Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 57/04 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 630/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10. Mai 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Altersrente für langjährig Versicherte zu zahlen.
Der 1940 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seiner Heimat. In der Zeit vom 17.04.1964 bis 15.08.1966 und 10.10.1997 bis 30.09.2002 hat er dort insgesamt 7 Jahre, 3 Monate und 29 Tage an Versicherungszeiten aufzuweisen. Weitere Beitragszeiten (25 Jahre, 7 Monate und 15 Tage) hat er in Bosnien-Herzogewina zurückgelegt. In der Bundesrepublik Deutschland war er vom 22.06.1992 bis 01.10.1995 als Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt, daran anschließend war er bis 29.03.1997 arbeitslos und hat vom 01.04.1997 bis 31.12.1997 freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet.
Am 03.09.2003 beantragte der Kläger über den kroatischen Versicherungsträger bei der Beklagten die Zahlung einer Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 08.10.2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Für die vom Kläger beantragte Rente sei die Wartezeit von 420 Kalendermonaten alleine aus deutschen Zeiten nicht erfüllt, da hier nur 70 Monate nachgewiesen seien. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der kroatischen Versicherungszeiten von 88 Monaten würden sich insgesamt nur 158 Monate für die Wartezeit ergeben.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies auf seine in Bosnien und Herzegowina zurückgelegten Versicherungszeiten hin, bei deren Berücksichtigung er die Voraussetzungen für die begehrte Rente erfülle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen vom 24.11.1997 seien zwar zur Erfüllung der jeweils im Vertragsstaat erforderlichen Wartezeit auch die im anderen Staat zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenzurechnen. Es würden sich jedoch lediglich 152 Monate (67 Monate in Deutschland und 85 Monate in Kroatien) ergeben. Eine kumulative Anwendung mehrerer Abkommen sei durch Art.2 Nr.1 des Schlussprotokolls des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens ausdrücklich ausgeschlossen. Die in Bosnien zurückgelegten Versicherungszeiten könnten nicht zugleich zur Wartezeiterfüllung herangezogen werden. Bei Zurücklegen von Versicherungszeiten in einem dritten Staat, mit dem ebenfalls ein Sozialversicherungsabkommen bestehe, gelte grundsätzlich ein Kumulierungsverbot. Vorliegend sei zwar eine Ausnahme von diesem Verbot für Versicherte aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien möglich, da in dem für die Nachfolgestaaten fortgeltenden deutsch-jugoslawischen Abkommen das Verbot der kumulativen Anwendung in Art.2 Abs.2 nicht ausreichend klar formuliert worden sei, weshalb der Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 29.05.1984 (BSGE Band 57, 73 ff.) Anwendung finde. Eine danach mögliche Zusammenrechnung von Versicherungszeiten könne jedoch nur für die Wartezeiten von 60, 180 oder 240 Kalendermonaten erfolgen, nicht jedoch für die Wartezeit von 35 Versicherungsjahren. Hierfür bestehe weiterhin ein Kumulierungsverbot. Für den Kläger seien deshalb die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach jedem Abkommen getrennt zu prüfen. Sofern sich der Kläger für vermindert erwerbsfähig halte, erkläre sich die Beklagte bereit, den Antrag vom 03.09.2003 als Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu werten und hierüber zu entscheiden. Die entsprechende Erklärung erwarte die Beklagte innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Widerspruchsbescheides.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Nach seiner Auffassung, habe er einen Anspruch auf die begehrte Rente, weil er insgesamt die Wartezeit von 35 Versicherungsjahren erfüllt habe.
