L 8/14 KR 284/04

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 1522/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/14 KR 284/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 16/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juli 2004, die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2002, 30. Mai 2002, 3. Juni 2002 und 10. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2002 sowie der Bescheid vom 30. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2003 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld in gesetzlichem Umfang für die Zeit vom 22. April 2002 – 12. Mai 2002 und vom 20. Dezember 2002 – 30. Januar 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Krankengeld und ob die Beklagte berechtigt war, die Leistungsvoraussetzungen für den Krankengeldbezug durch ihre Satzung einzuschränken.

Der 1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten als selbstständiger Hausverwalter langjährig freiwillig versichert mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 29. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Im Jahr 2001 war er wiederholt wegen einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit arbeitsunfähig erkrankt, zuletzt vom 30. Oktober 2001 bis 5. November 2001. Für diesen Zeitraum erhielt er von der Beklagten Krankengeld, da nach § 20 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit die Wartezeit von 29 Tagen nur dann berücksichtigt wurde, wenn zwischen dem Ende einer Arbeitsunfähigkeit und dem Beginn einer neuen Arbeitsunfähigkeit mehr als sechs Monate lagen.

Vom 14. Januar 2002 bis 20. Januar 2002 war der Kläger wegen entzündlicher Zustände des Kiefers/akute Infektion der oberen Atemwege, vom 27. April 2001 bis 2. Mai 2001 wegen einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 14. Mai 2002 begehrte der Kläger Krankengeld für diese Zeiträume, was die Beklagte mit Bescheiden vom 15. Mai 2002, 30. Mai 2002, 3. Juni 2002 und 10. Juni 2002 ablehnte, weil die Arbeitsunfähigkeit jeweils weniger als 29 Tage gedauert habe. § 20 Abs. 3 der Satzung sei mit Wirkung zum 1. Januar 2002 gestrichen worden. Den Widerspruch des Klägers vom 22. Mai 2002, mit dem dieser geltend machte, die Satzungsänderung benachteilige chronisch Kranke und sei deshalb unzulässig, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2002 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 2. September 2002 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben.

In der Zeit vom 28. Mai 2002 bis zum 20. September 2002 war der Kläger erneut arbeitsunfähig krank, diesmal wegen eines depressiven Syndroms/Überlastungssyndroms bzw. – ab dem 12. August 2002 – wegen Asthma bronchiale. Für die Zeit ab dem 25. Juni 2002 erhielt er Krankengeld von der Beklagten. Weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten folgten vom 2. Oktober 2002 bis 15. Oktober 2002 wegen einer somatoformen Störung, Kopfschmerz, Unwohlsein und Ermüdung und vom 20. Dezember 2002 bis 30. Januar 2003 wiederum wegen Asthma bronchiale. Auch für diese Zeiten begehrte der Kläger Krankengeld, was die Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 und Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2003 wiederum unter Hinweis auf die Wartezeit von 29 Tagen und den Wegfall von § 20 Abs. 3 der Satzung alter Fassung (a.F.) ablehnte.

Auch dagegen hat der Kläger – am 13. Juni 2003 – Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Leistungseinschränkungen der Beklagten benachteiligten ausschließlich chronisch Kranke und hier auch nur hauptberuflich Selbstständige. Betroffen seien Personen, die keinerlei Möglichkeit hätten, sich privat zu erträglichen Kosten zu versichern. Für angestellte freiwillige Mitglieder und Selbstständige würden bei gleichen Beiträgen unterschiedliche Leistungen gewährt.

Das Sozialgericht hat beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 12. Juli 2004 die Klagen abgewiesen. Nach § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) könne die Satzung der Krankenkasse für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen. Hiervon habe die Beklagte in ihrer seit dem 1. Januar 2002 geltenden Satzung dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, die Anrechnung von Vorerkrankungen gestrichen habe. Die einschlägige Satzung sei durch die zuständige Aufsichtsbehörde genehmigt und formgerecht öffentlich bekannt gemacht worden. Die Satzungsneuregelung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz, weil auch Pflichtversicherte einen Anspruch auf Krankengeld erst nach Ablauf von sechs Wochen hätten. Dass Vorerkrankungen nicht mehr anerkannt würden, bewege sich im Rahmen des durch § 44 Abs. 2 SGB V eingeräumten Ermessensspielraums.

Gegen das ihm am 28. August 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. September 2004, Berufung eingelegt.

