S 8 KR 98/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 98/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 B 31/06 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens untersagt,
1.
das Präparat Rifun als Me-Too-Präparat (Analog-Präparat, Schritt-, Scheininnovation) mit keinem oder marginalem Unterschied zu bereits eingeführten Wirkstoffen zu bezeichnen,

2.
die ihr als Mitglieder angehörenden Ärzte unter Androhung eines Abzugs in Höhe von 4 % vom Jahreshonorar dazu aufzufordern, das Präparat Rifun maximal nur noch im Rahmen einer "Me-Too-Quote" zu verordnen,

3.
Substitionsvorschläge zu dem Präparat Rifun auf einer Basis von DDD-Kosten in Höhe von 2,30 Euro für den Wirkstoff Pantoprazol zu veröffentlichen.
Der Antragsgegnerin werden die Verfahrenskosten auferlegt.

Gründe:

Streitig ist die Anwendung der sog. Me-Too-Liste sowie die Androhung und gegebenenfalls Festsetzung von Honorarabzügen bei Vertragsärzten sowie die Veröffentlichung von Substitutionsvorschlägen durch die Antragsgegnerin.

I.

Am 21.11.2005 schloss die Antragsgegnerin mit den Krankenkassenverbänden eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2006" - Arzneimittelvereinbarung - (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 82 ff.), nach welcher das Ausgabenvolumen auf den Betrag von 2,68 Mrd. EUR festgelegt wurde (§ 2). Eine Zielvereinbarung sieht die Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 Prozentpunkte und die Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um 5 Prozentpunkte vor. Für die Arztgruppe der Internisten z.B. bestimmt die Vereinbarung einen Zielwert von 78,4 % bei den Generika und von 7,7 % bei den Me-Too-Präparaten (§ 4 Abs. 2). Eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für die Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens 2006 tritt ein, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen insgesamt überschritten wird und der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2006 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt (§ 7 Abs. 1). In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände gegenüber den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von 4 % des für das Kalenderjahr 2006 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars (§ 7 Abs. 2), der als Abzug aus dem Abrechnungsbescheid ersichtlich sein muss (§ 11 Abs. 1 c des Honorarverteilungsvertrages -HVV- vom 31.01.2006, Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 68, 69). Einreden aufgrund von Ergebnissen der Bewertung hinsichtlich der Ursachen der Überschreitung des Ausgabenvolumens 2006 gegen den Bestand von Ansprüchen der Krankenkassen nach § 7 Abs. 2 sowie die Durchführung von Anspruchsprüfungen können nicht erhoben werden (§ 7 Abs. 3 der Vereinbarung). Eine Liste patentgeschützter AnalogPräparate ("Me-Too-Liste") veröffentlicht die Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Website (www.kvno.de/importiert/me too.pdf; aktueller Stand: 03.03.2006) und fügt sie ihren an ihre Mitglieder gerichteten "persönlichen Arzneimittelschnellinformationen" bei. Außerdem fügt sie ihren "persönlichen Arzneimittelschnellinformationen" Substitutionsempfehlungen bei.

