L 3 ER 41/06 AS

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 4 ER 44/06 AS
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 ER 41/06 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Anspruch auf Übernahme rückständiger Abschlagszahlungen für Heizkosten als verlorener Zuschuss oder als Darlehen ergibt sich nicht aus § 22 Abs 5 SGB II oder § 23 Abs. 1 SGB II
2. Die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen für rückständige Abschlagszahlungen bei Heizkosten nach § 34 SGB XII ist nicht durch § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen.
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 24.02.2006 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

3. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin begehrt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin, rückständige Energiekosten für nicht erbrachte Abschlagszahlungen für Gas zu übernehmen.

Die 1960 geborene Beschwerdeführerin lebt zusammen mit ihrem 1993 geborenen Sohn N in einer Bedarfsgemeinschaft. Beide beziehen seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Rahmen der Leistungsgewährung werden für die Klägerin und ihren Sohn monatlich 342,76 EUR für Heizung und Unterkunft berücksichtigt. Der 1981 geborene Sohn der Beschwerdeführerin, E , lebt mit der Beschwerdeführerin und seinem Bruder N in einer Wohnung. Der Sohn E bezieht eigenständig Leistungen nach dem SGB II.

Ab April 2005 erbrachte die Beschwerdeführerin keine Abschlagszahlung mehr an die Gasanstalt Kaiserslautern AG. Ihr wurde das Gas zum 05.09.2005 gesperrt. Aufgrund des Anerkenntnisses der Beschwerdeführerin ist im Klageverfahren der Gasanstalt Kaiserslautern AG gegen die Beschwerdeführerin am 03.03.2006 beim Amtsgericht Kaiserslautern - 7 C 127/06- ein Anerkenntnisurteil ergangen.

Am 31.01.2006 stellte die Beschwerdeführerin sowohl bei der Beschwerdegegnerin als auch bei der Stadt Kaiserslautern als zuständiger Sozialhilfeträgerin einen Antrag auf Übernahme rückständiger Gaskosten. Mit Bescheid vom 14.02.2006 lehnte die Beschwerdegegnerin den Antrag auf Übernahme der rückständigen Gaskosten ab. Mit Bescheiden vom 11.11.2004, 20.04.2005 und 26.10.2005 seien die der Beschwerdeführerin zustehenden Leistungen für die Heizkosten bereits gewährt worden. Dem Antrag auf darlehensweise Übernahme nach § 23 Abs. 1 SGB II könne nicht entsprochen werden, da es sich hierbei nicht um eine Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II handele.

Durch Beschluss vom 24.02.2006 hat das Sozialgericht Speyer (SG) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine Übernahme der rückständigen Energiekosten komme nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht in Betracht, weil weder Wohnungslosigkeit drohe noch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert werde. Im Übrigen handele es sich bei rückständigen Gaskosten nicht um Mietschulden im Sinne dieser Vorschrift. Eine weitergehende Übernahme von Schulden sei im SGB II nicht geregelt. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Soweit die Nichtzahlung der Gasabschläge durch die Beschwerdeführerin damit begründet werde, dass diese das Kindergeld für den volljährigen Sohn E zu Unrecht als Einkommen angerechnet bekommen würde, sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin bis zum 31.07.2005 das Kindergeld für den volljährigen Sohn erhalten habe. Eine Abzweigung der Familienkasse an das volljährige Kind sei nicht erfolgt, weshalb der Betrag in Höhe von 154, EUR als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II bei der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen gewesen sei. Seit August 2005 bestehe kein Anspruch mehr auf dieses Kindergeld. Mit Bescheid vom 26.10.2005 sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass ihr das seit August 2005 für den volljährigen Sohn angerechnete Kindergeld mit der nächsten Zahlung zurückerstattet werde. Dieser Betrag in Höhe von 462, EUR sei zwischenzeitlich an die Beschwerdeführerin ausbezahlt worden. Diesen Betrag hätte die Beschwerdeführerin für die Schuldentilgung verwenden können. Innerfamiliäre Probleme könnten nicht zu Lasten der Beschwerdegegnerin gehen. Soweit angeführt werde, durch die Beschwerdegegnerin seien Unterhaltsvorschüsse als Einkommen angerechnet worden und gleichzeitig beim Jugendamt im Rahmen eines Erstattungsverfahrens geltend gemacht worden, müsse festgestellt werden, dass für den Sohn N kein Unterhaltsvorschuss ab Januar 2005 angerechnet worden sei. Erst nach Bearbeitung des Erstattungsanspruchs seien die Bescheide geändert worden. Ein Anspruch nach § 34 SGB XII scheide aus, da die Beschwerdegegnerin nicht zuständige Sozialhilfeträgerin sei.

