L 13 R 160/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 1454/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 160/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 19. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen,

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit.

Der 1951 im ehemaligen Jugoslawien geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro mit Wohnsitz in seiner Heimat. Er hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland von März 1973 bis Juli 1975 als Arbeiter in einer Reifenfabrik sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Versicherungsverlauf vom 4. Juni 2003). Anschließend war der Kläger in den Niederlanden tätig. Er erlitt dort im August 1980 einen Arbeitsunfall (Verletzung der Strecksehne des rechten Zeigefingers) und erhält aufgrund dessen seit 12. August 1981 eine Arbeitsunfähigkeitsrente aus der niederländischen Sozialversicherung. Im ehemaligen Jugoslawien hat der Kläger im Juni 1967, von April bis August 1972, von März bis Mai 1985 sowie von Oktober 1985 bis März 1988 Versicherungszeiten zurückgelegt (JU-D 205 vom 29. September 2003).

Am 21. Juni 2001 beantragte der Kläger beim heimischen Versicherungsträger Rentenleistungen. Der Antrag ging der Beklagten am 31. Januar 2003 zu. Beigefügt war ein Gutachten der Invalidenkommission vom 17. Mai 2002, das aufgrund einer Untersuchung vom selben Tage und Befunden aus den Jahren 1999 bis 2002 zu dem Ergebnis kam, der Kläger könne seit Antragstellung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als zwei Stunden erwerbstätig sein.

Die Beklagte ließ den Kläger am 19. Mai 2003 in ihrer ärztlichen Gutachterstelle in R. ambulant durch den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B. begutachten (Gutachten vom 21. Mai 2003). Dieser diagnostizierte ein Postlaminectomie-Syndrom nach Bandscheibenoperation L4/5 im Jahr 1999 ohne belangvolle Nervenwurzelschädigung sowie ein Cervico-Brachial-Syndrom mit Abnützungen und Bandscheibenschädigung im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Der Kläger wirke etwas vorgealtert und habe seit Jahren Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere Lumboischialgien. 1999 sei in Jugoslawien ein Bandscheibenvorfall - tatsächlich eine Bandscheibenvorwölbung - in Höhe L4/5 festgestellt und operativ behandelt worden. Seit zwei Jahren klage er auch über Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule. Anlässlich einer Rehabilitationsmaßnahme in Jugoslawien sei (im Jahr 2000) auch über eine Myokardinfarktnarbe berichtet worden, die im EKG jetzt aber nicht feststellbar sei. Im Bereich des übrigen Stütz- und Bewegungsapparates seien mit Ausnahme einer Versteifung des rechten Zeigefingers im Mittelgelenksbereich keine Funktionseinbußen festzustellen. Alle gängigen Griffformen seien dem Kläger möglich. In psychischer Hinsicht bestünden keine Auffälligkeiten. Die Kreislaufverhältnisse seien ausgeglichen und pathologische Erregungsrückbildungsveränderungen im EKG nicht nachweisbar. Die laborchemischen Ergebnisse zeigten keinen Hinweis auf eine Störung der Stoffwechsellage. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger leichte Arbeiten ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten noch sechs Stunden und mehr verrichten.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag vom 21. Juni 2001 daraufhin mit der Begründung ab, beim Kläger liege weder eine teilweise oder volle Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vor (Bescheid vom 3. Juni 2003). Mit dem bei ihm vorhandenen Leistungsvermögen könne er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er sei von der Invalidenkommission im Mai 2002 als vollständig und dauerhaft erwerbsunfähig eingestuft worden. Dasselbe ergebe sich aus weiteren ärztlichen Befunden aus dem Jahr 2003, die er dem Widerspruch beilegte.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2003). Aufgrund des Gutachtens der Invalidenkommission vom 17. Mai 2002 und der Untersuchungen in der Gutachterstelle R. vom 19. bis 21. Mai 2003 sowie der im Widerspruchsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten verrichten. Da er nach seinem beruflichen Werdegang auf alle ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden könne, sei die Bezeichnung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Dass der Kläger in seiner Heimat eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit erhalte, habe nach zwischenstaatlichem Recht keinen Einfluss auf die Entscheidung über einen Rentenanspruch nach den deutschen Rechtsvorschriften.

