Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AL 410/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 193/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a AL 71/06 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB zurückgenommen
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.06.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Insolvenzgeld sowie über die Rückforderung eines Vorschusses.
Der Kläger ist Diplom-Vertriebswirt. Er arbeitete vom 01.09.2001 bis 31.12.2001 als Vertriebsleiter bei der Q D GmbH, die zuvor den Namen G GmbH führte und zuletzt auch noch unter diesem Namen im Handelsregister eingetragen war. Die Gehaltszahlungen verliefen seitens des Arbeitgebers nach den Angaben des Klägers von Anfang an schleppend. Am 23.10.2001 habe er erfahren, dass die GmbH nicht ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen sei. Das Gehalt für Dezember 2001 in Höhe von 1.809,60 Euro sei nicht ausbezahlt worden.
Die Q D GmbH kündigte das Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2001.
Der Kläger strengte ein arbeitsgerichtliches Verfahren wegen des noch ausstehenden Gehaltes für Dezember 2001 an. Mit Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 21.03.2002 wurde ihm ein Betrag von 2.500,00 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen. In der Folgezeit unternahm der Kläger mehrere erfolglose Vollstreckungsversuche gegen den Geschäftsführer der GmbH, Herrn U Q.
Am 10.05.2002 wandte sich der Kläger über seine Bevollmächtigten an die Staatsanwaltschaft Wuppertal. Er habe den Verdacht, dass die Q D GmbH überhaupt nicht existent sei. Jedenfalls sei die Q D GmbH nicht im Handelsregister beim Amtsgericht Wuppertal eingetragen. Unter der Handelsregisternummer der Q D GmbH sei vielmehr eine G GmbH eingetragen. Vollstreckungsversuche aus dem rechtskräftigen Versäumnisurteil seien bislang erfolglos geblieben, da die Q D GmbH offensichtlich den Geschäftsbetrieb eingestellt habe und Herr Q selbst unbekannten Aufenthaltes sei. Auch gebe es von dritter Seite bereits zahlreiche erfolglose Vollstreckungsversuche. Angesichts dessen gehe er davon aus, dass Herr Q bzw. die von ihm vertriebene Gesellschaft bereits geraume Zeit insolvent seien. Ein Insolvenzantrag sei nach Auskunft des Amtsgerichts Wuppertal jedoch nicht gestellt worden.
Am 27.07.2002 unterrichtete der Kläger seinen Rechtsanwalt über seine Ermittlungsergebnisse hinsichtlich des Aufenthalts von Herrn U Q. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl 6/7 der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Am 21.10.2002 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vemögen der Q D GmbH gestellt. Das Amtsgericht Wuppertal gab ein Gutachten zur Ermittlung des Vermögens im Auftrag.
Der Kläger erfuhr nach seinen Angaben Ende November 2002 von diesem Insolvenzantrag.
Am 05.12.2002 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung von Insolvenzgeld für Dezember 2001. Dabei gab er an, die GmbH habe ihre Betriebstätigkeit zum 31.12.2001 beendet.
Die Beklagte bewilligte zunächst mit Bescheid vom 06.02.2003 einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld in Höhe von 904,80 Euro. Abschließend könne sie noch nicht entscheiden, da ein Insolvenzereignis noch nicht vorliege.
Nach weiteren Ermittlungen schrieb die Beklagte den Kläger unter dem 23.02.2004 an. Die Betriebstätigkeit der Q D GmbH sei zum 28.02.2002 vollständig eingestellt worden. Insolvenztag sei somit der 01.03.2002. Die Antragsfrist sei am 02.05.2002 abgelaufen. Sie bitte um Mitteilung, warum der Kläger die Ausschlussfrist versäumt habe. Hierzu gab der Kläger an, er sei erst Ende November 2002 von dem Insolvenzeröffnungsantrag unterrichtet worden.
Mit Bescheid vom 02.06.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Der Kläger habe seinen Insolvenzgeldantrag bis zum 02.05.2002 stellen müssen. Ein erst am 05.12.2002 abgegebener Antrag sei zu spät. Der Kläger habe die Frist fahrlässig versäumt, da er die nach den Umständen und seiner Persönlichkeit erforderliche Sorgfalt nicht angewandt habe. Es habe zu seinen Sorgfaltspflichten gehört, sich rechtzeitig sachkundigen Rat zu beschaffen. Eine Pflichtversäumung seines Bevollmächtigten müsse er gegen sich gelten lassen. Auch dieser habe sich um die Beantragung von Insolvenzgeld bemühen müssen. Der gezahlte Vorschuss in Höhe von 904,80 Euro werde zurückgefordert. Dagegen legt der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe überobligatorische Mühe walten lassen um in Erfahrung zu bringen, ob bereits ein Insolvenzverfahren anhängig sei oder nicht. Noch im Mai 2002 habe das Amtsgericht Wuppertal mitgeteilt, dass ein Insolvenzantrag bis dato nicht gestellt sei. Verschulden könne ihm nicht vorgeworfen werden. Er habe tatsächlich erst Ende November 2002 Kenntnis von der Insolvenz der Q D GmbH gehabt. Man habe sich um die zivilrechtliche Durchsetzung der Ansprüche bemüht und auch bei dem Amtsgericht Wuppertal hinsichtlich einer Insolvenzantragstellung nachgefragt. Er habe umgehend nach Kenntniserlangung im Rahmen der Zweimonatsfrist einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.90.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Insolvenzereignis sei die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der Q D GmbH am 28.02.2002. Zu diesem Tag habe das Erfordernis der Masselosigkeit ebenfalls vorgelegen. Indem der Kläger am 10.05.2002 an die Staatsanwaltschaft geschrieben habe, habe er zum Ausdruck gebracht, dass er davon ausgehe, dass die Firma schon seit geraumer Zeit insolvent sei. Andere Mitarbeiter der Firma Q D GmbH hätten z. B. schon am 08.04.2002 Insolvenzgeld beantragt. Auch durch das erfolglose Zwangsvollstreckungsverfahren aus dem Versäumnisurteil hätte dem Kläger bewusste sein müssen, wie schwierig die finanzielle Situation seines ehemaligen Arbeitgebers war. Es sei dem Kläger zumutbar gewesen, sich früher über den Sachverhalt zu erkundigen und einen Insolvenzgeldantrag zu stellen.