Mit Urteil vom 10.05.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.09.2003 die Altersrente für langjährig Versicherte zu zahlen. Neben den deutschen und kroatischen Versicherungszeiten seien auch die vom Kläger nachgewiesenen bosnischen Versicherungszeiten auf die Wartezeit von 35 Jahren anzurechnen, soweit diese zurückgelegt worden seien, während sowohl die heutige kroatische Republik als auch die heutige Republik Bosnien und Herzegowina noch Teilrepubliken des früheren Gesamtstaates Jugoslawien gewesen seien. Dies gelte bis zur völkerrechtlichen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Kroatiens am 23.12.1991. Die bis zu diesem Tage in der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und Herzegowina erworbenen Zeiten seien in Bezug auf Kroatien nicht in einem Drittstaat zurückgelegt, sondern im selben Staat. Erst nach der Erlangung der Unabhängigkeit Kroatiens sei diesbezüglich das Gebiet von Bosnien und Herzegowina zweifelsfrei Ausland.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, nach deren Auffassung Rechtsgrundlage zur Anrechnung von Versicherungszeiten nur die jeweils geltenden Sozialversicherungsabkommen seien. Nach den jeweiligen Artikeln 25 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens bzw. des Abkommens mit Kroatien richte sich der Umfang der zurückgelegten Zeiten nach den Rechtsvorschriften in Bosnien-Herzegowina bzw. Kroatien. Eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten in den drei Staaten komme auch nicht unter Berücksichtigung des Beschlusses des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 29.05.1984 in Betracht, der nach Auffassung der Rentenversicherungsträger nur anwendbar sei für einen Rentenanspruch, für dessen Erfüllung die Wartezeit von 60, 180 oder 240 Kalendermonaten erforderlich sei, nicht jedoch für die Wartezeit von 420 Kalendermonaten wie im vorliegenden Fall. Mit Bescheid vom 31.08.2005 hat die Beklagte sodann dem Kläger die Regelaltersrente ab 01.09.2005 bewilligt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.05.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen Bezug genommen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Klageakten des Sozialgerichts Landshut sowie der Rentenakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet, weil der Kläger gegen die Beklagte mit Vollendung des 63. Lebensjahres noch keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente (Altersrente für langjährig Versicherte) hat.
Versicherte, die vor dem 01.01.1948 geboren sind, haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben (§ 236 Abs.1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Der Kläger erfüllt zwar im Zeitpunkt der Antragstellung die altersmäßigen Voraussetzungen für diese Rente, im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts sind jedoch die beitragsmäßigen Voraussetzungen (Wartezeit von 35 Jahren) nicht gegeben.
Unstreitig hätte der Kläger bei Zusammenrechnung seiner in der Bundesrepublik Deutschland sowie auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien (Bosnien und Herzegowina, Kroatien) zurückgelegten Versicherungszeiten die Wartezeit von 35 Jahren für die vorzeitige Altersrente erfüllt. Diese hätte damit vor Aufteilung der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in politisch selbständige Staaten, für die zunächst das seinerzeitige Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 noch weiter galt und das im Verhältnis zur Republik Bosnien und Herzegowina weiterhin anzuwenden ist (Bekanntmachung vom 16.11.1992, BGBl.II 1196) bei Erfüllung der altersmäßigen Voraussetzungen ohne weiteres gezahlt werden können. Maßgebliche Rechtslage für die Bewilligung einer Rente ist aber der Rechtszustand im Zeitpunkt des Leistungsfalls, sofern nicht Übergangsvorschriften etwas anderes zulassen. Im Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrags bzw. Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers waren die bundesrechtlichen Vorschriften sowohl des weitergeltenden deutsch-jugoslawischen Abkommens (im Verhältnis zu Bosnien) als auch des seit 01.12.1998 in Kraft befindlichen deutsch-kroatischen Abkommens vom 24.11.1997 (BGBl.II 1998, 2037) anzuwenden. Daraus ergibt sich, dass die Argumentation des Sozialgerichts, maßgeblich sei der Zustand bis zur völkerrechtlichen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Kroatiens am 23.12.1991, weshalb die bis dahin im Rahmen des deutsch-jugoslawischen Abkommens in Gesamt-Jugoslawien entrichteten Beiträge für die Erfüllung der Wartezeit heranzuziehen seien, nicht haltbar ist. Deutlich wird dies insbesondere durch das seit 1998 in Kraft befindliche deutsch-kroatische Abkommen, das neben dem Abkommen mit Bosnien und Herzegowina gilt. Die auf dem jeweiligen Staatsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten können deshalb heute nicht mehr als "gesamt-jugoslawische Zeiten" angesehen werden. Nachdem auch die neuerdings mit den Nachfolgestaaten abgeschlossenen Abkommen keinerlei Übergangsregelung im Sinne der Auffassung des Sozialgerichts vorsehen, verbleibt es bei dem im Rahmen des jeweiligen Artikel 25 der Abkommen anrechenbaren Versicherungszeiten.