Er meint, das Urteil widerspreche jeglichen Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit. Grundrechte wurden verletzt. Es könne nicht angehen, dass Leistungen nur der Selbstständigen und chronisch Kranken beschnitten würden, zumal die Beklagte immer schuldenfrei gewesen sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juli 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2002, 30. Mai 2002, 3. Juni 2002 und 10. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2002 sowie den Bescheid vom 30. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld auch für die Zeit vom 14. Januar 2002 bis 20. Januar 2002, vom 20. April 2002 bis 12. Mai 2002, vom 28. Mai 2002 bis 24. Juni 2002, vom 2. Oktober 2002 bis 15. Oktober 2002 und vom 20. Dezember 2002 bis 30. Januar 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Mit der Änderung von § 20 Abs. 3 der Satzung habe sie die hauptberuflich Selbstständigen den selbstständig tätigen Künstlern und Publizisten gleichgestellt, bei denen Vorerkrankungen nicht zu einer Verkürzung der Wartezeit führten. Die Änderung habe gegenüber der bisherigen Satzungsregelung zur Folge, dass bei häufiger Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung Ansprüche später beginnen und Krankengeldausgaben reduziert würden. Im Hinblick auf diese Begründung sei die Satzung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, den Senator für Arbeit und Frauen in Bremen, genehmigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts und die angefochtenen Bescheide der Beklagten waren abzuändern, denn diese sind teilweise rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat für die im Urteilseingang näher bezeichneten Zeiträume Anspruch auf Krankengeld. Die von der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 2002 vorgenommene Einschränkung des Krankengeldanspruchs freiwillig versicherter Selbständiger ist rechtswidrig und damit unwirksam.

Der Kläger, der hauptberuflich Selbständiger ist, hat sich gegen den Verlust von Arbeitseinkommen bei der Beklagten versichert; ihm steht ein Anspruch auf Krankengeld nach Maßgabe der §§ 47 bis 51 SGB V vom 29. Tag der Arbeitsunfähigkeit an zu (§ 20 Abs. 2 der Satzung). Nach § 20 Abs. 3 der Satzung in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung wurde bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit die Wartezeit aber nur dann berücksichtigt, wenn zwischen dem Ende einer Arbeitsunfähigkeit und dem Beginn einer neuen Arbeitsunfähigkeit mehr als sechs Monate lagen. Das bedeutete im Ergebnis für Versicherte, die wiederkehrend wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig wurden, eine Begünstigung. Wer wegen Krankheit 28 Tage arbeitsunfähig war, bekam ab dem 29. Tag Krankengeld; trat in der Folge dieselbe Krankheit innerhalb der Sechs-Monats-Frist erneut auf, wurde das Krankengeld aber bereits ab dem ersten Tag gezahlt.

Diese Begünstigung hat die Beklagte mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 aus ihrer Satzung gestrichen. Hierzu war sie im Grundsatz auch befugt, denn gemäß § 44 Abs. 2 SGB V kann die Satzung der Krankenkasse für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt beginnen lassen. Vorliegend steht die Streichung von § 20 Abs. 3 der Satzung a.F. aber mit höherrangigem Recht nicht im Einklang. Sie verstößt gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, stellt der gesetzlich bzw. satzungsrechtlich begründete Anspruch eines Kassenmitglieds auf Krankengeld bzw. die Anwartschaft auf diese Leistung eine durch die Eigentumsgarantie geschützte sozialversicherungsrechtliche Position dar (BSG, Urteil vom 28. September 1993, 1 RK 34/92 = SozR 3-2500, § 44 Nr. 4 m.w.N.). Der Gesetzgeber ist allerdings nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG befugt, Inhalt und Schranken des Eigentums näher zu bestimmen. Er kann grundsätzlich auch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche beschränken oder umgestalten oder die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug solcher Leistungen erschweren, wobei ihm ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum zukommt (BSG a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 24. März 1998, 1 BvL 6/92 m.w.N.). Denn eine Unabänderlichkeit einmal geschaffener Ansprüche widerspräche dem Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, das im Unterschied zum privaten Versicherungsverhältnis nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht. Eingriffe sind deshalb zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (BSG a.a.O.; BVerfG a.a.O.).