Gegen den am 27.02.2006 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 01.03.2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.

Die Stadt Kaiserslautern als zuständige Sozialhilfeträgerin hat mit Bescheid vom 08.03.2006 den Antrag auf Darlehensgewährung bei vorübergehender Notlage nach § 34 SGB XII abgelehnt. Für den Anteil der Gasrückstände seien bereits Leistungen ausgezahlt worden. Eine erneute Übernahme sei nicht auch nicht auf Darlehensbasis möglich. Für die Wohnung sei bereits ein Darlehen für entstandene Stromschulden an die Beschwerdeführerin bewilligt worden. Aus diesem Grund könne der Sozialhilfeträger ebenfalls nicht mehr tätig werden. Eine darlehensweise Übernahme der Rückstände sei nicht möglich.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie sei jedenfalls nicht in der Lage, den Anspruch ihres Sohnes im Hinblick auf eine direkte Zahlung an sich abzuwehren. Dieser habe noch nie Rückstände für sie übernommen. Sie befinde sich in einer Notlage, aus der sie sich selbst nicht befreien könne. Der Verweis auf den zuständigen Leistungsträger nach dem SGB XII sei nicht zutreffend. Sie habe einen Anspruch auf vorläufige Leistungen des zuerst angegangenen Leistungsträgers. Die geltend gemachten Kindergeldleistungen seit August 2005 seien erst jetzt berechnet und zur Auszahlung gebracht worden. Jedenfalls sei eine Zahlung erst im Februar 2006 vorgenommen worden.

Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 24.02.2006 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin vorläufig zu verpflichten, ihr einen Betrag in Höhe von 1.849,14 EUR zu bewilligen und diesen Betrag unmittelbar an die Gasanstalt Kaiserslautern AG zu zahlen.

Die Beschwerdegegnerin, die die getroffenen Entscheidungen für zutreffend hält, beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin; er ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beschwerdegegnerin im einstweiligen Anordnungsverfahren auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.849,14 EUR an die Gasanstalt Kaiserslauten AG. Es besteht auch kein Anspruch auf darlehensweise Gewährung dieses Betrages im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die rechtlichen Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug.

Vorliegend fehlt es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung an dem erforderlichen Anordnungsanspruch.

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten ergibt sich nicht aus § 22 SGB II.

Nach Absatz 1 dieser Bestimmung werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Vorliegend handelt es sich um die Abschlagszahlungen, für die die Beschwerdeführerin regelmäßig im Jahr 2005 in Anspruch genommen worden ist. Diese Beträge hat die Beschwerdegegnerin in den Bewilligungsbescheiden betreffend die Heizung der Beschwerdeführerin berücksichtigt und anerkannt. Entsprechende Leistungen für Heizung wurden auch an die Beschwerdeführerin ausgezahlt.

