Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 LW 52/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 8/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.04.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für den Berufungsrechtszug zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 23.07.2001 Beiträge zur Beklagten entrichten muss.
Der am 00.00.1974 geborene Kläger ist Nebenerwerbslandwirt. Auf seinen Antrag vom 26.06.1996 hin wurde der Kläger mit Bescheid vom 10.07.1996 ab Antrag von der Beitragspflicht zur Alterskasse befreit. Im Bescheid wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Befreiung "befristet" sei. Sie behalte ihre Gültigkeit nur so lange, wie das "regelmäßige Arbeitsentgelt" des Klägers ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße (1996 = monatlich DM 590,00) überschreite. Die Beklagte machte den Kläger darauf aufmerksam, dass, sobald der Befreiungsgrund entfalle, kraft Gesetzes sofort wieder die Versicherungspflicht eintrete. Falls die Voraussetzungen für die Befreiung entfielen, "solle" der Kläger daher seiner Verpflichtung nachkommen, die Beklagte von dem Entfallen der Beitragsbefreiungsvoraussetzung umgehend zu informieren. Andernfalls könne er später unter Umständen nicht erneut rückwirkend von der Versicherungspflicht befreit werden.
Im Jahre 2001 überprüfte die Beklagte routinemäßig, ob die Voraussetzungen für die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht noch vorlagen. Dabei stellte sich heraus, dass der Kläger zwar durchgängig seit seiner Befreiung von der Beitragspflicht im Jahre 1996 bei der Firma X GmbH & Co. KG in X1 angestellt war. Jedoch hatte der Kläger in der Zeit von Januar 2000 bis Mai 2000 unbezahlten Urlaub bei seinem Arbeitgeber genommen, um die Meisterschule für den Kfz-Meister abzuschließen.
Die Beklagte war der Auffassung, dass in diesem Zeitraum kein "regelmäßiges Arbeitsentgelt" von dem Kläger bezogen wurde und somit die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beitragspflicht zur Alterskasse nicht vorlagen. Sie hörte den Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung des Befreiungsbescheides an.
Mit Bescheid vom 06.08.2001 hob die Beklagte die Befreiung des Klägers von der Beitragspflicht rückwirkend ab dem 01.01.2000 bis einschließlich zum 23.07.2001 auf und verpflichtete den Kläger, für den streitigen Zeitraum einen Betrag von DM 6.526,00 an Beiträgen nachzuzahlen.
Für die Zeit danach wurde der Kläger erneut von der Beitragspflicht aufgrund des wieder bezogenen, regelmäßigen Arbeitsentgeltes und eines entsprechenden erneuten Antrages befreit.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Er sei davon ausgegangen, dass er aufgrund der Befreiung des Jahres 1996 durchgängig von der Beitragspflicht befreit sei, solange er als Arbeitnehmer tätig sei. Dies sei der Fall gewesen. Er habe lediglich fünf Monate unbezahlten Urlaub für die Meisterprüfung genommen. Er sei bereit, für diese fünf Monate die Beiträge zu zahlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie vertrat die Auffassung, dass der Kläger über die Voraussetzungen für die Befreiung von ihr umfassend im Befreiungsbescheid belehrt worden sei. Der Kläger sei seiner Mitteilungsverpflichtung, auf die er aufmerksam gemacht worden sei, nicht nachgekommen. Er habe nicht mitgeteilt, dass er von Januar 2000 bis Mai 2000 kein regelmäßiges Arbeitsentgelt außerhalb der Land- und Forstwirtschaft von über einem Siebtel der Bezugsgröße bezogen habe.
