Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 195/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 15/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Widerspruch gegen einen Bescheid einer Arge, mit dem die Bewilligung von Alg II (teilweise) aufgehoben und überzahlte Leistungen zurückgefordert worden sind, hat keine aufschiebende Wirkung. Dies regelt § 39 Nr. 1 SGB II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 26.01.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 03.03.2006), ist nicht begründet.
Auch zur Überzeugung des Senats hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.11.2005, mit dem die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) mit Wirkung ab 01.01.2005 teilweise aufgehoben worden ist.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu qualifizieren. Denn der Widerspruch des Antragstellers hat gemäß § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) keine aufschiebende Wirkung. § 39 Nr. 1 SGB II erfasst auch Aufhebungsentscheidungen nach §§ 45 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) i.V.m. § 40 SGB II (so auch Eicher in Eicher/Spellbrink SGB II, 2005, § 39 Rdnr 12; anderer Ansicht: Conradis in LPK – SGB II, 2005, § 39 Rdnr. 7). Denn auch die Rücknahme bzw. Aufhebung einer Bewilligung und die Rückforderung überzahlter Leistungen stellen eine "Entscheidung" über Leistungen der Grundsicherung dar und werden infolgedessen vom Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II abgedeckt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass diese Norm im Gegensatz zu den Regelungen des § 86a Nrn. 2 und 3 SGG keine Beschränkung der sofortigen Vollziehbarkeit auf "laufende Leistungen" enthält. Der Gesetzgeber hat damit anderslautende Regelungen getroffen als in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Sozialversicherung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm das System des einstweiligen Rechtsschutzes in §§ 86a, 86b SGG und der Verwaltungsgerichtsordnung unbekannt wäre, so dass eine bewußte und gewollte Abweichung anzunehmen ist. Gegen die hier vertretene Auffassung spricht auch nicht, das damit die Regelung in § 39 Nr. 2 SGB II überflüssig würde, da der Vorschrift zumindest eine klarstellende Funktion zukommt. Damit entfällt hier die aufschiebende Wirkung in einem anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fall, § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG.
Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bei der nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdz. 12f) von einem Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen sofortiger Vollziehbarkeit und aufschiebender Wirkung auszugehen ist, so dass das Vollziehungsinteresse in der Regel den Vorrang hat (so LSG NRW Beschluss vom 22.08.2005 – L 1 B 3/05 AL ER mit ausführlicher Begründung und zahlreichen Nachweisen). Danach ist darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder ob seine Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge hätte. Nach der Gegenauffassung ist nur eine allgemeine Abwägung nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache vorzunehmen (Keller, a.a.0.). Beide Abwägungsentscheidungen gehen hier nämlich zu Lasten des Antragstellers aus.
Denn zum einen räumt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren jetzt selbst ein, dass seine Tochter nur bis zum 25.02.2005 bei ihrer Schwester gewohnt hat und danach wieder zu ihm in die Wohnung gezogen ist. Damit wäre zumindest ab diesem Zeitpunkt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die eine Korrektur der Bewilligungsentscheidung nach § 48 SGB X rechtfertigen würde. Zum anderen bestehen aber begründete Zweifel an diesem späten Datum, da der Antragsteller schon am 21.10.2004 einen Antrag auf Leistungen abgegeben hatte, in dem zunächst seine Tochter als mit ihm in einem Haushalt lebende Person eingetragen gewesen war, wenngleich dieser Eintrag dann wieder ausgestrichen worden ist. Schließlich hat er in dem Folgeantrag am 31.05.2005 angegeben, seine Tochter L L sei "ca. seit Monaten" neu im Haushalt. Auch wenn hier die Angabe fehlt, seit wievielen Monaten dies der Fall ist, bleibt es doch bei dem Plural von Monaten.
Dass die Rückzahlung der überzahlten Leistungen derzeit eine unbillige Härte darstellt, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass diese Zahlungen offenbar von der getrennt lebenden Ehefrau des Antragstellers erbracht werden und bereits EUR 300,00 überwiesen worden sind. Der Rückforderungsanspruch von insgesamt EUR 911,08 setzt sich aus den in den Monaten Januar bis einschließlich April 2005 zu Unrecht bezogenen Leistungen zusammen.
Die Kostenentscheidung ergeht in analoger Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 03.03.2006), ist nicht begründet.
Auch zur Überzeugung des Senats hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.11.2005, mit dem die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) mit Wirkung ab 01.01.2005 teilweise aufgehoben worden ist.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu qualifizieren. Denn der Widerspruch des Antragstellers hat gemäß § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) keine aufschiebende Wirkung. § 39 Nr. 1 SGB II erfasst auch Aufhebungsentscheidungen nach §§ 45 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) i.V.m. § 40 SGB II (so auch Eicher in Eicher/Spellbrink SGB II, 2005, § 39 Rdnr 12; anderer Ansicht: Conradis in LPK – SGB II, 2005, § 39 Rdnr. 7). Denn auch die Rücknahme bzw. Aufhebung einer Bewilligung und die Rückforderung überzahlter Leistungen stellen eine "Entscheidung" über Leistungen der Grundsicherung dar und werden infolgedessen vom Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II abgedeckt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass diese Norm im Gegensatz zu den Regelungen des § 86a Nrn. 2 und 3 SGG keine Beschränkung der sofortigen Vollziehbarkeit auf "laufende Leistungen" enthält. Der Gesetzgeber hat damit anderslautende Regelungen getroffen als in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Sozialversicherung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm das System des einstweiligen Rechtsschutzes in §§ 86a, 86b SGG und der Verwaltungsgerichtsordnung unbekannt wäre, so dass eine bewußte und gewollte Abweichung anzunehmen ist. Gegen die hier vertretene Auffassung spricht auch nicht, das damit die Regelung in § 39 Nr. 2 SGB II überflüssig würde, da der Vorschrift zumindest eine klarstellende Funktion zukommt. Damit entfällt hier die aufschiebende Wirkung in einem anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fall, § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG.
Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bei der nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdz. 12f) von einem Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen sofortiger Vollziehbarkeit und aufschiebender Wirkung auszugehen ist, so dass das Vollziehungsinteresse in der Regel den Vorrang hat (so LSG NRW Beschluss vom 22.08.2005 – L 1 B 3/05 AL ER mit ausführlicher Begründung und zahlreichen Nachweisen). Danach ist darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder ob seine Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge hätte. Nach der Gegenauffassung ist nur eine allgemeine Abwägung nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache vorzunehmen (Keller, a.a.0.). Beide Abwägungsentscheidungen gehen hier nämlich zu Lasten des Antragstellers aus.
Denn zum einen räumt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren jetzt selbst ein, dass seine Tochter nur bis zum 25.02.2005 bei ihrer Schwester gewohnt hat und danach wieder zu ihm in die Wohnung gezogen ist. Damit wäre zumindest ab diesem Zeitpunkt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die eine Korrektur der Bewilligungsentscheidung nach § 48 SGB X rechtfertigen würde. Zum anderen bestehen aber begründete Zweifel an diesem späten Datum, da der Antragsteller schon am 21.10.2004 einen Antrag auf Leistungen abgegeben hatte, in dem zunächst seine Tochter als mit ihm in einem Haushalt lebende Person eingetragen gewesen war, wenngleich dieser Eintrag dann wieder ausgestrichen worden ist. Schließlich hat er in dem Folgeantrag am 31.05.2005 angegeben, seine Tochter L L sei "ca. seit Monaten" neu im Haushalt. Auch wenn hier die Angabe fehlt, seit wievielen Monaten dies der Fall ist, bleibt es doch bei dem Plural von Monaten.
Dass die Rückzahlung der überzahlten Leistungen derzeit eine unbillige Härte darstellt, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass diese Zahlungen offenbar von der getrennt lebenden Ehefrau des Antragstellers erbracht werden und bereits EUR 300,00 überwiesen worden sind. Der Rückforderungsanspruch von insgesamt EUR 911,08 setzt sich aus den in den Monaten Januar bis einschließlich April 2005 zu Unrecht bezogenen Leistungen zusammen.
Die Kostenentscheidung ergeht in analoger Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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