Dagegen hat der Kläger am 04.11.2004 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die erfolglosen Vollstreckungsversuche gegen Herrn Q aus dem Versäumnisurteil und die Mitteilung der Krankenkasse, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß von der GmbH an die Krankenkasse abgeführt worden seien, hätten ihn veranlasst, im Mai 2002 die Staatsanwaltschaft zu unterrichten. Da er seine Tätigkeit bereits im Jahre 2001 für die GmbH eingestellt habe, habe er keinerlei Kenntnis davon gehabt, ob und wie der Geschäftsbetrieb fortgeführt oder eingestellt worden sei. Seine Vermutung, dass die GmbH seit geraumer Zeit insolvent sei, reiche sicherlich nicht zur Feststellung eines Insolvenzereignisses aus.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2004 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld in Höhe von 1.809,60 Euro zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, der Kläger sei bereits im Mai 2002 davon ausgegangen, dass die Q GmbH seit geraumer Zeit insolvent sei. Wenn er aus dem Inhalt seines Schreibens und den fruchtlosen Vollstreckungsversuchen nicht geschlossen habe, dass der Geschäftsbetrieb seines ehemaligen Arbeitgebers offensichtlich eingestellt worden und der Arbeitgeber selbst unbekannten Aufenthaltes sei, müsse er sich Fahrlässigkeit vorwerfen lassen.
Das SG hat im Erörterungstermin vom 30.06.2005 darauf hingewiesen, dass es beabsichtigt, die Klage als unbegründet durch Gerichtsbescheid abzuweisen. Durch Gerichtsbescheid vom 30.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Beklagte habe die Bewilligung von Insolvenzgeld für den Monat Dezember 2001 zu Recht abgelehnt, weil der Kläger die Insolvenzantragsfrist fahrlässig versäumt habe. Er habe für den letzten Monat seines Beschäftigungsverhältnisses (Dezember 2001) noch offene Lohnforderungen. Der Insolvenzgeldzeitraum werde durch das maßgebliche Insolvenzereignis bestimmt. Entscheidend sei, welches der drei in § 183 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) genannten Insolvenzereignisse zuerst eintrete. Der Insolvenzgeldanspruch werde nur durch das zeitliche früheste der Ereignisse ausgelöst. Dieses sperre das Eintreten der anderen Insolvenzereignisse. Eine Änderung der Verhältnisse nach dem erstmaligen Eintritt des Insolvenzereignisses sei unbeachtlich. Maßgebliches Insolvenzereignis sei hier gem. § 183 Abs.1 Nr.3 SGB III die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit. Nach den Ausführungen des Gutachters Dr. X im Insolvenzverfahren 145 IN 908/02 sei die Betriebstätigkeit spätestens im April 2002 beendet gewesen. Nach dem Gesamtbild der ermittelten Umstände ergebe sich, dass seit April 2002 keine auf die Erreichung des Geschäftszwecks der GmbH gerichteten Tätigkeiten mehr stattgefunden haben. Seit diesem Zeitraum kümmere sich niemand mehr um das Unternehmen. Zahlungen seien nicht mehr geleistet, Monatsabschlüsse nicht erstellt und Arbeitnehmer weder beschäftigt noch bezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Insolvenzantrag noch nicht gestellt gewesen. Auch sei zu diesem Zeitpunkt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen. Die Voraussetzung der Masselosigkeit müsse zeitgleich zur Beendigung der Betriebstätigkeit vorliegen. Um den Arbeitnehmer nicht mit schwierigen Beweisermittlungen zu belasten, müsse hinsichtlich der Massewidrigkeit nicht letzte Klarheit bestehen.