Am 16.11.2001 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Er hat an seinem Begehren festgehalten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 06.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2001 aufzuheben, soweit darin eine Beitragspflicht für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 23.07.2001 festgestellt wird und er zur Zahlung von Beitragsrückständen für diesen Zeitraum verpflichtet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihre Argumentation im Verwaltungsverfahren verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass der Kläger im Befreiungsbescheid aus dem Jahre 1996 darauf hingewiesen worden sei, dass er rückwirkend nur dann von der Beitragspflicht befreit werden könne, wenn der Antrag auf Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen für die Befreiung gestellt worden sei. Der Kläger habe jedoch erst im Rahmen der Überprüfung des Jahre 2001 einen erneuten Befreiungsantrag gestellt. Die Voraussetzungen für die Befreiung des Klägers hätten jedoch bereits seit Juni 2000 wieder vorgelegen, da der unbezahlte Urlaub im Mai 2000 geendet habe.
Das Sozialgericht hat ermittelt, dass der Kläger während des Besuchs der Meisterschule keine Lohnersatzleistungen erhalten hat. Vielmehr hat der Kläger in diesem Zeitraum von Erspartem gelebt. Der Kläger hat den Steuerbescheid für das Jahr 2000 zu den Akten gereicht. Aus dem Bescheid geht hervor, dass der Kläger zwar in den Monaten Januar bis Mai 2000 über kein Arbeitsentgelt außerhalb der Land- und Forstwirtschaft verfügt hat, die entsprechenden Einkünfte im Jahresdurchschnitt jedoch oberhalb von einem Siebtel der Bezugsgröße lagen. Ferner ist der Kläger angehört worden, er hat bekundet, er sei auch während der Meisterschule im Betrieb seines Arbeitsgebers gewesen. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass er nach Abschluss der Meisterschule einen neuen Befreiungsantrag habe stellen müssen.
Mit Urteil vom 17.04.2003 hat das Sozialgericht Detmold die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die für eine rückwirkende Aufhebung in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) normierten Voraussetzungen lägen nicht vor. Insbesondere seien die Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 2 und 4 SGB X nicht erfüllt. Zwar habe der Kläger nicht mitgeteilt, dass er vom 01.01.2000 bis zum 31.05.2000 kein Erwerbseinkommen erzielt habe. Damit habe er objektiv die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beitragspflicht gemäß § 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nicht mehr erfüllt. Er sei auch zur Mitteilung dieser Tatsachen verpflichtet gewesen. Der Kläger habe diese Pflicht jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt, wie das § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 SGB X fordere. Der Kläger habe vielmehr glaubhaft versichert, dass und warum er weiter von einer Befreiung von der Beitragspflicht zur Alterskasse und von einer fehlenden Verpflichtung zur Mitteilung seines unbezahlten mehrmonatigen Urlaubes ausgegangen sei. Die angestellte und versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers, die im Jahre 1996 zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der Alterskasse geführt habe, habe nämlich während der fünfmonatigen Meisterschule fortbestanden. Der Kläger habe es nicht als mitteilungspflichtige Tatsache angesehen, dass er vorübergehend bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses kein Erwerbseinkommen erzielte habe, da er im Jahresschnitt über Einkünfte außerhalb der Land- und Forstwirtschaft verfügt habe, die deutlich oberhalb von 1/7 der Bezugsgröße lagen. Dem Kläger könne nicht entgegen gehalten werden, ihm sei von der Beklagten unmissverständlich gesagt worden, dass und welche Umstände er mitzuteilen habe. Im Bescheid vom Juli 1996 hieße es nämlich, dass die Befreiung von der Beitragspflicht ihre Gültigkeit behalte, solange der Kläger "regelmäßiges Arbeitsentgelt" beziehe, das ohne Berücksichtigung. des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreite (1996 = monatlich DM 590,00; 2000 = monatlich DM 640,00). Missverständlich bei diesem Hinweis auf bestehende Mitteilungspflichten sei, wie der Begriff des "regelmäßigen Arbeitsentgeltes" zu verstehen sei. Das Arbeitsentgelt des Klägers aus nicht selbstständiger Tätigkeit ohne Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft habe im Jahre ausweislich des Steuerbescheides DM 35.000,00 betragen und damit die 1/7 Grenze überschritten. Die Höhe des Gesamtjahreseinkommens und das Überschreiten von 1/7 der Bezugsgröße im Jahresdurchschnitt habe im Vorhinein festgestanden. Der Kläger sei daher zumindest nicht grob fahrlässig davon ausgegangen, nicht meldepflichtig zu sein. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil dem Kläger von der Beklagten nicht mitgeteilt worden sei, dass er entsprechende Änderungen ihr mitteilten "musste". Vielmehr sei ihm von der Beklagten im Bescheid vom Juli 1996 aufgegeben worden, er "solle" entsprechende Änderungen gemäß seiner gesetzlichen "Verpflichtung" mitteilen. Da diese Formulierung nicht eindeutig sei, seien auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 4 SGB X nicht erfüllt.
