Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 21 KA 1039/04 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 B 12/05 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 2. gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 20.12.2004 werden zurückgewiesen. II. Dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu 2. werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte auferlegt.
III. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 75.000,00 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des Antragsgegners und Beschwerdeführers - des zuständigen Berufungsausschusses - im Beschluss vom 14.10.2004, mit welcher dieser den Entzug der Zulassung des Antragstellers und Beschwerdegegners zur Tätigkeit als Vertragsarzt für sofort vollziehbar erklärt hat.
Der Zulassungsausschuss erteilte dem Antragsteller und Beschwerdegegner mit Beschluss vom 25.03.1998 zunächst die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit in P. in der Oberpfalz als Internist mit der Teilgebietsbezeichnung Hämatologie im Rahmen der fachärztlichen Versorgung.
Am 16.07.1998 beantragte der Vertragsarzt und Beschwerdegegner, ohne die Tätigkeit in P. bereits aufgenommen zu haben, ihm zu genehmigen, seinen Vertragsarztsitz von P. nach W. zu verlegen. Mit Beschluss vom 20.07.2998 lehnte der Zulassungsausschuss die Genehmigung zur Praxisverlegung ab, soweit die volle Zulassung als Internist mit der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und internistische Onkologie am neuen Praxisort angestrebt wurde, erteilte jedoch die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit beschränkt auf die Durchführung ambulanter ärztlicher Leistungen im Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie und auf die Dauer von fünf Jahren als Sonderbedarfszulassung. Insoweit bestehe am Ort des nunmehr gewünschten Vertragsarztsitzes ein besonderer Versorgungsbedarf; im Hinblick auf die Arztgruppe der Internisten ohne derartige Schwerpunktbezeichnung liege allerdings hier Überversorgung vor.
Mit Schreiben vom 28.01.2004 stellte die Beigeladene zu 1. - die KVB - beim Zulassungsausschuss den Antrag, dem Beschwerdegegner die Zulassung als Vertragsarzt zu entziehen. Der Beschwerdegegner habe seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt und erscheine deshalb zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeignet. Denn der Beschwerdegegner habe unrichtige Abrechnungen vorgelegt. Er habe im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit als Onkologe die Zubereitungen von Zytostatika in seiner Praxis durch das Praxispersonal vornehmen lassen; die einzelnen Komponenten für die Zubereitungen habe der Beschwerdegegner von der S.apotheke - (Inhaber Frau bzw. Herr W.) in E. bezogen; die fertigen Mittel seien dann aber im Rahmen des Sprechstundenbedarfs als applikationsfertige Zubereitungen verordnet und von der Apotheke abgerechnet und dieser auch vergütet worden. Auf Rezept verordnete applikationsfertige Zubereitungen seien teurer als deren einzelne Bestandteile, weil die Kosten der Herstellung im Preis der Fertigmedikamente bereits enthalten seien. Um seinen Aufwand für die Herstellung der Fertigarzneien auszugleichen, habe der Beschwerdegegner mit der Inhaberin der Apotheke einen finanziellen Ausgleich vereinbart; der Beschwerdegegner sei somit als Subunternehmer der Apotheke tätig geworden. Diese Vorgehensweise habe der Beschwerdegegner selbst mit Schreiben vom 05.09.2003 an die Beigeladene zu 1., die KV, geschildert. Aufgrund dieser Vorgehensweise sei der Eindruck entstanden, der Beschwerdegegner habe sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu Lasten der Krankenkassen bzw. der Versicherten verschafft. Dies stelle einen gröblichen Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten dar. Die für eine Zusammenarbeit zwischen Arzt und KV unerlässliche Vertrauensbasis sei damit nicht mehr gegeben.
Mit Schreiben vom 05.09.2003 an die zuständige Bezirksstelle der KVB hatte der Beschwerdegegner - offenbar auf eine Anfrage der KV vom 13.08.2003 - mitgeteilt, schon am 11.11.1998 habe ihn die Beigeladene zu 2. - die AOK - zu Gesprächen mit einem ihrer Vertreter und mit einem Apotheker G. eingeladen, in denen es um die Verordnung hochpreisiger Arzneimittel, insbesondere Zytostatika, gegangen sei. In diesen Gesprächen, die teilweise auch zu dritt geführt worden seien, sei er zunächst aufgefordert worden, bestimmte Produkte und Firmen zu bevorzugen. Da er dies abgelehnt habe, sei er außerdem aufgefordert worden, Zytostatika als Sprechstundenbedarf zu verordnen. In solchen Gesprächen habe er darauf aufmerksam gemacht, dass er dann durch eigene Zytostatikazubereitung übermäßig hohe Kosten zu tragen habe, welche andere Onkologen, die eine die Zubereitung übernehmende Apotheke einschalten könnten, nicht haben würden. Unabhängig voneinander hätten die Gesprächspartner in diesem Zusammenhang behauptet, dass die Zubereitungskosten mit den Onkologieziffern bereits abgegolten seien. Erst später habe er erfahren, dass ihm auch der Weg offen stehe, Zytostatika über Einzelrezepturen außerhalb des Sprechstundenbedarfs zu verordnen, da es in der Onkologievereinbarung heiße, dass Schwerpunktpraxen für Onkologie zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet seien, Zytostatika über den Sprchstundenbedarf zu verordnen. Infolge dieser unzulänglichen Informationen habe er dann versucht, die Kosten, die durch die Zubereitung der Zytostatika entstanden seien, anderweitig erstattet zu erhalten. Er beschäftige derzeit in seiner Praxis neun Personen, davon fünf ganztags; ein großer Teil der Tätigkeit in der Praxis entfalle auf die Zubereitung von Zytostatika und die damit zusammenhängenden Arbeiten. Da 1998 kein Apotheker in W. bereit gewesen sei, Zytostatika zuzubereiten, habe er bereits in diesem Zeitpunkt in seiner Praxis ein Zytostaselabor eingerichtet, das den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe; zunächst sei die Zubereitung der Zytostatika in seinem Labor von einer erfahrenen Krankenschwester durchgeführt worden, seit Mai 2001 beschäftige er darin ganztags eine pharmazeutisch-technische Assistentin, die ausschließlich Zytostatika herrichte und die Rezepturen überwache.