Es genüge, wenn alle äußeren Tatsachen die Masseunzulänglichkeit ergäben. Für die Masselosigkeit der GmbH im April 2002 gebe es vorliegend zahlreiche Anhaltspunkte. Sowohl der Kläger (nach dem Versäumnisurteil im März 2002) als auch der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes Düsseldorf (im Januar und Februar 2002) hätten mehrfach erfolglose Vollstreckungsversuche unternommen. Der Gutachter Dr. X im Insolvenzeröffnungsverfahren komme in seinen Berichten vom 24.01.2003 und 04.12.2003 zu dem Ergebnis, dass das Unternehmen zahlungsunfähig gewesen sei. Die letzte Mietzahlung des Unternehmens sei am 06.10.2001 geleistet worden. Bereits im März 2002 habe es Mietrückstände in Höhe von 53.171,00 Euro gegeben. Die Räumlichkeiten seien seit Mitte 2002 nicht mehr durch das schuldnerische Unternehmen genutzt worden. Hinweise auf das schuldnerische Unternehmen in Form eines Firmen- oder Klingelschilds habe es nicht mehr gegeben. Auch seien nach Aussage des Briefzustellers seit geraumer Zeit keine Postzustellungen mehr erfolgt. Abrechnungen für die Mitarbeiter des Unternehmens seien nur noch für Februar 2002 erfolgt. Monatsabschlüsse für die G GmbH seien nur bis einschließlich April 2001 erstellt worden. Der Vermieter habe einen Karton mit Posteingängen aufbewahrt, in dem zahlreiche Postzustellungsurkunden mit Versäumnisurteilen, Vollstreckungsankündigungen, Ladungen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie Beitragsanforderungen von Krankenkassen enthalten seien. Auch gebe es Rückstände bei Sozialversicherungsträgem. Es sei offensichtlich, dass sich spätestens ab April 2002 niemand mehr um die Belange des Unternehmens gekümmert habe. Aus der Insolvenzgeldakte der Beklagten gehe zudem hervor, dass die G GmbH mit Wirkung zum 28.02.2002 im Gewerberegister gelöscht worden sei. Insolvenzgeld sei nach § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Habe der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so werde Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden sei. Nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III müsse sich der Arbeitnehmer darum bemühen, seine arbeitsrechtlichen Ansprüche durchzusetzen. Tue er dies nicht, habe er die Versäumung der Frist zu vertreten. Dies gelte auch bei leichter Fahrlässigkeit.
Er müsse die nach den Umständen erforderliche und seiner Persönlichkeit zumutbare Sorgfalt anwenden. Insbesondere ausgeschiedene Arbeitnehmer müssten sich um die Durchsetzung von rückständigen Ansprüchen im Insolvenzgeldzeitraum bemühen, da sie den Arbeitsplatz durch Zurückhaltung nicht mehr sichern könnten. Vor diesem Hinterrund sei der Antrag vom 05.12.2002 verspätet. Insolvenzgeldansprüche für Dezember 2001 hätten grundsätzlich innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Eintritt des Insolvenzereignisses, d.h. zwischen dem 01.04.2002 und 31.05.2002 geltend gemacht werden müssen. Das maßgebliche Insolvenzereignis und die dadurch ausgelöste Insolvenzgeldantragsfrist würden nach objektiven Maßstäben bestimmt. Unerheblich sei, ob der Betreffende hiervon Kenntnis gehabt habe oder nicht. Zugunsten des Klägers könne auch keine Nachfrist von zwei Monaten gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III in Gang gesetzt werden. Der Kläger habe die Ausschlussfrist fahrlässig versäumt. Er hätte vorliegend spätestens im Mai - und damit innerhalb der Insolvenzgeldantragsfrist - erkennen müssen, dass ein Insolvenzereignis vorgelegen habe. Nachdem die Gehaltszahlungen der Q D GmbH von Anfang an schleppend verlaufen seien, im Dezember 2001 kein Gehalt mehr gezahlt worden sei und die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil erfolglos geblieben sei, hätte dem Kläger klar sein müssen, dass sein ehemaliger Arbeitgeber in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten stecke. Auch die Tatsache, dass die GmbH nicht ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen und Herr Q unbekannten Aufenthaltes gewesen sei, hätte den Kläger, der als Diplomvertriebswirt mit wirtschaftlichen Vorgängen durchaus vertraut sei, misstrauisch machen müssen. So habe der Kläger selbst in seinem Schreiben gegenüber der Staatsanwaltschaft vortragen lassen, er gehe davon aus, dass die GmbH bereits geraume Zeit insolvent sei. Der Kläger habe daraus auch den zutreffenden Schluss gezogen, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt worden war. In seinem Insolvenzgeldantrag habe der Kläger selbst angegeben, die Betriebstätigkeit sei zum 31.12.2001 eingestellt worden. Nach den Gesamtumständen und den Kenntnissen, die der Kläger hatte, sei es fahrlässig, hier nicht - wenigstens vorsorglich - einen Insolvenzgeldantrag bei der Beklagten zu stellen. Auch europarechtliche Vorschriften würden keinen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld begründen. Zwar verpflichte die Richtlinie des Rates der EWG 80/987 vom 20.10.1980 die Mitgliedsstaaten zur Schaffung von Garantieeinrichtungen, die zugunsten der Arbeitnehmer die Sicherstellung der nichterfüllten Arbeitsentgeltansprüche gewährleisten sollen. Als zahlungsunfähig gelte hiernach ein Arbeitgeber, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates beantragt und die Entscheidung hierüber getroffen worden sei.