Gegen das am 16.05.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.06.2003 Berufung eingelegt. Sie hat vorgetragen, die Argumentation des Sozialgerichts sei nicht zwingend. In anderen ähnlich gelagerten Fällen sei auch vom Landessozialgericht die grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflichten angenommen worden, jedoch habe aus anderen Gründen die Berufung von Seiten der Beklagten keinen Erfolg gehabt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.04.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung angehört worden. Er hat erklärt, er habe sich für die Meisterschule nicht voll aus dem Betrieb gelöst, da er ansonsten vielleicht seinen Arbeitsplatz verloren hätte. An die Befreiung zur landwirtschaftlichen Altersicherung habe er nicht mehr gedacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagte ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten verletzt den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten.
Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung der Befreiung von der Beitragspflicht des Klägers kommt einzig § 48 SGB X in Betracht. Nach Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn eine der unter § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 – 4 SGB X genannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lag zwar vor. Für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 31.05.2000 besuchte der Kläger eine Meisterschule und für diesen Zeitraum bezog er kein Arbeitsentgelt. Dies stellt eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse dar.
Jedoch konnte die Beklagte keine rückwirkende Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X verfügen, denn der Kläger hat nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Verpflichtung zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse verletzt (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X).
Zwar war der Kläger gemäß § 73 Abs. 1 ALG i.V.m. § 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) verpflichtet, die Beklagte über einen rechtserheblichen vorübergehenden Nichtbezug von Arbeitsentgelt zu informieren. Jedoch hat der Kläger diese Mitteilungspflicht zur Überzeugung des Senats, insbesondere nach seiner Anhörung im Termin, weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Eine Vorsätzlichkeit des Klägers ist nicht ersichtlich und wird auch nicht von der Beklagten geltend gemacht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Versicherte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. Definition in § 45 Abs. 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Unabhängig von dem Wissen einer richtigen Definition von regelmäßigem Arbeitsentgelt, auf die das erstinstanzliche Urteil für den Prüfmaßstab der groben Fahrlässigkeit maßgeblich abstellt, denn dazu gibt es immerhin unterschiedliche Rechtsprechung (vgl. Bundessozialgericht, Entscheidung vom 16.10.2002 – Az.: B 10 LW 5/01 R – sowie Bayerisches Landessozialgericht, Entscheidung vom 18.10.2000 – Az.: L 16 LW 4/00 –), ist der Kläger zunächst glaubhaft davon ausgegangen, dass sein Arbeitsverhältnis "ruht" und er überdies noch weiterhin Kontakt mit seinem Arbeitgeber hatte, sowie dass dieses Arbeitsverhältnis auch seine Haupteinnahmequelle darstellte. Insoweit hielt er zunächst eine Meldung zur Beklagten nicht für notwendig. Bei dem im Rahmen der Prüfung der groben Fahrlässigkeit anzulegenden Maßstab ist aber vor allem von Bedeutung, dass dem Kläger - wie seine Anhörung im Verhandlungstermin ergeben hat - seine konkrete Mitteilungsverpflichtung, aus Gründen, die die Beklagte zu vertreten hat, nicht mehr im Gedächtnis war.