Mit der am 22. Dezember 2003 (Eingang bei Gericht) zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, der Rentenantrag hätte nicht nach dem deutsch-jugoslawischen, sondern nach dem deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommen gestellt werden müssen, denn er beziehe wegen seines Arbeitsunfalls in den Niederlanden seit fast 20 Jahren eine niederländische Invalidenrente. Damit erfülle er sowohl die Wartezeit als auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine deutsche Rente. Außerdem beziehe er in seiner Heimat Pflegegeld. Der Klageschrift waren weitere medizinische Befunde aus dem Jahr 2003 beigefügt.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2005, dem Kläger zugestellt am 2. Februar 2005). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da insoweit spätestens im Jahr 1984 der Versicherungsfall habe eintreten müssen. Zwar lägen hierfür Anhaltspunkte vor, weil er ab 1984 Invalidenrente aus den Niederlanden beziehe. Da er aber in seiner Heimat noch bis März 1988 Versicherungszeiten zurückgelegt habe, gehe das Gericht davon aus, dass er 1984 noch nicht berufs- oder erwerbsunfähig gewesen sei. Deshalb be-stehe auch keine Veranlassung, hierzu ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage einzuholen.

Dagegen hat der Kläger am 28. Februar 2005 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt und erneut darauf hingewiesen, er beziehe seit 1984 niederländische Invalidenrente. Dadurch seien die Wartezeit und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt. Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, in denen 36 Monate Pflichtbeitragszeiten enthalten sein müssten, verlängere sich nämlich um die Dauer dieses Rentenbezuges. Außerdem sei durch den Arbeitsunfall in den Niederlanden die Wartezeit vorzeitig erfüllt. Dass er inzwischen erwerbsunfähig sei, habe er mit den vorgelegten Unterlagen nachgewiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 19. Januar 2005 und den Bescheid vom 3. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund des Antrags vom 21. Juni 2001 Rente wegen Erwerbsminderung oder wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG sowie eine Auskunft und medizinische Unterlagen des niederländischen Versicherungsträgers über die dem Kläger gewährte Leistung aus der dortigen Arbeitsunfähigkeitsversicherung beigezogen. Diese umfassen u.a. medizinische Stellungnahmen zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 6. Mai 1997 (aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 6. November 1996) sowie 27. Oktober 2004 (nach Aktenlage), in denen auch auf Befunde aus Jugoslawien/der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro Bezug genommen wird. Ergänzend dazu hat der Kläger weitere medizinische Befunde vom 20. Oktober 2005, 28. Dezember 2005 und 20. Februar 2006 vorgelegt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 3. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2003, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger auf dessen Antrag vom 21. Juni 2001 Rente wegen Erwerbsminderung oder wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2005 zu Recht abgewiesen, weil bei einem Eintritt des Versicherungsfalles nach dem 1. Januar 1984 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und bei Eintritt des Versicherungsfalles vor dem 1. Januar 1984 die Wartezeit für eine solche Rente nicht erfüllt sind.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.), da der Kläger den zugrunde liegenden Rentenantrag nach dem 2. April 2001 gestellt hat (§ 300 Abs. 2 SGB VI i.V.m. § 26 Abs. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -).

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI (n.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI (n.F.) bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die

1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.

Der Kläger hat aufgrund der in Deutschland und im ehemaligen Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeiten (erst) im Oktober 1987 die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten (§§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) erfüllt. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind jedoch für die Zeit ab 1. Januar 1984 nicht gegeben.

Der Kläger hat in Deutschland von März 1973 bis Juli 1975 insgesamt 26 Kalendermonate Pflichtbeitragszeit und nach der für die Beklagte bindenden Mitteilung des serbischen Rentenversicherungsträgers im JU-D 205 vom 29. September 2003 im ehemaligen Jugoslawien im Juni 1967, von April bis August 1972, von März bis Mai 1985 sowie von Oktober 1985 bis März 1988 insgesamt 39 (nicht 36 - vgl. § 123 Abs. 1 SGB VI) Kalendermonate Versicherungszeit zurückgelegt. Damit hat der Kläger zwar die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten (§§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI n.F.) erfüllt, jedoch sind die für die Zeit ab 1. Januar 1984 erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n.F. nicht gegeben. Ausgehend vom letzten mit einer anrechenbaren Versicherungszeit belegten Kalendermonat (März 1988) weist sein Versicherungsverlauf in den davor liegenden fünf Jahren (April 1983 bis März 1988) keine drei Jahre Pflichtbeiträge (oder anrechenbare jugoslawische Versicherungszeiten) für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit auf. Nach März 1988 hat der Kläger keine weiteren Pflichtbeitragszeiten (nach deutschem Recht) oder anrechenbaren Versicherungszeiten (nach dem Recht des ehemaligen Jugoslawien oder der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro) zurückgelegt.

Verlängerungstatbestände im Sinne der §§ 43 Abs. 4, 241 Abs. 1 SGB VI n.F., durch die sich der Zeitraum von fünf Jahren (in die Vergangenheit) verlängern würde, liegen nicht vor. Nach dem im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien - jetzt Staatliche Gemeinschaft Serbien und Montenegro - als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-2600 § 250 SGB VI Nr. 3) weiterhin anwendbaren deutsch-jugoslawischen Abkommen über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl. II 1969 S. 1438) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl. II 1975 S. 390) - DJSVA - sind die Arbeitslosigkeit und der Rentenbezug des Klägers im ehemaligen Jugoslawien bzw. der späteren Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit und einem Rentenbezug nach deutschem Recht nicht gleichgestellt und daher nicht als Verlängerungstatbestände zu berücksichtigen.