§ 183 SGB III verstoße aber nicht gegen diese Richtlinie. Deutschland habe von den in Art.3, 4 Insolvenzrichtlinie vorgegebenen Zeitpunkten den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewählt. Dabei handelt es sich um einen früheren Zeitpunkt und damit um eine für den Arbeitnehmer günstigere Vorschrift. Zwar habe der EuGH in einer Entscheidung zum italienischen Recht als maßgeblichen Zeitpunkt die Stellung des Insolvenzantrags angesehen. Da § 183 SGB III aber für das Insolvenzgeld auf eine Referenzzeit gänzlich verzichte und auch solche Arbeitnehmer einbeziehe, bei denen der Insolvenzgeldzeitraum auch außerhalb der letzten sechs Monate vor dem Insolvenzereignis liege, soweit sie für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben, handele es sich bei § 183 SGB III um eine günstigere und zulässige Regelung. Durch die Änderung der Richtlinie 80/987 EWG durch die Richtlinie 2002/74 EG vom 23.09.2002 (AblEG 270/10) bleibe nunmehr den Mitgliedsstaaten die Festlegung des für den Referenzzeitraum maßgeblichen Zeitpunkt überlassen.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 22.07.2005 zugestellt worden. Am 22.08.2005 hat er dagegen Berufung eingelegt. Er vertritt zum einen weiterhin die Auffassung, ihm sei ein Verschulden an der Fristversäumnis nicht vorzuwerfen. Zum anderen meint er, dass es das SG versäumt habe, § 183 Abs. 1 SGB III europarechtskonform auszulegen. Wegen der Einzelheiten dieser Argumentation wird auf den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigen vom 21.10.2005 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.06.2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 02.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2004 zu verurteilen, dem ihm Insolvenzgeld auf seinen Antrag vom 05.12.2002 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und weist im Übrigen daraufhin, dass aus den einzelnen EG-Insolvenzrichtlinien kein Anspruch gegen die Beklagte abgeleitet werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der in Kopie vorliegenden Insolvenzakte des Amtsgerichts Wuppertal (Az 145 IN 908/02). Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2004 ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld. Der Senat folgt nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den Ausführungen des angegriffenen Gerichtsbescheides zur Frage der verschuldeten Versäumung der Antragsfrist und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Auch die vom Kläger nochmals ausführlich angesprochene EG-rechtliche Problematik vermag kein anderes Ergebnis zu begründen. Einerseits ist nach der BSG Rechtsprechung § 183 SGB III eindeutig und deshalb seine Auslegung nichtdahingehend möglich, dass maßgebendes Insolvenzereignis der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist (vgl BSG 20.06.2001 - B 11 AL 3/01 R – Rz. 21; BSG 18. 12.2003 - B 11 AL 27/03 R – Leitsatz 2 und Rz. 13). Andererseits vermag selbst eine Verstoß gegen die EG-Richtlinien Ansprüche gegenüber der Beklagen nicht zu begründen (BSG 20.06.2001 - B 11 AL 3/01 R – Rz. 33; BSG 18. 12.2003 - B 11 AL 27/03 R – Rz. 14; kritisch dazu Peters-Lange in Gagel, § 183 Rz. 85 f).
Darüber hinaus hat das BSG (Urteil vom 20.06.2001 - B 11 AL 3/01 R – Rz. 26 ff) die Ausgestaltung der deutschen Insolvenzsicherung in Kenntnis der vom Kläger zitierten EuGH-Urteile für richtlinienkonform gehalten und dies wie folgt begründet: "Nach Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich Richtlinie 80/987/EWG müssen die Mitgliedstaaten, soweit sie die in Art 3 der Richtlinie vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung begrenzen, die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nichterfüllten Ansprüche für die drei letzten Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses sicherstellen, die innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen. Gegenüber dieser Bestimmung enthält die deutsche Insolvenzsicherung - auch unter Berücksichtigung der Urteile des EuGH vom 10. Juli 1997 ("Maso" EuGHE 1997 I 4051-4083 und "Bonifaci" EuGHE I 3969-4024) - eine günstigere und damit zulässige Regelung.
Soweit die Revision aus den genannten zwei Entscheidungen herleiten will, der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers iS des Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich Richtlinie 80/987/EWG falle ohne jegliche Dispositionsmöglichkeit des nationalen Gesetzgebers immer mit dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung zusammen, verkennt sie Hintergrund und Reichweite dieser Entscheidungen. Tragender Grund des EuGH war die Erwägung, daß die Befriedigung von Ansprüchen der Arbeitnehmer nicht gewährleistet ist, wenn einerseits von der durch Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, die nichterfüllten Ansprüche aus den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses nur insoweit zu sichern, als sie innerhalb einer sog Referenzzeit von mindestens sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen, und wenn andererseits in Ländern, die sich für diese Option entschieden haben, Verfahren über Insolvenzanträge so lange dauern, daß die Referenzzeit iS des Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie verstrichen sein kann, ehe über den Insolvenzantrag entschieden ist. Dies hat den EuGH bewogen, den Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags als "Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers" anzusehen. Damit wird verhindert, daß die betroffenen Arbeitnehmer jegliche Ansprüche gegen die Garantieeinrichtung dadurch verlieren, daß innerhalb des Referenzzeitraums keine Zeit des Arbeitsverhältnisses liegt, weil das zuständige Insolvenzgericht länger als sechs Monate für die Entscheidung über den Insolvenzantrag benötigt."
Vor diesem Hintergrund kommt es auf die vom Kläger diskutierte Frage, welche Bedeutung die Änderungsrichtlinie 2002/74/EG vom 23.09.2002 für den vorliegenden Fall hat, nicht an.
Der Kläger scheint im Übrigen auch zu verkennen, dass sich bei unmittelbarer Anwendung des Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich Richtlinie 80/987/EWG in seinem Falle ein Anspruch gar nicht erst ergeben würde, weil der Anspruch für Dezember 2001 nicht innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (21.10.2002) liegt. Das heißt, dass der Entgeltausfall des Klägers EG-rechtlich gar nicht geschützt werden müsste.
Weil ein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld nicht bestand, hat er gem. § 186 Abs. 2 Satz 4 SGB III den erhalten Vorschuss in Höhe von 904,80 Euro zu erstatten. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Insolvenzgeld sowie über die Rückforderung eines Vorschusses.
