krankenkassen auf Behandlungsmethoden, die sich erst im Stadium der Forschung oder Erprobung befinden und (noch) nicht dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, lässt das Gesetz auch bei schweren und vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheiten grundsätzlich nicht zu. Die danach geforderten wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise lagen im Jahr 2004 nicht vor. Der MDK hat in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.11.2004 darauf hingewiesen, dass die Durchführung von kontrollierten randomisierten Studien zum Stellenwert der LITT bei der hier gegebenen klinischen Situation mit Nachweis von intrahepatischen Metastasen, die nicht reseziert werden können, ausstehe. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Sitzung vom 18.10.2005 beschlossen, die LITT für den vertragsärztlichen Bereich als nicht anerkannte Behandlungsmethode einzustufen. Dieser Beschluss ist durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 12.01.2006 in Kraft getreten. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist bei der Überprüfung dieser Methode nach umfassender Recherche, Auswertung der internationalen wissenschaftlichen Literatur und Einbeziehung aller eingegangenen Stellungnahmen zu dem Ergebnis gekommen, dass der therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit einer LITT-Behandlung nicht belegt seien. Zu dem bringe das Verfahren erhebliche Risiken für die Patienten mit sich, schwerwiegende bis hin zu tödlichen Komplikationen zu erleiden. Die Kammer ist zudem der Auffassung, dass der Gemeinsame Bundesausschuss zeitgerecht über die hier streitige Behandlungsmethode beraten und entschieden hat.
Im Ergebnis bleibt deshalb festzuhalten, dass weder aus § 13 Abs. 2 noch aus § 13 Abs. 3 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch für die Klägerin hergeleitet werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für eine laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT).
Die am 00.00.1937 geborene Klägerin ist freiwilliges Mitglied der Beklagten und nimmt am Kostenerstattungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) teil.
Bei der Klägerin wurden im März 2004 Lebermetastasen nachgewiesen. Sie begab sich daraufhin in die ambulante Behandlung in das Klinikum der K-Universität in G. Dort wurde am 01.04.2004 eine LITT durchgeführt, eine erneute Behandlung fand am 29.04.2004 statt. Hierfür wurden der Klägerin insgesamt Kosten in Höhe von 10.846,19 EUR in Rechnung gestellt. Die private Zusatzversicherung der Klägerin, die Signal Iduna Krankenversicherungs-AG, hat ihr Kosten in Höhe von 4.338,48 EUR erstattet. Am 24.06.2004 beantragte die Klägerin unter Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen und Rechnungen die Kostenerstattung für die LITT.
Nach zwei gutachterlichen Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 06.08.2004 und 11.11.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenerstattung mit Bescheid vom 15.11.2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die gewünschte Behandlungs- bzw. Diagnostik-Methode nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sei. Die LITT stehe derzeit wieder auf der Liste der aktuellen Beratungsthemen des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft sei. Die Inanspruchnahme einer LITT sei unaufschiebbar gewesen, da die Tumorbehandlung nach Feststellung der Lebermetastasen umgehend hätte eingeleitet werden müssen. Die LITT sei Gegenstand des Überprüfungsverfahrens beim Gemeinsamen Bundesausschuss und in der medizinischen Fachwelt hinreichend anerkannt und akzeptiert. Auch die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme stehe im Vergleich zur operativen Tumorbehandlung außer Frage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führt unter anderem folgendes aus: Die Klägerin habe sich die Leistungen selbst beschafft, ohne zuvor sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Zwar nehme sie am Verfahren der Kostenerstattung teil, allerdings könne sich dies nur auf Vertragsleistungen beziehen. Bei der LITT handele es sich jedoch nicht um eine solche. Grundsätzlich sei zwar eine kurzfristige Behandlungsnotwendigkeit bei der Klägerin anzuerkennen; ein Notfall habe jedoch nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin läge auch kein Systemmangel vor, da es am wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis für die LITT fehle.
