L 12 KA 657/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 1570/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 657/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. September 2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2003 abgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten und die Gerichtskosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die gegen ihn verhängte Disziplinarmaßnahme in Form einer Verwarnung wegen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten. Der Kläger ist seit April 2000 in B. als Frauenarzt niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit 15. April 2000 übt der Kläger die vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr.S. aus. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 hat die Beklagte diejenigen Frauenärzte bzw. Frauenärztinnen, die IVF/ICSI-Leistungen und/ oder Behandlungen bei Männern durchführen, darauf hingewiesen, dass für den Zeitraum ab 1. Januar 2002 (Quartal 1/02) der Vorstand beschlossen habe, dass bei Männerbehandlungen im Rahmen der Maßnahmen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung von IVF-Praxen nur noch ausschließlich die EBM-Nr. 1184 (a.F.) zu Lasten der GKV in Ansatz gebracht werden könne. Zur Behandlung von Männern durch Gynäkologen wurde festgehalten, dass aufgrund der derzeitigen Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns und der dazugehörigen Richtlinien die gesamte Andrologie und die Untersuchung und Behandlung von Männern für den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe eindeutig fachfremd sei. Die Techniker Krankenkasse hatte der Beklagten bereits zuvor mit Schreiben vom 22. Februar 2001 mitgeteilt, dass der Kläger und Frau Dr.S. in ihrer Gemeinschaftspraxis für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Zentrum für Reproduktionsmedizin, die Patienten im Vorfeld dahingehend aufklären würden, dass die im Rahmen der künstlichen Befruchtung für die Untersuchung des Spermas anfallenden Kosten privat zu liquidieren seien und Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durch das IVF-Zentrum nur noch dann durchgeführt würden, wenn die Spermauntersuchung von dem Kläger und nicht von einem anderen Arzt durchgeführt werde. Die Techniker Krankenkasse hat mit weiterem Schreiben vom 22. Februar 2002 der Beklagten mitgeteilt, dass mehrere Versicherte von der Krankenkasse die Rückerstattung von Privatliquidationen des Klägers für Spermauntersuchungen im Zusammenhang mit geplanten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verlangen würden. Die Versicherten seien vorher darüber aufgeklärt worden, dass sie diese Untersuchung selber zahlen müssten, allerdings sei ihnen in diesem Zusammenhang sinngemäß auch klar gemacht worden, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durch das IVF-Zentrum nur dann durchgeführt würden, wenn dort auch die Spermauntersuchung vom Kläger und nicht durch einen anderen Arzt (Urologen) gemacht würde. Daraufhin wurden der Kläger und seine Gemeinschaftspraxispartnerin durch die Beklagte mit Schreiben vom 2. April 2002 nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass die gesamte Andrologie, die Untersuchung einschließlich der Laborleistungen und Behandlung von Männern für den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe aufgrund der eindeutigen Gebietsdefinition fachfremd sei. Entsprechendes gelte diesbezüglich für die von dem Patienten gewünschten privatärztlichen Leistungen, Wunschbehandlungen bzw. IGEL-Leistungen. Im Rahmen dieser sog. Wunschbehandlung dürfe der Arzt ebenfalls nur die Leistungen erbringen und privat in Rechnung stellen, die in sein Fachgebiet fallen würden, da er sonst mittels Privatabrechnung Honorar für fachfremde Leistungen erhalten würde. Dies sei eine unzulässige Umgehung der Fachgebietsregelung des § 21 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns. Das Verbot der fachfremden Tätigkeit als allgemeine Richtlinie lasse in besonderen Fällen nur dann Ausnahmen zu, wenn ein Notfall vorliege oder wenn die Kassenärztliche Vereinigung aus