L 2 P 73/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 P 113/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 73/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.11.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit Antrag vom 14.04.2003 begehrte die Klägerin Pflegegeld.

Sie übersandte ein Pflegetagebuch für den Zeitraum vom 30.05. bis 05.06.2003, geführt von ihrem Ehemann M. M. , in dem Pflegebedarf für Waschen, Zahnpflege, Kämmen, Darm- und Blasenentleerung angegeben wurde, dabei für Wasserlassen jeweils 5, 10, 10, 25 Minuten täglich, für das Wechseln von Windeln ein Zeitbedarf von ein- bis zweimal täglich 5 bis 15 Minuten. Die mundgerechte Nahrungszubereitung sei morgens und mittags erforderlich, Hilfe beim Umlagern Nachts, beim Ankleiden, Auskleiden, Gehen und Bewegen im Haus und Treppensteigen jeweils einmal täglich.

Im Gutachten des MDK vom 26.06.2003 führte die Pflegefachkraft B. aus, es errechne sich ein Zeitbedarf für die Grundpflege von 31 Minuten pro Tag. Dabei seien für das Waschen 7 Minuten, für Baden 6 Minuten, für Kämmen 2 Minuten, für Wasserlassen 4 Minuten, für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung 3 Minuten, für Anziehen 6 Minuten, Ausziehen 2 Minuten und Hilfe beim Stehen von 1 Minute Hilfebedarf gegeben.

Der Ehemann der Klägerin wandte ein, der zeitliche Rahmen des Hilfebedarfes sei zu niedrig bemessen; für Waschen seien etwa 20 Minuten erforderlich, für Baden 30 Minuten. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin acht- bis zehnmal täglich Hilfe beim Wasserlassen brauche, auch beim Wechseln der Windeln.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 01.08.2003 führte der MDK aus, der Hilfebedarf sei beim Hausbesuch unter Berücksichtigung der Angaben des Ehepaares M. ermittelt worden. Der vom Ehemann nun angegebene Hilfebedarf sei nicht nachvollziehbar, da sich die Klägerin am Untersuchungstag sicher und zügig fortbewegt habe und selbstständig zur Toilette gegangen sei. Sie habe ihre Inkontinenzprodukte eigenständig gewechselt. Ein Pflegeaufwand für Treppensteigen könne nicht gewertet werden, da sich in der Wohnung keine Treppe befinde. Das Pflegetagebuch führe überzogene Pflegezeiten an und sei nicht verwertbar.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.08.2003 die Gewährung von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit in Form des Pflegegeldes gemäß § 37 SGB XI ab.

Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2003 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht Nürnberg Berichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Die Allgemeinärztin Dr. B. hat im Attest vom 29.01.2004 angegeben, die Klägerin äußere Gelenkbeschwerden, außerdem habe sie im Januar 2004 eine Bronchopneumonie gehabt. Es sei eher eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten. Der Chirurg Dr. L. berichtete über eine Hornhautschwielenoperation am linken Fuß vom 05.02.2003. Vom 03.07. bis 10.07.2003 befand sich die Klägerin in stationärer chirurgischer Behandlung wegen eines plantaren Ulcus am Fuß. Der Urologe Dr. S. behandelte die Klägerin zuletzt am 12.12.2003; die Stressinkontinzenz sei unverändert.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Allgemeinmediziner Dr. H. kam im Gutachten vom 15.07.2004 zusammenfassend zu dem Ergebnis, Hilfebedarf bestehe für Waschen in Höhe von 9 Minuten, für Baden 9 Minuten, Kämmen 2 Minuten, Darm- und Blasenentleerung 14 Minuten, munderechtes Zubereiten der Mahlzeit 6 Minuten, für Anziehen 8 Minuten, Ausziehen 8 Minuten, Stehen 1 Minute. Insgesamt sei ein Zeitbedarf für Grundpflege von 53 Minuten gegeben. Wenn man von einer kontinuierlichen Verschlechterung des Gesamtzustandes der Klägerin ab dem Zeitpunkt der ersten Begutachtung vom 26.06.2003 ausgehe, dürfte der jetzt festgestellte Zeitbedarf ab April 2004 bestanden haben. Es werde die Pflegestufe I empfohlen.

Die Beklagte gab im Schreiben vom 12.10.2004 ein Anerkenntnis dahin ab, dass ab April 2004 Pflegestufe I bestehe. Die Klägerin machte geltend, die Pflegestufe I stehe ihr bereits ab Antragstellung zu.

Das Sozialgericht Nürnberg hat die Klage, soweit der Zeitraum ab 01.04.2004 betroffen war, als unzulässig abgewiesen, da die Beklagte Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I für diesen Zeitraum bereits bewilligt habe. Bezüglich des Zeitraums vom 14.04.2003 bis 31.03.2004 sei die Klage zulässig, aber nicht begründet. Es stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich der Hilfebedarf im Laufe der Zeit zunehmend erhöht haben müsse. Dr. H. habe einen höheren Hilfebedarf mit der zunehmenden und therapieresistenten Harninkontinenz begründet. Nach den Unterlagen der Klinik Uffenheim vom Juli 2002 habe damals keine Harninkontinenz vorgelegen. Im April 2003 sei die Klägerin wegen rezidivierender Hornhautschwielen behandelt worden. Hierbei habe es sich um keine dauerhafte, mehr als sechs Monate bleibende Gesundheitsstörung bzw. Behinderung gehandelt. Ein Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten vor dem April 2004 sei nicht objektivierbar. Die Klägerin trage insoweit die materielle Beweislast.

Hiergegen richtet sich die Berufung vom 14.12.2004.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 05.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides und 23.09.2003 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.11.2004 insoweit aufzuheben, als Leistungen der Pflegestufe I nicht für den Zeitraum vom 14.04.2003 bis 31.03.2004 gewährt wurden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Nürnberg die Klage gegen den Bescheid vom 05.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides von 23.09.2003 insoweit abgewiesen, als die Klägerin auch nach dem Anerkenntnis der Beklagten die Klage bezüglich des Zeitraums vom 14.04.2003 bis 31.03.2004 aufrechterhalten hat.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass ein wesentlicher Unterschied in der Berechnung des Hilfebedarfes zwischen dem Gutachten vom 26.06.2003 und dem Gutachten des Dr. H. vom 15.07.2004 in der Bewertung des Zeitbedarfs für die Hilfe bei Darm- und Blasenentleerung besteht. Bei der Frage, ab welchem Zeitpunkt ein höherer Zeitbedarf als die im Gutachten vom 26.06.2003 angenommenen 31 Minuten für die Grundpflege angenommen werden kann, ist zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin im Pflegetagebuch für den Zeitraum vom 30.05. bis 05.06.2003 einen Wechsel der Inkontinenzartikel nur ein- bis zweimal am Tag vermerkt hat; andererseits hat er in den Anmerkungen zum Gutachten vom 26.06.2003 acht- bis zehnmaliges Wasserlassen angegeben. Die Angaben sind also widersprüchlich und nicht schlüssig. Der Urologe Dr. S. hat nach Behandlung der Klägerin im Dezember 2003 bestätigt, dass Stressinkontinenz bestehe. Insofern überzeugt die Beurteilung des Sachverständigen Dr. H. , dass ab April 2004 ein Pflegebedarf im Rahmen der Pflegestufe I gegeben war.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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