Die Antragstellerin ist ein Pharmaunternehmen und Herstellerin des Präparates Rifun. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet sie sich gegen die Auflistung ihres Präparates in der Me-Too-Liste und gegen die damit verbundene Reglementierung der Verordnungsfähigkeit ihres Präparates im Rahmen der sog. Me-Too-Quote. Die Maßnahmen der Antragsgegnerin würden eine Verdrängung des Präparates Rifun aus der GKV-Versorgung bewirken und sie in ihren Grundrechten der Berufsausübungsfreiheit und ihres Eigentumsschutzes rechtswidrig verletzen. Das Handeln der Antragsgegnerin sei nicht von einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Die Zusammenstellung der sog. "Me-Too-Liste" sei völlig willkürlich und inkonsistent. Die mit der Verordnung von Rifun angegebenen Tagestherapiekosten seien objektiv unzutreffend. Auf die weiteren Darlegungen und Ausführungen, sowie die genaue Antragstellung im Antragsschriftsatz vom 12.04.2006 wird Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zurückzuweisen. Sie hält weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch für gegeben. Die umstrittenen Maßnahmen, insbesondere die getroffene Arzneimittelvereinbarung sei durch die Vorschrift des § 84 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) gedeckt. Es handele sich hierbei um einen sachgerechten Beitrag der Ärzte zur Vermeidung der Überschreitung des Arzneimittelausgabenvolumens. Die Ärzte seien über die für sie geltenden Me-Too-Quoten informiert worden. Es seien auch Hinweise erteilt worden, welche Präparate als sog. Me-Too-Präparate gemeinhin gewertet werden. Dies allerdings mit ausdrücklichen Zusatz, dass die Entscheidung im konkreten Fall bei dem Arzt verbleibt. Der entsprechend beigefügte Auszug aus der ursprünglich von den Prof. Fricke und Claus erstellten Listen, die vom Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen zur Berechnung von Einsparungsmöglichkeiten verwendet würden, würden beigefügt. Die Antragsgegnerin selbst habe keinen Einfluss auf die Liste, sie werde von ihr weder in Bezug genommen noch von ihr zu eigen gemacht. Die Liste sei nicht Gegenstand der Arzneimittelvereinbarung. Zwischenzeitlich habe sie auf ihrer Internetseite eine von Prof. Dr. Schwabe aktualisierte Liste veröffentlicht. Der ihr vorgeworfene Wettbewerbseingriff sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - Urteile vom 17.12.2002 - zulässig. Eine Eilentscheidung würde eine Entscheidung in der Hauptsache unzulässigerweise vorwegnehmen, da die Einhaltung des Arzneimittelausgabevolumens im Jahre 2006 in diesem Falle nachhaltig gefährdet würde. Im Übrigen handele es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechtes nach § 57 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Auf den Inhalt der Antragserwiderung vom 18.4.2006 im Einzelnen wird Bezug genommen.

II. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

1.
Nachdem in mehreren vergleichbaren Parallelverfahren diese von den für Vertragsarztrecht zuständigen (KA-) Kammern des Sozialgerichts Düsseldorf an die Kammern für Angelegenheiten des Krankenversicherungsrechts abgegeben worden sind, hat auch in diesem Fall die für Krankenversicherungsrecht zuständige Kammer 8 des Sozialgerichts Düsseldorf in der Sache entschieden. Der hausinternen Abgabe der Parallelverfahren durch die KA-Kammern lagen folgende Überlegungen zu Grunde:

"Es handelt sich nicht um eine Streitsache aus dem Vertragsarztrecht ("KA").

Der Begriff des Vertragsarztrechts ist nach der Legaldefinition des § 10 Abs. 2 SGG beschränkt auf die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten und Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände (dazu BSG, Beschluss vom 27.05.2004 - B 7 SF 6/04 S - (juris)). Zu den "Vertragsärzten" in diesem Sinne zählen neben zugelassenen Ärzten und zugelassenen medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Ärzten und ermächtigten ärztlichen Einrichtungen (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V) auch alle Einrichtungen im Sinne der §§ 116a bis 119 SGB V (dazu näher LSG NRW, Beschlüsse vom 09.03.2006 - L 18 AR 12/05 und L 18 AR 14/05 - (juris)). Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Bei der Antragstellerin handelt sich um einen Pharmahersteller der Präparate, der unter keinen der genannten Leistungserbringer zu subsumieren ist.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, auf welche materiell-rechtliche Grundlage die Antragstellerin ihre Ansprüche stützt. Für die Zuständigkeit des Spruchkörpers kann hieraus nichts hergeleitet werden, weil diese durch das Prozessrecht und nicht durch materielles Recht bestimmt wird (vgl. im Einzelnen LSG NRW, Beschluss vom 09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER - (juris)). Selbst wenn die Antragstellerin daher ihre Umsatzrückgänge auf eine geringere Verschreibungshäufigkeit der Vertragsärzte zurückführt, denen bei Überschreitung der "Me-Too-Quote" Honorarabzüge in Höhe von 4 % ihres anerkannten GKV- Jahresumsatzes drohen (§ 7 Abs. 2 der Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen 2006 i.V.m. § 11 Abs. 1 c des Honorarverteilungsvertrages), ändert dies prozessrechtlich nichts daran, dass hier keine der von § 10 Abs. 2 SGG erfassten Rechtsbeziehungen vorliegt. Im Übrigen leitet die Antragstellerin ihre Ansprüche ausdrücklich aus einer Verletzung ihrer Grundrechte (Art. 12 Abs. 1 GG) durch Nennung ihrer Präparate auf der "Me-Too- Liste" her.

Es handelt sich somit insgesamt um eine Streitigkeit aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ("KR")."