Gründen der Sicherstellung die fachfremde Tätigkeit genehmige. Derartige Ausnahmen lägen jedoch hinsichtlich der serologischen Diagnostik einschließlich der Spermauntersuchung bei männlichen Patienten durch einen als Frauenarzt zugelassenen Facharzt eindeutig nicht vor. Der Kläger werde daher aufgefordert, die Diagnostik- und Untersuchungsleistungen wegen Überschreitung der Fachgebietsgrenzen zu unterlassen und die männlichen Patienten an einen anderen Gebietsarzt (Urologen, Internisten) zu verweisen. Die AOK Bayern teilte mit Schreiben vom 28. März 2003 mit, dass der Kläger bei dem Patienten M. B. (B.), geboren am 1966, eine Behandlung durchgeführt und diesem privat in Rechnung gestellt habe (Untersuchung und Aufbereitung des Spermas). Der Kläger habe keine schriftliche Zustimmung gemäß § 18 Abs.1 Nrn.2 und 3 BMV-Ä bei dem Mitglied eingeholt und nicht auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen. Zu diesem Fall wurde der Kläger von der Beklagten um Stellungnahme gebeten. Hierzu ließ der Kläger durch seine Anwälte mit Schriftsatz vom 25. April 2003 mitteilen, dass im Falle des Patienten B. eine sehr schwierige Ausnahmesituation vorgelegen habe, in der der Kläger mit Einverständnis des vorbehandelnden Urologen als Spezialist hinzugezogen worden sei. Der Patient B. bestätige in der beiliegenden schriftlichen Stellungnahme vom 22. April 2003, dass der Wunsch zur Behandlung durch den Kläger von ihm und seinem Urologen ausgegangen sei. Bei Aufnahme der Behandlung sei der Patient B. darauf hingewiesen worden, dass die gewünschten Leistungen in der frauenärztlichen Gemeinschaftspraxis bei ihm nicht zu Lasten der GKV abgerechnet werden könnten und er deshalb eine Privatrechnung bekomme. Vor diesem Hintergrund sei die Androhung von disziplinarischen Maßnahmen nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6. August 2003 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger wegen rechtswidriger Fachgebietsüberschreitung beantragt. Der Kläger hat hierzu durch seine Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29. September 2003 vorgetragen, dass die Frage, ob die vom Kläger durchgeführten Untersuchungen von Sperma bzw. Blut der Ehemänner der von ihm behandelten Paare für einen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit fakultativer Weiterbildung gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin fachfremd seien, höchst umstritten sei. Nachdem die Beklagte an ihrem Standpunkt, dass diese Behandlungen fachfremd seien, festgehalten habe und die vom Kläger ordnungsgemäß erbrachten Leistungen regelmäßig sachlich-rechnerisch richtig gestellt habe, sei dem Kläger letztlich nur der Weg geblieben, diese Leistungen privat abzurechnen. Der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe seine Patienten genötigt, die Privatliquidation beim Ehemann des zu behandelnden Paares zu akzeptieren, sei unzutreffend. Zu berücksichtigen sei auch, dass es bislang in Bayern geschweige denn im Bezirk Oberfranken keinen einzigen Urologen mit einer Genehmigung nach § 121a SGB V gebe. Der Kläger halte es schließlich für ausgesprochen unglücklich, den Fall des Patienten B. zum Anlass für ein disziplinarisches Verfahren zu nehmen. Es handle sich hier um einen ausgesprochen komplizierten Fall, der in der Region nur vom Kläger habe durchgeführt werden können. Die Beklagte hat mit Disziplinarbescheid vom 12. November 2003 gegen den Kläger eine Disziplinarmaßnahme in Form einer Verwarnung festgesetzt zuzüglich einer Gebühr in Höhe von 767,00 EUR. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beklagte auch für die Frage zuständig, ob der Kläger fachfremde Leistungen erbringen und privat abrechnen dürfe. Nach der auch vom Bundessozialgericht vertretenen Auffassung seien alle Gesetzes- und Normverstöße, die im Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Tätigkeit begangen würden, relevante Pflichtverstöße im Rahmen des Disziplinarverfahrens. Darüber hinaus existiere auch ein Beschluss der Beklagten vom 28. September 2001 zum Abrechnungsausschluss andrologischer Leistungen durch den Gynäkologen. Es stehe zur Überzeugung des Ausschusses fest, dass der Kläger die Fachgebietsgrenzen nach § 21 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns (WBO) überschritten habe, indem er bei dem GKV-Patienten B. eine Behandlung (Untersuchung und Aufbereitung des Spermas) durchgeführt und diesem privat in Rechnung gestellt habe. Der Sachverhalt stehe aufgrund der dem Ausschuss vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Rechnung vom 28. Februar 2003 an den Patienten B. fest. Soweit es um die Fachfremdheit der erbrachten Leistungen für den Kläger als Frauenarzt gehe, schließe sich der Ausschuss den Ausführungen der Bayer. Landesärztekammer an, die diese in ihrem Schreiben an das Sozialgericht München vom 25. April 2003 vertrete. Sämtliche Untersuchungen des männlichen Spermas würden dem Gynäkologen durch die normativ geregelte Adnexleistung der Ziffer 1184 BMÄ/E-GO (a.F.) vergütet. Weitere Untersuchungsleistungen des Spermas könnten in diesem Zusammenhang nicht abgerechnet werden, da sie als Teilleistung enthalten seien. Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt. Er sei mit Schreiben des KVB-Kompetenzzentrums Gynäkologie vom 10. Oktober 2001 eindeutig darauf hingewiesen worden, dass die gesamte Andrologie und die Untersuchung und Behandlung von Männern für den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe fachfremd sei. Darüber hinaus seien dem Kläger die Leistungen, die er bei der Behandlung von Männern erbracht habe, regelmäßig in seinen Abrechnungen im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung abgesetzt worden. Zum Zeitpunkt der Behandlung des Patienten B. habe der Kläger demnach gewusst, dass es sich um fachfremde Leistungen handle. Dennoch habe er diese erbracht und privat - weil er gewusst habe, dass diese ihm andernfalls aus seiner GKV-Abrechnung abgesetzt würden - in Rechnung gestellt. Er habe damit vorsätzlich gegen die Weiterbildungsordnung und die Vorgaben des Vorstandes der Beklagten verstoßen. Zu Gunsten des Klägers habe der Ausschuss gewertet, dass der Kläger bislang disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Der Ausschuss habe darüber hinaus im hier verfahrensgegenständlichen Fall sehr zu Gunsten des Klägers gewertet, dass es sich um eine Ausnahmesituation gehandelt habe, in der für ihn das Wohl des Patienten im Vordergrund gestanden habe. Zu Lasten des Klägers spreche jedoch, dass er sich uneinsichtig zeige und laut telefonischer Auskunft der Techniker Krankenkasse vom 1. April 2003 erneut fachgebietsfremde Männerbehandlungen durchgeführt habe. Der Ausschuss halte daher unter Würdigung der Pflichtverletzung eine Maßnahme für erforderlich, um dem Kläger zukünftig zur Einhaltung seiner vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten. Eine Verwarnung erscheine aber aufgrund der Gesamtumstände des Falles ausreichend. Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers vom 25. November 2003, die in der Folge nicht näher begründet wurde.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 22. September 2004 den Disziplinarbescheid der Beklagten vom 12. November 2003 aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Verhängung der ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme würden nicht vorliegen. Klägerseits sei eine vom Patienten unterzeichnete Einverständniserklärung gemäß § 18 BMV-Ä vorgelegt worden, datiert auf den Tag der Behandlung, ohne die Leistung, um die es gehe, zu definieren. Der Disziplinarausschuss mache dem Kläger zwei Pflichtverletzungen zum Vorwurf, zum einen die Behandlung von Herrn B., die er dann privat abgerechnet habe. Außerdem werde ausgeführt, laut telefonischer Auskunft der TKK gebe es mehrere Fälle, in denen Männerbehandlungen stattgefunden hätten, die ebenfalls privat abgerechnet worden seien. Hinsichtlich der Behandlung von Herrn B. erscheine es äußerst fraglich, ob überhaupt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 81 Abs.5 SGB V i.V.m. § 5 der Satzung der KVB vorliege. Hier werde dem Kläger seitens des Disziplinarausschusses vorgeworfen, er