Die mit dem Betrieb dieses Labors verbundenen erheblichen Kosten hätten ihn schon Mitte 2000 veranlasst, außerhalb von W. einen Apotheker zu suchen, der ihn mit Zytostatika beliefern könne. Dabei sei er auf die S.-Apotheke in E. gestoßen, die mehrere Krankenhäuser und niedergelassene Onkologen mit fertig zubereiteten Zytostatika beliefere. Schon beim Erstgespräch sei ihm jedoch klar geworden, dass eine tägliche Direktbelieferung mit zubereiteten Zytostatika-Lösungen nicht duchführbar sei. Die Fahrtstrecke von E. bis W. betrage 120 Kilometer, der Beginn der Praxistätigkeit sei täglich um 07.30 Uhr. Eine termingerechte Belieferung sei daher am Behandlungstag nicht möglich; aber auch eine Anlieferung am Vortag scheide aus medizinischen und praktischen Gründen aus. Die S.-Apotheke habe ihm daher angeboten, dass er selbst die Zytostatika im Lohnverfahren als ihr Subunternehmer herrichte und dafür aus der Apotheke eine Aufwandsentschädigung beziehe; man würde ihn dreimal pro Woche beliefern, im Einzelfall bei Bedarf auch sofort. Man habe ihm dabei die Lage so dargestellt, dass er als Onkologe laut Onkologievertrag ebenso wie die Apotheke die Erlaubnis habe, Zytostatika herzustellen, solange den gesetzlichen Bestimmungen Genüge getan werde. Er habe insbesondere die ordnungsgemäße Herstellung durch die Beschäftigung der pharmazeutisch-technischen Assistentin sichergestellt. Insgesamt vier seiner Mitarbeiter seien inzwischen in einem einschlägigen Fachinstitut in B. fortgebildet worden. Die Ausstattung der Räume und die Herstellung in seinem Labor würden von der S.-Apotheke kontrolliert, denn regelmäßig würde eine Begutachtung der Räume und der Herstellungsverfahren vorgenommen. Außerdem sei das Labor zweimal vom Gewerbeaufsichtsamt kontrolliert worden, davon einmal unangemeldet auf Veranlassung einer Krankenkasse. Beanstandungen habe es keine gegeben. Erst vor dem Beschwerdeausschuss anlässlich eines Regressverfahrens sei ihm klar geworden, welche Risiken sich für ihn durch die Verordnung von Zytostatika als Sprechstundenbedarf ergeben würden. Seither verordne er soweit es gehe nur noch auf Individualrezept. Den Krankenkassen und den Patienten sei infolge der Herstellung der Zytostatika in seinem Labor keinerlei Schaden entstanden.
Mit Schreiben vom 24.07.2003 erstattete die Beigeladene zu 2. und Beschwerdeführerein, die AOK, Strafanzeige, am 09.02.2004 beantragte auch sie, dem Beschwerdegegner die Zulassung zu entziehen. Im Februar 2004 folgte eine Strafanzeige der Beigeladenen zu 1., der KV; im März 2004 schlossen sich die IKK Bayern, der VdAK und der BKK Landesverband den Anträgen auf Zulassungsentziehung an.
Im Verfahren vor dem Zulassungsausschuss nahm der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 21.03.2004 umfassend Stellung und führte insbesondere aus, dass er niemanden betrogen oder geschädigt habe und dass in anderen Bundesländern die Kosten für die Zubereitung von Zytostatika durchaus seitens der Krankenkassen vergütet würden. Außerdem enthält das Schreiben umfangreiche Ausführungen zu Besonderheiten der Abrechnung seitens der S.-Apotheke gegenüber den Krankenkassen sowie über angebliche Ansinnen an ihn seitens der AOK, bestimmte Medikamente zu verordnen, welche zwar überteuert erschienen, für welche die Herstellerfirma dann aber Abschläge gewähre, und über ähnliche Gegebenheiten.
Mit Beschluss vom 12.05.2004 lehnte der Zulassungsausschuss die Anträge auf Entziehung der Kassenzulassung ab. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, zwar habe der Beschwerdegegner lediglich die zur Herstellung von Zytostatika erforderlichen Komponenten bezogen, der Apotheke jedoch die Möglichkeit gegeben, die - teureren - Fertigarzneimittel abzurechnen. Die Entziehung der Zulassung sei aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie das einzige Mittel sei, das vertragsärztliche System gegen Störungen zu schützen. Dies sei hier nicht gegeben, da im vorliegenden Falle die Falschabrechnung in erster Linie nicht zwischen dem Vertragsarzt und der KV, sondern zwischen der Apotheke und der Krankenkasse erfolgt sei.
Auf die von allen das Zulassungsentziehungsverfahren betreibenden Stellen eingelegten Widersprüche entschied der zuständige Berufungsausschuss am 14.10.2004, den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 12.05.2004 aufzuheben, dem Beschwerdegegner die Zulassung zu entziehen und zudem den sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung anzuordnen.
Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: die AOK habe angegeben, weil der Beschwerdegegner in Prüfverfahren keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe für die seit dem Quartal 3/2000 angestiegene hohe Überschreitung der Arzneimittelkosten habe angeben können, habe die AOK von der S.-Apotheke die einschlägigen Herstellungsprotokolle der als Sprechstundenbedarf verordneten Zytostatika angefordert. Nach anfänglichem Weigern habe die Inhaberin der Apotheke, Frau W. , am 30.06. 2003 mitgeteilt, dass dem Beschwerdegegner nicht wie verordnet die applikationsfertigen Zubereitungen, sondern die Einzelbestandteile geliefert worden seien. Das Zusammenmischen sei dann in seiner Praxis erfolgt. Dafür habe er von der Apotheke monatliche Zahlungen erhalten in Höhe von DM 20.000,00 bis 25.000,00. Die Apotheke habe somit vom Beschwerdegegner Sprechstundenbedarfsverordnungen erhalten, die es ihr erst ermöglicht hätten, die Mischzubereitungen abzurechnen. Sowohl die Apotheke als auch der Beschwerdegegner hätten durch ihr Verhalten der Versichertengemeinschaft einen erheblichen finanziellen Schaden zugefügt und sich selbst bereichert. Da der Schaden enorm hoch sei - er belaufe sich auf ca. 1.000.000,00 Euro - , stelle sich zur Frage der Entziehung der Zulassung auch die Frage des Sofortvollzuges. Eine gröbliche Pflichtverletzung im Sinne des § 95 Abs. 6 SGB V liege nach der Rechtsprechung vor, wenn durch sie das Vertrauen der kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen insbesondere in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Arzt so gestört sei, dass den am gesetzlichen Gesundheitssystem beteiligten Stellen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht mehr zugemutet werden könne. Obwohl es eindeutig unzulässig sei, individuelle Rezepturen auf Sprechstundenbedarfsverschreibungen zu verordnen, habe der Beschwerdegegner dies getan. Dies sei ein Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten. Des weiterem sei dem Beschwerdegegner vorzuhalten, dass er die Falschabrechnung der Apotheke gefördert habe. Denn er habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die S.-Apotheke nicht die von ihr abgerechneten applikationsfertigen Individualarzneien hergestellt, sondern dem Beschwerdegegner lediglich die zu deren Herstellung erforderlichen Bestandteile geliefert habe. Der Beschwerdegegner sei somit an der Manipulation der Abrechnung der Apotheke maßgeblich beteiligt gewesen. Dadurch sei das zu fordernde unbedingte Vertrauen zerstört worden. Der Beschwerdegegner könne sich auch nicht auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen. Zwar habe er die Rezepturen auf patientenbezogene Individualrezepte verordnen können. Dann hätte man der Apotheke die Herstellungskosten zwar auch vergüten müssen. Gleichwohl habe der Beschwerdegegner auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf Vergütung der Herstellungskosten gehabt, denn eine Anspruchsgrundlage für eine solche Vergütung gebe es nicht. Ein Vertragsarzt könne auch nicht als Subunternehmer einer Apotheke handeln. Ob der Beschwerdegegner möglicherweise Anspruch auf eine Vergütung durch die AOK aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung hätte ableiten können, könne hier nicht beantwortet werden. Zwar gebe es einen Vergleichsfall, in welchem ein Onkologe die Zytostatika selbst zusammen mische und dies von der AOK vergütet erhalte; für die Vergleichbarkeit der Sachverhalte könne es aber entscheidend auf die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise bzw. der Art des Bezuges der Bestandteile der Arzneimittel ankommen, wozu sich der Beschwerdegegner bereits in seinem Gespräch mit der AOK am 11.11.1998 ablehnend gegeben habe. Auch die für die Anordnung des Sofortvollzuges notwendigen, über die Voraussetzungen einer Zulassungsentziehung hinausgehenden besonderen Bedingungen seien hier gegeben.
Mit Schriftsatz an das Sozialgericht vom 29.11.2004 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Aufhebung des Sofortvollzuges und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der zuvor eingereichten Klage gegen den Bescheid des Berufungsausschusses. Mit Beschluss vom 20.12.2004 hob das Sozialgericht die im Beschied vom 16.11.2004 getroffene Anordnung des Sofortvollzuges auf und wies den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage bei Aufhebung der Verfahrenskosten zurück; mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage setzte es den Wert des Verfahrensgegenstandes auf Euro 75.000,00 fest. Zur Begründung der Entscheidung über die Aufhebung des Sofortvollzuges führte das Sozialgericht aus, die Anordnung des Sofortvollzuges gemäß § 97 Abs. 4 SGB V sei eine Ermessensentscheidung, der eine Interessenabwägung vorauszugehen habe. Dabei dürfe insbesondere nicht übersehen werden, dass Zulassungsausschuss und Berufungsausschuss zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt seien; außerdem habe der Berufungsausschuss keine eigenen Ermittlungen angestellt und schließlich seien bei der Entscheidung, die Zulassungsentziehung für sofort vollziehbar zu erklären, auch die Interessen der schwer- und schwerstkranken Patienten des Beschwerdegegners außer Acht gelassen worden.
Gegen diese Entscheidung haben der Berufungsausschuss und die AOK - die Beigeladene zu 2. - Beschwerde eingelegt.
Zur Ergänzung der Sachverhaltsdarstellung wird auf die Akten des Zulassungsausschusses, des Beschwerdeausschusses, des Erstgericht und des Beschwerdegerichts Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts über die Aufhebung des Sofortvollzuges ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, diese Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Anordnung ist zu treffen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens; dabei sind die Interessen der Beteiligten bzw. das Interesse des Antragstellers und Beschwerdegegners und das öffentliche Interesse (§ 97 Abs. 4 SGB V) gegeneinander abzuwägen. Auch dann, wenn die Voraussetzungen für den Entzug der Zulassung gegeben erscheinen, folgt noch nicht zwangsläufig, dass auch die Bedingungen für die Anordnung des Sofortvollzuges erfüllt wären. Vielmehr kann von deren Voraussetzungen erst dann ausgegangen werden, wenn weiteres Zuwarten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens insbesondere auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses nicht hinnehmbar erscheint.
Nach diesen Maßstäben hat das Erstgericht zu Recht entschieden, die Anordnung des Sofortvollzuges aufzuheben. Die hier anzustellende Interessenabwägung führt im Ergebnis dazu, dass eine Zulassungsentziehung nicht vor dem Abschluss des Verfahrens über die Hauptsache wirksam werden kann. Jedenfalls die über die Voraussetzungen der Zulassungsentziehung hinausgehenden Bedingungen für die Anordnung eines Sofortvollzuges können hier nicht bejaht werden.
