L 4 B 7/05 SF

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 6 KR 97/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 B 7/05 SF
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist im sozialgerichtlichen Verfahren auch dann zulässig, wenn es sich um einen gerichtskostenpflichtigen Rechtsstreit handelt. Die Vereinbarung über die Verteilung der Kostenlast in einem außergerichtlichen Vergleich bindet die Vertragspartner ebenso wie der materiellrechtliche Teil des Vergleichs.
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau vom 30. Dezember 2004 wird abgeändert.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Gerichtskosten tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird mit 1.849,69 EUR
festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens stritten über die Höhe einer Forderung der Beschwerdeführerin gegen die Beschwerdegegnerin auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Zahlungsmodalitäten. Das Verfahren wurde in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien nach einem außergerichtlichen Vergleich beendet. Unter Punkt 3 des Vergleiches heißt es: "Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben."

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2004 hat das Sozialgericht Dessau entschieden:

Der Streitwert wird auf 32.448,19 EUR festgesetzt. Die Kosten haben die Beschwerdegegnerin zu 1/4 und die Beschwerdeführerin zu 3/4 zu tragen.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes sei nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Aus dem Inhalt des Vergleiches ergebe sich die Kostenquotelung.

Gegen den ihr am 7. Januar 2005 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 21. Januar 2005 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht Dessau hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1. Februar 2005 nicht abgeholfen, weil diese nicht zulässig sei, und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Begründung hat die Beschwerdeführerin erklärt, das Verfahren sei durch einen Vergleich erledigt worden, der bestimmt habe, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben würden. Das heiße, dass die Parteien je 50 v. H. der reinen Gerichtskosten zahlten und die Rechtsanwalts- und Nebenkosten jede Partei selbst zu tragen habe.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Kostenbeschluss vom 30. Dezember 2004 aufzuheben und zu entscheiden, dass die Kosten entsprechend dem Vergleich zu tragen seien.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Beschwerde für unzulässig, weil nach § 197a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 158 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ein Rechtsmittel gegen den Beschluss nicht vorgesehen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte des Sozialgerichts (S 6 KR 98/03 ER) und die Beschwerdeakte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Nach § 197a Abs. 1 Halbsatz 2 SGG sind auf das Verfahren, wenn keine der nach § 183 SGG privilegierten Personen als Kläger oder Beschwerdeführerin teilnimmt, für die Kostengrundentscheidung die §§ 154 bis 162 VwGO anzuwenden. Die Beschwerdegegnerin gehört nicht zu den nach § 183 SGG privilegierten Personen. Nach § 183 Satz 1 SGG in der ab 2. Januar 2002 geltenden Fassung ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die Beschwerdegegnerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und streitet mit der Beschwerdeführerin über die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages für ihre Arbeitnehmer. Auf sie ist deshalb nicht § 183, sondern § 197a SGG anzuwenden.

Die Verweisung in § 197a Abs. 1 SGG erfasst auch § 158 Abs. 2 VwGO. Dieser bestimmt, dass die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar ist, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist. Das ist hier der Fall. Der Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit für Verfahren, die gerichtskostenpflichtig sind, hätte im sozialgerichtlichen Verfahren zur Folge, dass die Kostenentscheidung, die wegen der Gerichtskosten für den Kostenschuldner belastender ist, nicht mit der Beschwerde angegangen werden kann, während die hinsichtlich der Kosten privilegierten Personen des § 183 SGG und die an diesen Verfahren beteiligten Sozialleistungsträger die nach § 193 SGG ergangene isolierte Kostenentscheidung anfechten können (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002 § 197a Rdnr. 21). § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf deshalb einer einschränkenden Auslegung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. August 2003 - L 5 B 25/03 KR - Breithaupt 2003, S. 877 m.w.N; ebenso LSG Berlin, Beschluss vom 28. April 2004 - L 6 B 44/03 AL ER - SGB 2500 S. 55; Knittel in Hennig, SGG, Stand: September 2002, § 197a Rdnr. 17; a. A. LSG Celle, Beschluss vom 6. Oktober 2004 - L 3 B 79/03 KA – Breithaupt 2005 S. 446; HessLSG, Beschluss vom 29. März 2004 - L 14 B 55/03 P; Meyer-Ladewig, a.a.O. hält nur Gegenvorstellungen für zulässig). Die Gesetzesmaterialien zu § 197a SGG enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber die Absicht gehabt hat, durch die Änderung des Kostenrechts für bestimmte sozialgerichtliche, nunmehr gerichtskostenpflichtige Verfahren die Beschwerdemöglichkeit gegen die isolierte Kostengrundentscheidung des Sozialgerichts auszuschließen. Die Anwendung von § 158 Abs. 2 VwGO in den von § 197a SGG erfassten Verfahren führte zu einem Widerspruch innerhalb des sozialgerichtlichen Verfahrensrechts, wenn die gerichtskostenpflichtigen Verfahren entgegen § 172 SGG von der Beschwerdemöglichkeit gegen die isolierte Kostengrundentscheidung ausgeschlossen wären. Die unterschiedliche Behandlung der Beteiligten, je nachdem ob ein Rechtsstreit gerichtskostenpflichtig ist oder nicht, ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Kostenvorschriften nach der VwGO zumeist nur an das Unterliegen oder Obsiegen in der Hauptsache anknüpften (so das LSG Celle, a.a.O.). Für die Kostenentscheidung, die nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache notwendig wird, gilt dies gerade nicht. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO sieht vor, dass in diesen Fällen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden ist.