habe "Männerbehandlungen" (konkret: Untersuchung und Aufbereitung des Spermas) unter Verstoß gegen § 21 WBO durchgeführt und diese privat abgerechnet. Nach Auffassung des Gerichts wäre für eine Sanktionierung nicht der Disziplinarausschuss, sondern die Ärztekammer zuständig. Dies könne aber letztlich dahinstehen. Denn es sei nicht abschließend rechtskräftig geklärt, ob ein Gynäkologe auch "Männerbehandlungen", wie sie vom Kläger durchgeführt würden, sachgebietkonform erbringen könne. Im Übrigen ließe sich durchaus vertreten, im konkreten Ausnahmefall die durchgeführte Männerbehandlung als Adnexbehandlung anzusehen. Äußerst fraglich erscheine auch ein Verschulden des Klägers. Bloße Fahrlässigkeit reiche als Verschuldensmaßstab zwar aus. Hier liege jedoch eine Einverständniserklärung des Patienten nach § 18 BMV-Ä vor. Zudem handle es sich, wie der Disziplinarausschuss zu Recht ausführe, um eine Ausnahmesituation. Bei der Vorgeschichte der letztendlich vom Kläger vorgenommenen "Männeruntersuchungen", die vorher von dem Hausurologen erfolglos durchgeführt worden seien, und bei dem Krankheitsbild sei das Gericht der Auffassung, dass der Kläger seine Sorgfaltspflichten nicht außer Acht gelassen habe. Was den weiteren Vorwurf betreffe, der Kläger habe wiederholt "Männerbehandlungen" durchgeführt und diese abgerechnet, liege auch hierin keine ahndbare Pflichtverletzung. Abgesehen davon, dass im Prinzip die gleichen Überlegungen wie im konkreten Fall bei dem Patienten B. gelten würden, wäre erforderlich gewesen, dass hier konkrete Fakten als Entscheidungsgrundlage hätten herangezogen werden müssen und nicht lediglich auf eine fernmündlich Auskunft einer Krankenkasse Bezug genommen werde.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten zum Bayer. Landessozialgericht, die mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2005 näher begründet wurde. Die verhängte Disziplinarmaßnahme sei rechtmäßig, da der Kläger seine kassenärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe. Der Patient B. und dessen Ehefrau hätten sich im 1. Quartal 2003 in der Gemeinschaftspraxis des Klägers zur Behandlung unter anderem auch wegen einer geplanten künstlichen Befruchtsmaßnahme befunden. Für diesen Zeitraum liege auch ein Behandlungsausweis der klägerischen Praxis für eine kassenärztliche Behandlung des Patienten B. vor. Daneben habe der Kläger dem Patienten B. auch mit Rechnung vom 28. Februar 2003 Leistungen privat in Rechnung gestellt. Hierbei handle es sich um eine unzulässige, privatärztlich und kassenärztlich erfolgte Doppelabrechnung von Leistungen mit identischem bzw. teilweise enthaltenem Leistungsinhalt, die allein bereits eine Disziplinarmaßnahme rechtfertige. Mit Ausnahme der Nrn.2, 4543 BMÄ/E-GO (a.F.) seien die nach der BMÄ/E-GO abgerechneten Leistungen von der Beklagten als fachfremd abgesetzt wurden. Die Behandlung von Männern sei für den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe aufgrund der Einschränkung durch die Gebietsdefinition grundsätzlich auch im Rahmen der künstlichen Befruchtung fachfremd (Hinweis auf Urteil des BayLSG vom 21. Januar 2004, L 12 KA 115/01 und Beschluss des BSG vom 8. September 2004 - B 6 KA 39/04/B). Mit der Ziffer 1184 BMÄ/E-GO (a.F.) seien alle Untersuchungen des Spermas sowie gegebenenfalls die Aufbereitung und Kapazitation abgegolten, die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Maßnahme zur künstlichen Befruchtung erforderlich seien. Der Kläger sei wiederholt (mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 und 2. April 2002) darauf hingewiesen worden, dass bei Männerbehandlungen im Rahmen der Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung ausschließlich die Ziffer 1184 BMÄ/E-GO (a.F.) zu Lasten der GKV abgerechnet werden könne und auch die privatärztliche Leistungserbringung und Liquidation zu unterlassen sei.

Die Beklagte stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. September 2004 aufzuheben und die Klage des Klägers gegen den Disziplinarbescheid der Beklagten vom 12. November 2003 abzuweisen.

