Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 2047/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Übernahme für die Kosten der Instandhaltung einer Wohnung (Auszugsrenovierung) ist nach dem ab 01.01.2005 geltenden Sozialhilferecht nicht von vornherein ausgeschlossen.
1. Der Bescheid der Beklagten vom ... i.d.G. des Widerspruchsbescheids vom ... werden aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der Renovierung der vormaligen Wohnung in der ... in ... nebst Folge- kosten zu bewilligen und die letztlich entstandenen Kosten laut Mahnbescheid vom ... in Höhe von EUR 3.666,40 (Renovierungskosten, Miete wegen verspäteter Renovierung und Mahnkosten) an die GWG Reutlingen zu zahlen. 3. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Renovierungskosten bei Auszug nebst Folgekosten wegen nicht rechtzeitig veranlasster Renovierung.
Die im Jahr ... geborene Klägerin ist Erwerbsminderungsrentnerin. Sie leidet an einer chronifizierten Depression. Vom Versorgungsamt wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Die Klägerin bezog seit Oktober 2003 Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz. Bis Ende 2004 bezog die Klägerin auch Wohngeld. Ab dem 01.01.2005 wurden Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beklagten gewährt. Die Klägerin wohnte in einer Wohnung der ...-Wohnungsgenossenschaft ..., für die sie eine Grundmiete in Höhe von EUR 311,26 zahlte. Bei Gewährung der eben genannten Sozialleistungen wurde von den zuständigen Trägern allerdings nur "angemessene Unterkunftskosten" in Höhe von EUR 225,00 berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund der zu teuren Mietkosten und auch wegen einer Verärgerung der Klägerin über die Zustände in dem bisher von ihr bewohnten Haus, kündigte sie das Mietverhältnis mit der ... am 30.11.2004 zum 28.02.2005. Am 12.01.2005 schloss die Klägerin einen Mietvertrag über eine Wohnung in ... ab. Die (Kalt-) Miete für diese Wohnung beträgt EUR 230,00.
Mit Schreiben vom 13.01.2005 bat die Klägerin die Beklagte um eine Zusage für die Übernahme der Renovierungskosten für die alte Wohnung und der Umzugskosten. Sie fügte diesem Antrag u.a. einen Kostenvoranschlag für die Renovierungskosten der Firma ... in Höhe von EUR 2.376,75, ein Protokoll der ... über voraussichtliche Kosten für Schönheitsreparaturen in Höhe von EUR 3.366,00 und ein ärztliches Attest von ... vom 24.01.2005, wonach es der Klägerin wegen der schweren chronifizierten Depression nicht möglich sei, mehrere Kostenvoranschläge einzuholen, bei. Mit Schreiben vom 15.02.2005 mahnte die Klägerin eine Kostenzusage bei der Beklagten an. Mit Bescheid vom ... lehnte die Beklagte die Übernahme der Renovierungskosten ab. Eine mündliche oder schriftliche Zusage für die Übernahme sei nicht erfolgt. Eine Anfrage wegen der Übernahme dieser Kosten im Juni 2003 habe eine andere Wohnung betroffen. Im Dezember 2004 sei die Klägerin schriftlich darauf hingewiesen worden, dass über die Übernahme der Renovierungskosten erst entschieden werden könne, wenn die Angemessenheit der Miete geklärt sei. Der aktuelle Mietvertrag sei erst im Januar 2005 eingereicht worden. Aufgrund der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 sei eine Übernahme der Renovierungskosten als einmalige Beihilfe nicht mehr möglich. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom ... Die Klägerin trug vor, die neuen Gesetze seien grundgesetzkonform auszulegen. Mit Widerspruchsbescheid vom ... wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ab dem 01.01.2005 seien keine einmaligen Hilfen mehr möglich. Renovierungskosten würden nicht zu den Unterkunftskosten gehören. Hierfür könne auch kein Sonderbedarf festgestellt werden. Aus den Regelleistungen seien für in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Kostenansparungen zu machen, damit diese Kosten gedeckt werden könnten.
Deswegen hat die Klägerin am ...2005 Klage erhoben. Sie trägt vor, der Umzug sei auch im Interesse der Beklagten erfolgt. Diese handle nunmehr treuwidrig. Die Auffassung der Beklagten würde gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen. Die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die Renovierungsarbeiten selbst durchzuführen. Auch die ursprüngliche Vermieterin vertrete die Auffassung der Klägerin. Kein Vermieter werde mehr einen Sozialhilfebezieher aufnehmen, wenn die Frage der Renovierungskosten nicht gesichert sei. Diese Kosten könnten nicht dem Regelbedarf zugeordnet werden.
