Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 494/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2005 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2005 verurteilt, dem Kläger ab Antragstellung bis 1. November 2005 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II in dem Zeitraum 14.07.2005 bis 01.11.2005 streitig.
Der am 1953 geborene Kläger befand sich vom 24.07.2004 bis zum 07.07.2005 in der Justizvollzugsanstalt K. in Haft. Von dort wurde er in das Fachkrankenhaus H. in B. zur Entwöhnungsbehandlung entlassen. Diese medizinische Rehabilitationsleistung war von der Deutschen Rentenversicherung Schwaben dem Kläger mit Bescheid vom 03.03.2005 gewährt worden. Die Maßnahme sollte voraussichtlich 16 Wochen dauern. Am 14.07.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.07.2005 ab. Der Kläger habe gemäß § 7 Abs. 4 SGB II keinen Leistungsanspruch, da er für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 zurück.
Am 27.10.2005 wurde der Kläger aus der Klinik H. entlassen.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 08.11.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist mit Schriftsatz vom 22.12.2005 von dem Bevollmächtigten des Klägers ausgeführt worden, dass zu beachten sei, dass es sich bei der Justizvollzugsanstalt und der Fachklinik um zwei voneinander zu trennenden Einrichtungen handle. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II bestehe ein Leistungsausschluss lediglich für Personen, die länger als sechs Monate in einer (und nicht in zwei) stationären Einrichtungen untergebracht seien. Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes scheide deshalb eine Versagung nach § 7 Abs. 4 SGB II aus. Die Zeit der Strafhaft dürfe mit der Zeit der Entwöhnungsbehandlung auch deshalb nicht zusammengerechnet werden, da es sich um Einrichtungen mit völlig gegensätzlichen Einrichtungszwecken handle. Dessen ungeachtet sei die Justizvollzugsanstalt auch nicht als eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II anzusehen. Diesbezüglich werde auf einen Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg (Az.: S 20 SO 106/05 ER) verwiesen. Mit Schreiben vom 15.02.2006 hat die Beklagte zu dem Verfahren Stellung genommen und ausgeführt, dass die Zeit der Haft und die Zeit der Entwöhnungsbehandlung zusammenzurechnen seien, da es sonst der Antragsteller in der Hand hätte, den für sich günstigeren Leistungsträger auszusuchen. Auch werde auf einen Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 07.02.2006 (Az.: S 9 AS 314/06 ER) hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2006 beantragt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2005 zu verurteilen, dem Kläger ab Antrag- stellung bis 01.11.2005 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Kläger ist von der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht gemäß § 7 Abs. 4 SGB VI ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Der in Abs. 4 Halbsatz 1 SGB II genannte Zeitraum von sechs Monaten stellt dabei keine absolute zeitliche Grenze dar, deren Ablauf erst abzuwarten wäre, bevor der Leistungseinschluss eintreten könnte. Vielmehr ist aus der Verwendung des Wortes für länger als sechs Monate zu schließen, dass eine Prognoseentscheidung zu treffen ist (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr. 35). Da es sich bei dem § 7 Abs. 4 SGB VI um eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit handelt (Spellbrink a.a.O. Rdz 33) hat die Beklagte zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Entscheidung darüber zu fällen, ob der Kläger innerhalb der nächsten sechs Monate wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wird. Diese Deutung steht auch im Einklang mit § 8 Abs. 1 SGB II, der Leistungen für Antragsteller ausschließt, die auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die "absehbare Zeit" wird entsprechend der Regelung in § 101 Abs. 1 SGB VI mit sechs Monaten umschrieben (Brühl in LPK-SGB II, § 7 Rdz 55). Damit wird der Zielrichtung des SGB II Rechnung getragen, nämlich durch die Leistungen nach diesem Gesetz vorranging eine Wiedereingliederung in Arbeit zu