Unter Berücksichtigung insbesondere des Urteils des LSG NRW vom 19.01.2005 - L 11 KA 103/03 - , in der ebenfalls ein Pharmaunternehmen Klägerin gewesen ist, hat die Kammervorsitzende gewisse Zweifel an der sachlichen Zuständigkeit von KR-Kammern, zumal die gegen dieses Urteil anhängige Revision beim Bundessozialgericht - BSG - ebenfalls bei dem für Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat (Az.: B 6 KA 13/05 R) anhängig ist. Da jedoch das Urteil vom 19.01.2005 keine Begründung bzw. keine Ausführungen zur sachlichen Zuständigkeit des für Vertragsarztrecht zuständigen Senates enthält, ist die 8. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf nicht zuletzt im Sinne eines effektiven einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend der aufgezeigten und bereits erfolgten Verteilung in den Parallelverfahren beim Sozialgericht Düsseldorf verfahren.

2.
Die Antragstellerin ist mit ihrer Behauptung, in ihren Grundrechten aus Art. 12 und Art. 14 des Grundgesetzes (GG) beeinträchtigt zu sein, antragsbefugt. Zur weiteren Begründung wird auf die diesbezüglichen ausführlichen Gründe des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen - LSG NRW - im Urteil vom 19.01.2005 (a. a. O.) Bezug genommen.

3.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist begründet.

Der Anordnungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Antragsgegnerin hat das Recht der Antragstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt, in dem sie unter Bezugnahme auf die existierende Me-Too-Liste und die damit verbundene Androhung eines Honorarabzugs für Vertragsärzte die Verordnungsfähigkeit und damit die Umsatzmöglichkeit des von der Antragstellerin hergestellten Präparats widerrechtlich eingeschränkt. Insoweit schützt § 1004 Abs. 1 BGB nicht nur unmittelbar das Eigentum, sondern nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung entsprechend auch die anderen absoluten Rechte, zu denen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zählt (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 31.08.2000 - L 5 B 32/99 KR -).

Durch die Veröffentlichung der umstrittenen Me-Too-Liste auf ihre Internetseite sowie deren Verbreitung mit den von der Antragsgegnerin versandten "persönlichen Arzneimittelschnellinformationen" hat sich die Antragsgegnerin den Inhalt dieser Listen zu eigen gemacht und insbesondere in Verbindung mit der Androhung eines Honorarabzugs in einen engen Zusammenhang gestellt. Dabei ist es unerheblich, ob die Me-Too-Liste unmittelbar Gegenstand der Arzneimittelvereinbarung ist. Entgegen der Wertung der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung ist davon auszugehen, dass sie mit ihrem Verhalten den Inhalt der Liste in Bezug genommen und mit den angedrohten Maßnahmen auch zu eigen gemacht hat.

Der Vortrag der Antragstellerin, dass der von der Antragstellerin geschilderte Umsatzrückgang des Präparates Rifun auf diese Maßnahme zurückzuführen ist, ist auch nachvollziehbar. Diese Wirkung entspricht darüber hinaus der Zielsetzung der von der Antragsgegnerin mit den Krankenkassenverbänden abgeschlossenen Arzneimittelvereinbarung.

Für den erfolgten Eingriff in den Gewerbebetrieb der Antragstellerin fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Fraglich ist bereits, ob die gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V ergriffene Maßnahme der Arzneimittelvereinbarung mit ihrer unmittelbaren Drittbetroffenheit eine inhaltlich geeignete und zulässige Maßnahme darstellt. Denn gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V hat die Antragsgegnerin als Partei der Vereinbarung bei etwaigen Maßnahmen die Ursache der Überschreitung des Arzneimittelausgabenvolumens zu berücksichtigen. Aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkasse in Nordrhein vom 30.09.2005 ergibt sich jedoch, dass keine plausiblen Gründe für den Ausgabenanstieg im Jahre 2005 ersichtlich seien. Neben diesem in § 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V zur Geltung kommenden Gesichtspunkt ist die Art der von der Antragsgegnerin ergriffenen Maßnahme vor allem unter Berücksichtigung weiterer gesetzlicher Regelungen, so der §§ 31 Abs. 2 und 35 b SGB V mehr als zweifelhaft. Insoweit weist die Antragstellerin zu Recht darauf hin, dass Maßnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit von Arzneimittelverordnungen bereits durch die erfolgte Festbetragsfestsetzung für das Präparat Rifun vom Gesetz geregelt ist und gemäß § 35 b SGB V seit dem 01.01.2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit der Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln beauftragt ist. Des Weiteren ist gemäß § 92 Abs. 2 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss für die Zusammenstellung eines Preisvergleichs - auf den die von der Antragsgegnerin ergriffenen Maßnahmen herauslaufen - zuständig.

