L 3 B 1099/05 U

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 85/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 B 1099/05 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2005 aufgehoben. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert wird auf 240 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger ist als Mitglied einer Erbengemeinschaft Miteigentümer des bei dem Amtsgericht Königs Wusterhausen im Grundbuch von P Grundbuchblatt , Flur Flurstück eingetragenen 2940 qm großen Grundstücks. Mit am 20. Februar 2004 bei dem Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Schreiben erhob er Einspruch gegen den Widerspruchsbescheid der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Berlin vom 13. Februar 2004, durch den die von ihm für die Erbengemeinschaft eingelegten Widersprüche gegen den

Zuständigkeitsbescheid vom 14. Dezember 2000,

Beitragsbescheid für die Umlagen 1995 bis 1999,

"Haftungsbescheid vom 12. September 2000" (gemeint ist wohl das Mahnschreiben vom 12. September 2002) und

den Beitragsbescheid für die Umlage 2002 vom 19. Mai 2003

zurückgewiesen wurden. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14. Januar 2005 ist für die Beklagte, die aufgrund fusionsbedingter Gesamtrechtsnachfolge den Rechtsstreit weiter betrieben hat, die Erklärung abgegeben worden, sie werde bei der Naturschutzbehörde nachfragen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Flurstück um ein sogenanntes Totalreservat handele und, wenn dies der Fall sei, die Beitragsbescheide rückwirkend ab 1995 aufheben. Im Hinblick auf diese Erklärung hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des SG hat am 18. Januar 2005 in den Akten vermerkt, es handele sich um keine Streitigkeit im Sinne von § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG), da Versichertenstatus und Beitragspflicht zusammenfielen und der Kläger somit auch wegen seines Versichertenstatus im Sinne von § 183 SGG geklagt habe. Daraufhin wurde eine Pauschgebühr gemäß §§ 184, 186 SGG in Höhe von 75 Euro von der Beklagten erhoben.

Mit Schriftsätzen vom 23. Juni 2005 legte die Beklagte gegen die erhobene Pauschgebühr Erinnerung ein und beantragte den Erlass einer Kostengrundentscheidung sowie die Festsetzung des Streitwertes. Da weder sie noch der Kläger zu den in § 183 SGG genannten Personen gehörten, seien die Kosten gemäß § 197a SGG nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben. Es fänden nicht §§ 184 bis 195 SGG, sondern §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Anwendung. Da die Klage zurückgenommen worden sei, habe der Kläger gemäß §§ 197a SGG, 155 Abs. 2 VwGO die Gebühren des sozialgerichtlichen Verfahrens zu tragen.

Das SG hat durch Beschluss vom 28. September 2005 entschieden, die Beteiligten hätten einander keine Kosten zu erstatten und der Antrag auf Festsetzung des Streitwertes werde abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Anwendungsbereich des § 197a SGG sei nicht eröffnet. Zwischen den Beteiligten sei die Frage streitig gewesen, ob der Kläger ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 a Sozialgesetzbuch Siebentes Buch (SGB VII) pflichtversicherter land- / forstwirtschaftlicher Unternehmer sei. Da er daher als Versicherter im Sinne von § 183 SGG geklagt habe, könnten ihm entgegen dem Antrag der Beklagten nicht die Kosten des Verfahrens nach § 197a SGG i. V. mit § 155 Abs. 2 VwGO auferlegt werden. Für die beantragte Streitwertfestsetzung fehle es mangels Anwendbarkeit der entsprechenden Regelungen des GKG ebenfalls an einer Rechtsgrundlage. Der Kläger selbst habe zwar keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil die Klage nach der Sach- und Rechtslage, wie sie sich zum Zeitpunkt der Klagerücknahme am 14. Januar 2005 dargestellt habe, keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Er müsse aber auch der Beklagten keine Kosten erstatten, weil deren Aufwendungen gemäß § 193 Abs. 4 SGG nicht erstattungsfähig seien.