Mit Mahnbescheid vom ... forderte die ... von der Klägerin Kosten in Höhe von EUR 3.665,40. Diese Kosten setzen sich aus den Ausgaben der ... für die von ihr selbst veranlasste Renovierung, aus der Miete wegen verspäteter Renovierung für die Monate März und April, Mahnkosten und Mahngebühren zusammen.
Die Klägerin beantragt,
1. der Bescheid der Beklagten vom ... und der Widerspruchsbescheid vom ... werden aufgehoben; 2. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin antragsgemäß die Kosten der Renovierung der vormaligen Wohnung der Klägerin in der ... in ... zu bewilligen und die letztlich entstandenen Kosten laut Mahnbescheid vom ... in Höhe von EUR 3.666,40 (Renovierungskosten + Mietkosten wegen verspäteter Renovierung) an die Vermieterin, die ... gemeinnützige eG ... in ...zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Erwiderung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-/Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Übernahme der Renovierungskosten. Die angefochtenen Bescheide erwiesen sich daher als rechtswidrig. Die Klägerin wurde dadurch in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte war zur Zahlung der Renovierungskosten nebst Folgekosten wegen verspäteter Renovierung zu verurteilen.
Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Renovierungskosten ist § 29 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass mit der Einführung des SGB XII Renovierungskosten als einmalige Leistungen nicht mehr von den Sozialhilfeträgern zu erbringen sind und diese Kosten von den Sozialhilfebedürftigen aus den erhöhten Regelsätzen anzusparen seien. Dieser Schluss wird vorschnell aus dem Umstand geschlossen, dass eine dem § 21 Abs. 1a Nr. 5 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom Wortlaut her entsprechende Regelung im SGB XII nicht mehr existiert. Nach § 21 Abs. 1a Nr. 5 BSHG wurden einmalige Leistungen zur Instandhaltung der Wohnung gewährt. Diese Regelung wurde nicht in das SGB XII übernommen. Allerdings wurde die Regelungssystematik im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunftskosten insgesamt geändert. Nach dem BSHG wurde bei den Unterkunftskosten zwischen den einmaligen Leistungen (wie eben genannt) und den laufenden Leistungen, die nach § 22 BSHG i.V. mit § 3 der zu § 22 BSHG ergangenen Verordnung gewährt wurden, unterschieden. Nach § 3 dieser Verordnung wurden laufende Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Diese Formulierung wurde nicht in vollem Umfang in § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII übernommen. In § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII fehlt die einschränkende Formulierung "laufende". Daraus ist zu schließen, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht nur die regelmäßig anfallenden, laufenden, Kosten, also die Miete oder Zinsbelastungen erfasst, sondern auch nicht regelmäßige anfallenden Aufwendungen mit einbezogen werden. Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Gesetzgeber die von § 3 der Verordnung zu § 22 BSGH abweichende Formulierung in § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bewusst gewählt hat. Vom Wortlaut her ist § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfassend. Zwar lässt sich aus § 29 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Satz 3 SGB XII schließen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung vorrangig an laufende Aufwendungen gedacht haben mag. Dies ist in der Praxis auch der hauptsächliche Anwendungsbereich dieser Norm. Aus dem Regelungszusammenhang kann jedoch nicht geschlossen werden, dass unter § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur laufende Leistungen fallen sollen. Dies ergibt sich auch nicht bei Beachtung von § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII. Die dort ausdrücklich genannten Wohnungsbeschaffungskosten und Mietkautionen fallen im Vorfeld der Beschaffung einer Unterkunft an und können daher nicht ohne weiteres unter § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII eingeordnet werden. Hingegen sind Renovierungskosten bei Auszug genauso wie regelmäßig anfallende Kosten für Schönheitsreparaturen der bereits inne gehabten Unterkunft zuzuordnen.