Nach § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Warte-zeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Nach Abs. 2 Satz 2 a.a.O. ist für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich. Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit aber nicht vor dem 1. Januar 1984 erfüllt. Er hat vor dem 1. Januar 1984 lediglich im Juni 1967, von April bis August 1972 sowie von März 1973 bis Juli 1975 insgesamt 32 Kalendermonate Pflichtbeitrags- bzw. Versicherungszeit zurückgelegt.

Die nach der Beschäftigung in Deutschland spätestens ab August 1978 in den Niederlanden versicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung und mögliche anschließende niederländische Versicherungszeiten aufgrund der dort im August 1980 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit sowie der Rentenbezug aus der dortigen Arbeitsunfähigkeitsversicherung können dabei weder als Beitragszeit noch als Verlängerungstatbestand oder Anwartschaftserhaltungszeit Berücksichtigung finden. Art. 2 Abs. 2 DJSVA schließt eine Berücksichtigung von Versicherungszeiten, die in Drittstaaten zurückgelegt wurden, aus. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der sowohl die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch die nach einem Sozialversicherungsabkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat anrechenbaren Versicherungszeiten zusammenzurechnen sind, finden vorliegend keine Anwendung, da sich diese Rechtsprechung nur auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten (sog. EU-Bürger) bezieht (vgl. EuGH Urteil vom 15. Januar 2002, Rechtssache C-55/00, Gottardo, Slg. 2002, 413). Ob die niederländische Arbeitsunfähigkeitsrente überhaupt als Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit anzusehen ist oder vielmehr einer Verletztenrente entspricht, deren Bezug von vornherein nicht als Verlängerungs- oder Aufschubtatbestand zu berücksichtigen wäre, kann danach dahinstehen.

Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit wäre nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Kläger aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§ 43 Abs. 4 SGB VI a.F.). Für ein solches Ereignis, insbesondere für einen Arbeitsunfall in Deutschland (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB VI) liegen keine Anhaltspunkte vor. Der in den Niederlanden 1980 erlittene Arbeitsunfall kann keine Berücksichtigung finden, da der Kläger kein EU-Bürger ist (vgl. EuGH SozR 3-2600 § 53 Nr. 2). Im Übrigen besteht nach den vom niederländischen Versicherungsträger übermittelten Unterlagen als Verletzungsfolge lediglich eine Versteifung des rechten Zeigefingers im Bereich des Mittelgelenks, die nach dem Ergebnis der im 19. Mai 2003 erfolgten ambulanten Begutachtung des Klägers in der Untersuchungsstelle der Beklagten - in Einklang mit den Feststellungen des niederländischen Versicherungsträgers anlässlich einer Untersuchung vom 6. November 1996 - die Gebrauchsfähigkeit der Hand nicht wesentlich beeinträchtigt. Kraft-, Haken-, Schreib-, Schlüssel- und Feingriff waren dem Kläger möglich. Erst recht bestehen keine Anhaltspunkte für eine Gebrauchsunfähigkeit der rechten Hand (als schwere spezifische Leistungseinschränkung). In den Berichten über die in seiner Heimat zur Feststellung der Invalidität erfolgten Untersuchungen findet die Versteifung des rechten Zeigefingers keine Erwähnung, so dass ihr auch aus dortiger Sicht offenbar keine wesentliche leistungsmindernde Bedeutung zugemessen wurde.

Der Kläger kann die entstandenen Versicherungslücken für die Zeit vor dem 1. Januar 2001 nicht mehr durch eine freiwillige Beitragsentrichtung zur deutschen Rentenversicherung oder zur Invalidenversicherung der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro schließen. Für diese Zeiten war die Frist zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung bereits im Zeitpunkt der ersten Antragstellung am 21. Juni 2001 gemäß § 1418 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung - RVO - (für Zeiten bis 31. Dezember 1991; vgl. BSG SozR 3-2600 § 197 Nr. 4) bzw. § 198 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (für Zeiten ab 1. Januar 1992) abgelaufen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf nachträgliche Zulassung zur freiwilligen Beitragsentrichtung ist nicht ersichtlich. Den Akten und dem Vorbringen des Klägers sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte den Kläger durch eine Pflichtverletzung veranlasst hat, eine zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in Deutschland erforderliche freiwillige Beitragsentrichtung zu unterlassen. Nach Kenntnis des Senats aus gleichgelagerten Fällen waren (und sind) Versicherte auch nach dem Recht des ehemaligen Jugoslawien (und der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro) nicht berechtigt, rückwirkend Beiträge zur dortigen Rentenversicherung zu entrichten.