Derartige Gründe des öffentlichen Interesses, welche die Streichung von § 20 Abs. 3 der Satzung a.F. rechtfertigen würden, sind nicht zu erkennen. Die bisherige Satzungsregelung beinhaltete eine Begünstigung eines bestimmten Personenkreises der hauptberuflich Selbständigen, nämlich der Personen mit lang andauernden oder chronischen Krankheiten, welche wiederholt zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit führen. Zwar ist eine derartige Besserstellung nicht rechtlich geboten. Grundsätzlich ist das spätere Einsetzen des Krankengeldes bei hauptberuflich Selbständigen allgemein zulässig, insbesondere weil diese in der Regel in der Lage sind, sich für die Zwischenzeit anderweitig zu versichern oder entsprechende Rücklagen zu bilden (BSG, SozR 3-2500, § 44 Nr. 4). Umgekehrt gibt es aber auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die satzungsmäßige Begünstigung chronisch kranker Menschen mit einem entsprechend erhöhten Risiko krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eine ungerechtfertigte (und deshalb zu beseitigende) Besserstellung im Vergleich zu den übrigen hauptberuflich Selbständigen bedeutete.

Soweit die Beklagte ausführt, durch die Streichung würden die hauptberuflich selbständig Tätigen den selbständig tätigen Künstlern und Publizisten gleichgestellt, bei denen Vorerkrankungen nicht zu einer Verkürzung der Wartezeit führten, ist dies kein Grund des öffentlichen Interesses, welcher eine Einschränkung des Krankengeldanspruchs der selbständig Tätigen rechtfertigen könnte. Es handelt sich nicht um vergleichbare Personengruppen. Bei den nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) versicherten Personen handelt es sich nicht um freiwillig versicherte Mitglieder, sondern um Pflichtversicherte (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V). Ihre Beitragspflicht wird nicht durch die Satzung der Beklagten, sondern durch § 16 Abs. 1 KSVG geregelt. Dabei stehen sich die selbständigen Künstler und Publizisten gegenüber anderen Versichertengruppen von Selbständigen erheblich günstiger, denn sie haben an die Künstlersozialkasse als Beitragsanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung nach näherer Maßgabe von § 16 Abs. 1 KSVG nur den halben Beitragssatz zu entrichten, während die übrigen Aufwendungen durch die Künstlersozialkasse und einen Zuschuss des Bundes getragen werden (§ 14 KSVG). Hingegen zahlen die freiwillig versicherten Selbständigen ihren Beitrag allein. Schon angesichts dieses wesentlichen Unterschieds im versicherungsrechtlichen Status gab es kein erkennbares öffentliches Interesse, die in § 20 Abs. 3 der Satzung a.F. enthaltene Begünstigung chronisch kranker selbständiger Erwerbstätiger unter Hinweis auf die Gruppe der selbständigen Künstler und Publizisten zu streichen.

Ebenso wenig liegt es im öffentlichen Interesse, dass durch den Wegfall von § 20 Abs. 3 der Satzung a.F. Krankengeld eingespart wird. Geld einsparen ist kein Wert für sich. Zwar kann es durchaus im öffentlichen Interesse sein, Ausgaben zu begrenzen, wenn dies geboten ist, um z.B. eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu bekämpfen; auch kann eine Einschränkung der Krankengeldzahlung an freiwillig versicherte Mitglieder gerechtfertigt sein, wenn die Finanzierung der freiwilligen Krankenversicherung ohne Mitfinanzierung aus den Beiträgen der Pflichtversicherten nicht mehr gesichert ist (BSG a.a.O.). Einen derartigen sachlichen Grund für die vorgenommene Leistungseinschränkung hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt, insbesondere nichts dafür vorgebracht, dass und weshalb gerade die Ausgaben für Krankengeldzahlungen an freiwillig versicherte Selbständige reduziert werden mussten. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers war die Beklagte auch stets schuldenfrei.

Darüber hinaus ist die Streichung von § 20 Abs. 3 der Satzung a.F. mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar.

Gemäß § 243 SGB V hat die Krankenkasse, wenn ein Mitglied keinen Anspruch auf Krankengeld hat oder wenn sie aufgrund von Vorschriften des SGB V für einzelne Mitgliedergruppen den Anspruch auf Leistungen beschränkt, den Beitragssatz entsprechend zu ermäßigen. Die Vorschrift beinhaltet damit einen gesetzlich angeordneten Ausgleich zwischen dem Interesse der Krankenkasse, Leistungen einschränken zu können, und dem Kompensationsbedürfnis der Versicherten, für eingeschränkte Leistungen nicht weiter den vollen Beitragssatz zahlen zu müssen, und stellt damit eine gesetzliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar, der auch bei der Beschränkung der Krankengeldansprüche der selbständig Erwerbstätigen zu beachten ist (vgl. Vay in Krauskopf, Kommentar zur Sozialen Krankenversicherung, § 44 Rdnr. 28; BSG, SozR 3-2500, § 44 Nr. 4). Vorliegend hat die Beklagte eine derartige Leistungseinschränkung vorgenommen, ohne dem auf der Beitragssatzseite für die Zeit ab dem 1. Januar 2002 Rechnung zu tragen. Zwar hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, eine derartige Entlastung sei wegen der Geringfügigkeit des Einsparpotentials auch nicht angezeigt gewesen, hat diese erstmals aufgestellte Behauptung aber in keiner Weise substantiiert.