Der Kläger ist Diplom-Vertriebswirt. Er arbeitete vom 01.09.2001 bis 31.12.2001 als Vertriebsleiter bei der Q D GmbH, die zuvor den Namen G GmbH führte und zuletzt auch noch unter diesem Namen im Handelsregister eingetragen war. Die Gehaltszahlungen verliefen seitens des Arbeitgebers nach den Angaben des Klägers von Anfang an schleppend. Am 23.10.2001 habe er erfahren, dass die GmbH nicht ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen sei. Das Gehalt für Dezember 2001 in Höhe von 1.809,60 Euro sei nicht ausbezahlt worden.
Die Q D GmbH kündigte das Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2001.
Der Kläger strengte ein arbeitsgerichtliches Verfahren wegen des noch ausstehenden Gehaltes für Dezember 2001 an. Mit Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 21.03.2002 wurde ihm ein Betrag von 2.500,00 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen. In der Folgezeit unternahm der Kläger mehrere erfolglose Vollstreckungsversuche gegen den Geschäftsführer der GmbH, Herrn U Q.
Am 10.05.2002 wandte sich der Kläger über seine Bevollmächtigten an die Staatsanwaltschaft Wuppertal. Er habe den Verdacht, dass die Q D GmbH überhaupt nicht existent sei. Jedenfalls sei die Q D GmbH nicht im Handelsregister beim Amtsgericht Wuppertal eingetragen. Unter der Handelsregisternummer der Q D GmbH sei vielmehr eine G GmbH eingetragen. Vollstreckungsversuche aus dem rechtskräftigen Versäumnisurteil seien bislang erfolglos geblieben, da die Q D GmbH offensichtlich den Geschäftsbetrieb eingestellt habe und Herr Q selbst unbekannten Aufenthaltes sei. Auch gebe es von dritter Seite bereits zahlreiche erfolglose Vollstreckungsversuche. Angesichts dessen gehe er davon aus, dass Herr Q bzw. die von ihm vertriebene Gesellschaft bereits geraume Zeit insolvent seien. Ein Insolvenzantrag sei nach Auskunft des Amtsgerichts Wuppertal jedoch nicht gestellt worden.
Am 27.07.2002 unterrichtete der Kläger seinen Rechtsanwalt über seine Ermittlungsergebnisse hinsichtlich des Aufenthalts von Herrn U Q. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl 6/7 der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Am 21.10.2002 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vemögen der Q D GmbH gestellt. Das Amtsgericht Wuppertal gab ein Gutachten zur Ermittlung des Vermögens im Auftrag.
Der Kläger erfuhr nach seinen Angaben Ende November 2002 von diesem Insolvenzantrag.
Am 05.12.2002 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung von Insolvenzgeld für Dezember 2001. Dabei gab er an, die GmbH habe ihre Betriebstätigkeit zum 31.12.2001 beendet.
Die Beklagte bewilligte zunächst mit Bescheid vom 06.02.2003 einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld in Höhe von 904,80 Euro. Abschließend könne sie noch nicht entscheiden, da ein Insolvenzereignis noch nicht vorliege.
Nach weiteren Ermittlungen schrieb die Beklagte den Kläger unter dem 23.02.2004 an. Die Betriebstätigkeit der Q D GmbH sei zum 28.02.2002 vollständig eingestellt worden. Insolvenztag sei somit der 01.03.2002. Die Antragsfrist sei am 02.05.2002 abgelaufen. Sie bitte um Mitteilung, warum der Kläger die Ausschlussfrist versäumt habe. Hierzu gab der Kläger an, er sei erst Ende November 2002 von dem Insolvenzeröffnungsantrag unterrichtet worden.
Mit Bescheid vom 02.06.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Der Kläger habe seinen Insolvenzgeldantrag bis zum 02.05.2002 stellen müssen. Ein erst am 05.12.2002 abgegebener Antrag sei zu spät. Der Kläger habe die Frist fahrlässig versäumt, da er die nach den Umständen und seiner Persönlichkeit erforderliche Sorgfalt nicht angewandt habe. Es habe zu seinen Sorgfaltspflichten gehört, sich rechtzeitig sachkundigen Rat zu beschaffen. Eine Pflichtversäumung seines Bevollmächtigten müsse er gegen sich gelten lassen. Auch dieser habe sich um die Beantragung von Insolvenzgeld bemühen müssen. Der gezahlte Vorschuss in Höhe von 904,80 Euro werde zurückgefordert. Dagegen legt der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe überobligatorische Mühe walten lassen um in Erfahrung zu bringen, ob bereits ein Insolvenzverfahren anhängig sei oder nicht. Noch im Mai 2002 habe das Amtsgericht Wuppertal mitgeteilt, dass ein Insolvenzantrag bis dato nicht gestellt sei. Verschulden könne ihm nicht vorgeworfen werden. Er habe tatsächlich erst Ende November 2002 Kenntnis von der Insolvenz der Q D GmbH gehabt. Man habe sich um die zivilrechtliche Durchsetzung der Ansprüche bemüht und auch bei dem Amtsgericht Wuppertal hinsichtlich einer Insolvenzantragstellung nachgefragt. Er habe umgehend nach Kenntniserlangung im Rahmen der Zweimonatsfrist einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.90.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Insolvenzereignis sei die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der Q D GmbH am 28.02.2002. Zu diesem Tag habe das Erfordernis der Masselosigkeit ebenfalls vorgelegen. Indem der Kläger am 10.05.2002 an die Staatsanwaltschaft geschrieben habe, habe er zum Ausdruck gebracht, dass er davon ausgehe, dass die Firma schon seit geraumer Zeit insolvent sei. Andere Mitarbeiter der Firma Q D GmbH hätten z. B. schon am 08.04.2002 Insolvenzgeld beantragt. Auch durch das erfolglose Zwangsvollstreckungsverfahren aus dem Versäumnisurteil hätte dem Kläger bewusste sein müssen, wie schwierig die finanzielle Situation seines ehemaligen Arbeitgebers war. Es sei dem Kläger zumutbar gewesen, sich früher über den Sachverhalt zu erkundigen und einen Insolvenzgeldantrag zu stellen.