Es kann aber auch keine Anrechnung aller infrage stehenden Versicherungszeiten im Sinne des Beschlusses des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 29.05.1984 - AzGS 1-3/82 (BSGE 57, 23) erfolgen. Darin hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass die Bestimmung des Art.2 Abs.2 des deutsch-jugoslawischen Abkommens, wonach Rechtsvorschriften, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen mit den Staaten ergeben, soweit sie nicht Versicherungslastregelungen enthalten, im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten nicht zu berücksichtigen seien, einer "multilateralen" Zusammenrechnung verschiedener ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Zeiten nicht im Wege stehe (vgl. auch BSG SozR 2200 § 1250 Nr.11). Die Beklagte führt jedoch zu Recht aus, dass nunmehr Art.2 des deutsch-kroatischen Abkommens ein eindeutiges Kumulierungsverbot enthält, das gerade die erwähnte Zusammenrechnung verbietet. Diese positiv-rechtliche Regelung schließt damit diejenigen Rechtsfolgen, die sich aus den früheren, abweichenden Vertragstexten ergeben haben, aus. Nachdem die Anrechnung der kroatischen Versicherungszeiten nur über das deutsch-kroatische Abkommen möglich ist, gilt dieses Kumulierungsverbot bezüglich der kroatischen Zeiten für die beiden bilateralen Abkommen, die hier anzuwenden sind. Die Einführung des Kumulierungsverbots durch den Abkommensgeber ohne Übergangsregelung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierdurch hat sich zwar die rechtliche Position des damals 58-jährigen Kläger evtl. maßgeblich (s.u.) - Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren - verschlechtert. Diese Verschlechterung betrifft jedoch kein evtl. grundrechtlich geschütztes Anwartschaftsrecht. Unter dem Schutz des Art.14 Grundgesetz steht nur die deutsche Beitragszeit, die mit knapp 4 1/2 Jahren nur eine untergeordnete Rolle für die Erfüllung der streitigen Wartezeit spielt. Die Abkommensregelung ist somit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Unter diesen Umständen kann es auch dahinstehen, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass die Entscheidung des Großen Senats vom 29.05.1984 lediglich die dort genannten Wartezeiten (60, 180 oder 240 Monate) betrifft oder ob diese Aufzählung lediglich unvollständig ist und auch auf die Wartezeit von 35 Jahren bzw. 420 Monaten auszudehnen gewesen wäre. Nachdem der Kläger somit vor Vollendung des 65. Lebensjahres keinen Anspruch auf eine Altersrente hat, war das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor, da der Senat insbesondere nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Altersrente für langjährig Versicherte zu zahlen.
Der 1940 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seiner Heimat. In der Zeit vom 17.04.1964 bis 15.08.1966 und 10.10.1997 bis 30.09.2002 hat er dort insgesamt 7 Jahre, 3 Monate und 29 Tage an Versicherungszeiten aufzuweisen. Weitere Beitragszeiten (25 Jahre, 7 Monate und 15 Tage) hat er in Bosnien-Herzogewina zurückgelegt. In der Bundesrepublik Deutschland war er vom 22.06.1992 bis 01.10.1995 als Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt, daran anschließend war er bis 29.03.1997 arbeitslos und hat vom 01.04.1997 bis 31.12.1997 freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet.
Am 03.09.2003 beantragte der Kläger über den kroatischen Versicherungsträger bei der Beklagten die Zahlung einer Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 08.10.2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Für die vom Kläger beantragte Rente sei die Wartezeit von 420 Kalendermonaten alleine aus deutschen Zeiten nicht erfüllt, da hier nur 70 Monate nachgewiesen seien. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der kroatischen Versicherungszeiten von 88 Monaten würden sich insgesamt nur 158 Monate für die Wartezeit ergeben.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies auf seine in Bosnien und Herzegowina zurückgelegten Versicherungszeiten hin, bei deren Berücksichtigung er die Voraussetzungen für die begehrte Rente erfülle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen vom 24.11.1997 seien zwar zur Erfüllung der jeweils im Vertragsstaat erforderlichen Wartezeit auch die im anderen Staat zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenzurechnen. Es würden sich jedoch lediglich 152 Monate (67 Monate in Deutschland und 85 Monate in Kroatien) ergeben. Eine kumulative Anwendung mehrerer Abkommen sei durch Art.2 Nr.1 des Schlussprotokolls des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens ausdrücklich ausgeschlossen. Die in Bosnien zurückgelegten Versicherungszeiten könnten nicht zugleich zur Wartezeiterfüllung herangezogen werden. Bei Zurücklegen von Versicherungszeiten in einem dritten Staat, mit dem ebenfalls ein Sozialversicherungsabkommen bestehe, gelte grundsätzlich ein Kumulierungsverbot. Vorliegend sei zwar eine Ausnahme von diesem Verbot für Versicherte aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien möglich, da in dem für die Nachfolgestaaten fortgeltenden deutsch-jugoslawischen Abkommen das Verbot der kumulativen Anwendung in Art.2 Abs.2 nicht ausreichend klar formuliert worden sei, weshalb der Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 29.05.1984 (BSGE Band 57, 73 ff.) Anwendung finde. Eine danach mögliche Zusammenrechnung von Versicherungszeiten könne jedoch nur für die Wartezeiten von 60, 180 oder 240 Kalendermonaten erfolgen, nicht jedoch für die Wartezeit von 35 Versicherungsjahren. Hierfür bestehe weiterhin ein Kumulierungsverbot. Für den Kläger seien deshalb die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach jedem Abkommen getrennt zu prüfen. Sofern sich der Kläger für vermindert erwerbsfähig halte, erkläre sich die Beklagte bereit, den Antrag vom 03.09.2003 als Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu werten und hierüber zu entscheiden. Die entsprechende Erklärung erwarte die Beklagte innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Widerspruchsbescheides.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Nach seiner Auffassung, habe er einen Anspruch auf die begehrte Rente, weil er insgesamt die Wartezeit von 35 Versicherungsjahren erfüllt habe.
