L 7 AS 58/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 187/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 58/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11b AS 21/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 4. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anrechnung des Arbeitslosengeldes I (Alg I) des eheähnlichen Partners auf das Alg II streitig.

Die 1973 geborene Klägerin beantragte am 23.12.2004 zum 01.01.2005 Alg II. Bei der Antragstellung gab sie an, mit Herrn C. M. (geboren 1969) in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Mit im Haushalt lebt die gemeinsame Tochter M. M. (geboren 2001), für die Kindergeld von 154,00 EUR gewährt wird. Die Klägerin hatte bis einschließlich 21.12.2004 (Anspruchserschöpfung am 22.12.2004) Alg I nach einem wöchentlichen Leistungssatz von 169,05 EUR bezogen. Dem Lebenspartner der Klägerin wurde zum 31.12.2004 gekündigt. Er bezieht seit dem 01.01.2005 Alg I (täglich 28,01 EUR).

Mit Bescheid vom 07.03.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg II für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 292,64 EUR. Auf den Bedarf wurde das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich und das Alg I des Lebensgefährten in Höhe von 840,00 EUR monatlich angerechnet.

Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Bescheid der Beklagten verstoße gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf unter dem Az.: S 35 SO 28/05 ER. Nach diesem Urteil liege ein Verstoß gegen Art.3 des Grundgestzes (GG) vor. Zudem sei sie der Meinung, dass die Anrechnung des Kindergeldes nicht zulässig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Entgegen der Auffassung des SG Düsseldorf im Beschluss vom 16.02.2005 stelle eine zwischen einem Mann und einer Frau angelegte eheähnliche Gemeinschaft mit der Konsequenz des gegenseitigen Einkommens- und Vermögensansatzes keine von Verfassungs wegen unzulässige Benachteiligung gegenüber dem zahlenmäßig weit weniger vorkommenden gleich gelagerten Lebensgemeinschaften homosexueller Paare dar (vgl. SG Dortmund, Beschluss vom 31.03.2005, Az.: S 31 AS 82/05; SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.04.2005, Az.: S 4 AS 31/05 ER). Ungeachtet dessen verkenne das SG Düsseldorf, indem es auf die Unterhaltspflichten abstelle, dass es darauf bei der Bedarfsgemeinschaft nach Inhalt und Umfang eben nicht ankomme (vgl. BT-Drucksache 15/1516, S.52 f.; VG Augsburg, Beschluss vom 02.06.1999, Az.: Au 3 E 69.675; VG Augsburg, Beschluss vom 29.07.1999, Az.: Au 3 E 99.865 jeweils zur sozialhilferechtlichen Bedarfsgemeinschaft; Schellhorn/ H.Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002 Rdnrn.52 f. zu § 91; Nargler/Zink BSHG, Stand 2004, Rdnr.53 § 91) und übersehe darüber hinaus, dass wesentliche Regelungen, wie z.B. das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz, dass eine - weitere - Angleichung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften an verschiedengeschlechtliche bringen sollte, bislang nicht in Kraft getreten sei bzw. hetero- und homosexuelle Lebensgemeinschaften nach wie vor - aus der Natur der Sache heraus - unterschiedlich z.B. hinsichtlich der Adoptionsmöglichkeiten behandelt würden. Verfassungsrechtlich brauche nur Gleiches gleich behandelt zu werden, Ungleiches jedoch nicht und es sei in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, ggf. korrigierende Regelungen einzuführen. Damit komme es für die Bedürftigkeit der Klägerin auch auf die wirtschaftliche Lage des Lebensgefährten an. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei auch das Kindergeld anzurechnen und zwar nach § 11 Abs.1 Satz 3 SGB II als Einkommen des minderjährigen Kindes.

Zur Begründung der dagegen zum SG Augsburg erhobenen Klage hat die Klägerin auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen, weshalb auch die Beklagte auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen hat.

Das SG hat der Klägerin mitgeteilt, dass der Beschluss des SG Düsseldorf (nicht Urteil) zwischenzeitlich vom LSG NRW aufgehoben worden sei (LSG NRW 21.04.2005 - NJW 2005, S.2253). Die Begründung des SG Düsseldorf sei nicht nachvollziehbar gewesen, weil es die gleich lautende Regelung ohne verfassungsrechtliche Zweifel seit Jahrzehnten im Bereich der Alhi und Sozialhilfe gegeben habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.10.2005 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 ein Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 293,00 EUR monatlich gewährt werde.