Dagegen hat der Kläger am 04.11.2004 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die erfolglosen Vollstreckungsversuche gegen Herrn Q aus dem Versäumnisurteil und die Mitteilung der Krankenkasse, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß von der GmbH an die Krankenkasse abgeführt worden seien, hätten ihn veranlasst, im Mai 2002 die Staatsanwaltschaft zu unterrichten. Da er seine Tätigkeit bereits im Jahre 2001 für die GmbH eingestellt habe, habe er keinerlei Kenntnis davon gehabt, ob und wie der Geschäftsbetrieb fortgeführt oder eingestellt worden sei. Seine Vermutung, dass die GmbH seit geraumer Zeit insolvent sei, reiche sicherlich nicht zur Feststellung eines Insolvenzereignisses aus.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2004 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld in Höhe von 1.809,60 Euro zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, der Kläger sei bereits im Mai 2002 davon ausgegangen, dass die Q GmbH seit geraumer Zeit insolvent sei. Wenn er aus dem Inhalt seines Schreibens und den fruchtlosen Vollstreckungsversuchen nicht geschlossen habe, dass der Geschäftsbetrieb seines ehemaligen Arbeitgebers offensichtlich eingestellt worden und der Arbeitgeber selbst unbekannten Aufenthaltes sei, müsse er sich Fahrlässigkeit vorwerfen lassen.
Das SG hat im Erörterungstermin vom 30.06.2005 darauf hingewiesen, dass es beabsichtigt, die Klage als unbegründet durch Gerichtsbescheid abzuweisen. Durch Gerichtsbescheid vom 30.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Beklagte habe die Bewilligung von Insolvenzgeld für den Monat Dezember 2001 zu Recht abgelehnt, weil der Kläger die Insolvenzantragsfrist fahrlässig versäumt habe. Er habe für den letzten Monat seines Beschäftigungsverhältnisses (Dezember 2001) noch offene Lohnforderungen. Der Insolvenzgeldzeitraum werde durch das maßgebliche Insolvenzereignis bestimmt. Entscheidend sei, welches der drei in § 183 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) genannten Insolvenzereignisse zuerst eintrete. Der Insolvenzgeldanspruch werde nur durch das zeitliche früheste der Ereignisse ausgelöst. Dieses sperre das Eintreten der anderen Insolvenzereignisse. Eine Änderung der Verhältnisse nach dem erstmaligen Eintritt des Insolvenzereignisses sei unbeachtlich. Maßgebliches Insolvenzereignis sei hier gem. § 183 Abs.1 Nr.3 SGB III die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit. Nach den Ausführungen des Gutachters Dr. X im Insolvenzverfahren 145 IN 908/02 sei die Betriebstätigkeit spätestens im April 2002 beendet gewesen. Nach dem Gesamtbild der ermittelten Umstände ergebe sich, dass seit April 2002 keine auf die Erreichung des Geschäftszwecks der GmbH gerichteten Tätigkeiten mehr stattgefunden haben. Seit diesem Zeitraum kümmere sich niemand mehr um das Unternehmen. Zahlungen seien nicht mehr geleistet, Monatsabschlüsse nicht erstellt und Arbeitnehmer weder beschäftigt noch bezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Insolvenzantrag noch nicht gestellt gewesen. Auch sei zu diesem Zeitpunkt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen. Die Voraussetzung der Masselosigkeit müsse zeitgleich zur Beendigung der Betriebstätigkeit vorliegen. Um den Arbeitnehmer nicht mit schwierigen Beweisermittlungen zu belasten, müsse hinsichtlich der Massewidrigkeit nicht letzte Klarheit bestehen.