Mit Urteil vom 10.05.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.09.2003 die Altersrente für langjährig Versicherte zu zahlen. Neben den deutschen und kroatischen Versicherungszeiten seien auch die vom Kläger nachgewiesenen bosnischen Versicherungszeiten auf die Wartezeit von 35 Jahren anzurechnen, soweit diese zurückgelegt worden seien, während sowohl die heutige kroatische Republik als auch die heutige Republik Bosnien und Herzegowina noch Teilrepubliken des früheren Gesamtstaates Jugoslawien gewesen seien. Dies gelte bis zur völkerrechtlichen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Kroatiens am 23.12.1991. Die bis zu diesem Tage in der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und Herzegowina erworbenen Zeiten seien in Bezug auf Kroatien nicht in einem Drittstaat zurückgelegt, sondern im selben Staat. Erst nach der Erlangung der Unabhängigkeit Kroatiens sei diesbezüglich das Gebiet von Bosnien und Herzegowina zweifelsfrei Ausland.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, nach deren Auffassung Rechtsgrundlage zur Anrechnung von Versicherungszeiten nur die jeweils geltenden Sozialversicherungsabkommen seien. Nach den jeweiligen Artikeln 25 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens bzw. des Abkommens mit Kroatien richte sich der Umfang der zurückgelegten Zeiten nach den Rechtsvorschriften in Bosnien-Herzegowina bzw. Kroatien. Eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten in den drei Staaten komme auch nicht unter Berücksichtigung des Beschlusses des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 29.05.1984 in Betracht, der nach Auffassung der Rentenversicherungsträger nur anwendbar sei für einen Rentenanspruch, für dessen Erfüllung die Wartezeit von 60, 180 oder 240 Kalendermonaten erforderlich sei, nicht jedoch für die Wartezeit von 420 Kalendermonaten wie im vorliegenden Fall. Mit Bescheid vom 31.08.2005 hat die Beklagte sodann dem Kläger die Regelaltersrente ab 01.09.2005 bewilligt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.05.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen Bezug genommen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Klageakten des Sozialgerichts Landshut sowie der Rentenakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet, weil der Kläger gegen die Beklagte mit Vollendung des 63. Lebensjahres noch keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente (Altersrente für langjährig Versicherte) hat.
Versicherte, die vor dem 01.01.1948 geboren sind, haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben (§ 236 Abs.1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Der Kläger erfüllt zwar im Zeitpunkt der Antragstellung die altersmäßigen Voraussetzungen für diese Rente, im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts sind jedoch die beitragsmäßigen Voraussetzungen (Wartezeit von 35 Jahren) nicht gegeben.