Das von der Beklagten zitierte Urteil des BSG (vom 25. Juni 1991, 1 RR 6/90 = SozR 3-2500, § 241 Nr. 1) steht der Anwendbarkeit von § 243 SGB V auf den vorliegenden Fall nicht entgegen. Das BSG hat in der genannten Entscheidung lediglich klargestellt, dass Krankenkassen für freiwillige Mitglieder den allgemeinen Beitragssatz nicht für den Fall ermäßigen dürfen, dass der Krankengeldanspruch satzungsgemäß erst nach Ablauf des Lohnfortzahlungsanspruchs entsteht, wobei es im konkreten Fall um Mitglieder mit einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung für mindestens zwölf Wochen ging. Das BSG hat dies damit begründet, dass §§ 241 Satz 3 und 242 SGB V eine abschließende Regelung enthalten, soweit es sich um die Beitragssatzgestaltung im Hinblick auf den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts handelt. Vorliegend geht es aber um eine Einschränkung des Krankengeldanspruchs freiwillig versicherter Selbständiger in einem ganz anderen Zusammenhang.

Erweist sich die Streichung von § 20 Abs. 3 der Satzung a.F. damit als rechtswidrig, hat dies zur Folge, dass diese Vorschrift über den 31. Dezember 2001 hinaus auf das Versicherungsverhältnis des Klägers anzuwenden ist. Hieraus ergibt sich für die im Streit stehenden Einzelansprüche:

1. Für die Zeit vom 14. Januar – 20. Januar 2002 hat der Kläger keinen Anspruch auf Krankengeld. Die Arbeitsunfähigkeit in diesem Zeitraum beruhte auf einem entzündlichen Zustand des Kiefers, akute Infektion der oberen Atemwege. Hierbei handelt es sich nicht um dieselbe Krankheit, wegen derer der Kläger im vorausgegangenem Sechs-Monats-Zeitraum arbeitsunfähig krank mit Anspruch auf Krankengeld gewesen war. Denn um dieselbe Krankheit handelt es sich im Rechtssinne nur dann, wenn die Erkrankungen auf einer gemeinsamen, nicht behobenen Krankheitsursache beruhen, es sich also um eine medizinische Einheit handelt (Vay in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 48 Rdnr. 8). Die Krankschreibungen vom 11. Juli – 16. Juli 2001 und 30. Oktober – 5. November 2001 erfolgten aber wegen einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation.

2. Hingegen liegen für die Zeit der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vom 22. April – 12. Mai 2002, in der der Kläger wegen chronisch obstruktiver Lungenkrankheit erkrankt war, die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Zahlung von Krankengeld vor; denn wegen dieser Krankheit war der Kläger bereits vom 30. Oktober – 5. November 2001 und damit innerhalb des Sechs-Monats-Zeitraums arbeitsunfähig und hatte zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit von 28 Tagen bereits erfüllt.

3. Für die Zeit vom 28. Mai – 24. Juni 2002 besteht wiederum kein Krankengeldanspruch. Die Arbeitsunfähigkeit wurde für diesen Zeitraum wegen eines depressiven Syndroms – also einer anderen Krankheit – bescheinigt. Der Krankengeldanspruch konnte hier erst ab dem 29. Tag der Arbeitsunfähigkeit entstehen.

4. Auch für die Arbeitsunfähigkeitszeit vom 2. Oktober – bis 15. Oktober 2002 ist nicht zu erkennen, dass es sich bei den in diesem Zeitraum bestehenden Krankheiten (somatoforme Störung, Kopfschmerz, Unwohlsein und Ermüdung) notwendig um dieselbe Krankheit handelte, die in der Zeit ab dem 28. Mai 2002 zur Arbeitsunfähigkeit führte.

5. Für die Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 20. Dezember 2002 - 30. Januar 2003 steht Krankengeld zu. Die Arbeitsunfähigkeit für diesen Zeitraum bestand wegen eines Asthma bronchiale. Wegen des Asthma bronchiale war der Kläger jedoch bereits in der Zeit vom 12. August 2002 bis zum 9. September 2002 (Beginn des Heilverfahrens zu Lasten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) arbeitsunfähig krank gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision der Beklagten zugelassen, weil er der Sache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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