Was die Interessenabwägung angeht, so besteht nach der Rechtsprechung des Senats ähnlich wie bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG - bzw. des § 123 VwGO - eine Wechselbeziehung zwischen der Überzeugungskraft der Faktoren, aus denen der zugrunde liegende Anspruch - hier auf vorläufigen Fortbestand der Zulassung - abgeleitet wird, und den Umständen, auf die die Notwendigkeit des Sofortvollzuges der Entziehung - gestützt wird (so schon der Senat mit Beschlüssen vom 07.09.1999, L 12 B 116/99 KA ER, vom 17.12.1999, L 12 B 359/99 KA ER, Breithaupt 2000, S. 245, vom 18.09.2000, L 12 B 469/99 KA ER und vom 26.10.2000, L 12 B 205/00 KA ER). In diesem Sinne sind auch hier um so weniger strenge Anforderungen an die Erfüllung der Voraussetzungen für einen sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung zu stellen, je deutlicher die zu beurteilenden Umstände gegen das Vorliegen des streitigen Anspruches auf Fortsetzung der Vertragsarzttätigkeit sprechen, und umgekehrt.
Im Falle des Streits über den Sofortvollzug muss das Verhalten des Betroffenen - des Beschwerdegegners - zudem über die der Zulassungsentziehung zugrunde gelegten Beanstandungen hinaus Kritikpunkte aufweisen, denen nur mit einer sofortigen Beendigung der Vertragsarzttätigkeit gesteuert werden kann. Dies liegt in der Regel dann nahe, wenn das Verhalten des Vertragsarztes Patienten gefährdet. (vgl. insbesondere den Hinweis auf das öffentliche Interesse in § 97 Abs. 4 SGB V). Dies liegt auch dann nahe, wenn dem Vertragsarzt nicht mehr zu trauen ist. Es liegt dann eher nicht nahe, wenn der Vertragsarzt im wesentlichen wirtschaftliche Schäden verschuldet hat. Es liegt auch dann nicht nahe, wenn das inkriminierte Verhalten bereits abgestellt ist.
Im vorliegenden Falle geht es allein um eine gesetzwidrige Abrechnungsweise; für eine Schädigung von Patienten gibt es keinerlei Anhalt. Schon dies legt es nahe, die endgültige Klärung der Vorwürfe im Hauptsacheverfahren abzuwarten und auf einen sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung zu verzichten. Hinzu kommen weitere Gesichtspunkte, die dem Sofortvollzug entgegenstehen. So lässt sich etwa der schon im Antrag auf Entziehung der Zulassung erhobene Vorwurf, der Beschwerdegegner habe durch sein Verhalten die für das Verhältnis zwischen Arzt, KV und Krankenkassen unerlässliche Vertrauensbasis zerstört, möglicherweise in dieser Bedingungslosigkeit nicht aufrecht erhalten. Denn dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdegegner selbst mit Schreiben vom 05.09.2003 und dann anscheinend auch gegenüber dem Zulassungsausschuss und dem Berufungsausschuss sein zu beanstandendes Verhalten vollständig offengelegt hat. Damit erscheint eine für den Vorwurf der Zerstörung der Vertrauensbasis zu fordernde Absicht, die Gegenseite zu hintergehen, nicht zwingend gegeben.
Es ist für eine Entscheidung, den Sofortvollzug anzuordnen, auch hinderlich, wenn im Beschluss des Berufungsausschusses ein Parallelfall angeführt wird, in welchem die AOK offenbar einem anderen Onkologen durchaus die Herstellungskosten für Zytostatika vergütet haben soll, wenn weiter angegeben ist, dass auch der Beschwerdegegner davon Kenntnis hatte, wenn aber dann offenbar ohne weitere Aufklärung dargelegt ist, dass der Beschwerdegegner selbst hieraus keine Folgerungen abgeleitet wissen wollte. Der Senat verkennt nicht, dass solche Praktiken einer Krankenkasse nicht ohne weiteres dazu führen können, auch dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf gleiche Behandlung einzuräumen. Eine gänzliche andere Frage ist aber, wie vor diesem Hintergrund die Voraussetzungen einer Zulassungsentziehung zu bewerten sind, und vor allem, ob darüber hinaus auch die - noch weitergehenden - Bedingungen des sofortigen Vollzuges einer Zulassungsentziehungen bejaht werden dürfen. Aus der vom SGB V (§ 95 Abs. 6 Satz 1) zur Zulassungsentziehung - vor dem Hintergrund des Verfassungsgebots der Verhältnismäßigkeit der Mittel - verwendeten Begriff der Unzumutbarkeit folgt schließlich auch, dass eine Zulassungsentziehung nur dann zu rechtfertigen wäre, wenn die zu unterbindenden Regelverstöße nicht auf andere - weniger eingreifende - Weise verhindert werden könnten. Dieses rechtsstaatlich gebotenene "ultima-ratio-Prinzip" muss auch im Streit um den Sofortvollzug einer Zulassungsentziehung beachtet werden. Insoweit erscheint es durchaus von Bedeutung, dass der Beschwerdegegner bereits in seinem Schreiben vom 05.09.2003 an die zuständige Bezirksstelle der KVB erklärt hat, er werde das inkriminierte Verhalten nicht fortsetzen.
Im Rahmen der hier anzustellenden Interessenabwägung steht im Vordergrund, dass keine Gefährdung von Patienten droht. Zudem kann von einer wirtschaftlichen Gefährdung des Systems des gesetzlichen Gesundheitswesens durch den Beschwerdegegner zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Für einen sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung fehlt es daher an den Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Gegenstandswertes beruhen auf § 197a Abs. 1 SGG. Der Inhalt der Kostenentscheidung folgt aus dem Ergebnis des Verfahrens, bei der Festsetzung des Gegenstandswertes folgt der Senat der Einschätzung des Erstgerichts. Die Entscheidung ist nicht mit Rechtsmitteln anfechtbar, § 177 SGG.
III. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 75.000,00 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des Antragsgegners und Beschwerdeführers - des zuständigen Berufungsausschusses - im Beschluss vom 14.10.2004, mit welcher dieser den Entzug der Zulassung des Antragstellers und Beschwerdegegners zur Tätigkeit als Vertragsarzt für sofort vollziehbar erklärt hat.
Der Zulassungsausschuss erteilte dem Antragsteller und Beschwerdegegner mit Beschluss vom 25.03.1998 zunächst die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit in P. in der Oberpfalz als Internist mit der Teilgebietsbezeichnung Hämatologie im Rahmen der fachärztlichen Versorgung.
Am 16.07.1998 beantragte der Vertragsarzt und Beschwerdegegner, ohne die Tätigkeit in P. bereits aufgenommen zu haben, ihm zu genehmigen, seinen Vertragsarztsitz von P. nach W. zu verlegen. Mit Beschluss vom 20.07.2998 lehnte der Zulassungsausschuss die Genehmigung zur Praxisverlegung ab, soweit die volle Zulassung als Internist mit der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und internistische Onkologie am neuen Praxisort angestrebt wurde, erteilte jedoch die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit beschränkt auf die Durchführung ambulanter ärztlicher Leistungen im Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie und auf die Dauer von fünf Jahren als Sonderbedarfszulassung. Insoweit bestehe am Ort des nunmehr gewünschten Vertragsarztsitzes ein besonderer Versorgungsbedarf; im Hinblick auf die Arztgruppe der Internisten ohne derartige Schwerpunktbezeichnung liege allerdings hier Überversorgung vor.
Mit Schreiben vom 28.01.2004 stellte die Beigeladene zu 1. - die KVB - beim Zulassungsausschuss den Antrag, dem Beschwerdegegner die Zulassung als Vertragsarzt zu entziehen. Der Beschwerdegegner habe seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt und erscheine deshalb zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeignet. Denn der Beschwerdegegner habe unrichtige Abrechnungen vorgelegt. Er habe im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit als Onkologe die Zubereitungen von Zytostatika in seiner Praxis durch das Praxispersonal vornehmen lassen; die einzelnen Komponenten für die Zubereitungen habe der Beschwerdegegner von der S.apotheke - (Inhaber Frau bzw. Herr W.) in E. bezogen; die fertigen Mittel seien dann aber im Rahmen des Sprechstundenbedarfs als applikationsfertige Zubereitungen verordnet und von der Apotheke abgerechnet und dieser auch vergütet worden. Auf Rezept verordnete applikationsfertige Zubereitungen seien teurer als deren einzelne Bestandteile, weil die Kosten der Herstellung im Preis der Fertigmedikamente bereits enthalten seien. Um seinen Aufwand für die Herstellung der Fertigarzneien auszugleichen, habe der Beschwerdegegner mit der Inhaberin der Apotheke einen finanziellen Ausgleich vereinbart; der Beschwerdegegner sei somit als Subunternehmer der Apotheke tätig geworden. Diese Vorgehensweise habe der Beschwerdegegner selbst mit Schreiben vom 05.09.2003 an die Beigeladene zu 1., die KV, geschildert. Aufgrund dieser Vorgehensweise sei der Eindruck entstanden, der Beschwerdegegner habe sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu Lasten der Krankenkassen bzw. der Versicherten verschafft. Dies stelle einen gröblichen Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten dar. Die für eine Zusammenarbeit zwischen Arzt und KV unerlässliche Vertrauensbasis sei damit nicht mehr gegeben.
Mit Schreiben vom 05.09.2003 an die zuständige Bezirksstelle der KVB hatte der Beschwerdegegner - offenbar auf eine Anfrage der KV vom 13.08.2003 - mitgeteilt, schon am 11.11.1998 habe ihn die Beigeladene zu 2. - die AOK - zu Gesprächen mit einem ihrer Vertreter und mit einem Apotheker G. eingeladen, in denen es um die Verordnung hochpreisiger Arzneimittel, insbesondere Zytostatika, gegangen sei. In diesen Gesprächen, die teilweise auch zu dritt geführt worden seien, sei er zunächst aufgefordert worden, bestimmte Produkte und Firmen zu bevorzugen. Da er dies abgelehnt habe, sei er außerdem aufgefordert worden, Zytostatika als Sprechstundenbedarf zu verordnen. In solchen Gesprächen habe er darauf aufmerksam gemacht, dass er dann durch eigene Zytostatikazubereitung übermäßig hohe Kosten zu tragen habe, welche andere Onkologen, die eine die Zubereitung übernehmende Apotheke einschalten könnten, nicht haben würden. Unabhängig voneinander hätten die Gesprächspartner in diesem Zusammenhang behauptet, dass die Zubereitungskosten mit den Onkologieziffern bereits abgegolten seien. Erst später habe er erfahren, dass ihm auch der Weg offen stehe, Zytostatika über Einzelrezepturen außerhalb des Sprechstundenbedarfs zu verordnen, da es in der Onkologievereinbarung heiße, dass Schwerpunktpraxen für Onkologie zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet seien, Zytostatika über den Sprchstundenbedarf zu verordnen. Infolge dieser unzulänglichen Informationen habe er dann versucht, die Kosten, die durch die Zubereitung der Zytostatika entstanden seien, anderweitig erstattet zu erhalten. Er beschäftige derzeit in seiner Praxis neun Personen, davon fünf ganztags; ein großer Teil der Tätigkeit in der Praxis entfalle auf die Zubereitung von Zytostatika und die damit zusammenhängenden Arbeiten. Da 1998 kein Apotheker in W. bereit gewesen sei, Zytostatika zuzubereiten, habe er bereits in diesem Zeitpunkt in seiner Praxis ein Zytostaselabor eingerichtet, das den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe; zunächst sei die Zubereitung der Zytostatika in seinem Labor von einer erfahrenen Krankenschwester durchgeführt worden, seit Mai 2001 beschäftige er darin ganztags eine pharmazeutisch-technische Assistentin, die ausschließlich Zytostatika herrichte und die Rezepturen überwache.
