L 3 U 39/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 313/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 39/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 04.01.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger gegen die Beklagte aufgrund eines Arbeitsunfalls einen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente hat.

Der 1958 geborene Kläger erlitt am 14.03.1988 bei seiner Tätigkeit als Betriebselektriker einen Arbeitsunfall, als er beim Vorbereiten einer Kontrollmessung ausrutschte und mit dem rechten Unterarm auf ein spannungsführendes Teil stürzte. Dr.H. diagnostizierte am Unfalltag erst- und drittgradige Verbrennungen im Bereich des rechten Unterarms. Der Kläger sei kurzzeitig bewusstlos gewesen. Der Kläger wurde am 21.03.1988 aus der stationären Behandlung und am 14.07.1988 aus der ambulanten Behandlung entlassen. Arbeitsfähigkeit wurde dem Kläger ab 18.07.1988 bescheinigt. Die Beklagte holte die Befundberichte des Dr.H. vom 15.03.1988, 13.05.1988 und vom 01.07.1988 ein. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte Dr.H. auf unter 10 v.H. ein.

Eine Vorstellung des Klägers wegen des Unfalls fand erst wieder am 02.03.1999 bei Dr.S. statt, wobei er auf Schmerzen im Bereich des gesamten rechten Armes nach längerer Belastung hinwies. Gegen Abend würden die Schmerzen heftig zunehmen. Am 06.09.2001 beantragte der Kläger eine Begutachtung wegen Schmerzen im rechten Arm, Atemnot, Schwindel, Kreislaufstörungen, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, ständiger Kopfschmerzen, Unruhezustände und Nervosität. Die Beklagte holte daraufhin das internistische Gutachten des Prof.Dr.L. vom 04.02.2002, das nervenärztliche Gutachten des Dr.G. vom 17.04.2002 und das chirurgische Gutachten des Dr.H. vom 25.06.2002 ein.

Mit Bescheid vom 26.07.2002 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rentenleistungen wegen des Arbeitsunfalls vom 14.03.1988 ab. Bei den Begutachtungen seien außer den berührungsempfindlichen Narben am rechten Unterarm keine wesentlichen Einschränkungen festgestellt worden, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Verbrennungen am rechten Unterarm am 14.03.1988 zurückzuführen seien. Die Gutachter hätten eine Reihe unfallunabhängiger Erkrankungen, vor allem auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet festgestellt. Es bestehe keine MdE. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2002 zurückgewiesen.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben mit der Begründung, nach dem Arbeitsunfall sei eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß verblieben. Die verbliebenen funktionellen Beeinträchtigungen sowie deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit seien enorm. Das Gutachten des Dr.H. sei unzureichend bzw. unrichtig. Bei der Untersuchung sei festgestellt worden, dass Herzkranzgefäße aufgrund des Stromunfalls abgebrannt seien. Dies sei im Gutachten nicht festgehalten worden. Die körperliche Belastung sei durch Treten auf dem Trimmrad festgestellt worden. Dabei habe der Kreislauf und das Herz versagt. Vier Ärzte hätten ihn wiederbeleben müssen.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.01.2005 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestünden keine Folgen des Arbeitsunfalls, die eine rentenberechtigende MdE bedingen würden. Dies folge aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten. Zu beachten sei, dass zwischen dem Unfallereignis und dem Antrag des Klägers ca. 13 Jahre ohne Brückensymptome vergangen seien.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Ar- beitsunfähigkeit habe bis Ende August 1988 gedauert. Es seien damals keine Entzündungszeichen, Sensibilitätsstörungen oder Störungen der Motorik im Bereich des Armes oder der Hand angegeben worden, weil die Ärzte unbedingt eine Hautverpflanzung hätten vornehmen wollen, ohne dass er dies selbst für dringend notwendig erachtet habe. Eine internistische Untersuchung habe bis Ende 1988 nicht stattgefunden. Der Verschlimmerungsantrag sei später gestellt worden, weil der Arbeitgeber den Unfall nicht gemeldet, die Beklagte keine Angaben zum Unfallgeschehen gemacht und er versucht habe, Arbeit aufzunehmen. Er habe nicht glauben können, in diesem Alter arbeitsunfähig zu sein.