Es genüge, wenn alle äußeren Tatsachen die Masseunzulänglichkeit ergäben. Für die Masselosigkeit der GmbH im April 2002 gebe es vorliegend zahlreiche Anhaltspunkte. Sowohl der Kläger (nach dem Versäumnisurteil im März 2002) als auch der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes Düsseldorf (im Januar und Februar 2002) hätten mehrfach erfolglose Vollstreckungsversuche unternommen. Der Gutachter Dr. X im Insolvenzeröffnungsverfahren komme in seinen Berichten vom 24.01.2003 und 04.12.2003 zu dem Ergebnis, dass das Unternehmen zahlungsunfähig gewesen sei. Die letzte Mietzahlung des Unternehmens sei am 06.10.2001 geleistet worden. Bereits im März 2002 habe es Mietrückstände in Höhe von 53.171,00 Euro gegeben. Die Räumlichkeiten seien seit Mitte 2002 nicht mehr durch das schuldnerische Unternehmen genutzt worden. Hinweise auf das schuldnerische Unternehmen in Form eines Firmen- oder Klingelschilds habe es nicht mehr gegeben. Auch seien nach Aussage des Briefzustellers seit geraumer Zeit keine Postzustellungen mehr erfolgt. Abrechnungen für die Mitarbeiter des Unternehmens seien nur noch für Februar 2002 erfolgt. Monatsabschlüsse für die G GmbH seien nur bis einschließlich April 2001 erstellt worden. Der Vermieter habe einen Karton mit Posteingängen aufbewahrt, in dem zahlreiche Postzustellungsurkunden mit Versäumnisurteilen, Vollstreckungsankündigungen, Ladungen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie Beitragsanforderungen von Krankenkassen enthalten seien. Auch gebe es Rückstände bei Sozialversicherungsträgem. Es sei offensichtlich, dass sich spätestens ab April 2002 niemand mehr um die Belange des Unternehmens gekümmert habe. Aus der Insolvenzgeldakte der Beklagten gehe zudem hervor, dass die G GmbH mit Wirkung zum 28.02.2002 im Gewerberegister gelöscht worden sei. Insolvenzgeld sei nach § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Habe der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so werde Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden sei. Nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III müsse sich der Arbeitnehmer darum bemühen, seine arbeitsrechtlichen Ansprüche durchzusetzen. Tue er dies nicht, habe er die Versäumung der Frist zu vertreten. Dies gelte auch bei leichter Fahrlässigkeit.
Er müsse die nach den Umständen erforderliche und seiner Persönlichkeit zumutbare Sorgfalt anwenden. Insbesondere ausgeschiedene Arbeitnehmer müssten sich um die Durchsetzung von rückständigen Ansprüchen im Insolvenzgeldzeitraum bemühen, da sie den Arbeitsplatz durch Zurückhaltung nicht mehr sichern könnten. Vor diesem Hinterrund sei der Antrag vom 05.12.2002 verspätet. Insolvenzgeldansprüche für Dezember 2001 hätten grundsätzlich innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Eintritt des Insolvenzereignisses, d.h. zwischen dem 01.04.2002 und 31.05.2002 geltend gemacht werden müssen. Das maßgebliche Insolvenzereignis und die dadurch ausgelöste Insolvenzgeldantragsfrist würden nach objektiven Maßstäben bestimmt. Unerheblich sei, ob der Betreffende hiervon Kenntnis gehabt habe oder nicht. Zugunsten des Klägers könne auch keine Nachfrist von zwei Monaten gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III in Gang gesetzt werden. Der Kläger habe die Ausschlussfrist fahrlässig versäumt. Er hätte vorliegend spätestens im Mai - und damit innerhalb der Insolvenzgeldantragsfrist - erkennen müssen, dass ein Insolvenzereignis vorgelegen habe. Nachdem die Gehaltszahlungen der Q D GmbH von Anfang an schleppend verlaufen seien, im Dezember 2001 kein Gehalt mehr gezahlt worden sei und die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil erfolglos geblieben sei, hätte dem Kläger klar sein müssen, dass sein ehemaliger Arbeitgeber in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten stecke. Auch die Tatsache, dass die GmbH nicht ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen und Herr Q unbekannten Aufenthaltes gewesen sei, hätte den Kläger, der als Diplomvertriebswirt mit wirtschaftlichen Vorgängen durchaus vertraut sei, misstrauisch machen müssen. So habe der Kläger selbst in seinem Schreiben gegenüber der Staatsanwaltschaft vortragen lassen, er gehe davon aus, dass die GmbH bereits geraume Zeit insolvent sei. Der Kläger habe daraus auch den zutreffenden Schluss gezogen, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt worden war. In seinem Insolvenzgeldantrag habe der Kläger selbst angegeben, die Betriebstätigkeit sei zum 31.12.2001 eingestellt worden. Nach den Gesamtumständen und den Kenntnissen, die der Kläger hatte, sei es fahrlässig, hier nicht - wenigstens vorsorglich - einen Insolvenzgeldantrag bei der Beklagten zu stellen. Auch europarechtliche Vorschriften würden keinen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld begründen. Zwar verpflichte die Richtlinie des Rates der EWG 80/987 vom 20.10.1980 die Mitgliedsstaaten zur Schaffung von Garantieeinrichtungen, die zugunsten der Arbeitnehmer die Sicherstellung der nichterfüllten Arbeitsentgeltansprüche gewährleisten sollen. Als zahlungsunfähig gelte hiernach ein Arbeitgeber, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates beantragt und die Entscheidung hierüber getroffen worden sei.