Der Klägervertreter stellt den Antrag, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Klägervertreter hat sich mit Schriftsatz vom 7. November 2005 geäußert. Angesichts der Ausführungen in der Berufungsbegründung sollte man festhalten, dass Gegenstand des Verfahrens nur diejenigen Vorwürfe seien, die vom Disziplinarausschuss in seinem Bescheid behandelt worden seien. In dem Verfahren vor dem Diszipliarausschuss sei es einzig und allein um den konkreten Fall des Patienten B. gegangen. Bezogen auf den Patienten B. liege eine ausreichende schriftliche Erklärung gemäß § 18 BMV-Ä vor. Demnach spiele sich dieser Teil der Behandlung eindeutig und unbestreitbar außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung ab. Eine Zuständigkeit zur disziplinarrechtlichen Ahndung sei nicht ersichtlich. Unbestreitbar sei der hauptbehandelnde Urologe wegen der besonderen Konstellation mit seinem "Latein am Ende" gewesen. Auch unter diesem absolut solitären Gesichtspunkt sei an der Behandlungsweise des Klägers nichts auszusetzen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts München mit dem Az.: S 38 KA 1570/03 sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Az.: L 12 KA 657/04 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht München hat mit dem angefochtenen Urteil vom 22. September 2004 zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2003 aufgehoben. Rechtsgrundlage für den vorgenannten Bescheid ist § 81 Abs.5 SGB V i.V.m. § 5 der Satzung der Beklagten. Nach § 75 Abs.1 Satz 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen unter anderem den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Aus dieser Gewährleistungspflicht ergibt sich auch die Aufgabe, die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und einzelne Vertragsärzte, soweit notwendig, durch Disziplinarmaßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten (§ 75 Abs.2 Satz 2 SGB V). Als Disziplinarmaßnahmen bei nicht oder nicht ordnungsgemäßer Erfüllung vertragsärztlicher Pflichten sieht der Katalog des § 81 Abs.5 SGB V je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung, einen Verweis, eine Geldbuße bis zu 10.000,00 EUR oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren vor. Diesen gesetzgeberischen Auftrag hat die Beklagte in § 5 ihrer Satzung in der hier maßgebenden Fassung umgesetzt. Tatbestandsvoraussetzung für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist nach § 5 Abs.1 der Satzung der Beklagten, dass Mitglieder "ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen". Dieser unbestimmte Rechtsbegriff kann vom Gericht voll nachgeprüft werden, während bei der Auswahl der möglichen Disziplinarmaßnahmen und der Festsetzung ihrer Höhe ein Ermessensspielraum besteht, der gemäß § 54 Abs.2 Satz 2 SGG vom Gericht nur eingeschränkt nachgeprüft werden kann. Zur Überzeugung des Senats steht zunächst fest, dass der Kläger vertragsärztliche Pflichten verletzt hat, indem er als Gynäkologe bei dem männlichen Patienten B. eine Behandlung (Untersuchung und Aufbereitung des Spermas) vorgenommen hat und damit die Fachgebietsgrenzen des Gynäkologen überschritten hat. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Sozialgerichts ist die Beklagte für die disziplinarische Ahndung des Verhaltens des Klägers zuständig, da die Erbringung fachfremder Leistungen und deren private Abrechnung durch den Kläger den vertragsärztlichen Bereich betrifft. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 25. September 1997, 6 BKa 54/96) liegt eine vertragsärztliche Pflichtverletzung immer dann vor, wenn ein Gesetzesverstoß im Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Tätigkeitsausübung begangen wird. Es gehört zur Pflicht des Vertragsarztes, bei Ausübung seiner Tätigkeit keinerlei Gesetzesverstöße zu begehen. Mithin sind Straftaten, berufsrechtliche Vergehen, wettbewerbsrechtliche Verstöße bei entsprechendem Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Tätigkeit disziplinarrechtlich ahndungsfähig (vgl. hierzu die eingehende Darstellung von Hesral in Ehlers, Disziplinarrecht und Zulassungsentziehung, Rdnrn.53 bis 66). Vorliegend ist nicht streitig, dass die beim Patienten B. erfolgte Untersuchung und Aufbereitung des Spermas in unmittelbarem Zusammenhang mit der Maßnahme zur künstlichen Befruchtung der Ehefrau des Klägers stand. Im Übrigen wurde von der klägerischen Praxis für den Patienten B. auch ein Behandlungsausweis für eine vertragsärztliche Behandlung ausgestellt und bei der Beklagten zur Abrechnung eingereicht. Von den dort am 28. Februar 2003 in Ansatz gebrachten