Die Beschwerde hat auch Erfolg. Im Ausgangsrechtsstreit ging es um die Höhe der von der Beschwerdegegnerin zu zahlenden Beitragssumme nach einem teilerlassenden Vergleich und um die Frage der sofortigen Vollstreckung. Der Vergleich, den die Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits geschlossen haben, sieht vor, dass die Kosten gegeneinander aufzuheben sind. Mit dieser Formulierung ist gemeint, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben und sie die Gerichtskosten je zur Hälfte tragen. Diese vertragliche Kostenregelung ist für die Beteiligten ebenso bindend wie der materiellrechtliche Teil des Vergleichs (HessLSG, Beschluss vom 9. April 2002 – L 13 B 98/00 RJ). Sie haben sich mit dem Vergleichsabschluss verpflichtet, die Gerichtskosten je zur Hälfte zu tragen und keine gegenseitigen Kostenforderungen zu erheben. Für eine abweichende gerichtliche Entscheidung ist demgegenüber kein Grund ersichtlich.

Das Sozialgericht Dessau hat seine Entscheidung auch nicht weiter begründet, sondern nur auf das Ergebnis des Verfahrens verwiesen. Das Ergebnis des Verfahrens ist jedoch ein außergerichtlicher Vergleich mit einer Kostenverpflichtung. Für diesen gilt zwar § 195 SGG nicht, wonach jeder Beteiligte seine Kosten zu tragen hat, wenn in einem gerichtlichen Vergleich keine Bestimmung über die Kosten getroffen worden ist. Aus dieser Regelung kann jedoch geschlossen werden, dass nach der gesetzlichen Wertung bei der Beendigung eines Rechtsstreits durch Vergleich eine Kostenregelung, wie sie die Beteiligten in dem außergerichtlichen Vergleich festgelegt haben, als grundsätzlich angemessen anzusehen ist. Bedenken gegen die vereinbarte Kostenverteilung sind nicht ersichtlich. Auch die Beschwerdegegnerin hat solche Einwände nicht vorgetragen. Im Verfahren vor dem Sozialgericht Dessau hat auch keine Partei einen Antrag auf eine Kostenentscheidung gestellt.

Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau war abzuändern und zu entscheiden, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben und beide die Gerichtskosten je zur Hälfte tragen.

Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat das Gericht mit 1.849,69 EUR festgesetzt. Nach § 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), das hier noch in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), anzuwenden ist (Art. 1 § 72 Nr. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts – Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG – vom 5. Mai 2004 – BGBl. I S. 718), ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert vorbehaltlich der folgenden Vorschriften nach der sich aus dem Antrag der Beschwerdeführerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 4.000,00 EUR anzunehmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 13 Abs. 2 GKG). Die Bedeutung der Sache für die Beschwerdeführerin entspricht in der Regel ihrem wirtschaftlichen Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen.

Der Gegenstandswert richtet sich hier nach dem Antrag der Beschwerdeführerin, mit dem sie erreichen will, dass die Kosten des Hauptsacheverfahrens gegeneinander aufgehoben werden, d. h. dass jede Partei ihre eigenen Kosten ganz und die Gerichtskosten zur Hälfte trägt. Sie wendet sich nicht dagegen, dass sie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, sie möchte lediglich, dass die Beschwerdegegnerin - entsprechend dem abgeschlossenen Vergleich - die Hälfte der Gerichtskosten und ihre eigenen Kosten ganz übernimmt.

Nach § 22 Abs. 3 GKG ist für den Streitwert der Betrag der Kosten maßgebend, wenn die Prozesshandlung die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betrifft. Da die Beschwerdegegnerin anwaltlich vertreten war, sind Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zunächst ein Viertel der Gerichtskosten aus dem Ausgangsstreitwert von 32.448,19 EUR und die Anwaltskosten. Nach Nr. 4110 des Kostenverzeichnisses zum GKG entfällt bei Rücknahme der Klage vor Ablauf des Tages, an dem ein Beweisbeschluss, eine Anordnung einer Beweiserhebung oder ein Gerichtsbescheid unterschrieben ist und früher als eine Woche vor Beginn des Tages, der für die mündliche Verhandlung vorgesehen war, die Verfahrensgebühr. Für den Beschluss nach § 197a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO entsteht eine Gebühr in Höhe von 1,5. Diese Gebühr beträgt aus dem Ausgangsstreitwert von 32.448,19 EUR 830,25 EUR. Da nur die Übernahme eines Viertels der Gerichtskosten im Streit steht, ist der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens aus der Gerichtsgebühr auf 207,56 EUR festzusetzen. Dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin steht eine Prozessgebühr zu, die aus dem Hauptsachestreitwert 747,00 EUR beträgt (§ 116 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung - BRAGO). Da das Verfahren durch Vergleich beendet worden ist, kann er zusätzlich eine Vergleichsgebühr in Höhe von 1.120,50 EUR beanspruchen (§ 23 BRAGO). Hinzu kommen die Postpauschale und die Mehrwertsteuer, insgesamt 2.189,50 EUR (§§ 25 Abs. 2, 26 BRAGO). Da nur die Übernahme von drei Viertel der Anwaltskosten im Streit steht, ist der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf insgesamt 1.849,69 EUR (207,56 EUR + 1.642,13 EUR) festzusetzen.

Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar. Auf § 178a SGG wird hingewiesen.
Rechtskraft
Aus
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