S 11 AL 105/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 105/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 30.10.2004 bis zum 30.04.2005 aufheben und Leistungen i.H.v. insgesamt 7252,28 Euro erstattet fordern darf.

Der am 00.00.1957 geborene Kläger meldete sich am 04.05.2004 arbeitslos und quittierte hierbei den Erhalt des Merkblatts für Arbeitslose. Die Beklagte zahlte ihm aufgrund des Bescheides 23.08.2004 Alg zuletzt für die Zeit ab dem 18.08.2004. In der Zeit vom 23. bis 29.10.2004 arbeitete der Kläger insgesamt 48 Stunden bei der Firma X U. Nachdem der Beklagten dieser Umstand durch eine Überschneidungsmitteilung und eine daraufhin eingeholte Arbeitgeberauskunft bekannt geworden war, hob sie zunächst mit Bescheid vom 03.05.2005 die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 23. bis 29.10.2004 auf und machte eine Erstattungsforderung i.H.v. 214,13 Euro geltend; der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 06.06.2005 teilte sie dem Kläger sodann mit, dass sie ein entsprechendes Vorgehen auch für die Zeit vom 30.10.2004 bis zum 30.04.2005 beabsichtige, da der Kläger die Arbeitsaufnahme nicht angezeigt und sich danach auch nicht wieder arbeitslos gemeldet habe. Der Kläger wandte ein, er sei ein branchenübliches Probearbeitsverhältnis als Kraftfahrer eingegangen und habe es nach kurzer Zeit wieder abgebrochen, da er der Nachtarbeit nicht gewachsen gewesen sei. Ihm sei klar gewesen, dass er der Beklagten auch ein Probearbeitsverhältnis habe melden müssen. Da er jedoch kein Arbeitsentgelt erhalten, sondern statt dessen weiter Alg bezogen habe, habe er davon ausgehen können, der Arbeitgeber habe ihn bei der Beklagten gemeldet.

Am 31.08.2005 erlies die Beklagte den angekündigten Bescheid, mit dem sie zugleich eine Erstattungsforderung von insgesamt 7252,28 Euro (gezahltes Alg sowie erbrachte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) geltend machte. Zur Begründung führte sie aus, infolge des nicht mitgeteilten Probearbeitsverhältnisses sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung erloschen und es habe keine Verfügbarkeit mehr vorgelegen. Im Übrigen sei der Kläger seiner Anzeigepflicht wenigstens grob fahrlässig nicht nachgekommen, was eine Aufhebung auch für die Vergangenheit rechtfertige. Seinen am 08.09.2005 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, sein Arbeitgeber habe ihm zugesichert, die Beklagte ordnungsgemäß zu informieren. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 04.10.2005 mit der Begründung zurück, der Kläger habe jedenfalls schon deswegen grob fahrlässig gehandelt, weil er Hinweise im Merkblatt für Arbeitslose nicht beachtet habe.

Hiergegen richtet sich die am 04.11.2005 erhobene Klage.

Der Kläger führt aus, er sei aufgrund seiner familiären und wirtschaftlichen Situation seit August 2003 auf Psychopharmaka angewiesen und daher mit der Situation im Oktober 2004 überfordert gewesen. Im Übrigen möchte er die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach Alg wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend nur gemindert werden dürfe, wenn die Beklagte den Versicherten vorher auf die entsprechende Obliegenheit hingewiesen habe, auch auf den vorliegenden Fall angewendet wissen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid vom 31.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Auffassung.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte durfte die Alg-Bewilligung aufheben und Erstattung der erbrachten Leistungen (einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) verlangen.

Das Gericht durfte aufgrund einseitig streitiger mündlicher Verhandlung entscheiden, da der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt worden sind. Im Übrigen hat der Klägerbevollmächtigte einer Entscheidung nach einseitig streitiger mündlicher Verhandlung ausdrücklich zugestimmt.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eintritt, die bei seinem Erlass vorgelegen haben. Eine wesentliche Änderung ist im vorliegenden Fall dadurch eingetreten, dass der Kläger ab dem 23.10.2004 nicht mehr die Voraussetzungen für den Bezug von Alg erfüllt hat. Anspruch auf Alg haben nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung (a.F.) Arbeitnehmer, die sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet haben. Die Wirkung der Arbeitslosmeldung erlischt nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III mit der Aufnahme einer Beschäftigung, wenn der Arbeitslose diese der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Dass der Kläger am 23.10.2004 eine Beschäftigung aufgenommen hat, ist unstreitig. Dass es sich hierbei um ein Probearbeitsverhältnis gehandelt hat, ist unbeachtlich, denn auch ein Probearbeitsverhältnis beseitigt die Wirkung der Arbeitslosmeldung (BSG, Urteil vom 23.07.1996, 7 RAr 14/96, SozR 3-4100 § 105 Nr. 4). Auf den Zufluss von Arbeitsentgelt kommt es insoweit nicht an.

Auch die Voraussetzungen einer Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Vergangenheit sind erfüllt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Hat der Arbeitslose eine Arbeitsaufnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht mitgeteilt, so rechtfertigt diese Verletzung der in § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) niedergelegten Mitteilungspflicht die Aufhebung der Alg-Bewilligung über die Dauer der Zwischenbeschäftigung hinaus bis zur erneuten Erfüllung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen (BSG, Urteil vom 14.12.1995, 11 RAr 75/95, SozR 3-4100 § 105 Nr. 2). Vor diesem Hintergrund überzeugt der Verweis des Klägers auf die zu einer völlig anderen rechtlichen Konstellation ergangene Rechtsprechung des BSG zur Minderung von Alg nach § 140 SGB III a.F. nicht. Das Gericht sieht auch keine Anhaltspunkte, an einem wenigstens grob fahrlässigen Verhalten des Klägers zu zweifeln. Der Kläger hat zunächst selbst eingeräumt, dass ihm die Mitteilungspflicht grundsätzlich bekannt gewesen sei. Soweit er auf seine stark beeinträchtigte seelische Gesundheit im fraglichen Zeitraum verweist, entnimmt das Gericht der beigezogenen Verwaltungsakte, dass der Kläger sich im Übrigen durchaus in der Lage gesehen hat, den erforderlichen Schriftverkehr mit der Beklagten abzuwickeln. So hat der Kläger etwa im Juni 2004 eine neue Bankverbindung mitgeteilt und im November 2004 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu den Akten der Beklagten gereicht. Mit der (i.Ü. nicht bewiesenen) Behauptung, sein damaliger Arbeitgeber habe ihm zugesichert, die Beklagte ordnungsgemäß zu informieren, dringt der Kläger schon deswegen nicht durch, weil die Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I höchstpersönlicher Natur ist und mithin nicht auf Dritte übertragen werden kann (BSG, Urteil vom 18.09.1991, 10 RKg 5/91, SozR 3-5870 § 20 Nr. 3).

Ermessen brauchte die Beklagte nicht auszuüben, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Die Aufhebungsfrist (§ 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) ist gewahrt.

Die Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X und § 335 Abs. 1 und 5 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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