erreichen, welches bei Erwerbsunfähigen eben gerade nicht erreicht werden kann. Erwerbsunfähig ist aber nach der Auslegung des § 7 Abs. 4 SGB II gerade der nicht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist, dass er innerhalb von sechs Monaten wieder in der Lage sein wird, eine Arbeit aufzunehmen. So verhält es sich auch im Fall des Klägers. Zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 14.07.2005 war entsprechend dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Schwaben vom 03.03.2005 die Prognose dahin zu stellen, dass der Kläger innerhalb von sechs Monaten seine Suchtbehandlung in der Fachklinik H. beendet haben wird und im Anschluss daran auch in der Lage sein wird, eine Arbeit aufzunehmen. Dass der Kläger bereits vor seiner Antragstellung mehr als sechs Monate stationär untergebracht war, führt hier dagegen nicht zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II. Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass die JVA K. eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 2 SGB II ist, da es sich hierbei um eine auf Dauer angelegte Organisationseinheit von sächlichen und persönlichen Mittel handelt, die darauf ausgerichtet und geeignet ist, in ihrem Aufgabenbereich eine anstaltsmäßige Betreuung von Personen über Tag und Nacht sicherzustellen (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr 34, LSG Bayern, Beschluss vom 27.10.2005, Az.: L 11 B 596/05 AS ER). Dieser Zeitraum ist jedoch für die Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt der Antragstellung ohne Bedeutung, da er auf die künftige Entwicklung ab Antragszeitpunkt keinen Einfluss mehr haben konnte. Vielmehr war durch den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 27. Juni 2005 davon auszugehen, dass die freiheitsentziehende Maßnahme mit Entlassung des Klägers am 7. Juli 2005 in die Fachklinik H. abgeschlossen war. Damit war für die Prognoseentscheidung ab Zeitpunkt der Antragstellung nur noch der Zeitraum der Entwöhnungsbehandlung entsprechend dem Bescheid der Rentenversicherung Schwaben relevant.
Dieser Auslegung des § 7 Abs. 4 SGB II steht auch nicht entgegen, dass der Kläger ggf. eine Umsortierung in ein anderes Hilfesystem während seines Aufenthalts in der Fachklinik erfährt. Gerade diese Umsortierung erhält ihre Berechtigung aus der Zielsetzung des SGB II, vorrangig Leistungen zur Arbeitseingliederung zu erbringen. Gerade dadurch, dass bereits frühestmöglich der Kläger in die Zuständigkeit des SGB II-Leistungsträgers fällt, wird sichergestellt, dass bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt auch geeignete Wiedereingliederungsmaßnahmen für den Kläger ergriffen werden können. Aus dem Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 07.02.2006 lässt sich hierzu auch nichts anderes entnehmen. So stellte das Sozialgericht Freiburg hat in seinem Beschluss ebenfalls fest, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung der Augenblick ist, in dem der Leistungsträger über Leistungen nach dem SGB II zu entscheiden hat. Des Weiteren liegt der Entscheidung des Sozialgerichts Freiburg ein anderer Sachverhalt zugrunde, da es hier um die Ablehnung eines Fortzahlungsantrags ging. Zu Recht hat nach Auffassung der Kammer hier das Sozialgericht Freiburg auf die gesamte Unterbringungsdauer abgestellt und nicht auf die noch voraussichtlich bestehende Unterbringung ab Stellung des Fortzahlungsantrags, da sich hier die ursprüngliche im vorhergehenden Bewilligungsbescheid getroffene Prognose im Nachhinein als falsch herausgestellt hatte. Die Außerachtlassung der bereits erfolgten Unterbringzeiten zum Zeitpunkt der Stellung des Fortzahlungsantrags hätte dann nämlich zur Folge gehabt, dass der Kläger ununterbrochen Arbeitslosengeld II bezogen hätte, obwohl er tatsächlich nach der Fiktion des § 7 Abs. 4 SGB II während des Bezugszeitraums erwerbsunfähig gewesen war. Sicherlich sind aber vergangene Zeiträume in die Prognose zum Zeitpunkt der Antragstellung dann mit einzubeziehen, wenn diese insgesamt für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bzw. fiktiven Erwerbsunfähigkeit in dem Leistungszeitraum von Bedeutung sind.