Mit Urteil vom 04.10.2005 hat das SG im Übrigen die Klage abgewiesen. Im Anschluss an die Entscheidung des LSG NRW würden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bestehen. Eine entsprechende Regelung habe bisher in § 122 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), in § 137 Abs.2a Arbeitsförderungsgesetz - AFG - und in § 193 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bestanden. Diese über Jahrzehnte geltenden Regelungen seien nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.1992 (NJW 1993, 643) zur Verhinderung einer Ungleichbehandlung der Ehe geboten. Ausgangs- und Bezugspunkt einer Verfassungsbetrachtung sei allein die Ehe. Ausgehend von der Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der eheähnlichen Gemeinschaft in die Bedürftigkeitsberechnung wie bei Eheleuten und einer Gleichstellung mit diesen könnte sich nur die Frage stellen, ob auch weitere Lebensgemeinschaften einzubeziehen wären. Bei der Klägerin handle es sich aber um eine Konstellation, deren Verfassungsmäßigkeit geklärt sei.

Mit der Berufung vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass die Anrechnung des Einkommens ihres Lebensgefährten gegen das Verfassungsrecht verstoße. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.10.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2005 zu verurteilen, ihr höheres Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung des Einkommens des Partners zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Einbeziehung von Partnern eheähnlicher Gemeinschaften bei der Hilfebedürftigkeitsprüfung nicht verfassungswidrig sei. Dies ergebe sich mittelbar auch bereits aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbst, dass in seinem Nichtannahmebeschluss vom 02.09.2004 zu den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende an der grundlegenden Entscheidung zur Bedürftigkeitsfeststellung eheähnlicher Gemeinschaften festgehalten habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 04.10.2005 die Klage abgewiesen, da der Bescheid vom 07.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2005 nicht zu beanstanden ist.

Denn der Klägerin steht höheres Alg II nicht zu.

Gemäß § 7 Abs.3 SGB II sind die Klägerin, die Tochter M. sowie schließlich auch der Lebensgefährte der Klägerin nach Nr.3b in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen, weil der Lebensgefährte in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Klägerin lebt. Sein Einkommen ist daher nach § 9 Abs.2 Satz 1 SGB II bei der Feststellung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu berücksichtigen.

Die eheähnliche Gemeinschaft ist nach einhelliger gefestigter Rechtsprechung als die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau definiert, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner für einander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfGE 87, 234 = NJW 1993, 643; zuletzt BVerfG, FamRZ 2004, 1950 m.w.N.). Die Klägerin bestreitet insofern auch nicht, dass sie mit Herrn C. M. in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Der Senat hat im Übrigen auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs.3 Nr.3b SGB II. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des SG Düsseldorf übersieht bereits, dass das BVerfG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 17.11.1992 (NJW 1993, 643 = NZS 1992, 72 = SozR 3-4100 § 137 Nr.3) die eheähnliche Gemeinschaft und die Berücksichtigung deren Einkommens in die Bedürfnisskeitsprüfung des Hilfeempfängers zum Schutz und zur Verhinderung einer Ungleichbehandlung der Ehe als vertretbare, verfassungsgemäße gesetzgeberische Entscheidung angesehen hat. Ausgangs- und Bezugspunkt einer Verfassungsbetrachtung ist allein die Ehe und nicht die Beziehung von Lebensgemeinschaften untereinander allgemein. Insoweit hat es das BVerfG dem Gesetzgeber überlassen, welche Form von Lebensgemeinschaften zum Schutz der Ehe in einer Bedarf- und Einstandsgemeinschaft einzubeziehen sind. Die Berücksichtigung von anderen Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, die nicht Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz sind, oder Verwandten - hat es nicht für erforderlich gehalten. Es gibt keinen Grund, Einkommen und Vermögen von Eheleuten nicht zu berücksichtigen, so dass unabhängig von einer Notwendigkeit der Erfassung anderer menschlicher Lebensformen jedenfalls die Gleichbehandlung der eheähnlichen Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau vom Ansatz her auch nicht im Licht des Art.3 GG verfassungswidrig sein kann. Es bleibt vielmehr dabei, dass die Einbeziehung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft in die Bedarf- und Einstandsgemeinschaft zum Schutz der Ehe, der gesetzlich in den bisherigen § 122 BSHG, jetzt § 20 SGB XII, § 137 Abs.2a AFG, ab 01.01.1998 § 193 SGB III, § 7 Abs.3 Nr.2 SGB II zum Ausdruck gekommen ist, entsprechend den Ausführungen des BVerfG verfassungsgemäß ist. Ausgehend von dieser Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der eheähnlichen Gemeinschaften in die Bedürftigkeitsberechnung wie bei Eheleuten und einer Gleichstellung mit diesen, könnte sich nur die Frage stellen, ob auch weitere Lebensgemeinschaften einzubeziehen wären. Deren Beantwortung liegt aber in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und steht hier nicht zur Diskussion. Denn auf sie kommt es bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht an.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Augsburg vom 04.10.2005 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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