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des Sozialhilferechts unter anderem das Ziel verfolgte, im Zusammenhang mit der Anhebung der Regelsätze einmalige Leistungen weitgehend "zurückzufahren". Der früher umfassendere Katalog einmaliger Leistungen in § 21 Abs. 1a BSHG, der in der Formulierung Einmalleistungen für "besondere Anlässe" auch noch eine Art Öffnungsklausel enthielt, wurde deutlich reduziert. In § 31 Abs. 1 SGB XII finden sich nur noch wenige Anlässe für die Erbringung von Leistungen bei "einmaligen Bedarfen". Die für die Leistungen für Unterkunft und Heizung nunmehr gebrauchte Formulierung erlaubt jedoch die Einbeziehung von unterkunftsbezogenen einmaligen Bedarfen neben der ausdrücklichen Regelung in § 31 SGB XII. Ein anderes Ergebnis würde der Lebenswirklichkeit nicht stand halten. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Anhebung der Regelsätze Sozialhilfebedürftige bei entsprechender wirtschaftlicher Verhaltensweise in die Lage versetzt werden, früher vorgesehene einmalige Leistungen für Bekleidung, Lernmittel oder Hausrat nunmehr aus "Angespartem" selbst beschaffen zu können. Bei den Kosten, die für eine Instandhaltung der Wohnung anfallen können, erscheint dieses Ziel jedoch utopisch. Diese Kosten gehen, wie sich im Fall der Klägerin zeigte, häufig in die Tausende. Dem steht eine Erhöhung der Regelsatzleistungen in Baden-Württemberg von EUR 297 auf EUR 345, also um EUR 48 monatlich, gegenüber. Die Klägerin hätte, um die Kosten der Firma ... tragen zu können, 50 Monate den Erhöhungsbetrag in vollem Umfang auf die Seite legen müssen. Sie hätte für vier Jahre kein Geld gehabt, um die tatsächlich weggefallenen Leistungen für Einmalbedarfe beispielsweise für Kleidung und Hausrat auszugleichen.
Zu beachten ist, dass die hier getroffene Entscheidung nicht als Grundsatz der Gestalt verstanden werden darf, dass bei Sozialhilfebedürftigen stets Renovierungskosten während eines Mietverhältnisses oder bei Auszug oder Einzug vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sind. Wie bei allen anderen Leistungen nach dem SGB XII gilt hier der Grundsatz des Nachrangs gemäß § 2 SGB XII. Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Für weite Bevölkerungskreise ist es üblich, Renovierungsarbeiten in der Wohnung selbst und/oder mit Hilfe von Angehörigen und Bekannten durchzuführen. Somit sind Kosten für Renovierungen regelmäßig nicht vom Sozialhilfeträger zu erstatten. Ist der Betroffene, wie hier die Klägerin, jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht dazu in der Lage, die Wohnung selbst zu renovieren und stehen hier auch keine dritten Personen zur Verfügung, die dies unentgeltlich tun, hat der Sozialhilfeträger im angemessenen Umfang die Kosten, jedenfalls wenn er den Umzug befürwortet, zu übernehmen. Diese Voraussetzungen waren hier gegeben.
Die Beklagte wäre vorliegend zur Kostenübernahme verpflichtet gewesen. Sie hat rechtzeitig Kenntnis von dem anfallenden Bedarf gehabt. Die Kostenübernahme ist in Höhe der nunmehr von der ... geltend gemachten Gesamtforderung gerechtfertigt. Bei dieser Gesamtforderung wurde bereits ein der Klägerin zustehender Geschäftsanteil abgezogen. Zwar umfasst die Gesamtforderung nunmehr auch Mietzahlungen wegen verspäteter Renovierung und Mahnkosten/Gebühren. Die Klägerin ist jedoch im Rahmen eines sogenannten Herstellungsanspruchs so zu stellen, als wäre rechtzeitig von der Beklagten die Kostenübernahme zugesagt worden und erfolgt. Dann wären diese Kosten nicht entstanden. Im Übrigen wird vertreten, dass doppelte Mietaufwendungen auch als Wohnungsbeschaffungskosten übernommen werden können (Berlit in LPK-SGB XII § 29 Randnr. 68).
Wegen der hier vertretenen Auffassungen wird abschließend auf die Kommentierung von Berlit hingewiesen. Auch er vertritt, dass im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Verordnung zu § 22 BSHG in Bezug auf die Unterkunft alle laufenden und einmaligen Bedarfe zusammengefasst werden (LPK - SGB XII § 29 Randnr. 5), und dass damit auch notwendige einmalige Leistungen umfasst seien. Zu den mietvertraglich geschuldeten Kosten würden auch die notwendigen Aufwendungen für tournusmäßig anfallende Schönheitsreparaturen, soweit sie rechtmäßig auf den Mieter überwälzt sind, sowie Aufwendungen für wohnungsbezogene Kleinreparaturen, Einzugs- oder Auszugsrenovierungen, soweit sie an die Stelle der regelmäßig anfallenden Schönheitsreparaturen treten, den Kosten der Unterkunft zuzurechnen, als Bedarf aber nur bei notwendigem Auszug anzuerkennen (aaO Randnr. 17).