Leistungsziffern des EBM-Ä (a.F.) wurden der klägerischen Praxis zwei Leistungsziffern (Ziffern 2, 4543 EBM-Ä) auch vergütet, andere (Ziffern 3950, 4432, 4438, 4672 EBM-Ä) wurden wegen Fachgebietsüberschreitung abgesetzt. Es steht zur Überzeugung des Senats weiter fest, dass die beim Patienten B. vorgenommene Behandlung (Untersuchung und Aufbereitung des Spermas) im Rahmen einer künstlichen Befruchtungsmaßnahme für den Kläger als Gynäkologen fachfremd war. Mit der Fachgebietsbegrenzung des Facharztes für Gynäkologie im Rahmen von künstlichen Befruchtungsmaßnahmen hat sich der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 21. Januar 2004, L 12 KA 115/01, bestätigt durch BSG, Beschluss vom 8. September 2004, B 6 KA 39/04 B, eingehend befasst. Danach geht aus der Fachgebietsdefinition gemäß der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns in der bis 31. Juli 2004 geltenden Fassung vom 18. Oktober 1992, zuletzt geändert am 13. Oktober 2002, gemäß Abschnitt I Nr.7 der Anlage 1 eindeutig hervor, dass die Behandlungsbefugnis des Gynäkologen auf die Behandlung von Frauen beschränkt ist. Diese Fachgebietsbegrenzung kann weder durch besondere persönliche Qualifikationen noch durch Sondergenehmigungen der KÄV zur Erbringung und Abrechnung weiterer Leistungen, noch durch die Berechtigung zum Führen von Zusatzbezeichnungen oder eine Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung (im Falle des Klägers: Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin) bzw. eine Genehmigung gemäß § 121a Abs.2 SGB V erweitert werden. Die streitgegenständliche Behandlung kann auch nicht als Adnexleistung im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtungsmaßnahme der Frau angesehen werden. Die einzige Möglichkeit für den Gynäkologen als Adnexleistung auch eine Behandlung bei einem männlichen Patienten rechtmäßig durchführen zu können, ergibt sich aus der Ziffer 1184 EBM-Ä a.F. (Untersuchung des Spermas, gegebenenfalls einschließlich Aufbereitung und Kapazitation, in Zusammenhang mit Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung), die gewissermaßen einen gebührenordnungsmäßig geregelten Fall einer Adnexleistung darstellt, aber nur eine Untersuchung des Spermas zulässt, die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung erforderlich ist. Folgerichtig hat die klägerische Praxis die Ziffer 1184 EBM-Ä (a.F.) am 7. und 25. März 2003 abgerechnet. Am 28. Februar 2003 hat die klägerische Praxis die Ziffer 1184 EBM-Ä zu Recht - da nicht in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung stehend - nicht abgerechnet. Vielmehr wurden die Voruntersuchungen des Spermas des Patienten B. diesem von der klägerischen Praxis mit Rechnung vom 28. Februar 2003 privat in Rechnung gestellt und darüber hinaus wurden von der klägerischen Praxis die bereits oben genannten Ziffern des EBM-Ä a.F. auch bei der Beklagten eingereicht. Die dabei abgerechneten Leistungen beinhalten ebenfalls Untersuchungen des Spermas des Patienten B., die mit den privat abgerechneten Leistungen der klägerischen Praxis teilidentisch oder sogar völlig identisch sind. Gleichwohl wird dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht der auch vom Disziplinarausschuss der Beklagten nicht erhobene Vorwurf einer unzulässigen, privatärztlich und vertragsärztlich erfolgten Doppelabrechnung gemacht. Sehr wohl aber belegen die von der Beklagten wegen Fachgebietsüberschreitung von der Quartalsabrechnung für das Quartal 1/03 abgesetzten Ziffern 3950, 4432, 4438 und 4672 EBM-Ä a.F. den vom Disziplinarausschuss erhobenen Vorwurf der Überschreitung des Fachgebietes des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe durch die Behandlung eines Mannes im Rahmen einer künstlichen Befruchtung. Unabhängig davon stellt aber auch die Fallgestaltung, dass ein Vertragsarzt mit seinem Patienten eine privatärztliche Vereinbarung über die Erbringung einer fachgebietsfremden Leistung schließt und hierfür eine Privatrechnung stellt, eine vertragsärztlich zu ahnende Pflichtverletzung dar. Hierin liegt nämlich auch ein Verstoß gegen die Regeln des allgemeinen Berufsrechts, wonach gemäß Art.34 Abs.1 des Bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2002, GVBl. S.42) ein Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur auf diesem Gebiet tätig sein darf. Diese Regelung im KHaG ist unmittelbar geltendes Recht, einer Umsetzung in der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns hätte es nicht bedurft. Zur Verdeutlichung ist die Fachgebietsbindung auch in § 21 WBO in der hier noch anzuwendenden, bis 31. Juli 2004 geltenden