Der zeitliche Abstand zum Befreiungsbescheid mit der darin enthaltenen Belehrung über die Mitteilungsverpflichtung war deutlich zu groß, als dass diese einem durchschnittlichen Versicherten gerade in der Situation des Nebenerwerbslandwirtes noch bewusst sein konnte. Wie der Kläger glaubhaft vorgetragen hat, war er in der konkreten Situation nicht in der Lage, diese Verpflichtungen abzurufen. Dies macht den Kläger aber nicht grob fahrlässig, da es Aufgabe der Beklagten gewesen wäre, die Verpflichtung des Klägers durch z.B. eine engmaschigere Überprüfung der Befreiung wieder ins Gedächtnis zu rufen. Von besonderer Bedeutung innerhalb der Prüfung der groben Fahrlässigkeit des Klägers ist daher die im Ergebnis unverhältnismäßige Verwaltungspraxis der Beklagten, nach der sie in einem mehr als 4-jährigen Turnus die Befreiungstatbestände überprüft. Dieser großschrittige Überprüfungszeitraum mag zwar dem Interesse der Beklagten an der Vermeidung von Beitragslücken infolge Verjährung von Beitragsrückständen dienen (vgl. Urteil des Senats vom 27.11.2002 – Az.: L 8 LW 14/02 –). Ein solcher stellt aber, wie nicht nur der vorliegende Rechtsstreit zeigt, für Versicherte, deren Befreiungsvoraussetzungen nur für einen kurzen Zeitraum entfallen sind, ein unangemessenes Beitragsrisiko dar. Die Beklagte muss sich zurechnen lassen, dass die bestehenden Verpflichtungen zur Mitteilung bei den Versicherten mit zunehmender Distanz zum Befreiungsbescheid aus dem Bewusstsein schwinden. Es ist Aufgabe der Beklagten die Mitteilungspflichten wieder in das Gedächtnis zu rufen. Dies kann, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, nur durch zeitlich kürzere Hinweise und Überprüfungen der Beklagten gewährleistet werden.
Danach trifft den Kläger für das Unterlassen der Mitteilungsverpflichtung keine grobe Fahrlässigkeit.
Zudem hat die Beklagte zu Unrecht im Bescheid über die Aufhebung der Befreiung kein Ermessen ausgeübt. Denn aufgrund ihres Überprüfungsverhaltens und dem daraus resultierendem mangelnden Kontakt zum Versicherten kam es zu einer Aufhebung der Befreiung in einem Umfang, der über den Zeitraum des Ruhens des Arbeitsverhältnisses des Klägers hinaus ging. Diese Tatsache hätte einer Ermessensentscheidung aufgrund eines atypischen Falles bedurft (vgl. Entscheidung des LSG, Urteil vom 27.11.2002 – Az.: L 8 LW 14/02 –). Aufgrund des zu großschrittigen Überprüfungsverhaltens der Beklagten kam es zu einer Beitragsverpflichtung des Klägers für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 23.07.2001, obwohl die Befreiungsvoraussetzungen tatsächlich nur für 5 Monate nicht vorlagen. Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes ist daher eine Mitverursachung der Beklagten dafür zu berücksichtigen, dass der Kläger erst im Juli 2001 erneut wieder befreit werden konnte. Wie bereits aufgezeigt, hätte es der Beklagten oblegen, im Rahmen der Überprüfung von Befreiungen diese engmaschiger zu kontrollieren. Diese Umstände hätten im Rahmen der Bescheidung nach § 48 SGB X bei der Beklagten notwendige Ermessenserwägungen auslösen müssen. Solche hat die Beklagte auch nicht im Verlauf des Streitverfahrens nachgeholt (vgl. § 41 Abs. 2 SGB X). Da die Beklagte den Befreiungsbescheid nach § 48 SGB X, ohne von dem ihr obliegenden Ermessen Gebrauch gemacht zu haben, insgesamt aufgehoben hat, war auch aus diesem Grunde der Bescheid nach § 48 SGB X rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, bestand nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 23.07.2001 Beiträge zur Beklagten entrichten muss.