Vor allem erscheinen die Maßnahmen der Antragsgegnerin jedoch rechtswidrig, da sie ihrer Pflicht, nur inhaltlich zutreffende tatsächliche Behauptungen aufzustellen, widersprechen. Unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin aufgeführten Einwände gegen die Berechtigung der Listung des Präparates Rifun als Me-Too-Präparat (Seite 23-36 der Antragsschrift) bestehen gewichtige Zweifel daran, dass es sich bei dem Präparat Rifun lediglich um ein Analog-Präparat mit keinem oder einem marginalen Unterschied zu bereits eingeführten Wirtstoffen handelt, und darüber hinaus an der mit der Listung verbundenen Behauptung der Unwirtschaftlichkeit gegenüber dem für vergleichbar gehaltenen Wirkstoff Omeprazol. An diesem Punkt wird die enge inhaltliche Verknüpfung der 3 Anträge deutlich. Denn die Einschätzung zur Wirtschaftlichkeit des Präparates Rifun steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem von der Antragstellerin ebenfalls angegriffenen Substituionsvorschlag auf einer Basis von DDD-Kosten in Höhe von 2,30 Euro. Insoweit hat die Antragstellerin nachvollziehbar geschildert, dass unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung, insbesondere der Ausrichtung an der Festbetragsfestsetzung, diese Information nicht mehr den Tatsachen entspricht. Hinsichtlich dieser fundierten Einwände der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin offensichtlich keine Prüfung durchgeführt. Vielmehr hat sie ausgeführt, keinen Einfluss auf den Inhalt der Me-Too-Liste zu haben. Dies widerspricht jedoch ihrer Pflicht, dass tatsächliche Behauptungen eines Hoheitsträgers inhaltlich zutreffend sein müssen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 31.08.2000, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung der Pflicht zu inhaltlich zutreffenden Behauptungen ist auch der Antrag zu 3. begründet. Bereits unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin erhobenen Einwände gegen die angegebenen Tagestherapiekosten (unzutreffende Angaben mangels Aktualität) erscheint dieser Antrag begründet. Darüber hinaus ist bereits das Heranziehen der von der WHO ermittelten DDD als Grundlage für die erfolgten Substitutionsvorschläge nicht gerechtfertigt, da gewichtige Zweifel daran bestehen, dass dieser Ausgangspunkt für die vorgenommene Kostenberechnung sachlich zutreffend ist. Dies ergibt sich neben den Einwänden der Antragstellerin daraus, dass die WHO in den von ihr herausgebenen Richtlinien selbst darauf hinweist, dass die ermittelten DDD für einen Preisvergleich nicht geeignet seien (ebenso: LSG NRW, Beschluss vom 31.08.2000, a. a. O.).

Es konnte dahingestellt bleiben, ob die Maßnahmen - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - auch wegen des Fehlens eines ausreichend "dichten Gesetzesprogramms" (vgl. LSG NRW, Urteil vom 19.1.2005 - L 11 KA 103/03 - ) als Rechtsgrundlage offensichtlich rechtswidrig sind.

Insgesamt war allen 3 Anträgen der Antragstellerin stattzugeben, da sie, z. B. die Listung des Präparates Rifun als Me-Too-Präparat und die damit verbundene Androhung eines Honorarabzugs, in einem engen und nahezu untrennbaren Zusammenhang stehen.

Unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin ergriffenen Maßnahmen ist ihre Einlassung in der Erwiderungsschrift, dass die Entscheidung über eine Bewertung als Me-Too-Präparat im konkreten Fall beim Arzt verbleibt, kaum nachvollziehbar. Dies erscheint insbesondere mit der Versendung der "persönlichen Arzneimittelschnellinformationen" mit der Me-Too-Liste sowie der Einstellung der Me-Too-Liste ins Internet unvereinbar.

Schließlich ist auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu bejahen. Die gebotene Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile der Antragstellerin abzuwenden. Das Recht der Antragstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist unter Berücksichtigung der angenommenen Rechtswidrigkeit der Maßnahme höher einzuschätzen als die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Einsparmöglichkeit, die auch durch andere Maßnahmen verwirklicht werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGB i. V. m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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