Gegen den Beschluss hat die Beklagte am 12. Oktober 2005 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, das SG habe die Kostenentscheidung fehlerhaft nach § 193 SGG getroffen und den Antrag auf Festsetzung des Streitwertes zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger sei, obwohl er zum Kreis der Versicherten gehöre, nicht dem schutzwürdigen Personenkreis des § 183 SGG zuzurechnen, weil Gegenstand des Rechtsstreits nicht die Durchsetzung von Leistungsansprüchen gewesen sei, sondern über seine Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung und die daraus resultierende Beitragspflicht als landwirtschaftlicher Mitunternehmer gestritten worden sei. Infolge dessen scheide die Anwendung des § 183 SGG aus. Die Kostenentscheidung richte sich nach § 197a SGG i. V. mit der VwGO. Da die Klage zurückgenommen worden sei, habe der Kläger gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 173 SGG frist- und formgemäß eingelegte Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere nach § 172 SGG statthaft. Nach dieser Vorschrift findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das LSG statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht die gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Hs SGG entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 158 Abs. 2 VwGO nicht entgegen. Nach dieser Norm ist, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist, eine Entscheidung (des erstinstanzlichen Gerichts) über die Kosten unanfechtbar. § 158 Abs. 2 VwGO kann jedoch nur für Kostenentscheidungen der Sozialgerichte gelten, die gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Hs SGG in entsprechender Anwendung der §§ 154 bis 162 SGG ergangen sind. Ist das SG hingegen – wie in dem vorliegenden Fall – davon ausgegangen, dass § 197a SGG keine Anwendung finde, und hat es seine Kostenentscheidung mithin nicht auf eine der Bestimmungen der §§ 154 bis 162 VwGO gestützt, sondern unter Zugrundelegung des § 193 SGG getroffen, ist die Beschwerde nicht gemäß 158 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen. Der angefochtene Beschluss des SG vom 28. September 2005 beinhaltet keine Kostenentscheidung im Sinne des § 158 Abs. 2 VwGO. Vielmehr hat das SG den Anträgen der Beklagten, eine Kostengrundentscheidung nach § 197a SGG i. V. mit § 155 Abs. 2 VwGO zu treffen sowie den Streitwert festzusetzen, ausdrücklich nicht entsprochen, "weil der Anwendungsbereich des § 197a SGG nicht eröffnet" sei. Gegenstand des Beschlusses ist vorrangig die Frage, ob die Kostengrundentscheidung nach Maßgabe des § 197a SGG zu treffen ist, wie die Beklagte meint, oder ob § 193 SGG heranzuziehen ist, was das SG angenommen hat. Diese Entscheidung ist nach der allgemeinen Regelung des § 172 SGG mit der Beschwerde anfechtbar. Die Statthaftigkeit dieses Rechtsmittels ist weder durch § 158 Abs. 2 VwGO noch durch andere gesetzliche Vorschriften ausgeschlossen.

Die Beschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG findet nicht § 193 SGG Anwendung, sondern die Kostengrundentscheidung ist gemäß § 197a SGG zu treffen. Nach Abs. 1 Satz 1 1. Hs dieser Rechtsnorm werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kostenfrei für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die kostenprivilegierten Personen müssen in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte am Verfahren teilnehmen, d.h. sie müssen Rechte oder Ansprüche geltend machen, die aus ihrer Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfänger usw. resultieren. Streitgegenstand des Verfahrens muss ein Anspruch sein, der Bezug zu der jeweiligen Eigenschaft im Sinne des § 183 Satz 1 SGG hat. Nimmt eine in dieser Vorschrift genannte Person in einer anderen Eigenschaft (z.B. als Unternehmer) am Verfahren teil, unterliegt sie nicht der Gerichtskostenfreiheit.

Nicht in ihrer Eigenschaft als Versicherte oder Leistungsempfänger am Verfahren beteiligt sind Personen, die sich als Adressaten von Zuständigkeitsbescheiden einer Berufsgenossenschaft gegen diese zur Wehr setzen oder Beitragsbescheide anfechten, durch die sie in ihrer Eigenschaft als Unternehmer zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet werden. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht (BSG) in dem Beschluss vom 22. September 2004 (B 11 AL 33/03 R) bei der Entscheidung über die kostenrechtliche Privilegierung eines Arbeitgebers danach differenziert hat, in welcher Eigenschaft er klagt, und ausgeführt hat, dass ein Arbeitgeber, der eine Leistung (Eingliederungszuschuss) beansprucht, zum nach § 183 Satz 1 SGG privilegierten Personenkreis gehört, während ein Arbeitgeber, der auf Erstattung oder Ersatz von Beiträgen in Anspruch genommen wird, die Voraussetzungen einer Privilegierung nach § 183 Satz 1 SGG nicht erfüllen dürfte.