Der am 00.00.1974 geborene Kläger ist Nebenerwerbslandwirt. Auf seinen Antrag vom 26.06.1996 hin wurde der Kläger mit Bescheid vom 10.07.1996 ab Antrag von der Beitragspflicht zur Alterskasse befreit. Im Bescheid wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Befreiung "befristet" sei. Sie behalte ihre Gültigkeit nur so lange, wie das "regelmäßige Arbeitsentgelt" des Klägers ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße (1996 = monatlich DM 590,00) überschreite. Die Beklagte machte den Kläger darauf aufmerksam, dass, sobald der Befreiungsgrund entfalle, kraft Gesetzes sofort wieder die Versicherungspflicht eintrete. Falls die Voraussetzungen für die Befreiung entfielen, "solle" der Kläger daher seiner Verpflichtung nachkommen, die Beklagte von dem Entfallen der Beitragsbefreiungsvoraussetzung umgehend zu informieren. Andernfalls könne er später unter Umständen nicht erneut rückwirkend von der Versicherungspflicht befreit werden.
Im Jahre 2001 überprüfte die Beklagte routinemäßig, ob die Voraussetzungen für die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht noch vorlagen. Dabei stellte sich heraus, dass der Kläger zwar durchgängig seit seiner Befreiung von der Beitragspflicht im Jahre 1996 bei der Firma X GmbH & Co. KG in X1 angestellt war. Jedoch hatte der Kläger in der Zeit von Januar 2000 bis Mai 2000 unbezahlten Urlaub bei seinem Arbeitgeber genommen, um die Meisterschule für den Kfz-Meister abzuschließen.
Die Beklagte war der Auffassung, dass in diesem Zeitraum kein "regelmäßiges Arbeitsentgelt" von dem Kläger bezogen wurde und somit die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beitragspflicht zur Alterskasse nicht vorlagen. Sie hörte den Kläger zu der beabsichtigten Aufhebung des Befreiungsbescheides an.
Mit Bescheid vom 06.08.2001 hob die Beklagte die Befreiung des Klägers von der Beitragspflicht rückwirkend ab dem 01.01.2000 bis einschließlich zum 23.07.2001 auf und verpflichtete den Kläger, für den streitigen Zeitraum einen Betrag von DM 6.526,00 an Beiträgen nachzuzahlen.
Für die Zeit danach wurde der Kläger erneut von der Beitragspflicht aufgrund des wieder bezogenen, regelmäßigen Arbeitsentgeltes und eines entsprechenden erneuten Antrages befreit.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Er sei davon ausgegangen, dass er aufgrund der Befreiung des Jahres 1996 durchgängig von der Beitragspflicht befreit sei, solange er als Arbeitnehmer tätig sei. Dies sei der Fall gewesen. Er habe lediglich fünf Monate unbezahlten Urlaub für die Meisterprüfung genommen. Er sei bereit, für diese fünf Monate die Beiträge zu zahlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie vertrat die Auffassung, dass der Kläger über die Voraussetzungen für die Befreiung von ihr umfassend im Befreiungsbescheid belehrt worden sei. Der Kläger sei seiner Mitteilungsverpflichtung, auf die er aufmerksam gemacht worden sei, nicht nachgekommen. Er habe nicht mitgeteilt, dass er von Januar 2000 bis Mai 2000 kein regelmäßiges Arbeitsentgelt außerhalb der Land- und Forstwirtschaft von über einem Siebtel der Bezugsgröße bezogen habe.