Am 23.02.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Vorverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass weder eine Operation, noch eine Chemotherapie aufgrund ihres damals geschwächten Allgemeinzustandes zumutbar gewesen wären.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid der Beklagten vom 15.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die LITT (anteilig) in Höhe von 6.507,52 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss müsse ein gewisses Zeitfenster zur Bewertung neuer Behandlungsmethoden eingeräumt werden. Von einer bewusst verzögerten Bewertung der LITT könne nicht ausgegangen werden. Auch würde ein Systemmangel nur dann vorliegen, wenn die Beratung verzögert erfolgte, obwohl die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode schon statistisch relevant nachgewiesen sei. Ein solcher Wirksamkeitsnachweis für die LITT fehle jedoch bisher.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte. Im Einzelnen wird auf Blatt 26 bis 68 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die am 01.04.2004 und 29.04.2004 durchgeführten LITT-Behandlungen.
Als Rechtsgrundlage der geltend gemachten Erstattungsforderung kommen sowohl § 13 Abs. 2 als auch § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Beide Vorschriften statuieren Ausnahmen, von dem die gesetzliche Krankenversicherung prägenden Sachleistungsgrundsatz (§ 2 Abs. 2 S. 1, § 13 Abs. 1 SGB V). Während § 13 Abs. 2 SGB V einer bestimmten Versichertengruppe generell die Möglichkeit einräumt, an Stelle von Dienst- oder Sachleistungen Kostenerstattung zu wählen, sich also auf eigene Rechnung behandeln und die entstandenen Kosten später in der durch Gesetz und Satzung festgelegten Höhe erstatten zu lassen, gibt § 13 Abs. 3 SGB V einen Kostenerstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung in Folge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Gemeinsam ist beiden Ansprüchen, dass sie an die Stelle eines an sich bestehenden Sachleistungsanspruchs treten und deshalb nicht weiter gehen können als dieser.
Die Klägerin hat als freiwilliges Mitglied der Beklagten Kostenerstattung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Da Kostenerstattung nur "an Stelle der Sach- oder Dienstleistung" erfolgt, dürfen Kosten nur für Leistungen vergütet werden, die auch als Sachleistung erbracht werden können. Es gilt damit der Leistungskatalog des § 11 SGB V (Kasseler Kommentar - Höfler, SGB V, § 13 Rnr. 24). Eine Erstattung von Kosten ist demnach ausgeschlossen, wenn die erbrachten Leistungen nicht dem in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V festgelegten medizinischen Standard entsprochen haben bzw. ihre Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit nicht in dem für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in § 135 Abs. 1 SGB V vorgesehenen Verfahren festgestellt worden sein sollten. Bei der hier streitgegenständlichen LITT-Therapie handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V. Im Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin im April 2004 war sie nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung; es lag keine positive Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses zur LITT-Therapie vor. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 2 SGB V scheidet damit aus.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten die Kosten einer selbst beschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte (erste Fallgruppe) oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte (zweite Fallgruppe). Die Voraussetzungen der ersten Fallgruppe haben entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vorgelegen, denn sie hätte sich vor Inanspruchnahme der privatärztlichen Leistungen mit der Beklagten in Verbindung setzen und über die Möglichkeiten einer Behandlung auf Krankenschein bzw. Krankenversichertenkarte informieren können. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die umstrittenen Behandlungen unaufschiebbar im Sinne der gesetzlichen Regelung gewesen sind, ob sie also im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich waren, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand. Das ist nicht von vorn herein ausgeschlossen, denn die erste Fallgruppe erfasst nicht nur Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann. Die medizinische Dringlichkeit ist indessen nicht allein ausschlaggebend. Denn für die erste Fallgruppe wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, darf die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. § 13 Abs. 3 SGB V will lückenlos alle Sachverhalte der berechtigten Selbstbeschaffung von Leistungen in Fällen des Systemversagens erfassen. Bei seiner Auslegung müssen deshalb die Merkmale der beiden Fallgruppen so aufeinander abgestimmt werden, dass dieser Zweck