Der Klage war nach alledem in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Renovierungskosten bei Auszug nebst Folgekosten wegen nicht rechtzeitig veranlasster Renovierung.
Die im Jahr ... geborene Klägerin ist Erwerbsminderungsrentnerin. Sie leidet an einer chronifizierten Depression. Vom Versorgungsamt wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Die Klägerin bezog seit Oktober 2003 Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz. Bis Ende 2004 bezog die Klägerin auch Wohngeld. Ab dem 01.01.2005 wurden Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beklagten gewährt. Die Klägerin wohnte in einer Wohnung der ...-Wohnungsgenossenschaft ..., für die sie eine Grundmiete in Höhe von EUR 311,26 zahlte. Bei Gewährung der eben genannten Sozialleistungen wurde von den zuständigen Trägern allerdings nur "angemessene Unterkunftskosten" in Höhe von EUR 225,00 berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund der zu teuren Mietkosten und auch wegen einer Verärgerung der Klägerin über die Zustände in dem bisher von ihr bewohnten Haus, kündigte sie das Mietverhältnis mit der ... am 30.11.2004 zum 28.02.2005. Am 12.01.2005 schloss die Klägerin einen Mietvertrag über eine Wohnung in ... ab. Die (Kalt-) Miete für diese Wohnung beträgt EUR 230,00.
Mit Schreiben vom 13.01.2005 bat die Klägerin die Beklagte um eine Zusage für die Übernahme der Renovierungskosten für die alte Wohnung und der Umzugskosten. Sie fügte diesem Antrag u.a. einen Kostenvoranschlag für die Renovierungskosten der Firma ... in Höhe von EUR 2.376,75, ein Protokoll der ... über voraussichtliche Kosten für Schönheitsreparaturen in Höhe von EUR 3.366,00 und ein ärztliches Attest von ... vom 24.01.2005, wonach es der Klägerin wegen der schweren chronifizierten Depression nicht möglich sei, mehrere Kostenvoranschläge einzuholen, bei. Mit Schreiben vom 15.02.2005 mahnte die Klägerin eine Kostenzusage bei der Beklagten an. Mit Bescheid vom ... lehnte die Beklagte die Übernahme der Renovierungskosten ab. Eine mündliche oder schriftliche Zusage für die Übernahme sei nicht erfolgt. Eine Anfrage wegen der Übernahme dieser Kosten im Juni 2003 habe eine andere Wohnung betroffen. Im Dezember 2004 sei die Klägerin schriftlich darauf hingewiesen worden, dass über die Übernahme der Renovierungskosten erst entschieden werden könne, wenn die Angemessenheit der Miete geklärt sei. Der aktuelle Mietvertrag sei erst im Januar 2005 eingereicht worden. Aufgrund der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 sei eine Übernahme der Renovierungskosten als einmalige Beihilfe nicht mehr möglich. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom ... Die Klägerin trug vor, die neuen Gesetze seien grundgesetzkonform auszulegen. Mit Widerspruchsbescheid vom ... wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ab dem 01.01.2005 seien keine einmaligen Hilfen mehr möglich. Renovierungskosten würden nicht zu den Unterkunftskosten gehören. Hierfür könne auch kein Sonderbedarf festgestellt werden. Aus den Regelleistungen seien für in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Kostenansparungen zu machen, damit diese Kosten gedeckt werden könnten.
Deswegen hat die Klägerin am ...2005 Klage erhoben. Sie trägt vor, der Umzug sei auch im Interesse der Beklagten erfolgt. Diese handle nunmehr treuwidrig. Die Auffassung der Beklagten würde gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen. Die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die Renovierungsarbeiten selbst durchzuführen. Auch die ursprüngliche Vermieterin vertrete die Auffassung der Klägerin. Kein Vermieter werde mehr einen Sozialhilfebezieher aufnehmen, wenn die Frage der Renovierungskosten nicht gesichert sei. Diese Kosten könnten nicht dem Regelbedarf zugeordnet werden.
Mit Mahnbescheid vom ... forderte die ... von der Klägerin Kosten in Höhe von EUR 3.665,40. Diese Kosten setzen sich aus den Ausgaben der ... für die von ihr selbst veranlasste Renovierung, aus der Miete wegen verspäteter Renovierung für die Monate März und April, Mahnkosten und Mahngebühren zusammen.
Die Klägerin beantragt,
1. der Bescheid der Beklagten vom ... und der Widerspruchsbescheid vom ... werden aufgehoben; 2. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin antragsgemäß die Kosten der Renovierung der vormaligen Wohnung der Klägerin in der ... in ... zu bewilligen und die letztlich entstandenen Kosten laut Mahnbescheid vom ... in Höhe von EUR 3.666,40 (Renovierungskosten + Mietkosten wegen verspäteter Renovierung) an die Vermieterin, die ... gemeinnützige eG ... in ...zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Erwiderung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-/Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Übernahme der Renovierungskosten. Die angefochtenen Bescheide erwiesen sich daher als rechtswidrig. Die Klägerin wurde dadurch in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte war zur Zahlung der Renovierungskosten nebst Folgekosten wegen verspäteter Renovierung zu verurteilen.
Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Renovierungskosten ist § 29 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass mit der Einführung des SGB XII Renovierungskosten als einmalige Leistungen nicht mehr von den Sozialhilfeträgern zu erbringen sind und diese Kosten von den Sozialhilfebedürftigen aus den erhöhten Regelsätzen anzusparen seien. Dieser Schluss wird vorschnell aus dem Umstand geschlossen, dass eine dem § 21 Abs. 1a Nr. 5 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom Wortlaut her entsprechende Regelung im SGB XII nicht mehr existiert. Nach § 21 Abs. 1a Nr. 5 BSHG wurden einmalige Leistungen zur Instandhaltung der Wohnung gewährt. Diese Regelung wurde nicht in das SGB XII übernommen. Allerdings wurde die Regelungssystematik im Hinblick auf die Gewährung von Unterkunftskosten insgesamt geändert. Nach dem BSHG wurde bei den Unterkunftskosten zwischen den einmaligen Leistungen (wie eben genannt) und den laufenden Leistungen, die nach § 22 BSHG i.V. mit § 3 der zu § 22 BSHG ergangenen Verordnung gewährt wurden, unterschieden. Nach § 3 dieser Verordnung wurden laufende Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Diese Formulierung wurde nicht in vollem Umfang in § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII übernommen. In § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII fehlt die einschränkende Formulierung "laufende". Daraus ist zu schließen, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht nur die regelmäßig anfallenden, laufenden, Kosten, also die Miete oder Zinsbelastungen erfasst, sondern auch nicht regelmäßige anfallenden Aufwendungen mit einbezogen werden. Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Gesetzgeber die von § 3 der Verordnung zu § 22 BSGH abweichende Formulierung in § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bewusst gewählt hat. Vom Wortlaut her ist § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfassend. Zwar lässt sich aus § 29 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Satz 3 SGB XII schließen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung vorrangig an laufende Aufwendungen gedacht haben mag. Dies ist in der Praxis auch der hauptsächliche Anwendungsbereich dieser Norm. Aus dem Regelungszusammenhang kann jedoch nicht geschlossen werden, dass unter § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur laufende Leistungen fallen sollen. Dies ergibt sich auch nicht bei Beachtung von § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII. Die dort ausdrücklich genannten Wohnungsbeschaffungskosten und Mietkautionen fallen im Vorfeld der Beschaffung einer Unterkunft an und können daher nicht ohne weiteres unter § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII eingeordnet werden. Hingegen sind Renovierungskosten bei Auszug genauso wie regelmäßig anfallende Kosten für Schönheitsreparaturen der bereits inne gehabten Unterkunft zuzuordnen.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des Sozialhilferechts unter anderem das Ziel verfolgte, im Zusammenhang mit der Anhebung der Regelsätze einmalige Leistungen weitgehend "zurückzufahren". Der früher umfassendere Katalog einmaliger Leistungen in § 21 Abs. 1a BSHG, der in der Formulierung Einmalleistungen für "besondere Anlässe" auch noch eine Art Öffnungsklausel enthielt, wurde deutlich reduziert. In § 31 Abs. 1 SGB XII finden sich nur noch wenige Anlässe für die Erbringung von Leistungen bei "einmaligen Bedarfen". Die für die Leistungen für Unterkunft und Heizung nunmehr gebrauchte Formulierung erlaubt jedoch die Einbeziehung von unterkunftsbezogenen einmaligen Bedarfen neben der ausdrücklichen Regelung in § 31 SGB XII. Ein anderes Ergebnis würde der Lebenswirklichkeit nicht stand halten. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Anhebung der Regelsätze Sozialhilfebedürftige bei entsprechender wirtschaftlicher Verhaltensweise in die Lage versetzt werden, früher vorgesehene einmalige Leistungen für Bekleidung, Lernmittel oder Hausrat nunmehr aus "Angespartem" selbst beschaffen zu können. Bei den Kosten, die für eine Instandhaltung der Wohnung anfallen können, erscheint dieses Ziel jedoch utopisch. Diese Kosten gehen, wie sich im Fall der Klägerin zeigte, häufig in die Tausende. Dem steht eine Erhöhung der Regelsatzleistungen in Baden-Württemberg von EUR 297 auf EUR 345, also um EUR 48 monatlich, gegenüber. Die Klägerin hätte, um die Kosten der Firma ... tragen zu können, 50 Monate den Erhöhungsbetrag in vollem Umfang auf die Seite legen müssen. Sie hätte für vier Jahre kein Geld gehabt, um die tatsächlich weggefallenen Leistungen für Einmalbedarfe beispielsweise für Kleidung und Hausrat auszugleichen.