So verhält es sich jedoch nicht in dem zu entscheidenden Fall, da, wie oben dargestellt, der Kläger wegen der innerhalb von sechs Monaten abzuschließenden Entwöhnungsbehandlung zum Zeitpunkt seines Erstantages nicht fiktiv als Erwerbsunfähiger i.S.v. § 7 Abs. 4 SGB II zu behandeln war. Im Hinblick darauf, dass es das Gericht als entscheidend ansieht, ob ein Antragsteller sich innerhalb der in § 7 Abs. 4 SGB II genannten Zeit wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt bzw. stellen kann, ist es für die Prognoseentscheidung für den Leistungsausschluss entgegen der Annahme des bevollmächtigten Klägers allerdings nicht von Bedeutung, ob der Kläger bereits durch die Unterbringung in einer stationären Einrichtung oder durch die Aneinanderreihung mehrerer Unterbringungszeiten in mehreren stationären Einrichtungen sechs Monate und mehr nicht in der Lage ist, eine Arbeit aufzunehmen. Nach der Zielsetzung des SGB II kommt es allein darauf an, ob der Kläger deshalb Adressat von Leistungen des SGB II sein kann, weil eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt innerhalb von sechs Monaten möglich sein kann.
Insgesamt hat der Kläger, da er zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 14.07.2005 nach dem Bewilligungsbescheid des Rehabilitationsträgers nur ca. 16 Wochen stationär untergebracht sein wird einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe.
Der Bescheid der Beklagten vom 14.07.2005 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2005 war demgemäß aufzuheben und die Beklagte zur Leistungserbringung zu verurteilen.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Auslegung des § 7 Abs. 4 SGB II war die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II in dem Zeitraum 14.07.2005 bis 01.11.2005 streitig.
Der am 1953 geborene Kläger befand sich vom 24.07.2004 bis zum 07.07.2005 in der Justizvollzugsanstalt K. in Haft. Von dort wurde er in das Fachkrankenhaus H. in B. zur Entwöhnungsbehandlung entlassen. Diese medizinische Rehabilitationsleistung war von der Deutschen Rentenversicherung Schwaben dem Kläger mit Bescheid vom 03.03.2005 gewährt worden. Die Maßnahme sollte voraussichtlich 16 Wochen dauern. Am 14.07.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.07.2005 ab. Der Kläger habe gemäß § 7 Abs. 4 SGB II keinen Leistungsanspruch, da er für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 zurück.