Unstreitig hätte der Kläger bei Zusammenrechnung seiner in der Bundesrepublik Deutschland sowie auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien (Bosnien und Herzegowina, Kroatien) zurückgelegten Versicherungszeiten die Wartezeit von 35 Jahren für die vorzeitige Altersrente erfüllt. Diese hätte damit vor Aufteilung der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in politisch selbständige Staaten, für die zunächst das seinerzeitige Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 noch weiter galt und das im Verhältnis zur Republik Bosnien und Herzegowina weiterhin anzuwenden ist (Bekanntmachung vom 16.11.1992, BGBl.II 1196) bei Erfüllung der altersmäßigen Voraussetzungen ohne weiteres gezahlt werden können. Maßgebliche Rechtslage für die Bewilligung einer Rente ist aber der Rechtszustand im Zeitpunkt des Leistungsfalls, sofern nicht Übergangsvorschriften etwas anderes zulassen. Im Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrags bzw. Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers waren die bundesrechtlichen Vorschriften sowohl des weitergeltenden deutsch-jugoslawischen Abkommens (im Verhältnis zu Bosnien) als auch des seit 01.12.1998 in Kraft befindlichen deutsch-kroatischen Abkommens vom 24.11.1997 (BGBl.II 1998, 2037) anzuwenden. Daraus ergibt sich, dass die Argumentation des Sozialgerichts, maßgeblich sei der Zustand bis zur völkerrechtlichen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Kroatiens am 23.12.1991, weshalb die bis dahin im Rahmen des deutsch-jugoslawischen Abkommens in Gesamt-Jugoslawien entrichteten Beiträge für die Erfüllung der Wartezeit heranzuziehen seien, nicht haltbar ist. Deutlich wird dies insbesondere durch das seit 1998 in Kraft befindliche deutsch-kroatische Abkommen, das neben dem Abkommen mit Bosnien und Herzegowina gilt. Die auf dem jeweiligen Staatsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten können deshalb heute nicht mehr als "gesamt-jugoslawische Zeiten" angesehen werden. Nachdem auch die neuerdings mit den Nachfolgestaaten abgeschlossenen Abkommen keinerlei Übergangsregelung im Sinne der Auffassung des Sozialgerichts vorsehen, verbleibt es bei dem im Rahmen des jeweiligen Artikel 25 der Abkommen anrechenbaren Versicherungszeiten.
Es kann aber auch keine Anrechnung aller infrage stehenden Versicherungszeiten im Sinne des Beschlusses des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 29.05.1984 - AzGS 1-3/82 (BSGE 57, 23) erfolgen. Darin hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass die Bestimmung des Art.2 Abs.2 des deutsch-jugoslawischen Abkommens, wonach Rechtsvorschriften, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen mit den Staaten ergeben, soweit sie nicht Versicherungslastregelungen enthalten, im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten nicht zu berücksichtigen seien, einer "multilateralen" Zusammenrechnung verschiedener ausländischer Versicherungszeiten mit deutschen Zeiten nicht im Wege stehe (vgl. auch BSG SozR 2200 § 1250 Nr.11). Die Beklagte führt jedoch zu Recht aus, dass nunmehr Art.2 des deutsch-kroatischen Abkommens ein eindeutiges Kumulierungsverbot enthält, das gerade die erwähnte Zusammenrechnung verbietet. Diese positiv-rechtliche Regelung schließt damit diejenigen Rechtsfolgen, die sich aus den früheren, abweichenden Vertragstexten ergeben haben, aus. Nachdem die Anrechnung der kroatischen Versicherungszeiten nur über das deutsch-kroatische Abkommen möglich ist, gilt dieses Kumulierungsverbot bezüglich der kroatischen Zeiten für die beiden bilateralen Abkommen, die hier anzuwenden sind. Die Einführung des Kumulierungsverbots durch den Abkommensgeber ohne Übergangsregelung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierdurch hat sich zwar die rechtliche Position des damals 58-jährigen Kläger evtl. maßgeblich (s.u.) - Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren - verschlechtert. Diese Verschlechterung betrifft jedoch kein evtl. grundrechtlich geschütztes Anwartschaftsrecht. Unter dem Schutz des Art.14 Grundgesetz steht nur die deutsche Beitragszeit, die mit knapp 4 1/2 Jahren nur eine untergeordnete Rolle für die Erfüllung der streitigen Wartezeit spielt. Die Abkommensregelung ist somit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Unter diesen Umständen kann es auch dahinstehen, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass die Entscheidung des Großen Senats vom 29.05.1984 lediglich die dort genannten Wartezeiten (60, 180 oder 240 Monate) betrifft oder ob diese Aufzählung lediglich unvollständig ist und auch auf die Wartezeit von 35 Jahren bzw. 420 Monaten auszudehnen gewesen wäre. Nachdem der Kläger somit vor Vollendung des 65. Lebensjahres keinen Anspruch auf eine Altersrente hat, war das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor, da der Senat insbesondere nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht.
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