Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 9 AL 99/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 36/05 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Rahmen des Prozesskostenhilferechts ist ein Rechtsanwalt, der seinen Sitz im Bezirk des Sozialgerichts hat, aber außerhalb der politischen Gemeinde, zu der das Sozialgericht gehört, ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen. Ob Reisekosten zu vergüten sind, kann trotz der bedingungslosen Beiordnung im Einzelfall geprüft werden. Die Fahrt zum Gerichtstermin wird wegen des stark vom Mündlichkeitsprinzips geprägten sozialgerichtlichen Verfahrens regelmäßig sachdienlich sein.
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 wird abgeändert.
Dem Kläger wird Rechtsanwalt H. –J. B. aus B. zur Wahrnehmung seiner Interessen ohne die Beschränkung auf die Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich im Ausgangsverfahren gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten. Auf seinen Antrag bewilligte ihm das Sozialgericht Dessau mit Beschluss vom 23. Mai 2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus B. zu den Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 10. Juni 2005 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer berechtigt sei, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens mit Sitz im Landkreis B. beizuziehen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21. Juni 2005 nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer trägt vor, einer im Landkreis B. wohnenden Partei müsse es erlaubt sein, einen Anwalt in der Nähe ihres Wohnsitzes zu beauftragen. Andernfalls würden Rechtsanwälte, die nicht am Sitz des Gerichts ihre Kanzlei betrieben, benachteiligt. Die Fahrtkosten könnten die Erlöse aus der anwaltlichen Tätigkeit übersteigen. Es sei auch sinnvoll, dass der im Landkreis des Beschwerdeführers wohnende Prozessbevollmächtigte persönlich zum Termin erscheine und nicht einen in Dessau ansässigen Prozessbevollmächtigten als Korrespondenzanwalt beauftrage. Der Sachbearbeiter sei regelmäßig intensiver in den Fall eingearbeitet, als dies der am Gerichtsort ansässige Terminsbevollmächtigte sein werde. Bei Gewährung der Fahrtkosten könne der Prozess effektiver und zielführender verhandelt werden, was wiederum der Entlastung der Gerichte diene.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 abzuändern und Rechtsanwalt B. ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen beizuordnen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass die Reisekosten eines beigeordneten Rechtsanwalts nur zu vergüten seien, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich seien. Hierbei sei weiterhin der allgemeine Kostengrundsatz möglichst niedriger Auslagen zu beachten, denn es könne kein Unterschied bestehen zwischen der Kostenpflicht der Landeskasse und der Kostenpflicht einer unterliegenden Partei. Im Einzelfall könne der als ortsansässig beigeordnete Anwalt vorab feststellen lassen, dass eine bestimmte Reise zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich sei, um damit einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten zu erwirken.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte des Sozialgerichts Dessau und die Beschwerdeakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 ist zulässig. Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidung des Sozialgerichts die Beschwerde an das Landessozialgericht statt. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde form- und fristgerecht im Sinne des § 173 Abs. 1 SGG erhoben. Das Sozialgericht hat ihr nicht abgeholfen (vgl. § 174 SGG). Die Beschwerde ist begründet. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzung hat das Sozialgericht bejaht und deshalb die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt. Die grundsätzliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist hier nicht streitig.
Der Beschluss des Sozialgerichts ist lediglich insoweit abzuändern, als dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt B. in B. unter der Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet worden ist.
§ 121 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Auf die Sozialgerichtsbarkeit ist diese Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar, weil es keine Zulassung von Rechtsanwälten zu einem Sozialgericht gibt. Rechtsanwälte werden vielmehr zu einem oder mehreren Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugelassen (§§ 19 ff. der Bundesrechtsanwaltsordnung – BRAO).
§ 121 Abs. 3 ZPO steht der bedingungslosen Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht entgegen, wenn dieser seinen Sitz im Gerichtsbezirk hat, aber außerhalb der politischen Gemeinde, zu der das Amtsgericht seiner Zulassung gehört. Die Zulassung zum Amtsgericht und zum Landgericht ist nämlich nicht auf den Sitz des Gerichts beschränkt. Es genügt, wenn der Rechtsanwalt in einer Gemeinde seine Kanzlei betreibt, die im Bezirk des Amtsgerichts seiner Zulassung liegt (§ 27 Abs. 3 BRAO). Die entsprechende Anwendung von § 121 Abs. 3 ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren erlaubt die Beiordnung eines Rechtsanwalts, der im Sozialgerichtsbezirk seinen Sitz hat, ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts.
Die Entscheidung des Senats vom 26. Mai 2005 - L 2 B 22/04 - steht dem nicht entgegen, weil darin über die Bedingungen zu befinden war, unter denen ein auswärtiger, in einem anderen Bundesland ansässiger Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 46 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Dieser sieht – anders als § 126 BRAGO – nur noch vor, dass Auslagen, insbesondere Reisekosten, nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren; er stellt nicht darauf ab, ob die Kosten durch den Ort der Zulassung des beigeordneten Rechtsanwalts verursacht sind.
Die bedingungslose Beiordnung eines Rechtsanwalts bedeutet nicht, dass die Rechtsanwaltsvergütung sich nicht nach dem Prinzip der Sparsamkeit in § 46 RVG richten müsste. Über die Sachdienlichkeit von Verfahrenshandlungen kann nur im Einzelfall entschieden werden. Die Fahrt zum Gerichtstermin wird zwar im sozialgerichtlichen Verfahren, das kein Versäumnisurteil kennt, aber sehr stark vom Mündlichkeitsprinzip geprägt ist, meist sachdienlich sein (vgl. von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, § 46 Rdnr. 23). Trotz der Beiordnung eines Rechtsanwalts ohne Beschränkung auf die Kosten eines ortsansässigen Rechtsanwalts darf die Prüfung der Erforderlichkeit im Einzelfall nicht unterbleiben.