Am 27.10.2005 wurde der Kläger aus der Klinik H. entlassen.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 08.11.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist mit Schriftsatz vom 22.12.2005 von dem Bevollmächtigten des Klägers ausgeführt worden, dass zu beachten sei, dass es sich bei der Justizvollzugsanstalt und der Fachklinik um zwei voneinander zu trennenden Einrichtungen handle. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II bestehe ein Leistungsausschluss lediglich für Personen, die länger als sechs Monate in einer (und nicht in zwei) stationären Einrichtungen untergebracht seien. Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes scheide deshalb eine Versagung nach § 7 Abs. 4 SGB II aus. Die Zeit der Strafhaft dürfe mit der Zeit der Entwöhnungsbehandlung auch deshalb nicht zusammengerechnet werden, da es sich um Einrichtungen mit völlig gegensätzlichen Einrichtungszwecken handle. Dessen ungeachtet sei die Justizvollzugsanstalt auch nicht als eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II anzusehen. Diesbezüglich werde auf einen Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg (Az.: S 20 SO 106/05 ER) verwiesen. Mit Schreiben vom 15.02.2006 hat die Beklagte zu dem Verfahren Stellung genommen und ausgeführt, dass die Zeit der Haft und die Zeit der Entwöhnungsbehandlung zusammenzurechnen seien, da es sonst der Antragsteller in der Hand hätte, den für sich günstigeren Leistungsträger auszusuchen. Auch werde auf einen Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 07.02.2006 (Az.: S 9 AS 314/06 ER) hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2006 beantragt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2005 zu verurteilen, dem Kläger ab Antrag- stellung bis 01.11.2005 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Kläger ist von der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht gemäß § 7 Abs. 4 SGB VI ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Der in Abs. 4 Halbsatz 1 SGB II genannte Zeitraum von sechs Monaten stellt dabei keine absolute zeitliche Grenze dar, deren Ablauf erst abzuwarten wäre, bevor der Leistungseinschluss eintreten könnte. Vielmehr ist aus der Verwendung des Wortes für länger als sechs Monate zu schließen, dass eine Prognoseentscheidung zu treffen ist (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr. 35). Da es sich bei dem § 7 Abs. 4 SGB VI um eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit handelt (Spellbrink a.a.O. Rdz 33) hat die Beklagte zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Entscheidung darüber zu fällen, ob der Kläger innerhalb der nächsten sechs Monate wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wird. Diese Deutung steht auch im Einklang mit § 8 Abs. 1 SGB II, der Leistungen für Antragsteller ausschließt, die auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die "absehbare Zeit" wird entsprechend der Regelung in § 101 Abs. 1 SGB VI mit sechs Monaten umschrieben (Brühl in LPK-SGB II, § 7 Rdz 55). Damit wird der Zielrichtung des SGB II Rechnung getragen, nämlich durch die Leistungen nach diesem Gesetz vorranging eine Wiedereingliederung in Arbeit zu erreichen, welches bei Erwerbsunfähigen eben gerade nicht erreicht werden kann. Erwerbsunfähig ist aber nach der Auslegung des § 7 Abs. 4 SGB II gerade der nicht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist, dass er innerhalb von sechs Monaten wieder in der Lage sein wird, eine Arbeit aufzunehmen. So verhält es sich auch im Fall des Klägers. Zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 14.07.2005 war entsprechend dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Schwaben vom 03.03.2005 die Prognose dahin zu stellen, dass der Kläger innerhalb von sechs Monaten seine Suchtbehandlung in der Fachklinik H. beendet haben wird und im Anschluss daran auch in der Lage sein wird, eine Arbeit aufzunehmen. Dass der Kläger bereits vor seiner Antragstellung mehr als sechs Monate stationär untergebracht war, führt hier dagegen nicht zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II. Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass die JVA K. eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 2 SGB II ist, da es sich hierbei um eine auf Dauer angelegte Organisationseinheit von sächlichen und persönlichen Mittel handelt, die darauf ausgerichtet und geeignet ist, in ihrem Aufgabenbereich eine anstaltsmäßige Betreuung von Personen über Tag und Nacht sicherzustellen (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr 34, LSG Bayern, Beschluss vom 27.10.2005, Az.: L 11 B 596/05 AS ER). Dieser Zeitraum ist jedoch für die Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt der Antragstellung ohne Bedeutung, da er auf die künftige Entwicklung ab Antragszeitpunkt keinen Einfluss mehr haben konnte. Vielmehr war durch den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 27. Juni 2005 davon auszugehen, dass die freiheitsentziehende Maßnahme mit Entlassung des Klägers am 7. Juli 2005 in die Fachklinik H. abgeschlossen war. Damit war für die Prognoseentscheidung ab Zeitpunkt der Antragstellung nur noch der Zeitraum der Entwöhnungsbehandlung entsprechend dem Bescheid der Rentenversicherung Schwaben relevant.