Am 16.11.2001 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Er hat an seinem Begehren festgehalten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 06.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2001 aufzuheben, soweit darin eine Beitragspflicht für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 23.07.2001 festgestellt wird und er zur Zahlung von Beitragsrückständen für diesen Zeitraum verpflichtet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihre Argumentation im Verwaltungsverfahren verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass der Kläger im Befreiungsbescheid aus dem Jahre 1996 darauf hingewiesen worden sei, dass er rückwirkend nur dann von der Beitragspflicht befreit werden könne, wenn der Antrag auf Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen für die Befreiung gestellt worden sei. Der Kläger habe jedoch erst im Rahmen der Überprüfung des Jahre 2001 einen erneuten Befreiungsantrag gestellt. Die Voraussetzungen für die Befreiung des Klägers hätten jedoch bereits seit Juni 2000 wieder vorgelegen, da der unbezahlte Urlaub im Mai 2000 geendet habe.
Das Sozialgericht hat ermittelt, dass der Kläger während des Besuchs der Meisterschule keine Lohnersatzleistungen erhalten hat. Vielmehr hat der Kläger in diesem Zeitraum von Erspartem gelebt. Der Kläger hat den Steuerbescheid für das Jahr 2000 zu den Akten gereicht. Aus dem Bescheid geht hervor, dass der Kläger zwar in den Monaten Januar bis Mai 2000 über kein Arbeitsentgelt außerhalb der Land- und Forstwirtschaft verfügt hat, die entsprechenden Einkünfte im Jahresdurchschnitt jedoch oberhalb von einem Siebtel der Bezugsgröße lagen. Ferner ist der Kläger angehört worden, er hat bekundet, er sei auch während der Meisterschule im Betrieb seines Arbeitsgebers gewesen. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass er nach Abschluss der Meisterschule einen neuen Befreiungsantrag habe stellen müssen.
Mit Urteil vom 17.04.2003 hat das Sozialgericht Detmold die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die für eine rückwirkende Aufhebung in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) normierten Voraussetzungen lägen nicht vor. Insbesondere seien die Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 2 und 4 SGB X nicht erfüllt. Zwar habe der Kläger nicht mitgeteilt, dass er vom 01.01.2000 bis zum 31.05.2000 kein Erwerbseinkommen erzielt habe. Damit habe er objektiv die Voraussetzungen für die Befreiung von der Beitragspflicht gemäß § 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nicht mehr erfüllt. Er sei auch zur Mitteilung dieser Tatsachen verpflichtet gewesen. Der Kläger habe diese Pflicht jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt, wie das § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 SGB X fordere. Der Kläger habe vielmehr glaubhaft versichert, dass und warum er weiter von einer Befreiung von der Beitragspflicht zur Alterskasse und von einer fehlenden Verpflichtung zur Mitteilung seines unbezahlten mehrmonatigen Urlaubes ausgegangen sei. Die angestellte und versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers, die im Jahre 1996 zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der Alterskasse geführt habe, habe nämlich während der fünfmonatigen Meisterschule fortbestanden. Der Kläger habe es nicht als mitteilungspflichtige Tatsache angesehen, dass er vorübergehend bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses kein Erwerbseinkommen erzielte habe, da er im Jahresschnitt über Einkünfte außerhalb der Land- und Forstwirtschaft verfügt habe, die deutlich oberhalb von 1/7 der Bezugsgröße lagen. Dem Kläger könne nicht entgegen gehalten werden, ihm sei von der Beklagten unmissverständlich gesagt worden, dass und welche Umstände er mitzuteilen habe. Im Bescheid vom Juli 1996 hieße es nämlich, dass die Befreiung von der Beitragspflicht ihre Gültigkeit behalte, solange der Kläger "regelmäßiges Arbeitsentgelt" beziehe, das ohne Berücksichtigung. des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreite (1996 = monatlich DM 590,00; 2000 = monatlich DM 640,00). Missverständlich bei diesem Hinweis auf bestehende Mitteilungspflichten sei, wie der Begriff des "regelmäßigen Arbeitsentgeltes" zu verstehen sei. Das Arbeitsentgelt des Klägers aus nicht selbstständiger Tätigkeit ohne Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft habe im Jahre ausweislich des Steuerbescheides DM 35.000,00 betragen und damit die 1/7 Grenze überschritten. Die Höhe des Gesamtjahreseinkommens und das Überschreiten von 1/7 der Bezugsgröße im Jahresdurchschnitt habe im Vorhinein festgestanden. Der Kläger sei daher zumindest nicht grob fahrlässig davon ausgegangen, nicht meldepflichtig zu sein. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil dem Kläger von der Beklagten nicht mitgeteilt worden sei, dass er entsprechende Änderungen ihr mitteilten "musste". Vielmehr sei ihm von der Beklagten im Bescheid vom Juli 1996 aufgegeben worden, er "solle" entsprechende Änderungen gemäß seiner gesetzlichen "Verpflichtung" mitteilen. Da diese Formulierung nicht eindeutig sei, seien auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 4 SGB X nicht erfüllt.