Entsprechendes gilt im vorliegenden Fall für den Kläger als (Mit) Eigentümer eines von der beklagten landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft als land- bzw. forstwirtschaftliches Unternehmen bewerteten Grundstücks, für welches er nach Erlass eines Zuständigkeitsbescheides als Unternehmer zur Beitragszahlung herangezogen wird. Zwar besitzt der Kläger eine Doppelstellung als Versicherter nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII und als Unternehmer gemäß § 136 Abs. 3 SGB VII, bei einer Klage gegen einen Zuständigkeits- und / oder einen Beitragsbescheid ist er jedoch nicht als Versicherter, sondern ausschließlich als Unternehmer am Verfahren beteiligt (im Ergebnis ebenso: Hessisches LSG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - L 3 U 78/04 - ; LSG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 29. Dezember 2004 - L 7 B 124/04 U ER - ; Köhler in SdL 2003, 231, 233, 234; Meyer-Ladewig/Leitherer, Komm. zum SGG, 8. Auflage, § 183 Rz. 5; a. A. SG Dresden, Beschluss vom 15. Juli 2004 - S 5 U 114/04 LW -).

Soweit das SG zur Begründung seiner Auffassung, der Kläger gehöre zum Personenkreis des § 183 SGG, ausgeführt hat, im Grunde sei nur der Zuständigkeitsbescheid der Beklagten, gegen den er sich allein gewandt habe, streitig, sodass sich der Kern der Klage auf die Frage reduzieren lasse, ob der Kläger ein bei der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII pflichtversicherter Unternehmer sei, und daraus folgert, dass es sich um einen Streit über den Versichertenstatus des Klägers handele, der deshalb als Versicherter im Sinne von § 183 SGG klage, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Selbst wenn man annehmen würde, dass ausschließlich oder vorrangig über die Rechtmäßigkeit des Zuständigkeitsbescheides der Beklagten vom 14. Dezember 2000 gestritten worden sei, ginge es nicht um die Versicherteneigenschaft des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII, sondern um die Frage, ob das im Miteigentum des Klägers stehende Grundstück die Eigenschaft eines Unternehmens der Land- oder Forstwirtschaft im Sinne des § 123 SGB VII besitzt. Durch einen Zuständigkeitsbescheid des Unfallversicherungsträgers wird allein die Unternehmereigenschaft des Adressaten begründet und geregelt, nicht jedoch dessen Status als Versicherter. Die Versicherteneigenschaft entsteht – ohne dass es einer bescheidmäßigen Feststellung bedarf – kraft Gesetzes (hier: gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII). Sie ist deshalb nicht Regelungsgegenstand eines Zuständigkeitsbescheides.

Da weder der Kläger noch die Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehört, findet § 197a SGG Anwendung. Abs. 1 Satz 1 3. Hs dieser Vorschrift verweist hinsichtlich der Kostengrundentscheidung auf §§ 154 bis 162 VwGO. Diese Vorschriften lassen dem Gericht, anders als § 193 SGG, keinen weiten Spielraum. § 155 Abs. 2 VwGO schreibt zwingend vor, dass derjenige, der eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, die Kosten zu tragen hat. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2005 die Klage zurückgenommen hat, mussten ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.

Bei der Festsetzung des Streitwertes, die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung, die wegen der Übergangsregelung des § 72 Satz 1 Nr. 1 GKG in der Fassung des am 01. Juli 2004 geltenden Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05. Mai 2004 (BGBl. I 718) noch anwendbar ist, zu erfolgen hat, war zu berücksichtigen, dass vorrangig der Zuständigkeitsbescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2000 in Streit stand. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Aufhebung dieses Verwaltungsaktes, die die Beitragserhebungen nicht nur rückwirkend ab 1995, sondern auch für die Zeiten nach dem Erlass des Zuständigkeitsbescheides ausschließt, rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 1930 § 8 Nr. 5), der sich der Senat angeschlossen hat (ua. Urteile vom 25. August 2005 - L 3 U 51/04 - u.w.), den Ansatz des achtfachen durchschnittlichen Jahresbeitrags. Da in den Beitragsbescheiden regelmäßig der Mindestbeitrag von 60 DM bzw. 30 Euro festgesetzt wurde, beträgt der achtfache durchschnittliche Jahresbeitrag 240 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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