Der Senat hat die Akte des Bayer. Landessozialgerichts zum Verfahren L 6 RJ 607/02 beigezogen, in dem der Kläger am 12.02.2004 auf nervenfachärztlichem, orthopädischem und internistischem Fachgebiet untersucht wurde (Gutachten des Dr.K. vom 13.02.2004, des Dr.F. vom 19.02.2004 und des Dr.E. vom 17.05.2004). Dr.K. führte darin aus, dass der klinische Untersuchungsbefund normal sei und funktionell bedeutsame neurologische Ausfälle nicht vorliegen würden. Aus psychiatrischer Sicht liege eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur vor, jedoch keine Persönlichkeitsstörung. Zusätzlich bestehe eine Somatisierungsstörung. Ausgangspunkt der gesamten medizinischen Diskussion sei letztlich eine entzündliche Gelenkerkrankung, die sich bei dem Kläger im Jahre 1978 manifestiert habe. Dr.F. wies auf verschiedene orthopädische Erkrankungen hin, einen geringen Bandscheibenschaden der Halswirbelsäule, Randspornbildungen der Wirbelsäule, Verformungen der rechten unteren Sprunggelenke nach abgelaufener Fersenbeinfraktur, Verschleißerscheinungen und eine Schleimbeutelerkrankung im Bereich der Kniegelenke sowie ein Impingement-Syndrom im Bereich der rechten Schulter. Im Gutachten des Dr.E. heißt es, dass gesundheitliche Folgeschäden im Rahmen des Arbeitsunfalls von 1988 auf internistischem Fachgebiet nicht vorliegen würden. Bei dem Stromunfall seien keine kardiologischen Komplikationen festgestellt worden. Auch jetzt sei der kardiale Befund unauffällig.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des So- zialgerichts Regensburg vom 04.01.2005 und des Bescheids vom 26.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2002 zu verurteilen, dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 14.03.1988 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 04.01.2005 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Er- gänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akte des Sozialgerichts Regensburg, der Akten des Bayer. Landessozialgerichts L 6 RJ 607/02 und zu diesem Verfahren sowie auf den Inhalt der vorbe- reitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des SG vom 04.01.2005 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 14.03.1988 keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente hat. Der Senat folgt diesbezüglich in vollem Umfang den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids und sieht daher gemäß § 153 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die von der Beklagten eingeholten Gutachten des Prof.Dr.L. , des Dr.G. und des Dr.H. überzeugende Beurteilungsgrundlagen zu den Fragen darstellen, welche Unfallfolgen bei dem Kläger bestehen und ob eine MdE zu begründen ist. Diese Gutachten können im Rahmen des Urkundenbeweises als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden. Den Ausführungen der Sachverständigen ist zu entnehmen, dass eine 9x6 cm große Narbe am körpernahen Unterarm bei fehlender Gefühlsempfindung, eine Minderung der Gefühlsempfindung am übrigen rechten Unterarm sowie reizlose Narben über den körpernahen Zwischenfingergelenken der Zeige-, Mittel- und Ringfinger handrückenseitig vorliegen. Diese Folgen des Unfalls begründen bei freier Beweglichkeit der Gelenke des rechten Armes und bei unauffälligem neurologischen Untersuchungsbefund keine messbare MdE. Bei dem Kläger besteht ein seitengleicher Weichteil- und Muskelmantel der Extremitäten. Vermehrte Gewebswassereinlagerungen oder auch trophische Störungen liegen nicht vor. Es besteht ein regelrechter Muskeltonus. Die Reflexe zeigten sich bei der Untersuchung unauffällig. Paresen, Sensibilitäts- oder Koordinationsstörungen konnten nicht festgestellt werden. Im Übrigen deutet die seitengleich kräftige Beschwielung der Hände nicht auf eine wesentliche Schonungsbedürftigkeit hin.

Eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. wird zum Beispiel vergeben, wenn die Vorhebung eines Armes nur bis 90 Grad gelingt. Eine MdE von 10 v.H. wird bei einem Speichenbruch mit Achsen- abknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 40 Grad angesetzt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S.604, 622). Eine vergleichbare funktionelle Einschränkung des rechten Arms liegt bei dem Kläger offensichtlich nicht vor.

Andere bei dem Kläger vorliegende Gesundheitsstörungen können nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 14.03.1988 zurückgeführt werden. Unfallunabhängig bestehen psychische Auffälligkeiten sowie die angegebenen unspezifischen Beschwerden wie Kopfschmerzneigung, Vergesslichkeit, leichte Ermüdbarkeit, Atemnot, Konzentrationsschwäche, Nervosität, Schlaflosigkeit, Schwindel und Stechen in der Brust. Dies gilt ebenso für die vom Kläger vorgetragenen Herzbeschwerden. Zunächst ist hierzu festzuhalten, dass aus den zeitnah zum Arbeitsunfall erhobenen Befunden eine Schädigung des Herzens nicht ersichtlich ist. Wäre das Herz des Klägers bei dem Stromunfall tatsächlich geschädigt worden, wären am Unfalltag und danach auffällige Befunde zu erwarten gewesen. Die Herzuntersuchung am Unfalltag durch Dr.H. ergab jedoch keinen auffälligen Befund. Dem Befundbericht vom 13.05.1988 ist zu entnehmen, dass der Kläger weder über Schwindelgefühle noch über einen Herzdruck, über Herzstiche oder Pulsunregelmäßigkeiten geklagt hatte. Auch die aktuellen Untersuchungen ergaben keinen Hinweis auf eine unfallbedingte Herzschädigung. Die im Zuge der Begutachtung durch Prof.Dr.L. durchgeführte Ergometrie zeigte keine pathologischen Kammerendteilveränderungen und keine Rhythmusstörungen. Festgestellt wurde ein unspezifisches Beschwerdebild unter Belastung. Die Röntgenuntersuchung ergab einen altersentsprechenden Herz-Lungenbefund und die Echokardiographie normal dimensionierte Herzhöhlen sowie eine global gute Pumpfunktion.

Auch ist den Gutachten, die im Rentenrechtsstreit L 6 RJ 607/02 eingeholt wurden und die hier ebenso im Rahmen des Urkundenbeweises herangezogen werden können, kein Hinweis für eine abweichende Bewertung zu entnehmen. Die internistische Untersuchung durch Dr.E. ergab einen unauffälligen kardialen Befund. Die Herzaktionen beschrieb Dr.E. als rhythmisch, ohne Strömungsgeräusche und ohne auffällige Herztöne. Das Ruhe-EKG und die Ergometrie waren normal. Eine kardiopulmonale Leistungseinschränkung war nicht erkennbar. Der Kläger leidet jedoch an verschiedenen unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen, die die vorgetragenen Beschwerden erklären könnten. So besteht eine Spondylose der Lendenwirbelsäule, wobei laut Dr.F. eine atypische Bechterew-Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann. Eine 1994 entstandene Fersenbeinfraktur rechts wirkt sich in Form einer mäßigen Gehbehinderung aus. Aus psychiatrischer Sicht weist Dr.K. auf eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur sowie eine Somatisierungsstörung hin.

Im Übrigen fehlt jeder Hinweis auf sog. Brückensymptome. Solche Brückensymptome sind grundsätzlich notwendige Bindeglieder der Kausalkette zwischen dem Arbeitsunfall und einer Gesundheitsstörung. Für die Zeit nach der Behandlung infolge des Arbeitsunfalls liegen keine Befunde vor. Eine Vorstellung erfolgte erst wieder viele Jahre später am 02.03.1999 bei Dr.S ...

Der Senat hatte nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Stützrente vorliegen, weil unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und Gutachten die MdE mit unter 10 v.H. einzuschätzen ist.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 04.01.2005 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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