Zu beachten ist, dass die hier getroffene Entscheidung nicht als Grundsatz der Gestalt verstanden werden darf, dass bei Sozialhilfebedürftigen stets Renovierungskosten während eines Mietverhältnisses oder bei Auszug oder Einzug vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sind. Wie bei allen anderen Leistungen nach dem SGB XII gilt hier der Grundsatz des Nachrangs gemäß § 2 SGB XII. Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Für weite Bevölkerungskreise ist es üblich, Renovierungsarbeiten in der Wohnung selbst und/oder mit Hilfe von Angehörigen und Bekannten durchzuführen. Somit sind Kosten für Renovierungen regelmäßig nicht vom Sozialhilfeträger zu erstatten. Ist der Betroffene, wie hier die Klägerin, jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht dazu in der Lage, die Wohnung selbst zu renovieren und stehen hier auch keine dritten Personen zur Verfügung, die dies unentgeltlich tun, hat der Sozialhilfeträger im angemessenen Umfang die Kosten, jedenfalls wenn er den Umzug befürwortet, zu übernehmen. Diese Voraussetzungen waren hier gegeben.
Die Beklagte wäre vorliegend zur Kostenübernahme verpflichtet gewesen. Sie hat rechtzeitig Kenntnis von dem anfallenden Bedarf gehabt. Die Kostenübernahme ist in Höhe der nunmehr von der ... geltend gemachten Gesamtforderung gerechtfertigt. Bei dieser Gesamtforderung wurde bereits ein der Klägerin zustehender Geschäftsanteil abgezogen. Zwar umfasst die Gesamtforderung nunmehr auch Mietzahlungen wegen verspäteter Renovierung und Mahnkosten/Gebühren. Die Klägerin ist jedoch im Rahmen eines sogenannten Herstellungsanspruchs so zu stellen, als wäre rechtzeitig von der Beklagten die Kostenübernahme zugesagt worden und erfolgt. Dann wären diese Kosten nicht entstanden. Im Übrigen wird vertreten, dass doppelte Mietaufwendungen auch als Wohnungsbeschaffungskosten übernommen werden können (Berlit in LPK-SGB XII § 29 Randnr. 68).
Wegen der hier vertretenen Auffassungen wird abschließend auf die Kommentierung von Berlit hingewiesen. Auch er vertritt, dass im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Verordnung zu § 22 BSHG in Bezug auf die Unterkunft alle laufenden und einmaligen Bedarfe zusammengefasst werden (LPK - SGB XII § 29 Randnr. 5), und dass damit auch notwendige einmalige Leistungen umfasst seien. Zu den mietvertraglich geschuldeten Kosten würden auch die notwendigen Aufwendungen für tournusmäßig anfallende Schönheitsreparaturen, soweit sie rechtmäßig auf den Mieter überwälzt sind, sowie Aufwendungen für wohnungsbezogene Kleinreparaturen, Einzugs- oder Auszugsrenovierungen, soweit sie an die Stelle der regelmäßig anfallenden Schönheitsreparaturen treten, den Kosten der Unterkunft zuzurechnen, als Bedarf aber nur bei notwendigem Auszug anzuerkennen (aaO Randnr. 17).
Der Klage war nach alledem in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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