erreicht wird. Daraus folgt, dass der Kostenerstattungsanspruch mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung nur begründet werden kann, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten. Im Fall der Klägerin waren die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Vor der Selbstbeschaffung hätte der Beklagten die Prüfung ermöglicht werden können, ob die Behandlung im Rahmen des vertragsärztlichen Versorgungssystems bereit gestellt werden konnte und, sofern dies nicht möglich war, wie Abhilfe zu schaffen sei. Gründe, die eine Selbstbeschaffung ohne Einschaltung der Krankenkasse rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Ebenso wenig kommt eine Kostenerstattung unter dem Gesichtspunkt einer Systemstörung bzw. eines Systemversagens in Frage. Die Beklagte hat die Kostenübernahme der streitigen Therapie zu Recht abgelehnt, weil die Klägerin keinen entsprechenden Sachleistungsanspruch bezüglich der streitigen Behandlungsmethode hatte. Bei der LITT handelt es sich um ein Therapieverfahren zur minimal-invasiven Behandlung von Tumoren bzw. Metastasen der Leber. Diese Behandlung unterliegt dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V. Die Leistungspflicht der Krankenkassen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden besteht so lange nicht, bis diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss als zweckmäßig anerkannt sind. Zum Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin lag eine solche Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht vor. Wurde über die Anerkennung einer neuen Methode ohne sachlichen Grund nicht oder nicht zeitgerecht entschieden, kann ausnahmsweise ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht kommen, wenn die Wirksamkeit der Methode festgestellt wird. Lässt sich die Wirksamkeit aus medizinischen Gründen nur begrenzt objektivieren, hängt die Einstandspflicht der Krankenkasse davon ab, ob sich die fragliche Methode in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat. Der Grundsatz des § 12 Abs. 1 SGB V verbietet es, die Erprobung neuer Methoden oder die medizinische Forschung zu den Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu rechnen. Der Ausschluss nicht anerkannter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 SGB V und die damit einhergehende Beschränkung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung verletzt kein Verfassungsrecht. Das Bundessozial-gericht (BSG) hat mit Urteil vom 28.03.2000 (BSGE 86, 54) entschieden, dass das Verbot des § 135 Abs. 1 SGB V auch in Fällen eines Systemmangels nur überwunden werden kann, wenn zum Behandlungszeitpunkt ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis vorlag, so dass eine positive Entscheidung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss veranlasst gewesen wäre. Eine Erweiterung oder Leistungspflicht der Krankenkassen auf Behandlungsmethoden, die sich erst im Stadium der Forschung oder Erprobung befinden und (noch) nicht dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, lässt das Gesetz auch bei schweren und vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheiten grundsätzlich nicht zu. Die danach geforderten wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise lagen im Jahr 2004 nicht vor. Der MDK hat in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.11.2004 darauf hingewiesen, dass die Durchführung von kontrollierten randomisierten Studien zum Stellenwert der LITT bei der hier gegebenen klinischen Situation mit Nachweis von intrahepatischen Metastasen, die nicht reseziert werden können, ausstehe. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Sitzung vom 18.10.2005 beschlossen, die LITT für den vertragsärztlichen Bereich als nicht anerkannte Behandlungsmethode einzustufen. Dieser Beschluss ist durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 12.01.2006 in Kraft getreten. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist bei der Überprüfung dieser Methode nach umfassender Recherche, Auswertung der internationalen wissenschaftlichen Literatur und Einbeziehung aller eingegangenen Stellungnahmen zu dem Ergebnis gekommen, dass der therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit einer LITT-Behandlung nicht belegt seien. Zu dem bringe das Verfahren erhebliche Risiken für die Patienten mit sich, schwerwiegende bis hin zu tödlichen Komplikationen zu erleiden. Die Kammer ist zudem der Auffassung, dass der Gemeinsame Bundesausschuss zeitgerecht über die hier streitige Behandlungsmethode beraten und entschieden hat.
Im Ergebnis bleibt deshalb festzuhalten, dass weder aus § 13 Abs. 2 noch aus § 13 Abs. 3 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch für die Klägerin hergeleitet werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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