Soweit die Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass für die Zeit seit August 2005 Kindergeldleistungen für ihren volljährigen Sohn E unzulässigerweise berücksichtigt worden seien und ihr entsprechende Beträge nicht ausgezahlt worden seien, räumt sie zwischenzeitlich ein, dass dieser Betrag im Februar 2006 gezahlt worden sei. Ausweislich der Kassenanordnung vom 27.09.2005 wurde die Auszahlung eines Betrages in Höhe von 495,78 EUR an die Beschwerdeführerin veranlasst. Rückständige Zahlungen seitens der Beschwerdegegnerin für Leistungen nach dem SGB II bestehen damit nicht mehr.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei deshalb in Rückstand geraten, weil sie Ansprüche ihres Sohnes auf eine direkte Zahlung nicht habe abwehren können, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Mögliche innerfamiliäre Problemlagen können grundsätzlich nicht zu Lasten der Beschwerdegegnerin gehen, wie das SG bereits zutreffend dargelegt hat.

Eine Darlehensgewährung nach § 22 Abs. 5 SGB II kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Nach dieser Bestimmung können Mietschulden als Darlehen übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht und hierdurch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde. Bei den Rückständen wegen Abschlagszahlungen für Heizkosten handelt es sich jedoch nicht um Mietschulden.

Die Beschwerdeführerin hat auch keinen Anspruch aus § 23 Abs. 1 SGB II.

Diese Regelung bestimmt, dass, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringt und dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen gewährt. Die Kosten für Heizung werden allerdings, wie sich aus § 22 Abs. 1 SGB II ergibt, nicht als Kosten der Regelleistung erfasst. Vorliegend geht es um rückständige Abschlagsleistungen betreffend die Energiekosten für die Heizung und damit kann der Beschwerdeführerin auch nicht darlehensweise eine Leistung nach § 23 Abs. 1 SGB II erbracht werden.

Die Beschwerdeführerin hat auch keinen Anspruch gegen die Beschwerdegegnerin nach § 43 SGB I i.V.m. § 34 SGB XII.

Eine Gewährung von Leistungen nach § 34 SGB XII ist vorliegend nicht durch § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen.

§ 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II bestimmt, dass der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII ausschließt. Dies gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht für Leistungen nach § 34 SGB XII, soweit sie nicht nach § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen sind. § 22 Abs. 5 SGB II gilt jedoch ausschließlich für die Übernahme von Mietschulden bei sonst drohender Wohnungslosigkeit mit der Einschränkung, dass durch die drohende Wohnungslosigkeit die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Bei den Rückständen der Abschlagszahlungen für Heizkosten handelt es sich weder um Mietschulden noch droht hierdurch eine Wohnungslosigkeit, die die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung der Beschwerdeführerin verhindert. Durch § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist eine weitergehende Übernahme von Schulden möglich im Rahmen einer Ermessensentscheidung.

Grundsätzlich ist vorliegend für die Gewährung von Hilfen zum Lebensunterhalt in Sonderfällen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Stadt Kaiserslautern als zuständige Sozialhilfeträgerin zuständig. Eine Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Gewährung von Leistungen nach § 34 Abs. 1 SGB XII als vorläufige Leistungen besteht vorliegend nach § 43 SGB I nicht. Absatz 1 des § 43 SGB I bestimmt, dass, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen kann, deren Umfang er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Beschwerdeführerin hat sich am 31.01.2006 wegen der rückständigen Abschlagsleistungen für Energiekosten und deren Übernahme sowohl an die Beschwerdegegnerin als auch an die zuständige Sozialhilfeträgerin gewandt. Die zuständige Sozialhilfeträgerin hat ihre Zuständigkeit gerade nicht verneint. Sie hat es vielmehr durch Bescheid vom 08.03.2006 aus materiell-rechtlichen Gründen abgelehnt, der Beschwerdeführerin ein Darlehen zu gewähren. Hierbei berücksichtigte die zuständige Sozialhilfeträgerin, dass die Beschwerdeführerin bereits Leistungen für die Heizkosten erhalten hatte und darüber hinaus, dass ihr bereits wegen rückständiger Stromschulden ein Darlehen gewährt worden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Beschwerdeführerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff ZPO, weil aus den oben dargelegten Gründen ihre Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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