Fassung wiederholt. Dieser Verstoß gegen das allgemeine Berufsrecht hängt im Falle des Patienten B. so eng mit der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers zusammen - wie oben eingehend dargestellt -, dass er auch als Verstoß gegen die Pflichten eines Vertragsarztes geahndet werden kann. Die Wertung als vertragsärztlicher Pflichtenverstoß ist nicht abhängig von der hiervon strikt zu trennenden - im Ergebnis zu verneinenden - Frage, ob die Vorschriften über die Fachgebietsgrenzen ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB darstellen mit der Folge einer Nichtigkeit des privatärztlichen Behandlungsvertrages (Dienstvertrag) und des Verlustes des privatärztlichen Honoraranspruches. Der Kläger hätte nach alledem die streitgegenständlichen Leistungen an die hierfür zuständigen Fachgebietsärzte überweisen müssen (Gebiete der Urologie, Dermatologie, Endokrinologie und Labormedizin). Dies wäre vorliegend schon deshalb völlig unproblematisch gewesen, weil in der IVF-Arbeitsgruppe des Klägers im Rahmen der Genehmigung zur Durchführung der künstlicher Befruchtung nach § 121a SGB V, die dem Kläger, seiner Gemeinschaftspraxispartnerin und dem Urologen Dr.K. erteilt wurde, dem Urologen Dr.K. die verantwortliche Leistung der Andrologie oblag. Der hiergegen vorgebrachte Einwand des Klägers, dass es oft bis zu einer 3/4 Stunde dauere, bis feststehe, ob der Patienten mastubieren könne oder nicht oder ob die Behandlung erfolglos bleibe, überzeugt den Senat nicht. Jedenfalls wäre dem Urologen Dr.K. in dem vom Kläger als absolute Ausnahme bezeichneten Fall des Patienten B. eine längerdauernde Anwesenheit zumutbar gewesen.

Der Pflichtverstoß des Klägers ist auch schuldhaft erfolgt. Der Kläger hat zumindest grobfahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt, weil die Beklagte allgemein mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 alle Frauenärzte, die IVF/ICSI-Leistungen erbringen, und speziell den Kläger mit Schreiben vom 2. April 2002 darauf hingewiesen hat, dass bei Männerbehandlungen im Rahmen der Maßnahmen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung von IVF-Praxen nur die EBM-Nr. 1184 (a.F.) zu Lasten der GKV in Ansatz gebracht werden dürfe und aufgrund der derzeitigen Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns und den dazugehörigen Richtlinien die gesamte Andrologie und die Untersuchung und Behandlung von Männern für den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe eindeutig fachfremd sei. Wenn der Kläger trotz dieser Aufklärung durch die Beklagte sein dem widersprechendes Behandlungsverhalten fortgesetzt hat, muss er auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen tragen. Er kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die streitgegenständliche Frage der Behandlung von Männern (Untersuchung und Aufbereitung des Spermas) in Zusammenhang mit einer In-vitro-Fertilisation (IVF) im Quartal 1/03 höchst umstritten war. Immerhin lag zu diesem Zeitpunkt bereits das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. März 2001, Az.: S 32 KA 8642/00, vor, das die Auffassung der Beklagten in vollem Umfang stützte und später vom BayLSG mit Urteil vom 21. Januar 2004, Az.: L 12 KA 115/01 (die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 8. September 2004, B 6 KA 39/04 B, zurückgewiesen) bestätigt wurde. Wenn der Kläger entgegen der eindringlichen Aufklärung und Ermahnung der Beklagten sein dem widersprechendes Verhalten trotz eines gegen ihn sprechenden erstinstanzlichen Urteils fortsetzt, kann er sich, nachdem die Rechtsfrage zu seinen Ungunsten entschieden wurde, nicht als ihn entschuldigenden Grund darauf berufen, er habe in der streitigen Rechtsfrage eine andere Meinung vertreten. Auch die Art der gewählten Disziplinarmaßnahme ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Gunsten des Klägers gewertet, dass er bislang disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und es sich im Falle des Patienten B. um eine Ausnahmesituation gehandelt und das Wohl des Patienten im Vordergrund gestanden habe. Zu Lasten des Klägers wurde gewertet, dass der Kläger sich uneinsichtig zeige. In Abwägung aller Umstände hat die Beklagte es anstelle der beantragten Geldbuße im oberen Bereich bei einer Verwarnung - der nach der Satzung der Beklagten geringsten Disziplinarmaßnahme - belassen. Der Senat kann nicht erkennen, dass die Beklagte sich mit dieser Entscheidung außerhalb des ihr eingeräumten Ermessensspielraumes bewegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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