Beim Kläger lag vor dem 1. Januar 1984 - was aufgrund der bis dahin fehlenden Erfüllung der Wartezeit allerdings nicht entscheidungserheblich ist - auch keine Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksich-tigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 SGB VI n.F.).

Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. Maßgebend sind dabei nur die in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig ausgeübten Beschäftigungen oder Tätigkeiten (BSGE 50, 165), sofern nicht ein zwischenstaatliches Abkommen oder überstaatliches Recht (insbesondere das europäische koordinierende Sozialrecht, vgl. BSGE 64, 85) im Einzelfall die Berücksichtigung einer im Abkommens- bzw. Mitgliedsstaat ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit vorsieht. Das DJSVA enthält hierzu keine Regelungen und die Verordnung 1408/71 des Europäischen Rates findet auf den Kläger, der kein EU-Bürger ist, keine Anwendung. Somit können seine Beschäftigungen im ehemaligen Jugoslawien sowie in den Niederlanden hier keine Berücksichtigung finden.

Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit aber nur dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, in Gruppen eingeteilt, die durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 132, 138, 140). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).

Mangels Anhaltspunkten für eine qualitativ höherwertige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in Deutschland ist der Kläger der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen. Er hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland als Arbeiter in einer Reifenfabrik beschäftigt. Als ungelernter Arbeiter ist der Kläger bei der Prüfung, ob bei ihm seit einem Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1984 eine Berufsunfähigkeit vorliegt, sozial (auch) auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor dem 1. Januar 1984 nicht mehr in der Lage war, solche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die 1980 erlittene Sehnenverletzung am rechten Zeigefinger bedingte keine Einschränkung seines zeitlichen Leistungsvermögens und, wie ausgeführt, auch keine schwere spezifischen Leistungseinschränkung. Als weitere Gesundheitsstörung ist aus der Zeit vor dem 1. Januar 1984 lediglich eine in den Niederlanden dreimal operierte Steißbeinfistel ohne späteres Rezidiv und ohne erkennbare dauerhafte Leistungseinschränkung dokumentiert. Weitere medizinische Befunde liegen erst ab 1996 (Untersuchung in den Niederlanden) vor. Damals bestand eine alkoholbedingte Hepatomegalie, ein Bluthochdruck und ein Bandscheibenschaden an der LWS. Erstmals 1999 wurde eine Bandscheibenvorwölbung L4/S1 diagnostiziert. Seit 2001 klagt der Kläger über HWS-Beschwerden. Im Jahr 2002 wurde über eine ältere Myocardinfarktnarbe berichtet, die anlässlich der Untersuchung am 19. Mai 2003 allerdings nicht bestätigt werden konnte. Auch diese hinzugetretenen Erkrankungen führten aber nach dem Ergebnis der ambulanten Begutachtung des Klägers im Verwaltungsverfahren, bei der auch die Ergebnisse der Vorbegutachtung in Serbien im Mai 2002 berücksichtigt wurden, zwischenzeitlich nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden und auch nicht zu qualitativen Leistungseinschränkungen im Sinne einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, so dass weitere Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Klägers vor dem 1. Januar 1984 auch im Berufungsverfahren nicht erforderlich waren. Einer erneuten ambulanten Begutachtung des Klägers bedurfte es ebenfalls nicht, weil diese keinen Aufschluss über seinen Gesundheitszustand vor 1984 geben könnte und für einen Eintritt des Versicherungsfalles nach dem 1. Januar 1984 - somit auch nach der letzten Begutachtung am 19. Mai 2003 - die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit nicht mehr erfüllt wären.

War der Kläger vor dem 1. Januar 1984 nicht berufsunfähig im Sinn des § 240 Abs. 2 SGB VI n.F., so lag auch keine volle oder teilweise Erwerbsminderung i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI n.F. vor (vgl. BSG Urteil vom 5. April 2001, Az.: B 13 RJ 61/00 R).

Dass der Kläger aus den Niederlanden Leistungen aus der dortigen Arbeitsunfähigkeitsversicherung und in seiner Heimat Leistungen aus der dortigen Invalidenversicherung erhält, steht einer Erwerbsfähigkeit nach deutschem Recht nicht entgegen. Die Beurteilung der medizinischen (und sonstigen) Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften des jeweiligen nationalen Rechts. Es gibt weder einen international einheitlichen Begriff der Invalidität, noch sieht das DJSVA eine Gleichstellung der in der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro festgestellten Invalidität mit einer verminderten Erwerbsfähigkeit/Erwerbsminderung nach deutschem Recht oder eine Bindung des deutschen Rentenversicherungsträgers an die von der Invalidenkommission vorgenommene Einschätzung der Leistungsfähigkeit vor.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved