Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 592/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 298/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 343/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.06.2003 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 abgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen und die Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr.3102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der Allgemeinarzt S. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 14.07.2000 mit, der 1971 geborene Kläger leide an den Folgen einer Borreliose, die er sich höchstwahrscheinlich durch einen Zeckenbiss bei Wald- und Forstarbeiten zugezogen habe. Zudem leide er an schweren Rückenschmerzen, die auf eine erhebliche Degeneration der Lendenwirbelsäule zurückzuführen seien. Im Schreiben vom 19.09.2000 führte S. aus, der Kläger habe ihn Anfang Februar 2000 wegen zunehmender Schmerzen in beiden Axillae aufgesucht. Neurologisch sei kein pathologischer Befund festgestellt worden. Ende Februar seien Borrelien diagnostiziert worden. Das Untersuchungsergebnis sei gut vereinbar mit einem späten Stadium einer Lyme-Borreliose. Trotz Antibiotikabehandlung sei keine Besserung eingetreten; eine weitere Behandlung habe wegen einer massiven Allergie abgebrochen werden müssen.
Der Kläger gab an, die Erkrankung habe sich im Januar 2000 erstmals durch einen Kreislaufzusammenbruch mit Bewusstlosigkeit und Ganzkörperschmerzen bemerkbar gemacht. Nach der Schulentlassung habe er zunächst von 1991 bis 1994 eine Tätigkeit als Hausmeister ausgeübt, dann sei er seit 1995 mit Unterbrechungen bei der Firma M. in B. als Hilfskraft im Erdbau- und Baggerbetrieb beschäftigt gewesen. Zuletzt habe er vom April 1999 bis November 1999 gearbeitet. Die Arbeitszeit sei unterschiedlich gewesen und habe nicht immer acht Stunden betragen. Der Arbeitgeber gab an, der Kläger sei seit 01.05.1995 mit Wald-, Forst- und Straßenbauarbeiten, Wegereparatur für die Forstverwaltung, Holzverladearbeiten beschäftigt gewesen. Fälle vom Zeckenbiss seien bisher nicht bekannt geworden, es sei auch nicht bekannt, ob beim Kläger ein Zeckenbiss erfolgt sei.
Der Neurologe Dr. S. führte im Schreiben vom 09.08.2000 aus, klinisch hätten sich keine eindeutigen Hinweise für ein Lyme-Borreliose bzw. eine radikuläre Schädigung gefunden. Der Allgemeinmediziner Privatdozent Dr. H. erklärte im Schreiben vom 06.11.2000, im Februar 2000 habe der Kläger mehrfach beim Skifahren einen Kollapszustand mit kurzfristiger Bewusstlosigkeit erlitten. Die serologischen Befunde zeigten im Februar ein hoch positives Borrelien-IgG. Aktuell klage der Kläger über Schmerzen in der Axilla-Region beidseits, Kniegelenksbeschwerden und in beide Beine einschießende Schmerzen.
Der Gewerbearzt Dr. M. führte in der Stellungnahme vom 20.04.2001 aus, da der Kläger auch mit Wald- und Forstarbeiten beschäftigt gewesen sei, dürften die beruflichen Voraussetzungen einer BK 3102 gegeben sein. Die serologischen Befunde bestätigten eine Infektion mit Borrelia burgdorferi, erlaubten aber keine Aussage über das Erkrankungsstadium. Ein klinischer Befund im Sinne einer Lyme-Borreliose sei nicht festgestellt, die Beschwerden könnten auch auf das nachgewiesene Wirbelsäulensyndrom oder andere Erkrankungen zurückgeführt werden.
Das Landratsamt M. , Abteilung Gesundheit, teilte mit Schreiben vom 16.05.2001 der Beklagten mit, es lägen keine Unterlagen über den Durchseuchungsgrad heimischer Zecken mit Borrelia burgdorferi vor. Es sei davon auszugehen, dass sich die Durchseuchungsrate der Zecken im Landkreis M. unterhalb 1000 Meter nicht von anderen deutschen Regionen unterscheide. Während Larven nur selten Borrelienträger seien, sei dies bei Nymphen in etwa 10 bis 20 % und bei erwachsenen Zecken bei etwa 20 bis 40 % der Fall.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.06.2001 die Anerkennung einer Berufskrankheit und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit sei möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich.
Den Widerspruch des Klägers vom 26.06.2001 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2001 zurück. Das Vorliegen einer borrelienbedingten Erkrankung sei möglich, aber nicht bewiesen.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger eingewandt, seit Februar 2000 leide er unter Kollapszuständen mit kurzfristiger Bewusstlosigkeit. Zwar sei ihm ein Zeckenbiss nicht erinnerlich, doch würden Zeckenbisse häufig nicht bemerkt. Beim Bau von Wald- und Forstwegen sei er einem erheblich höheren Risiko ausgesetzt gewesen, als der Rest der Bevölkerung. Daher spreche der erste Anschein dafür, dass er sich die Krankheit bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit zugezogen habe. Der Kläger hat ein Schreiben des Nervenarztes Dr. R. vom 08.03.2001 übersandt, in dem ausgeführt wird, im Vordergrund der Beschwerden stünden Schmerzen im Rückenbereich, an den Armen und Beinen mit wechselnder Intensität und Lokalisation. Die Beurteilung des Krankheitsbildes sei dadurch erschwert, dass die Borreliose-Infektion häufig mit ähnlich diffusen Beschwerden gesehen werde, die sich im Laufe der Zeit schwer von Somatisierungen und inaktivitätsbedingten Beschwerden abgrenzen ließen. Hinweise für eine manifeste Neuroborreliose hätten sich nicht gefunden.
Am 10.08.2001 hat der Kläger Dr. H. mitgeteilt, er leide zur Zeit an: ständigen Kopfschmerzen, Schmerzen in den oberen und unteren Extremitäten, dem klinischen Bild eines Bandscheibenvorfalls, Lähmungserscheinungen in den Beinen, zeitweiligem Stolpern beim Gehen, Herzproblemen mit Beklemmungsgefühl und Stechen in der Brust, Schwindelzuständen mit Augenflimmern, Nervenzucken am ganzen Körper, Muskelschmerzen und Schwäche, Schmerzen unter den Achselhöhlen, Blasenproblemen und manchmal extremen Einschlafstörungen. Dr. H. hat am 21.08.2001 ausgeführt, die klinische Symptomatik spreche für eine noch aktive Borrelien-Infektion.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist M. hat im Gutachten vom 10.12.2002 zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Lyme-Borreliose vor. Der Kläger sei als Waldarbeiter einer besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen, an einer Borreliose zu erkranken.
Die Beklagte hat entgegnet, selbst wenn tatsächlich eine Lyme-Borreliose nachgewiesen wäre, könne eine Berufskrankheit nach Nr. 3102 nicht anerkannt werden. Dies setze eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Ansteckungsgefahr voraus. Eine solche erhöhte Gefahr sei im beruflichen Einsatzgebiet des Klägers nicht gegeben gewesen. Außerdem habe der Arbeitgeber mitgeteilt, dass weitere Zeckenbisse nicht bekannt seien. Auch dies lasse darauf schließen, dass der Kläger keiner erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Auch erinnere sich der Kläger selbst nicht an einen Zeckenbiss. Dies lasse einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung zur bloßen Vermutung werden. Gleichermaßen möglich sei ein Zeckenbiss in der privaten Freizeit.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.06.2003 hat der Kläger angegeben, er habe hauptsächlich Straßenbauarbeiten an Wald- und Forstwegen im gesamten oberbayerischen Raum durchgeführt.
Das SG hat mit Urteil vom 17.06.2003 den Bescheid vom 22.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, die Lyme-Borreliose-Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit Nr. 3102 der Anlage zur BKV anzuerkennen und die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Der Kläger sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einer Lyme-Borreliose erkrankt. Die im Februar 2000 aufgetretenen unklaren Muskelschmerzen, die Kopfschmerzen und allgemeinen Mattigkeitserscheinungen entsprächen dem klinischen Bild einer Lyme-Borreliose. Mehrere serologische Untersuchungen hätten den Nachweis spezifischer Antikörper gegen Borrelia burgdorferi im Blut des Klägers gezeigt. Auch sei es zumindest wahrscheinlich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers, der überwiegend beim Bau von Wald- und Forststraßen eingesetzt gewesen sei, und der Lyme-Borreliose-Erkrankung bestehe. Der Kläger sei einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Der Nachweis einer erhöhten Ansteckungsgefahr erlaube den Schluss, dass sich der Kläger die übertragbare Krankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen habe. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankung durch außerberufliche Einwirkungen bedingt sei, seien nicht gegeben.
Zur Begründung der Berufung übersandte die Beklagte eine Stellungnahme von Dr.M. vom 13.10.2003, in der ausgeführt wird, der Kläger klage über ein sehr vielfältiges Symptombild, das aber zumindest in Anfängen bereits 1988 bestanden habe. Im Februar 2000 seien Borrelienantikörper nachgewiesen. Sie seien Ausdruck einer durchgemachten Borrelien-Infektion. Es sei nicht bekannt, zu welchem Zeitpunkt die Infektion erfolgt sei und ob sich daraus die Erkrankung Lyme-Borreliose entwickelt habe.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist und Umweltmediziner Prof. Dr. F. hat im Gutachten nach Aktenlage vom 01.07.2004 zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Infektion mit Erregern der Lyme-Borreliose vor. Der Kläger sei bei seiner Tätigkeit als Wald- und Straßenarbeiter einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Gefahr ausgesetzt gewesen, an einer Lyme-Borreliose zu erkranken. Eine Lyme-Borreliose-Erkrankung im klinischen Sinne mit Krankheitserscheinungen sei dagegen nicht bewiesen. Die Argumente, die gegen das Vorhandensein einer klinisch manifesten Borreliose sprächen, würden überwiegen. Es würden nur allgemeine Beschwerden und Kreislaufsymptome berichtet, wie sie auch bei vielen vorübergehenden Infekten vorkämen. Schließlich sei auch die Krankheits- und allgemeine Lebensvorgeschichte des Klägers zu würdigen, so die Neigung zu erheblichen neurotischen Störungen. Es lasse sich keines der Symptome, die eine Lyme-Borreliose sicherten, nachweisen. Eine neurologische Spätmanifestation sei nicht völlig auszuschließen, jedoch insbesondere auch auf Grund des bisherigen Verlaufs in hohem Grade unwahrscheinlich.
Die Beklagte übersandte eine weitere Stellungnahme von Dr.M. vom 08.10.2004: beim Kläger seien Antikörper als Ausdruck einer Borrelien-Infektion nachgewiesen. Über den Zeitpunkt der Infektion könne nichts Sicheres gesagt werden; es könne nicht mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Infektion zu einer Erkrankung geführt habe.
Hierzu und zu weiteren vom Kläger vorgelegten Laborbefunden erklärte Prof. Dr. F. in den Stellungnahmen vom 19.10. und 29.10.2004, durch die Laborbefunde ergäben sich keine gutachtensrelevanten Folgerungen. Vergleiche man den Verlauf der Befunde, so ergebe sich eindeutig eine zahlenmäßige Abnahme der Immunparameter. Auch aus den Ergebnissen des Immunoblots- und der Immun-Fluoreszenz-Tests ließen sich grundsätzlich keine anderen Schlussfolgerungen ziehen. Nicht unerhebliche zahlenmäßige Schwankungen von immunologischen Messgrößen seien bekannt und mit aktuellen physiologischen Schwankungen und/oder labortechnisch bedingten Abweichungen zu erklären. Ausschlaggebend sei der Titerverlauf innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite. Die Abnahme zwischen März 2000 und 2004 weise auf eine Infektion hin, eine klinische Erkrankung sei aus den Untersuchungsergebnissen aber nicht zu ersehen. Es sei Dr. M. zuzustimmen, dass beim Kläger keine Krankheitserscheinungen im Sinne einer Lyme-Borreliose-Erkrankung vorlägen und auch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorgelegen hätten. Es treffe allerdings nicht zu, dass - wie die Beklagte annehme - Anhaltspunkte für das Vorhandengewesensein von IgM-Antikörpern nicht gegeben seien. Einerseits seien sie für eine frische Infektion nicht unerlässlich, andererseits ergebe sich aus den von Dr. H. am 17.07.2001 mitgeteilten Werten der Nachweis von IgM-Antikörpern. Eine Borrelia-Infektion während der Wintermonate sei im Hinblick auf den Lebenszyklus der Zecken unwahrscheinlich. Es sei wahrscheinlich, dass sich der Kläger die Infektion bei der versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Eine Aktivierung der Krankheit habe aber nicht stattgefunden. Die Beschwerden und klinischen Symptome sprächen eindeutig gegen eine Lyme-Borreliose-Erkrankung, sie seien wechselnd auch schon früher aufgetreten. Die ihnen im Wesentlichen zu Grunde liegende wiederholt diagnostizierte neurotische Fehlentwicklung neige grundsätzlich zu Symptomrezidiven.
Der Kläger wendet hiergegen ein, es liege kein Beweis vor, dass die Meinung des Internisten M. falsch sei. Dr. H. habe die krankheitsbezogenen Symptome verschwiegen. Dr. M. und Prof. Dr. F. wollten vom Kernproblem Borreliose ablenken, sie hätten aber nicht bewiesen, dass keine krankheitsbezogenen Symptome vorlägen. Dr. H. und M. hätten krankheitsbezogene Symptome festgestellt. Bei Infektionskrankheiten komme es nicht auf den Grad der Wahrscheinlichkeit an, an Spätfolgen zu erkranken, es genüge die Möglichkeit. Insofern sei von fortbestehender Krankheit auszugehen.
Die Beklagte stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.06.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.06.2003 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, des Versorgungsamtes München II, der LVA Oberbayern sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Die Beklagte hat den Kläger nicht wegen der Folgen einer Berufskrankheit zu entschädigen. Gemäß § 7 Abs.1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheit bezeichnet und in die BKV aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, das heißt die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherten Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).
Der Kläger begehrt die Feststellung einer durch einen Zeckenbiss übertragenen Lyme-Borreliose, also einer von Tieren auf Menschen übertragbaren Krankheit im Sinne von Nr. 3102 der Anlage zur BKV.
Bei der Berufskrankheit Nr. 3102 reicht es für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und Krankheit aus, dass der Kläger bei der Tätigkeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Erkrankungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (vgl. BSG Beschluss vom 25.10.1989, 2 B U 82/89). Der Nachweis einer bestimmten Infektionsquelle ist daher nicht erforderlich, wenn die Gefahr einer Infektion durch die beruflichen Verhältnisse deutlich größer ist als das Risiko, im privaten Bereich zu erkranken. Dies trifft bei in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Personen grundsätzlich zu (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 16.09.1997, L 7 U 199/95 m.w.N.). Das Risiko bemisst sich nach dem Umfang der entsprechenden Tätigkeit. Da der Kläger nach seinen und seines Arbeitgebers Angaben jahrelang in erheblichem Umfang Tätigkeiten im Freien, und dabei insbesondere in Wald- oder Waldrandgebieten, verrichtet hat, war ein erhöhtes Risiko, während der versicherten Tätigkeit zu erkranken, gegeben, so dass eine Infektion während der versicherten Tätigkeit unterstellt wird.
Es gibt, wie der ärztliche Sachverständige Prof. Dr. F. betont, keinen Zweifel, dass immunserologisch beim Kläger die Infektion mit Borrelien nachgewiesen ist. Vom 03.03. bis 12.05.2000 fielen die vom Labor Dr.M. und Kollegen ermittelten Einheiten pro Milliliter Blut suczessive ab. Der Borreliablot zum Nachweis spezifischer Antikörper in der Immunglobulin-G-Fraktion war positiv. Durch die späteren Untersuchungen im Labor Prof. Dr. S. und andere wird dieses Ergebnis bestätigt. Auch Dr. H. und der Sachverständige M. fanden erhöhte Antikörper gegen Borrelien. Alle immunologischen, serologischen und lymphozytären Untersuchungen beweisen eine Infektion mit Borrelia burgdorferi, dem Erreger der Lyme-Borreliose. Das Überwiegen der IgG-Antikörper gegenüber den IgM-Antikörpern spricht für einen länger zurückliegenden Eintritt des Erregers ins Blut. So kann es sich auch um einen seit Jahren bestehenden Befund handeln.
Ein rein serologischer Befund, wie er beim Kläger gegeben ist, ist aber keine Krankheit im Sinne der BKV. Klinische Befunde, die zum Krankheitsbild der Lyme-Borreliose gehören, sind beim Kläger nicht gegeben, denn die von ihm geschilderten vielfältigen Beschwerden sind nicht durch eine Lyme-Borreliose verursacht. Zwar hat der behandelnde Arzt S. Schmerzen in beiden Achselgegenden, Kreislaufbeschwerden, Rückenschmerzen diagnostiziert, und solche Krankheitserscheinungen passen auch zu einer Borreliose-Erkrankung. Wie Prof. Dr. F. aber überzeugend ausgeführt hat, ist es unwahrscheinlich, dass diese Krankheitserscheinungen auf die Borreliose zu beziehen sind.
Denn zunächst einmal handelte sich hierbei um allgemeine Beschwerden und Kreislaufsymptome, wie sie auch bei vielen vorübergehenden Infekten vorkommen. Zudem ist in diesem Zusammenhang die Krankheits- und allgemeine Lebensvorgeschichte des Klägers zu würdigen, wie Prof. Dr. F. betont. Immerhin haben die Eltern des Klägers bereits im Schwerbehindertenverfahren 1987 eine vegetative Dysfunktion seit der Säuglingszeit, einen totalen Zusammenbruch der Darmflora 1984, vegetative Dystonie bzw. Labilität, Merk-/Konzentrationsschwäche bei erheblichen Cephalgien, rezidivierende Schwindelattacken, Untergewicht, funktionelle Herzbeschwerden, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Haltungsstörungen, beiderseitige Gonalgie, rezidivierende Dysbakterie bei Gastroenterokolitis, Septumdeviation, Sinusitis maxillaris et frontalis als Behinderungen angegeben. Diese Befunde wurden von dem praktischen Arzt Dr. A. im Befundbericht vom 16.12.1987 bestätigt. 1989 attestierte der Orthopäde Dr. K. eine Wirbelsäuleninsuffizienz mit zervikalen und lumbalen Wurzelreizsyndromen, sekundäre lumbale Wurzelreizsymptomatik im Sinne der Lumboischialgie und zervikale Migräne. Im Bericht vom 24.08.1988 wurde auf eine psychogene Komponente des Beschwerdebildes hingewiesen, der Neurologe Dr. B. diagnostizierte 1989 Konversionsneurose mit hysterischer Komponente und leichte Polyneuropathie. 1990 wies der Orthopäde Dr. B. auf ein Wirbelsäulengesamtsyndrom bei Haltungsverfall, Asthenie, radikuläre Irritationen im Sinne von Zervikobrachialgien und Lumboischialgien hin. Die psychosomatischen Auswirkungen der psychoemotionalen Befindlichkeit zeigten sich in einem Lähmungsanfall. Zudem hat der Kläger gegenüber dem Neurologen Prof. Dr. S. bei der Untersuchung am 22.11.1994 (S 20 Vs 662/94) angegeben, er habe ständig Kopfschmerzen und ab und zu Rückenschmerzen. Die Schule habe er verlassen, weil er sich elend und schwach gefühlt habe. Seine Beschwerden führe er auf die Quecksilbervergiftung durch Amalgam, außerdem auf die Belastung durch Holzschutzmittel zurück. Prof. Dr. S. wies auf eine neurotische Fehlentwicklung, die eine langfristige psychotherapeutische Behandlung wünschenswert mache, hin. Schwerere körperliche Störungen seien nicht festzustellen, die geklagten Kopfschmerzen ließen sich im Wesentlichen nicht körperlich erklären.
Im Hinblick darauf ist Prof. Dr. F. zuzustimmen, wenn er betont, dass eine Lyme-Borreliose-Erkrankung im klinischen Sinne mit Krankheitserscheinungen nicht gesichert ist. Für den Beweis des Vorliegens des klinischen Bildes dieser Erkrankung gibt es weder aus den Angaben des Klägers noch aus der umgangreichen medizinischen Dokumentation genügend Tatsachen, die dafür sprechen würden, dass die Beschwerden auf die Infektion zurückzuführen sind. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden sprechen gerade wegen ihrer Vielfalt gegen das Vorhandensein einer Borreliose-Erkrankung, wie Prof. Dr. F. betont. Da eine Erkrankung als Folge der Infektion nicht vorliegt, ist das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen und die Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr.3102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der Allgemeinarzt S. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 14.07.2000 mit, der 1971 geborene Kläger leide an den Folgen einer Borreliose, die er sich höchstwahrscheinlich durch einen Zeckenbiss bei Wald- und Forstarbeiten zugezogen habe. Zudem leide er an schweren Rückenschmerzen, die auf eine erhebliche Degeneration der Lendenwirbelsäule zurückzuführen seien. Im Schreiben vom 19.09.2000 führte S. aus, der Kläger habe ihn Anfang Februar 2000 wegen zunehmender Schmerzen in beiden Axillae aufgesucht. Neurologisch sei kein pathologischer Befund festgestellt worden. Ende Februar seien Borrelien diagnostiziert worden. Das Untersuchungsergebnis sei gut vereinbar mit einem späten Stadium einer Lyme-Borreliose. Trotz Antibiotikabehandlung sei keine Besserung eingetreten; eine weitere Behandlung habe wegen einer massiven Allergie abgebrochen werden müssen.
Der Kläger gab an, die Erkrankung habe sich im Januar 2000 erstmals durch einen Kreislaufzusammenbruch mit Bewusstlosigkeit und Ganzkörperschmerzen bemerkbar gemacht. Nach der Schulentlassung habe er zunächst von 1991 bis 1994 eine Tätigkeit als Hausmeister ausgeübt, dann sei er seit 1995 mit Unterbrechungen bei der Firma M. in B. als Hilfskraft im Erdbau- und Baggerbetrieb beschäftigt gewesen. Zuletzt habe er vom April 1999 bis November 1999 gearbeitet. Die Arbeitszeit sei unterschiedlich gewesen und habe nicht immer acht Stunden betragen. Der Arbeitgeber gab an, der Kläger sei seit 01.05.1995 mit Wald-, Forst- und Straßenbauarbeiten, Wegereparatur für die Forstverwaltung, Holzverladearbeiten beschäftigt gewesen. Fälle vom Zeckenbiss seien bisher nicht bekannt geworden, es sei auch nicht bekannt, ob beim Kläger ein Zeckenbiss erfolgt sei.
Der Neurologe Dr. S. führte im Schreiben vom 09.08.2000 aus, klinisch hätten sich keine eindeutigen Hinweise für ein Lyme-Borreliose bzw. eine radikuläre Schädigung gefunden. Der Allgemeinmediziner Privatdozent Dr. H. erklärte im Schreiben vom 06.11.2000, im Februar 2000 habe der Kläger mehrfach beim Skifahren einen Kollapszustand mit kurzfristiger Bewusstlosigkeit erlitten. Die serologischen Befunde zeigten im Februar ein hoch positives Borrelien-IgG. Aktuell klage der Kläger über Schmerzen in der Axilla-Region beidseits, Kniegelenksbeschwerden und in beide Beine einschießende Schmerzen.
Der Gewerbearzt Dr. M. führte in der Stellungnahme vom 20.04.2001 aus, da der Kläger auch mit Wald- und Forstarbeiten beschäftigt gewesen sei, dürften die beruflichen Voraussetzungen einer BK 3102 gegeben sein. Die serologischen Befunde bestätigten eine Infektion mit Borrelia burgdorferi, erlaubten aber keine Aussage über das Erkrankungsstadium. Ein klinischer Befund im Sinne einer Lyme-Borreliose sei nicht festgestellt, die Beschwerden könnten auch auf das nachgewiesene Wirbelsäulensyndrom oder andere Erkrankungen zurückgeführt werden.
Das Landratsamt M. , Abteilung Gesundheit, teilte mit Schreiben vom 16.05.2001 der Beklagten mit, es lägen keine Unterlagen über den Durchseuchungsgrad heimischer Zecken mit Borrelia burgdorferi vor. Es sei davon auszugehen, dass sich die Durchseuchungsrate der Zecken im Landkreis M. unterhalb 1000 Meter nicht von anderen deutschen Regionen unterscheide. Während Larven nur selten Borrelienträger seien, sei dies bei Nymphen in etwa 10 bis 20 % und bei erwachsenen Zecken bei etwa 20 bis 40 % der Fall.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.06.2001 die Anerkennung einer Berufskrankheit und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit sei möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich.
Den Widerspruch des Klägers vom 26.06.2001 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2001 zurück. Das Vorliegen einer borrelienbedingten Erkrankung sei möglich, aber nicht bewiesen.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger eingewandt, seit Februar 2000 leide er unter Kollapszuständen mit kurzfristiger Bewusstlosigkeit. Zwar sei ihm ein Zeckenbiss nicht erinnerlich, doch würden Zeckenbisse häufig nicht bemerkt. Beim Bau von Wald- und Forstwegen sei er einem erheblich höheren Risiko ausgesetzt gewesen, als der Rest der Bevölkerung. Daher spreche der erste Anschein dafür, dass er sich die Krankheit bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit zugezogen habe. Der Kläger hat ein Schreiben des Nervenarztes Dr. R. vom 08.03.2001 übersandt, in dem ausgeführt wird, im Vordergrund der Beschwerden stünden Schmerzen im Rückenbereich, an den Armen und Beinen mit wechselnder Intensität und Lokalisation. Die Beurteilung des Krankheitsbildes sei dadurch erschwert, dass die Borreliose-Infektion häufig mit ähnlich diffusen Beschwerden gesehen werde, die sich im Laufe der Zeit schwer von Somatisierungen und inaktivitätsbedingten Beschwerden abgrenzen ließen. Hinweise für eine manifeste Neuroborreliose hätten sich nicht gefunden.
Am 10.08.2001 hat der Kläger Dr. H. mitgeteilt, er leide zur Zeit an: ständigen Kopfschmerzen, Schmerzen in den oberen und unteren Extremitäten, dem klinischen Bild eines Bandscheibenvorfalls, Lähmungserscheinungen in den Beinen, zeitweiligem Stolpern beim Gehen, Herzproblemen mit Beklemmungsgefühl und Stechen in der Brust, Schwindelzuständen mit Augenflimmern, Nervenzucken am ganzen Körper, Muskelschmerzen und Schwäche, Schmerzen unter den Achselhöhlen, Blasenproblemen und manchmal extremen Einschlafstörungen. Dr. H. hat am 21.08.2001 ausgeführt, die klinische Symptomatik spreche für eine noch aktive Borrelien-Infektion.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist M. hat im Gutachten vom 10.12.2002 zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Lyme-Borreliose vor. Der Kläger sei als Waldarbeiter einer besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen, an einer Borreliose zu erkranken.
Die Beklagte hat entgegnet, selbst wenn tatsächlich eine Lyme-Borreliose nachgewiesen wäre, könne eine Berufskrankheit nach Nr. 3102 nicht anerkannt werden. Dies setze eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Ansteckungsgefahr voraus. Eine solche erhöhte Gefahr sei im beruflichen Einsatzgebiet des Klägers nicht gegeben gewesen. Außerdem habe der Arbeitgeber mitgeteilt, dass weitere Zeckenbisse nicht bekannt seien. Auch dies lasse darauf schließen, dass der Kläger keiner erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Auch erinnere sich der Kläger selbst nicht an einen Zeckenbiss. Dies lasse einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung zur bloßen Vermutung werden. Gleichermaßen möglich sei ein Zeckenbiss in der privaten Freizeit.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.06.2003 hat der Kläger angegeben, er habe hauptsächlich Straßenbauarbeiten an Wald- und Forstwegen im gesamten oberbayerischen Raum durchgeführt.
Das SG hat mit Urteil vom 17.06.2003 den Bescheid vom 22.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, die Lyme-Borreliose-Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit Nr. 3102 der Anlage zur BKV anzuerkennen und die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Der Kläger sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einer Lyme-Borreliose erkrankt. Die im Februar 2000 aufgetretenen unklaren Muskelschmerzen, die Kopfschmerzen und allgemeinen Mattigkeitserscheinungen entsprächen dem klinischen Bild einer Lyme-Borreliose. Mehrere serologische Untersuchungen hätten den Nachweis spezifischer Antikörper gegen Borrelia burgdorferi im Blut des Klägers gezeigt. Auch sei es zumindest wahrscheinlich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers, der überwiegend beim Bau von Wald- und Forststraßen eingesetzt gewesen sei, und der Lyme-Borreliose-Erkrankung bestehe. Der Kläger sei einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Der Nachweis einer erhöhten Ansteckungsgefahr erlaube den Schluss, dass sich der Kläger die übertragbare Krankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen habe. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankung durch außerberufliche Einwirkungen bedingt sei, seien nicht gegeben.
Zur Begründung der Berufung übersandte die Beklagte eine Stellungnahme von Dr.M. vom 13.10.2003, in der ausgeführt wird, der Kläger klage über ein sehr vielfältiges Symptombild, das aber zumindest in Anfängen bereits 1988 bestanden habe. Im Februar 2000 seien Borrelienantikörper nachgewiesen. Sie seien Ausdruck einer durchgemachten Borrelien-Infektion. Es sei nicht bekannt, zu welchem Zeitpunkt die Infektion erfolgt sei und ob sich daraus die Erkrankung Lyme-Borreliose entwickelt habe.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist und Umweltmediziner Prof. Dr. F. hat im Gutachten nach Aktenlage vom 01.07.2004 zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Infektion mit Erregern der Lyme-Borreliose vor. Der Kläger sei bei seiner Tätigkeit als Wald- und Straßenarbeiter einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Gefahr ausgesetzt gewesen, an einer Lyme-Borreliose zu erkranken. Eine Lyme-Borreliose-Erkrankung im klinischen Sinne mit Krankheitserscheinungen sei dagegen nicht bewiesen. Die Argumente, die gegen das Vorhandensein einer klinisch manifesten Borreliose sprächen, würden überwiegen. Es würden nur allgemeine Beschwerden und Kreislaufsymptome berichtet, wie sie auch bei vielen vorübergehenden Infekten vorkämen. Schließlich sei auch die Krankheits- und allgemeine Lebensvorgeschichte des Klägers zu würdigen, so die Neigung zu erheblichen neurotischen Störungen. Es lasse sich keines der Symptome, die eine Lyme-Borreliose sicherten, nachweisen. Eine neurologische Spätmanifestation sei nicht völlig auszuschließen, jedoch insbesondere auch auf Grund des bisherigen Verlaufs in hohem Grade unwahrscheinlich.
Die Beklagte übersandte eine weitere Stellungnahme von Dr.M. vom 08.10.2004: beim Kläger seien Antikörper als Ausdruck einer Borrelien-Infektion nachgewiesen. Über den Zeitpunkt der Infektion könne nichts Sicheres gesagt werden; es könne nicht mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Infektion zu einer Erkrankung geführt habe.
Hierzu und zu weiteren vom Kläger vorgelegten Laborbefunden erklärte Prof. Dr. F. in den Stellungnahmen vom 19.10. und 29.10.2004, durch die Laborbefunde ergäben sich keine gutachtensrelevanten Folgerungen. Vergleiche man den Verlauf der Befunde, so ergebe sich eindeutig eine zahlenmäßige Abnahme der Immunparameter. Auch aus den Ergebnissen des Immunoblots- und der Immun-Fluoreszenz-Tests ließen sich grundsätzlich keine anderen Schlussfolgerungen ziehen. Nicht unerhebliche zahlenmäßige Schwankungen von immunologischen Messgrößen seien bekannt und mit aktuellen physiologischen Schwankungen und/oder labortechnisch bedingten Abweichungen zu erklären. Ausschlaggebend sei der Titerverlauf innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite. Die Abnahme zwischen März 2000 und 2004 weise auf eine Infektion hin, eine klinische Erkrankung sei aus den Untersuchungsergebnissen aber nicht zu ersehen. Es sei Dr. M. zuzustimmen, dass beim Kläger keine Krankheitserscheinungen im Sinne einer Lyme-Borreliose-Erkrankung vorlägen und auch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorgelegen hätten. Es treffe allerdings nicht zu, dass - wie die Beklagte annehme - Anhaltspunkte für das Vorhandengewesensein von IgM-Antikörpern nicht gegeben seien. Einerseits seien sie für eine frische Infektion nicht unerlässlich, andererseits ergebe sich aus den von Dr. H. am 17.07.2001 mitgeteilten Werten der Nachweis von IgM-Antikörpern. Eine Borrelia-Infektion während der Wintermonate sei im Hinblick auf den Lebenszyklus der Zecken unwahrscheinlich. Es sei wahrscheinlich, dass sich der Kläger die Infektion bei der versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Eine Aktivierung der Krankheit habe aber nicht stattgefunden. Die Beschwerden und klinischen Symptome sprächen eindeutig gegen eine Lyme-Borreliose-Erkrankung, sie seien wechselnd auch schon früher aufgetreten. Die ihnen im Wesentlichen zu Grunde liegende wiederholt diagnostizierte neurotische Fehlentwicklung neige grundsätzlich zu Symptomrezidiven.
Der Kläger wendet hiergegen ein, es liege kein Beweis vor, dass die Meinung des Internisten M. falsch sei. Dr. H. habe die krankheitsbezogenen Symptome verschwiegen. Dr. M. und Prof. Dr. F. wollten vom Kernproblem Borreliose ablenken, sie hätten aber nicht bewiesen, dass keine krankheitsbezogenen Symptome vorlägen. Dr. H. und M. hätten krankheitsbezogene Symptome festgestellt. Bei Infektionskrankheiten komme es nicht auf den Grad der Wahrscheinlichkeit an, an Spätfolgen zu erkranken, es genüge die Möglichkeit. Insofern sei von fortbestehender Krankheit auszugehen.
Die Beklagte stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.06.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.06.2003 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, des Versorgungsamtes München II, der LVA Oberbayern sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Die Beklagte hat den Kläger nicht wegen der Folgen einer Berufskrankheit zu entschädigen. Gemäß § 7 Abs.1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheit bezeichnet und in die BKV aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, das heißt die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherten Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).
Der Kläger begehrt die Feststellung einer durch einen Zeckenbiss übertragenen Lyme-Borreliose, also einer von Tieren auf Menschen übertragbaren Krankheit im Sinne von Nr. 3102 der Anlage zur BKV.
Bei der Berufskrankheit Nr. 3102 reicht es für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen versicherter Tätigkeit und Krankheit aus, dass der Kläger bei der Tätigkeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Erkrankungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (vgl. BSG Beschluss vom 25.10.1989, 2 B U 82/89). Der Nachweis einer bestimmten Infektionsquelle ist daher nicht erforderlich, wenn die Gefahr einer Infektion durch die beruflichen Verhältnisse deutlich größer ist als das Risiko, im privaten Bereich zu erkranken. Dies trifft bei in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Personen grundsätzlich zu (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 16.09.1997, L 7 U 199/95 m.w.N.). Das Risiko bemisst sich nach dem Umfang der entsprechenden Tätigkeit. Da der Kläger nach seinen und seines Arbeitgebers Angaben jahrelang in erheblichem Umfang Tätigkeiten im Freien, und dabei insbesondere in Wald- oder Waldrandgebieten, verrichtet hat, war ein erhöhtes Risiko, während der versicherten Tätigkeit zu erkranken, gegeben, so dass eine Infektion während der versicherten Tätigkeit unterstellt wird.
Es gibt, wie der ärztliche Sachverständige Prof. Dr. F. betont, keinen Zweifel, dass immunserologisch beim Kläger die Infektion mit Borrelien nachgewiesen ist. Vom 03.03. bis 12.05.2000 fielen die vom Labor Dr.M. und Kollegen ermittelten Einheiten pro Milliliter Blut suczessive ab. Der Borreliablot zum Nachweis spezifischer Antikörper in der Immunglobulin-G-Fraktion war positiv. Durch die späteren Untersuchungen im Labor Prof. Dr. S. und andere wird dieses Ergebnis bestätigt. Auch Dr. H. und der Sachverständige M. fanden erhöhte Antikörper gegen Borrelien. Alle immunologischen, serologischen und lymphozytären Untersuchungen beweisen eine Infektion mit Borrelia burgdorferi, dem Erreger der Lyme-Borreliose. Das Überwiegen der IgG-Antikörper gegenüber den IgM-Antikörpern spricht für einen länger zurückliegenden Eintritt des Erregers ins Blut. So kann es sich auch um einen seit Jahren bestehenden Befund handeln.
Ein rein serologischer Befund, wie er beim Kläger gegeben ist, ist aber keine Krankheit im Sinne der BKV. Klinische Befunde, die zum Krankheitsbild der Lyme-Borreliose gehören, sind beim Kläger nicht gegeben, denn die von ihm geschilderten vielfältigen Beschwerden sind nicht durch eine Lyme-Borreliose verursacht. Zwar hat der behandelnde Arzt S. Schmerzen in beiden Achselgegenden, Kreislaufbeschwerden, Rückenschmerzen diagnostiziert, und solche Krankheitserscheinungen passen auch zu einer Borreliose-Erkrankung. Wie Prof. Dr. F. aber überzeugend ausgeführt hat, ist es unwahrscheinlich, dass diese Krankheitserscheinungen auf die Borreliose zu beziehen sind.
Denn zunächst einmal handelte sich hierbei um allgemeine Beschwerden und Kreislaufsymptome, wie sie auch bei vielen vorübergehenden Infekten vorkommen. Zudem ist in diesem Zusammenhang die Krankheits- und allgemeine Lebensvorgeschichte des Klägers zu würdigen, wie Prof. Dr. F. betont. Immerhin haben die Eltern des Klägers bereits im Schwerbehindertenverfahren 1987 eine vegetative Dysfunktion seit der Säuglingszeit, einen totalen Zusammenbruch der Darmflora 1984, vegetative Dystonie bzw. Labilität, Merk-/Konzentrationsschwäche bei erheblichen Cephalgien, rezidivierende Schwindelattacken, Untergewicht, funktionelle Herzbeschwerden, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Haltungsstörungen, beiderseitige Gonalgie, rezidivierende Dysbakterie bei Gastroenterokolitis, Septumdeviation, Sinusitis maxillaris et frontalis als Behinderungen angegeben. Diese Befunde wurden von dem praktischen Arzt Dr. A. im Befundbericht vom 16.12.1987 bestätigt. 1989 attestierte der Orthopäde Dr. K. eine Wirbelsäuleninsuffizienz mit zervikalen und lumbalen Wurzelreizsyndromen, sekundäre lumbale Wurzelreizsymptomatik im Sinne der Lumboischialgie und zervikale Migräne. Im Bericht vom 24.08.1988 wurde auf eine psychogene Komponente des Beschwerdebildes hingewiesen, der Neurologe Dr. B. diagnostizierte 1989 Konversionsneurose mit hysterischer Komponente und leichte Polyneuropathie. 1990 wies der Orthopäde Dr. B. auf ein Wirbelsäulengesamtsyndrom bei Haltungsverfall, Asthenie, radikuläre Irritationen im Sinne von Zervikobrachialgien und Lumboischialgien hin. Die psychosomatischen Auswirkungen der psychoemotionalen Befindlichkeit zeigten sich in einem Lähmungsanfall. Zudem hat der Kläger gegenüber dem Neurologen Prof. Dr. S. bei der Untersuchung am 22.11.1994 (S 20 Vs 662/94) angegeben, er habe ständig Kopfschmerzen und ab und zu Rückenschmerzen. Die Schule habe er verlassen, weil er sich elend und schwach gefühlt habe. Seine Beschwerden führe er auf die Quecksilbervergiftung durch Amalgam, außerdem auf die Belastung durch Holzschutzmittel zurück. Prof. Dr. S. wies auf eine neurotische Fehlentwicklung, die eine langfristige psychotherapeutische Behandlung wünschenswert mache, hin. Schwerere körperliche Störungen seien nicht festzustellen, die geklagten Kopfschmerzen ließen sich im Wesentlichen nicht körperlich erklären.
Im Hinblick darauf ist Prof. Dr. F. zuzustimmen, wenn er betont, dass eine Lyme-Borreliose-Erkrankung im klinischen Sinne mit Krankheitserscheinungen nicht gesichert ist. Für den Beweis des Vorliegens des klinischen Bildes dieser Erkrankung gibt es weder aus den Angaben des Klägers noch aus der umgangreichen medizinischen Dokumentation genügend Tatsachen, die dafür sprechen würden, dass die Beschwerden auf die Infektion zurückzuführen sind. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden sprechen gerade wegen ihrer Vielfalt gegen das Vorhandensein einer Borreliose-Erkrankung, wie Prof. Dr. F. betont. Da eine Erkrankung als Folge der Infektion nicht vorliegt, ist das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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