L 17 U 6/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 327/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 6/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.11.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1942 geborene Kläger war von Beruf gelernter Maler. Seit 1956 war er in diesem Beruf, auch als Stuckateur, tätig. Er übte den Beruf ca. 43 Jahre aus. Teilweise waren die Arbeiten körperlich belastend, insgesamt aber vielseitig und abwechslungsreich. Eine einseitige und repetitive Manipulation mit Werkzeugen und Materialien konnte nicht festgestellt werden (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes -TAD- vom 29.08.2003). Der Kläger war nach seinen Angaben vor allem schweren körperlichen Arbeiten, Überdehnen der Halswirbelsäule durch Überkopfarbeiten, Heben und Tragen schwerer Lasten (z.B. Farbeimer von 25 kg) ausgesetzt.

Die Beklagte zog Befundberichte des Orthopäden Dr.J. vom 24.05.2002 und des Allgemeinarztes Dr.O. vom 28.04.2002, den Heilverfahren-Entlassungsbericht der P.-Klinik Bad D. vom 01.06.1996 und der Klinik H. B. vom 06.07.2000, Arbeitsberichte des Klinikums N. vom 16.05.2001, des M. Parks St.H. vom 23.04.2002 sowie ärztliche Unterlagen des Sozialgerichts Nürnberg (in der Streitsache S 6 U 421/00) zum Verfahren bei.

Für die Beklagte hielt der Chirurg Dr.E. mit Stellungnahme vom 30.10.2002 eine BK nach Nr 2101 aus medizinischer Sicht nicht für gegeben. Eine Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze liege nicht vor. Die bei dem Kläger vorliegende Periarthritis humero-scapularis könne nach anerkannter Bewertung nicht auf berufliche Einflüsse zurückgeführt werden.

Mit Bescheid vom 17.12.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr 2101 der Anlage zur BKV ab. Es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung dieser BK seien nicht erfüllt (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28.10.2003).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Schäden der Schulter und Schultergelenke als Folgen seiner 43-jährigen Tätigkeit nach BK Nr 2101 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen. Er hat vorgetragen, in seinem Fall sei eindeutig eine Tendopathie am Tuberculum majus gesichert. Die technische Stellungnahme im Ermittlungsverfahren sei weder schlüssig noch überzeugend. Aufgrund seiner Tätigkeiten sei nachgewiesen, dass eine fortgesetzte Überbeanspruchung durch Druck und Zug der Sehnenansätze bestanden habe.

Mit Schreiben vom 01.07.2004 hat der Kläger ausgeführt, dass er keinen Anlass für die Einholung eines medizinischen Gutachtens sehe. Einer Untersuchung durch Dr.G. werde er nicht nachkommen. Die bereits vorliegenden Gutachten und Untersuchungsergebnisse seien ausreichend.

Auf Veranlassung der Beklagten hat der Chirurg Dr.G. am 13.08.2004 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt und dabei ausgeführt, dass bei dem Kläger eine degenerative Veränderung der Rotatorenmanschette im rechten Schultergelenk bestehe. Diese unterliege in hohem Maße der Degeneration. Sie beginne ab dem 3. Lebensjahrzehnt. Der Kläger habe bereits ein Alter von 62 Jahren erreicht. Die Anerkennung der BK Nr 2101 sei daher abzulehnen.

Mit Urteil vom 16.11.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, es liege kein Krankheitsbild im Sinne der BK Nr 2101 vor. Die von Dr.G. bestätigten degenerativen Veränderungen beider Rotatorenmanschetten stellten primäre Erkrankungen der Sehnen oder Muskel selbst dar, nicht jedoch Schädigungen des Gleitgewebes oder der Sehnenansätze. Daher scheide die Anerkennung einer BK aus.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und auf Beschwerden der oberen Extremitäten (Schulter und Schultergelenke) beidseits hingewiesen. Außerdem hat er eine Beschreibung seiner bisherigen Berufstätigkeit abgegeben.

In einer weiteren Stellungnahme vom 06.04.2005 sah der TAD der Beklagten eine Gefährdung im Sinne der BK Nr 2101 als nicht gegeben an. Lediglich beim Abwaschen alter Leimfarben mit einer Malerbürste lagen wahrscheinlich Belastungen im Sinne der BK Nr 2101 vor. Der zeitliche Umfang dieser Arbeiten sei mit ca. 20 % der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit einzuschätzen. Langjährige Schwerarbeit komme dagegen als arbeitstechnische Voraussetzung nicht in Betracht. Mit Schreiben vom 20.06.2005 hat der TAD weitere Tätigkeitsmerkmale des Klägers, die dieser in seinem Schreiben vom 01.06.2005 angegeben hatte, berücksichtigt. Eine Änderung der Beurteilung habe sich nicht ergeben.

Auf Veranlassung des Berichterstatters hat der Orthopäde Prof. Dr.S. am 09.09.2005 ein Gutachten - auf Wunsch des Klägers nach Aktenlage - erstellt. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass degenerative Gesundheitsstörungen im Bereich aller drei Wirbelsäulenabschnitte vorliegen, zudem eine beidseitige Arthrose des Sternoclaviculargelenkes zwischen Brustbein und Schlüsselbein. Ein Hinweis darauf, dass Gesundheitsstörungen im Bereich des Schultergürtels beidseits mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers nach BK Nr 2101 zurückzuführen seien, habe sich nicht ergeben.