Dieser Auslegung des § 7 Abs. 4 SGB II steht auch nicht entgegen, dass der Kläger ggf. eine Umsortierung in ein anderes Hilfesystem während seines Aufenthalts in der Fachklinik erfährt. Gerade diese Umsortierung erhält ihre Berechtigung aus der Zielsetzung des SGB II, vorrangig Leistungen zur Arbeitseingliederung zu erbringen. Gerade dadurch, dass bereits frühestmöglich der Kläger in die Zuständigkeit des SGB II-Leistungsträgers fällt, wird sichergestellt, dass bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt auch geeignete Wiedereingliederungsmaßnahmen für den Kläger ergriffen werden können. Aus dem Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 07.02.2006 lässt sich hierzu auch nichts anderes entnehmen. So stellte das Sozialgericht Freiburg hat in seinem Beschluss ebenfalls fest, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung der Augenblick ist, in dem der Leistungsträger über Leistungen nach dem SGB II zu entscheiden hat. Des Weiteren liegt der Entscheidung des Sozialgerichts Freiburg ein anderer Sachverhalt zugrunde, da es hier um die Ablehnung eines Fortzahlungsantrags ging. Zu Recht hat nach Auffassung der Kammer hier das Sozialgericht Freiburg auf die gesamte Unterbringungsdauer abgestellt und nicht auf die noch voraussichtlich bestehende Unterbringung ab Stellung des Fortzahlungsantrags, da sich hier die ursprüngliche im vorhergehenden Bewilligungsbescheid getroffene Prognose im Nachhinein als falsch herausgestellt hatte. Die Außerachtlassung der bereits erfolgten Unterbringzeiten zum Zeitpunkt der Stellung des Fortzahlungsantrags hätte dann nämlich zur Folge gehabt, dass der Kläger ununterbrochen Arbeitslosengeld II bezogen hätte, obwohl er tatsächlich nach der Fiktion des § 7 Abs. 4 SGB II während des Bezugszeitraums erwerbsunfähig gewesen war. Sicherlich sind aber vergangene Zeiträume in die Prognose zum Zeitpunkt der Antragstellung dann mit einzubeziehen, wenn diese insgesamt für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bzw. fiktiven Erwerbsunfähigkeit in dem Leistungszeitraum von Bedeutung sind.
So verhält es sich jedoch nicht in dem zu entscheidenden Fall, da, wie oben dargestellt, der Kläger wegen der innerhalb von sechs Monaten abzuschließenden Entwöhnungsbehandlung zum Zeitpunkt seines Erstantages nicht fiktiv als Erwerbsunfähiger i.S.v. § 7 Abs. 4 SGB II zu behandeln war. Im Hinblick darauf, dass es das Gericht als entscheidend ansieht, ob ein Antragsteller sich innerhalb der in § 7 Abs. 4 SGB II genannten Zeit wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt bzw. stellen kann, ist es für die Prognoseentscheidung für den Leistungsausschluss entgegen der Annahme des bevollmächtigten Klägers allerdings nicht von Bedeutung, ob der Kläger bereits durch die Unterbringung in einer stationären Einrichtung oder durch die Aneinanderreihung mehrerer Unterbringungszeiten in mehreren stationären Einrichtungen sechs Monate und mehr nicht in der Lage ist, eine Arbeit aufzunehmen. Nach der Zielsetzung des SGB II kommt es allein darauf an, ob der Kläger deshalb Adressat von Leistungen des SGB II sein kann, weil eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt innerhalb von sechs Monaten möglich sein kann.
Insgesamt hat der Kläger, da er zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 14.07.2005 nach dem Bewilligungsbescheid des Rehabilitationsträgers nur ca. 16 Wochen stationär untergebracht sein wird einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe.
Der Bescheid der Beklagten vom 14.07.2005 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2005 war demgemäß aufzuheben und die Beklagte zur Leistungserbringung zu verurteilen.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Auslegung des § 7 Abs. 4 SGB II war die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
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