Gegen das am 16.05.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.06.2003 Berufung eingelegt. Sie hat vorgetragen, die Argumentation des Sozialgerichts sei nicht zwingend. In anderen ähnlich gelagerten Fällen sei auch vom Landessozialgericht die grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflichten angenommen worden, jedoch habe aus anderen Gründen die Berufung von Seiten der Beklagten keinen Erfolg gehabt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.04.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung angehört worden. Er hat erklärt, er habe sich für die Meisterschule nicht voll aus dem Betrieb gelöst, da er ansonsten vielleicht seinen Arbeitsplatz verloren hätte. An die Befreiung zur landwirtschaftlichen Altersicherung habe er nicht mehr gedacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagte ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten verletzt den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten.
Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung der Befreiung von der Beitragspflicht des Klägers kommt einzig § 48 SGB X in Betracht. Nach Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn eine der unter § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 – 4 SGB X genannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lag zwar vor. Für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 31.05.2000 besuchte der Kläger eine Meisterschule und für diesen Zeitraum bezog er kein Arbeitsentgelt. Dies stellt eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse dar.
Jedoch konnte die Beklagte keine rückwirkende Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X verfügen, denn der Kläger hat nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Verpflichtung zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse verletzt (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X).
Zwar war der Kläger gemäß § 73 Abs. 1 ALG i.V.m. § 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) verpflichtet, die Beklagte über einen rechtserheblichen vorübergehenden Nichtbezug von Arbeitsentgelt zu informieren. Jedoch hat der Kläger diese Mitteilungspflicht zur Überzeugung des Senats, insbesondere nach seiner Anhörung im Termin, weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Eine Vorsätzlichkeit des Klägers ist nicht ersichtlich und wird auch nicht von der Beklagten geltend gemacht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Versicherte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. Definition in § 45 Abs. 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Unabhängig von dem Wissen einer richtigen Definition von regelmäßigem Arbeitsentgelt, auf die das erstinstanzliche Urteil für den Prüfmaßstab der groben Fahrlässigkeit maßgeblich abstellt, denn dazu gibt es immerhin unterschiedliche Rechtsprechung (vgl. Bundessozialgericht, Entscheidung vom 16.10.2002 – Az.: B 10 LW 5/01 R – sowie Bayerisches Landessozialgericht, Entscheidung vom 18.10.2000 – Az.: L 16 LW 4/00 –), ist der Kläger zunächst glaubhaft davon ausgegangen, dass sein Arbeitsverhältnis "ruht" und er überdies noch weiterhin Kontakt mit seinem Arbeitgeber hatte, sowie dass dieses Arbeitsverhältnis auch seine Haupteinnahmequelle darstellte. Insoweit hielt er zunächst eine Meldung zur Beklagten nicht für notwendig. Bei dem im Rahmen der Prüfung der groben Fahrlässigkeit anzulegenden Maßstab ist aber vor allem von Bedeutung, dass dem Kläger - wie seine Anhörung im Verhandlungstermin ergeben hat - seine konkrete Mitteilungsverpflichtung, aus Gründen, die die Beklagte zu vertreten hat, nicht mehr im Gedächtnis war.