Der Kläger hat nochmals ein "Belastungsparameter" seiner Tätigkeiten vorgelegt, die er als ursächlich für Erkrankungen im Sinne der BK Nr 2101 ansieht. Abschließend hat sich der TAD der Beklagten hierzu am 22.11.2005 geäußert. Er hat ausgeführt, dass die langjährigen schweren körperlichen Tätigkeiten die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2101 nicht erfüllen. Vielmehr müsse es sich um feinmotorische oder monoton wiederholte Handtätigkeiten handeln, die der Kläger aber nicht im entsprechenden Umfang geleistet habe. Insbesondere sei der erforderliche Umfang von mindestens drei Stunden arbeitstäglich nicht erreicht worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 16.11.2004 sowie des Bescheides vom 17.12.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2003 zu verurteilen, seine Gesundheitsstörungen als BK Nr 2101 anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH zu gewähren. Hilfsweise beantragt er, dass die Beklagte eine ausführliche Arbeitsanamnese erstelle unter Bezug auf sein Schreiben vom 20.10.2005.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 16.11.2004 zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2005 haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter in der Sache als Einzelrichter entscheidet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr 2101 nach der Anlage zur BKV, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die Berufung ist nach § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen.

Ergänzend ist auszuführen, dass die vom Berichterstatter vorgenommene weitere Sachaufklärung keine Anhaltspunkte erbracht hat, mit denen das Begehren des Klägers zu begründen wäre. Insbesondere hinsichtlich des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen ergibt sich nach den Stellungnahmen des TAD vom 06.04.2005 und 22.11.2005, dass langjährige Schwerarbeit als arbeitstechnische Voraussetzung nicht in Betracht kommt. Obwohl der Kläger im Laufe seines Berufslebens ohne Zweifel körperlich schwer gearbeitet hat, ist dies für die Anerkennung der BK Nr 2101 von untergeordneter Bedeutung. Vielmehr kommt es für die Anerkennung der BK Nr 2101 auf die monotone Gleichförmigkeit sowie die Zahl der Bewegungen pro Zeiteinheit an. Es geht also um die sog. monotone Repetition. In seiner Tätigkeit als Maler und Tapezierer mit repetitiver Manipulation mit statischen und dynamischen Anteilen, mit hoher Auslenkung des Handgelenkes bei gleichzeitiger hoher Kraftaufwendung (Drehen, Montieren - Schönberger u.a., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl, S 1238) könnte der zeitliche Umfang an ca. 20 % der Arbeitstage im Jahr vollschichtig vorgelegen haben. Dieser Anteil verringerte sich aber ab 1962 mit Zunahme der Tapezierarbeiten. Bei der Gesamtbeurteilung ist zu berücksichtigen, dass die entsprechenden, die BK fördernden Arbeiten nicht im geeigneten zeitlichen Umfang (mindestens drei Stunden täglich) verrichtet wurden (so auch Schönberger aaO, S 1238), selbst unter Berücksichtiung der eigenen Angaben des Klägers.

Im medizinischen Bereich lässt sich dem Gutachten von Prof. Dr.S. vom 09.09.2005 entnehmen, dass keine Gesundheitsstörungen an den Schultergürteln beidseits vorhanden sind, die mit Wahrscheinlichkeit durch berufliche Tätigkeit nach BK Nr 2101 verursacht worden sind. Die BK Nr 2101 bezieht sich primär auf folgende Kranheitsbilder: Tendovaginitis crepitans, Tendovaginitis stenosans sowie Periostosen (Schönberger aaO, S 1237). Die Angabe des Klägers, dass bei den Untersuchungen der Schulter eine Krepitation nachgewiesen worden sei und sich bei den Röntgenaufnahmen eine Insertionstendinose der Rotatorenmanschette zeige, reicht aber nicht aus, um eine degenerative Erkrankung der Rotatorenmanschette und des Schultergürtels im Sinne der BK Nr 2101 anzunehmen.

Bei der vom Kläger wiederholt genannten Arthrose im Bereich beider Sternoclaviculargelenke handelt es sich um eine Gelenkerkrankung und nicht um ein eigentliches Sehnenansatzleiden. Das vom Kläger vorgebrachte Impingementsyndrom beider Schultern unterfällt nicht der BK Nr 2101, da das Impingementsyndrom der Schulter im Sinne einer Periarthritis humero-scapularis ein komplexes eigenständiges Krankheitsbild der Schultergelenke ist. Hierbei sind typischerweise nicht nur Sehne und Sehnenansatz betroffen. Vielmehr sind Veränderungen aller funktionellen Einheiten der Schulter beachtlich, wobei insbesondere das Schultereckgelenk betroffen ist, das eine Einengung des Sub- acromialraumes und der Rotatorenmanschette begünstigt. Damit handelt es sich bei den Gesundheitsstörungen im Bereich des Schultergürtels nicht um Erkrankungen im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung durch die berufliche Tätigkeit des Klägers nach BK Nr 2101.

Der Berichterstatter konnte bei diesen Feststellungen auch das Vorgutachten von Dr.G. nach Aktenlage außer Acht lassen.

Die Berufung des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen. Der Berichterstatter konnte im Einvernehmen mit den Beteiligten anstelle des Senats entscheiden (§ 155 Abs 3, 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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