Die Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar. Auf § 178 a SGG wird hingewiesen.
Dem Kläger wird Rechtsanwalt H. –J. B. aus B. zur Wahrnehmung seiner Interessen ohne die Beschränkung auf die Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich im Ausgangsverfahren gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten. Auf seinen Antrag bewilligte ihm das Sozialgericht Dessau mit Beschluss vom 23. Mai 2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus B. zu den Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 10. Juni 2005 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer berechtigt sei, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens mit Sitz im Landkreis B. beizuziehen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21. Juni 2005 nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschwerdeführer trägt vor, einer im Landkreis B. wohnenden Partei müsse es erlaubt sein, einen Anwalt in der Nähe ihres Wohnsitzes zu beauftragen. Andernfalls würden Rechtsanwälte, die nicht am Sitz des Gerichts ihre Kanzlei betrieben, benachteiligt. Die Fahrtkosten könnten die Erlöse aus der anwaltlichen Tätigkeit übersteigen. Es sei auch sinnvoll, dass der im Landkreis des Beschwerdeführers wohnende Prozessbevollmächtigte persönlich zum Termin erscheine und nicht einen in Dessau ansässigen Prozessbevollmächtigten als Korrespondenzanwalt beauftrage. Der Sachbearbeiter sei regelmäßig intensiver in den Fall eingearbeitet, als dies der am Gerichtsort ansässige Terminsbevollmächtigte sein werde. Bei Gewährung der Fahrtkosten könne der Prozess effektiver und zielführender verhandelt werden, was wiederum der Entlastung der Gerichte diene.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 abzuändern und Rechtsanwalt B. ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines in Dessau ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen beizuordnen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass die Reisekosten eines beigeordneten Rechtsanwalts nur zu vergüten seien, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich seien. Hierbei sei weiterhin der allgemeine Kostengrundsatz möglichst niedriger Auslagen zu beachten, denn es könne kein Unterschied bestehen zwischen der Kostenpflicht der Landeskasse und der Kostenpflicht einer unterliegenden Partei. Im Einzelfall könne der als ortsansässig beigeordnete Anwalt vorab feststellen lassen, dass eine bestimmte Reise zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich sei, um damit einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten zu erwirken.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte des Sozialgerichts Dessau und die Beschwerdeakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 23. Mai 2005 ist zulässig. Nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen die Entscheidung des Sozialgerichts die Beschwerde an das Landessozialgericht statt. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde form- und fristgerecht im Sinne des § 173 Abs. 1 SGG erhoben. Das Sozialgericht hat ihr nicht abgeholfen (vgl. § 174 SGG). Die Beschwerde ist begründet. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzung hat das Sozialgericht bejaht und deshalb die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt. Die grundsätzliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist hier nicht streitig.
Der Beschluss des Sozialgerichts ist lediglich insoweit abzuändern, als dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt B. in B. unter der Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet worden ist.
§ 121 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Auf die Sozialgerichtsbarkeit ist diese Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar, weil es keine Zulassung von Rechtsanwälten zu einem Sozialgericht gibt. Rechtsanwälte werden vielmehr zu einem oder mehreren Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugelassen (§§ 19 ff. der Bundesrechtsanwaltsordnung – BRAO).
§ 121 Abs. 3 ZPO steht der bedingungslosen Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht entgegen, wenn dieser seinen Sitz im Gerichtsbezirk hat, aber außerhalb der politischen Gemeinde, zu der das Amtsgericht seiner Zulassung gehört. Die Zulassung zum Amtsgericht und zum Landgericht ist nämlich nicht auf den Sitz des Gerichts beschränkt. Es genügt, wenn der Rechtsanwalt in einer Gemeinde seine Kanzlei betreibt, die im Bezirk des Amtsgerichts seiner Zulassung liegt (§ 27 Abs. 3 BRAO). Die entsprechende Anwendung von § 121 Abs. 3 ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren erlaubt die Beiordnung eines Rechtsanwalts, der im Sozialgerichtsbezirk seinen Sitz hat, ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts.
Die Entscheidung des Senats vom 26. Mai 2005 - L 2 B 22/04 - steht dem nicht entgegen, weil darin über die Bedingungen zu befinden war, unter denen ein auswärtiger, in einem anderen Bundesland ansässiger Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 46 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Dieser sieht – anders als § 126 BRAGO – nur noch vor, dass Auslagen, insbesondere Reisekosten, nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren; er stellt nicht darauf ab, ob die Kosten durch den Ort der Zulassung des beigeordneten Rechtsanwalts verursacht sind.
Die bedingungslose Beiordnung eines Rechtsanwalts bedeutet nicht, dass die Rechtsanwaltsvergütung sich nicht nach dem Prinzip der Sparsamkeit in § 46 RVG richten müsste. Über die Sachdienlichkeit von Verfahrenshandlungen kann nur im Einzelfall entschieden werden. Die Fahrt zum Gerichtstermin wird zwar im sozialgerichtlichen Verfahren, das kein Versäumnisurteil kennt, aber sehr stark vom Mündlichkeitsprinzip geprägt ist, meist sachdienlich sein (vgl. von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, § 46 Rdnr. 23). Trotz der Beiordnung eines Rechtsanwalts ohne Beschränkung auf die Kosten eines ortsansässigen Rechtsanwalts darf die Prüfung der Erforderlichkeit im Einzelfall nicht unterbleiben.
Die Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar. Auf § 178 a SGG wird hingewiesen.
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