Der zeitliche Abstand zum Befreiungsbescheid mit der darin enthaltenen Belehrung über die Mitteilungsverpflichtung war deutlich zu groß, als dass diese einem durchschnittlichen Versicherten gerade in der Situation des Nebenerwerbslandwirtes noch bewusst sein konnte. Wie der Kläger glaubhaft vorgetragen hat, war er in der konkreten Situation nicht in der Lage, diese Verpflichtungen abzurufen. Dies macht den Kläger aber nicht grob fahrlässig, da es Aufgabe der Beklagten gewesen wäre, die Verpflichtung des Klägers durch z.B. eine engmaschigere Überprüfung der Befreiung wieder ins Gedächtnis zu rufen. Von besonderer Bedeutung innerhalb der Prüfung der groben Fahrlässigkeit des Klägers ist daher die im Ergebnis unverhältnismäßige Verwaltungspraxis der Beklagten, nach der sie in einem mehr als 4-jährigen Turnus die Befreiungstatbestände überprüft. Dieser großschrittige Überprüfungszeitraum mag zwar dem Interesse der Beklagten an der Vermeidung von Beitragslücken infolge Verjährung von Beitragsrückständen dienen (vgl. Urteil des Senats vom 27.11.2002 – Az.: L 8 LW 14/02 –). Ein solcher stellt aber, wie nicht nur der vorliegende Rechtsstreit zeigt, für Versicherte, deren Befreiungsvoraussetzungen nur für einen kurzen Zeitraum entfallen sind, ein unangemessenes Beitragsrisiko dar. Die Beklagte muss sich zurechnen lassen, dass die bestehenden Verpflichtungen zur Mitteilung bei den Versicherten mit zunehmender Distanz zum Befreiungsbescheid aus dem Bewusstsein schwinden. Es ist Aufgabe der Beklagten die Mitteilungspflichten wieder in das Gedächtnis zu rufen. Dies kann, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, nur durch zeitlich kürzere Hinweise und Überprüfungen der Beklagten gewährleistet werden.
Danach trifft den Kläger für das Unterlassen der Mitteilungsverpflichtung keine grobe Fahrlässigkeit.
Zudem hat die Beklagte zu Unrecht im Bescheid über die Aufhebung der Befreiung kein Ermessen ausgeübt. Denn aufgrund ihres Überprüfungsverhaltens und dem daraus resultierendem mangelnden Kontakt zum Versicherten kam es zu einer Aufhebung der Befreiung in einem Umfang, der über den Zeitraum des Ruhens des Arbeitsverhältnisses des Klägers hinaus ging. Diese Tatsache hätte einer Ermessensentscheidung aufgrund eines atypischen Falles bedurft (vgl. Entscheidung des LSG, Urteil vom 27.11.2002 – Az.: L 8 LW 14/02 –). Aufgrund des zu großschrittigen Überprüfungsverhaltens der Beklagten kam es zu einer Beitragsverpflichtung des Klägers für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 23.07.2001, obwohl die Befreiungsvoraussetzungen tatsächlich nur für 5 Monate nicht vorlagen. Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes ist daher eine Mitverursachung der Beklagten dafür zu berücksichtigen, dass der Kläger erst im Juli 2001 erneut wieder befreit werden konnte. Wie bereits aufgezeigt, hätte es der Beklagten oblegen, im Rahmen der Überprüfung von Befreiungen diese engmaschiger zu kontrollieren. Diese Umstände hätten im Rahmen der Bescheidung nach § 48 SGB X bei der Beklagten notwendige Ermessenserwägungen auslösen müssen. Solche hat die Beklagte auch nicht im Verlauf des Streitverfahrens nachgeholt (vgl. § 41 Abs. 2 SGB X). Da die Beklagte den Befreiungsbescheid nach § 48 SGB X, ohne von dem ihr obliegenden Ermessen Gebrauch gemacht zu haben, insgesamt aufgehoben hat, war auch aus diesem Grunde der Bescheid nach § 48 SGB X rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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