Die mit dem Betrieb dieses Labors verbundenen erheblichen Kosten hätten ihn schon Mitte 2000 veranlasst, außerhalb von W. einen Apotheker zu suchen, der ihn mit Zytostatika beliefern könne. Dabei sei er auf die S.-Apotheke in E. gestoßen, die mehrere Krankenhäuser und niedergelassene Onkologen mit fertig zubereiteten Zytostatika beliefere. Schon beim Erstgespräch sei ihm jedoch klar geworden, dass eine tägliche Direktbelieferung mit zubereiteten Zytostatika-Lösungen nicht duchführbar sei. Die Fahrtstrecke von E. bis W. betrage 120 Kilometer, der Beginn der Praxistätigkeit sei täglich um 07.30 Uhr. Eine termingerechte Belieferung sei daher am Behandlungstag nicht möglich; aber auch eine Anlieferung am Vortag scheide aus medizinischen und praktischen Gründen aus. Die S.-Apotheke habe ihm daher angeboten, dass er selbst die Zytostatika im Lohnverfahren als ihr Subunternehmer herrichte und dafür aus der Apotheke eine Aufwandsentschädigung beziehe; man würde ihn dreimal pro Woche beliefern, im Einzelfall bei Bedarf auch sofort. Man habe ihm dabei die Lage so dargestellt, dass er als Onkologe laut Onkologievertrag ebenso wie die Apotheke die Erlaubnis habe, Zytostatika herzustellen, solange den gesetzlichen Bestimmungen Genüge getan werde. Er habe insbesondere die ordnungsgemäße Herstellung durch die Beschäftigung der pharmazeutisch-technischen Assistentin sichergestellt. Insgesamt vier seiner Mitarbeiter seien inzwischen in einem einschlägigen Fachinstitut in B. fortgebildet worden. Die Ausstattung der Räume und die Herstellung in seinem Labor würden von der S.-Apotheke kontrolliert, denn regelmäßig würde eine Begutachtung der Räume und der Herstellungsverfahren vorgenommen. Außerdem sei das Labor zweimal vom Gewerbeaufsichtsamt kontrolliert worden, davon einmal unangemeldet auf Veranlassung einer Krankenkasse. Beanstandungen habe es keine gegeben. Erst vor dem Beschwerdeausschuss anlässlich eines Regressverfahrens sei ihm klar geworden, welche Risiken sich für ihn durch die Verordnung von Zytostatika als Sprechstundenbedarf ergeben würden. Seither verordne er soweit es gehe nur noch auf Individualrezept. Den Krankenkassen und den Patienten sei infolge der Herstellung der Zytostatika in seinem Labor keinerlei Schaden entstanden.
Mit Schreiben vom 24.07.2003 erstattete die Beigeladene zu 2. und Beschwerdeführerein, die AOK, Strafanzeige, am 09.02.2004 beantragte auch sie, dem Beschwerdegegner die Zulassung zu entziehen. Im Februar 2004 folgte eine Strafanzeige der Beigeladenen zu 1., der KV; im März 2004 schlossen sich die IKK Bayern, der VdAK und der BKK Landesverband den Anträgen auf Zulassungsentziehung an.
Im Verfahren vor dem Zulassungsausschuss nahm der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 21.03.2004 umfassend Stellung und führte insbesondere aus, dass er niemanden betrogen oder geschädigt habe und dass in anderen Bundesländern die Kosten für die Zubereitung von Zytostatika durchaus seitens der Krankenkassen vergütet würden. Außerdem enthält das Schreiben umfangreiche Ausführungen zu Besonderheiten der Abrechnung seitens der S.-Apotheke gegenüber den Krankenkassen sowie über angebliche Ansinnen an ihn seitens der AOK, bestimmte Medikamente zu verordnen, welche zwar überteuert erschienen, für welche die Herstellerfirma dann aber Abschläge gewähre, und über ähnliche Gegebenheiten.
Mit Beschluss vom 12.05.2004 lehnte der Zulassungsausschuss die Anträge auf Entziehung der Kassenzulassung ab. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, zwar habe der Beschwerdegegner lediglich die zur Herstellung von Zytostatika erforderlichen Komponenten bezogen, der Apotheke jedoch die Möglichkeit gegeben, die - teureren - Fertigarzneimittel abzurechnen. Die Entziehung der Zulassung sei aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie das einzige Mittel sei, das vertragsärztliche System gegen Störungen zu schützen. Dies sei hier nicht gegeben, da im vorliegenden Falle die Falschabrechnung in erster Linie nicht zwischen dem Vertragsarzt und der KV, sondern zwischen der Apotheke und der Krankenkasse erfolgt sei.
Auf die von allen das Zulassungsentziehungsverfahren betreibenden Stellen eingelegten Widersprüche entschied der zuständige Berufungsausschuss am 14.10.2004, den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 12.05.2004 aufzuheben, dem Beschwerdegegner die Zulassung zu entziehen und zudem den sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung anzuordnen.
Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: die AOK habe angegeben, weil der Beschwerdegegner in Prüfverfahren keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe für die seit dem Quartal 3/2000 angestiegene hohe Überschreitung der Arzneimittelkosten habe angeben können, habe die AOK von der S.-Apotheke die einschlägigen Herstellungsprotokolle der als Sprechstundenbedarf verordneten Zytostatika angefordert. Nach anfänglichem Weigern habe die Inhaberin der Apotheke, Frau W. , am 30.06. 2003 mitgeteilt, dass dem Beschwerdegegner nicht wie verordnet die applikationsfertigen Zubereitungen, sondern die Einzelbestandteile geliefert worden seien. Das Zusammenmischen sei dann in seiner Praxis erfolgt. Dafür habe er von der Apotheke monatliche Zahlungen erhalten in Höhe von DM 20.000,00 bis 25.000,00. Die Apotheke habe somit vom Beschwerdegegner Sprechstundenbedarfsverordnungen erhalten, die es ihr erst ermöglicht hätten, die Mischzubereitungen abzurechnen. Sowohl die Apotheke als auch der Beschwerdegegner hätten durch ihr Verhalten der Versichertengemeinschaft einen erheblichen finanziellen Schaden zugefügt und sich selbst bereichert. Da der Schaden enorm hoch sei - er belaufe sich auf ca. 1.000.000,00 Euro - , stelle sich zur Frage der Entziehung der Zulassung auch die Frage des Sofortvollzuges. Eine gröbliche Pflichtverletzung im Sinne des § 95 Abs. 6 SGB V liege nach der Rechtsprechung vor, wenn durch sie das Vertrauen der kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen insbesondere in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Arzt so gestört sei, dass den am gesetzlichen Gesundheitssystem beteiligten Stellen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht mehr zugemutet werden könne. Obwohl es eindeutig unzulässig sei, individuelle Rezepturen auf Sprechstundenbedarfsverschreibungen zu verordnen, habe der Beschwerdegegner dies getan. Dies sei ein Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten. Des weiterem sei dem Beschwerdegegner vorzuhalten, dass er die Falschabrechnung der Apotheke gefördert habe. Denn er habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die S.-Apotheke nicht die von ihr abgerechneten applikationsfertigen Individualarzneien hergestellt, sondern dem Beschwerdegegner lediglich die zu deren Herstellung erforderlichen Bestandteile geliefert habe. Der Beschwerdegegner sei somit an der Manipulation der Abrechnung der Apotheke maßgeblich beteiligt gewesen. Dadurch sei das zu fordernde unbedingte Vertrauen zerstört worden. Der Beschwerdegegner könne sich auch nicht auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen. Zwar habe er die Rezepturen auf patientenbezogene Individualrezepte verordnen können. Dann hätte man der Apotheke die Herstellungskosten zwar auch vergüten müssen. Gleichwohl habe der Beschwerdegegner auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf Vergütung der Herstellungskosten gehabt, denn eine Anspruchsgrundlage für eine solche Vergütung gebe es nicht. Ein Vertragsarzt könne auch nicht als Subunternehmer einer Apotheke handeln. Ob der Beschwerdegegner möglicherweise Anspruch auf eine Vergütung durch die AOK aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung hätte ableiten können, könne hier nicht beantwortet werden. Zwar gebe es einen Vergleichsfall, in welchem ein Onkologe die Zytostatika selbst zusammen mische und dies von der AOK vergütet erhalte; für die Vergleichbarkeit der Sachverhalte könne es aber entscheidend auf die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise bzw. der Art des Bezuges der Bestandteile der Arzneimittel ankommen, wozu sich der Beschwerdegegner bereits in seinem Gespräch mit der AOK am 11.11.1998 ablehnend gegeben habe. Auch die für die Anordnung des Sofortvollzuges notwendigen, über die Voraussetzungen einer Zulassungsentziehung hinausgehenden besonderen Bedingungen seien hier gegeben.
Mit Schriftsatz an das Sozialgericht vom 29.11.2004 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Aufhebung des Sofortvollzuges und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der zuvor eingereichten Klage gegen den Bescheid des Berufungsausschusses. Mit Beschluss vom 20.12.2004 hob das Sozialgericht die im Beschied vom 16.11.2004 getroffene Anordnung des Sofortvollzuges auf und wies den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage bei Aufhebung der Verfahrenskosten zurück; mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage setzte es den Wert des Verfahrensgegenstandes auf Euro 75.000,00 fest. Zur Begründung der Entscheidung über die Aufhebung des Sofortvollzuges führte das Sozialgericht aus, die Anordnung des Sofortvollzuges gemäß § 97 Abs. 4 SGB V sei eine Ermessensentscheidung, der eine Interessenabwägung vorauszugehen habe. Dabei dürfe insbesondere nicht übersehen werden, dass Zulassungsausschuss und Berufungsausschuss zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt seien; außerdem habe der Berufungsausschuss keine eigenen Ermittlungen angestellt und schließlich seien bei der Entscheidung, die Zulassungsentziehung für sofort vollziehbar zu erklären, auch die Interessen der schwer- und schwerstkranken Patienten des Beschwerdegegners außer Acht gelassen worden.
Gegen diese Entscheidung haben der Berufungsausschuss und die AOK - die Beigeladene zu 2. - Beschwerde eingelegt.
Zur Ergänzung der Sachverhaltsdarstellung wird auf die Akten des Zulassungsausschusses, des Beschwerdeausschusses, des Erstgericht und des Beschwerdegerichts Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts über die Aufhebung des Sofortvollzuges ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, diese Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Anordnung ist zu treffen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens; dabei sind die Interessen der Beteiligten bzw. das Interesse des Antragstellers und Beschwerdegegners und das öffentliche Interesse (§ 97 Abs. 4 SGB V) gegeneinander abzuwägen. Auch dann, wenn die Voraussetzungen für den Entzug der Zulassung gegeben erscheinen, folgt noch nicht zwangsläufig, dass auch die Bedingungen für die Anordnung des Sofortvollzuges erfüllt wären. Vielmehr kann von deren Voraussetzungen erst dann ausgegangen werden, wenn weiteres Zuwarten bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens insbesondere auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses nicht hinnehmbar erscheint.
Nach diesen Maßstäben hat das Erstgericht zu Recht entschieden, die Anordnung des Sofortvollzuges aufzuheben. Die hier anzustellende Interessenabwägung führt im Ergebnis dazu, dass eine Zulassungsentziehung nicht vor dem Abschluss des Verfahrens über die Hauptsache wirksam werden kann. Jedenfalls die über die Voraussetzungen der Zulassungsentziehung hinausgehenden Bedingungen für die Anordnung eines Sofortvollzuges können hier nicht bejaht werden.