§ 183 SGB III verstoße aber nicht gegen diese Richtlinie. Deutschland habe von den in Art.3, 4 Insolvenzrichtlinie vorgegebenen Zeitpunkten den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewählt. Dabei handelt es sich um einen früheren Zeitpunkt und damit um eine für den Arbeitnehmer günstigere Vorschrift. Zwar habe der EuGH in einer Entscheidung zum italienischen Recht als maßgeblichen Zeitpunkt die Stellung des Insolvenzantrags angesehen. Da § 183 SGB III aber für das Insolvenzgeld auf eine Referenzzeit gänzlich verzichte und auch solche Arbeitnehmer einbeziehe, bei denen der Insolvenzgeldzeitraum auch außerhalb der letzten sechs Monate vor dem Insolvenzereignis liege, soweit sie für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben, handele es sich bei § 183 SGB III um eine günstigere und zulässige Regelung. Durch die Änderung der Richtlinie 80/987 EWG durch die Richtlinie 2002/74 EG vom 23.09.2002 (AblEG 270/10) bleibe nunmehr den Mitgliedsstaaten die Festlegung des für den Referenzzeitraum maßgeblichen Zeitpunkt überlassen.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 22.07.2005 zugestellt worden. Am 22.08.2005 hat er dagegen Berufung eingelegt. Er vertritt zum einen weiterhin die Auffassung, ihm sei ein Verschulden an der Fristversäumnis nicht vorzuwerfen. Zum anderen meint er, dass es das SG versäumt habe, § 183 Abs. 1 SGB III europarechtskonform auszulegen. Wegen der Einzelheiten dieser Argumentation wird auf den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigen vom 21.10.2005 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.06.2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 02.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2004 zu verurteilen, dem ihm Insolvenzgeld auf seinen Antrag vom 05.12.2002 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und weist im Übrigen daraufhin, dass aus den einzelnen EG-Insolvenzrichtlinien kein Anspruch gegen die Beklagte abgeleitet werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der in Kopie vorliegenden Insolvenzakte des Amtsgerichts Wuppertal (Az 145 IN 908/02). Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2004 ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld. Der Senat folgt nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den Ausführungen des angegriffenen Gerichtsbescheides zur Frage der verschuldeten Versäumung der Antragsfrist und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Auch die vom Kläger nochmals ausführlich angesprochene EG-rechtliche Problematik vermag kein anderes Ergebnis zu begründen. Einerseits ist nach der BSG Rechtsprechung § 183 SGB III eindeutig und deshalb seine Auslegung nichtdahingehend möglich, dass maßgebendes Insolvenzereignis der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist (vgl BSG 20.06.2001 - B 11 AL 3/01 R – Rz. 21; BSG 18. 12.2003 - B 11 AL 27/03 R – Leitsatz 2 und Rz. 13). Andererseits vermag selbst eine Verstoß gegen die EG-Richtlinien Ansprüche gegenüber der Beklagen nicht zu begründen (BSG 20.06.2001 - B 11 AL 3/01 R – Rz. 33; BSG 18. 12.2003 - B 11 AL 27/03 R – Rz. 14; kritisch dazu Peters-Lange in Gagel, § 183 Rz. 85 f).
Darüber hinaus hat das BSG (Urteil vom 20.06.2001 - B 11 AL 3/01 R – Rz. 26 ff) die Ausgestaltung der deutschen Insolvenzsicherung in Kenntnis der vom Kläger zitierten EuGH-Urteile für richtlinienkonform gehalten und dies wie folgt begründet: "Nach Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich Richtlinie 80/987/EWG müssen die Mitgliedstaaten, soweit sie die in Art 3 der Richtlinie vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung begrenzen, die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nichterfüllten Ansprüche für die drei letzten Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses sicherstellen, die innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen. Gegenüber dieser Bestimmung enthält die deutsche Insolvenzsicherung - auch unter Berücksichtigung der Urteile des EuGH vom 10. Juli 1997 ("Maso" EuGHE 1997 I 4051-4083 und "Bonifaci" EuGHE I 3969-4024) - eine günstigere und damit zulässige Regelung.
Soweit die Revision aus den genannten zwei Entscheidungen herleiten will, der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers iS des Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich Richtlinie 80/987/EWG falle ohne jegliche Dispositionsmöglichkeit des nationalen Gesetzgebers immer mit dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung zusammen, verkennt sie Hintergrund und Reichweite dieser Entscheidungen. Tragender Grund des EuGH war die Erwägung, daß die Befriedigung von Ansprüchen der Arbeitnehmer nicht gewährleistet ist, wenn einerseits von der durch Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, die nichterfüllten Ansprüche aus den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses nur insoweit zu sichern, als sie innerhalb einer sog Referenzzeit von mindestens sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen, und wenn andererseits in Ländern, die sich für diese Option entschieden haben, Verfahren über Insolvenzanträge so lange dauern, daß die Referenzzeit iS des Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie verstrichen sein kann, ehe über den Insolvenzantrag entschieden ist. Dies hat den EuGH bewogen, den Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags als "Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers" anzusehen. Damit wird verhindert, daß die betroffenen Arbeitnehmer jegliche Ansprüche gegen die Garantieeinrichtung dadurch verlieren, daß innerhalb des Referenzzeitraums keine Zeit des Arbeitsverhältnisses liegt, weil das zuständige Insolvenzgericht länger als sechs Monate für die Entscheidung über den Insolvenzantrag benötigt."
Vor diesem Hintergrund kommt es auf die vom Kläger diskutierte Frage, welche Bedeutung die Änderungsrichtlinie 2002/74/EG vom 23.09.2002 für den vorliegenden Fall hat, nicht an.
Der Kläger scheint im Übrigen auch zu verkennen, dass sich bei unmittelbarer Anwendung des Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich Richtlinie 80/987/EWG in seinem Falle ein Anspruch gar nicht erst ergeben würde, weil der Anspruch für Dezember 2001 nicht innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (21.10.2002) liegt. Das heißt, dass der Entgeltausfall des Klägers EG-rechtlich gar nicht geschützt werden müsste.
Weil ein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld nicht bestand, hat er gem. § 186 Abs. 2 Satz 4 SGB III den erhalten Vorschuss in Höhe von 904,80 Euro zu erstatten. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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