Was die Interessenabwägung angeht, so besteht nach der Rechtsprechung des Senats ähnlich wie bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG - bzw. des § 123 VwGO - eine Wechselbeziehung zwischen der Überzeugungskraft der Faktoren, aus denen der zugrunde liegende Anspruch - hier auf vorläufigen Fortbestand der Zulassung - abgeleitet wird, und den Umständen, auf die die Notwendigkeit des Sofortvollzuges der Entziehung - gestützt wird (so schon der Senat mit Beschlüssen vom 07.09.1999, L 12 B 116/99 KA ER, vom 17.12.1999, L 12 B 359/99 KA ER, Breithaupt 2000, S. 245, vom 18.09.2000, L 12 B 469/99 KA ER und vom 26.10.2000, L 12 B 205/00 KA ER). In diesem Sinne sind auch hier um so weniger strenge Anforderungen an die Erfüllung der Voraussetzungen für einen sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung zu stellen, je deutlicher die zu beurteilenden Umstände gegen das Vorliegen des streitigen Anspruches auf Fortsetzung der Vertragsarzttätigkeit sprechen, und umgekehrt.
Im Falle des Streits über den Sofortvollzug muss das Verhalten des Betroffenen - des Beschwerdegegners - zudem über die der Zulassungsentziehung zugrunde gelegten Beanstandungen hinaus Kritikpunkte aufweisen, denen nur mit einer sofortigen Beendigung der Vertragsarzttätigkeit gesteuert werden kann. Dies liegt in der Regel dann nahe, wenn das Verhalten des Vertragsarztes Patienten gefährdet. (vgl. insbesondere den Hinweis auf das öffentliche Interesse in § 97 Abs. 4 SGB V). Dies liegt auch dann nahe, wenn dem Vertragsarzt nicht mehr zu trauen ist. Es liegt dann eher nicht nahe, wenn der Vertragsarzt im wesentlichen wirtschaftliche Schäden verschuldet hat. Es liegt auch dann nicht nahe, wenn das inkriminierte Verhalten bereits abgestellt ist.
Im vorliegenden Falle geht es allein um eine gesetzwidrige Abrechnungsweise; für eine Schädigung von Patienten gibt es keinerlei Anhalt. Schon dies legt es nahe, die endgültige Klärung der Vorwürfe im Hauptsacheverfahren abzuwarten und auf einen sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung zu verzichten. Hinzu kommen weitere Gesichtspunkte, die dem Sofortvollzug entgegenstehen. So lässt sich etwa der schon im Antrag auf Entziehung der Zulassung erhobene Vorwurf, der Beschwerdegegner habe durch sein Verhalten die für das Verhältnis zwischen Arzt, KV und Krankenkassen unerlässliche Vertrauensbasis zerstört, möglicherweise in dieser Bedingungslosigkeit nicht aufrecht erhalten. Denn dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdegegner selbst mit Schreiben vom 05.09.2003 und dann anscheinend auch gegenüber dem Zulassungsausschuss und dem Berufungsausschuss sein zu beanstandendes Verhalten vollständig offengelegt hat. Damit erscheint eine für den Vorwurf der Zerstörung der Vertrauensbasis zu fordernde Absicht, die Gegenseite zu hintergehen, nicht zwingend gegeben.
Es ist für eine Entscheidung, den Sofortvollzug anzuordnen, auch hinderlich, wenn im Beschluss des Berufungsausschusses ein Parallelfall angeführt wird, in welchem die AOK offenbar einem anderen Onkologen durchaus die Herstellungskosten für Zytostatika vergütet haben soll, wenn weiter angegeben ist, dass auch der Beschwerdegegner davon Kenntnis hatte, wenn aber dann offenbar ohne weitere Aufklärung dargelegt ist, dass der Beschwerdegegner selbst hieraus keine Folgerungen abgeleitet wissen wollte. Der Senat verkennt nicht, dass solche Praktiken einer Krankenkasse nicht ohne weiteres dazu führen können, auch dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf gleiche Behandlung einzuräumen. Eine gänzliche andere Frage ist aber, wie vor diesem Hintergrund die Voraussetzungen einer Zulassungsentziehung zu bewerten sind, und vor allem, ob darüber hinaus auch die - noch weitergehenden - Bedingungen des sofortigen Vollzuges einer Zulassungsentziehungen bejaht werden dürfen. Aus der vom SGB V (§ 95 Abs. 6 Satz 1) zur Zulassungsentziehung - vor dem Hintergrund des Verfassungsgebots der Verhältnismäßigkeit der Mittel - verwendeten Begriff der Unzumutbarkeit folgt schließlich auch, dass eine Zulassungsentziehung nur dann zu rechtfertigen wäre, wenn die zu unterbindenden Regelverstöße nicht auf andere - weniger eingreifende - Weise verhindert werden könnten. Dieses rechtsstaatlich gebotenene "ultima-ratio-Prinzip" muss auch im Streit um den Sofortvollzug einer Zulassungsentziehung beachtet werden. Insoweit erscheint es durchaus von Bedeutung, dass der Beschwerdegegner bereits in seinem Schreiben vom 05.09.2003 an die zuständige Bezirksstelle der KVB erklärt hat, er werde das inkriminierte Verhalten nicht fortsetzen.
Im Rahmen der hier anzustellenden Interessenabwägung steht im Vordergrund, dass keine Gefährdung von Patienten droht. Zudem kann von einer wirtschaftlichen Gefährdung des Systems des gesetzlichen Gesundheitswesens durch den Beschwerdegegner zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Für einen sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung fehlt es daher an den Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Gegenstandswertes beruhen auf § 197a Abs. 1 SGG. Der Inhalt der Kostenentscheidung folgt aus dem Ergebnis des Verfahrens, bei der Festsetzung des Gegenstandswertes folgt der Senat der Einschätzung des Erstgerichts. Die Entscheidung ist nicht mit Rechtsmitteln anfechtbar, § 177 SGG.
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