L 1 AL 78/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AL 1/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 78/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.10.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Streitig ist die Höhe des dem Kläger ab dem 01.09.2003 zustehenden Überbrückungsgeldes.

Der Kläger bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 07.06.2002 Arbeitslosengeld (Alg), anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi). Wegen der Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme bewilligte ihm die Beklagte für die Zeit vom 01.10.2002 bis zum 30.06.2004 Unterhaltsgeld (UhG) in Höhe von zuletzt 237,30 EUR wöchentlich. Für die Zeit vom 08.04. bis 13.08.2004 legte der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Sein Fernbleiben von der für den 05.05.2004 vorgesehenen Abschlussprüfung wertete die Beklagte als Abbruch der Maßnahme. Mit Wirkung vom 06.05.2004 hob sie die Bewilligung von Unterhaltsgeld auf (Bescheid vom 12.05.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2005, angefochten im Verfahren S 37 AL 635/05 SG Dortmund). Ab dem 06.05.2004 bezog der Kläger daraufhin bis zum 13.08.2004 Krankengeld (KrG), anschließend bis zum 31.08.2004 erneut Alhi in Höhe von 201,88 EUR wöchentlich. Im Hinblick auf die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Akustik- und Trockenbauer bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.09.2004 Überbrückungsgeld für die Dauer von sechs Monaten in Höhe der zuletzt gezahlten Alhi von 5.191,20 EUR zuzüglich Zuschüssen zur Kranken-, Pflege- und Altersversorgung in Höhe von 1.853,26 EUR (Bescheid vom 09.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2004).

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Zahlung des Überbrückungsgeldes in Höhe des zuletzt gezahlten UhG gerichtete Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf den Wortlaut des § 57 Abs. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezogen (Urteil vom 11.10.2005).

Mit der Berufung gegen dieses Urteil trägt der Kläger vor, er hätte bei ordnungsgemäßer Bearbeitung durch die Beklagte über den 05.05.2004 hinaus Anspruch auf UhG gehabt, das dementsprechend der Berechnung des Überbrückungsgeldes zu Grunde gelegt werden müsse. Die Beklagte sei zu Unrecht von einem Abbruch der Maßnahme ausgegangen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 09.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2004 zu verurteilen, ihm Überbrückungsgeld in Höhe von 6.102,00 EUR zuzüglich Zuschüssen zur Kranken-, Pflege- und Altersversorgung in Höhe von 4.362,93 EUR zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für richtig.

Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung des Senates durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden. Sie haben sich nicht geäußert.

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss der Berufsrichter, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ist die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger für die Zeit ab dem 01.09.2003 Überbrückungsgeld in der Höhe der zuletzt gewährten Alhi zu gewähren, rechtmäßig, sodass der Kläger durch sie nicht beschwert wird (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Anspruch auf Überbrückungsgeld richtet sich nach § 57 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung von Art 1 Nr. 11 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 2002, 4607). Danach kann Überbrückungsgeld geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung Entgeltersatzleistungen "nach diesem Buch", d.h. dem SGB III bezogen hat (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III). Der Höhe nach setzt sich das Überbrückungsgeld zusammen aus einem Betrag, den der Arbeitnehmer als Alg oder Alhi zuletzt bezogen hat oder bei Arbeitslosigkeit hätte beziehen können, und den darauf entfallenden pauschalen Sozialversicherungsbeiträgen (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB III).

Der Kläger hat zuletzt Alhi bezogen, sodass nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes deren Höhe maßgebend für die Berechnung des Überbrückungsgeldes ist.

Ohne Erfolg beruft der Kläger sich darauf, er hätte bei rechtmäßiger Sachbehandlung durch die Beklagte zuletzt UhG bezogen, sodass dessen Höhe für die Berechnung des Überbrückungsgeldes ausschlaggebend sein müsse.

Der Vortrag ist bereits in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Der Kläger trägt selbst vor, dass er in der Zeit vom 08.04.2004 bis einschließlich 13.08.2004 arbeitsunfähig krank gewesen ist. Demnach hätte er in jedem Fall ab dem 20.05.2004 nur noch Anspruch auf KrG gehabt, weil der Anspruch auf UhG nur für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit erhalten blieb (§ 157 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung i.V.m. § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Auch ohne die Entziehung des Anspruchs auf UhG ab dem 06.05.2004 hätte der Kläger daher über das vorgesehene Maßnahmeende am 30.06.2004 hinaus für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nur Anspruch auf KrG gehabt. Ein Anspruch auf Anschluss-UhG nach Maßgabe des § 156 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung hätte schon deshalb nicht bestanden, weil die Übergangsvorschrift des § 434g Abs. 3 SGB III die Fortdauer dieses Anspruchs nur für den hier nicht einschlägigen Fall anordnet, dass der Anspruch auf Anschluss-UhG schon vor dem 01.01.2003 entstanden ist. Der längstens bis zum 19.05.2004 bestehende Anspruch auf UhG hätte im Hinblick auf den zeitlichen Abstand von deutlich mehr als drei Monaten nicht mehr in einem "engen zeitlichen Zusammenhang" mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gestanden. Andererseits gehört KrG nicht zu den in § 116 SGB III abschließend aufgeführten Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III, sodass der Bezug von KrG bzw. der Anspruch hierauf ebenfalls nicht zum Anspruch auf Überbrückungsgeld nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III führen. Anders als durch den Bezug von bzw. den Anspruch auf Alhi hätte der Kläger also auch ohne den im Verfahren S 37 AL 635/05 SG Dortmund angefochtenen Entziehungsbescheid sein Ziel, den Anspruch auf Überbrückungsgeld, nicht erreichen können.

Selbst wenn man sich jedoch auf den Standpunkt des Klägers stellt und annimmt, er hätte bei richtiger Sachbehandlung durch die Beklagte vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zuletzt Anspruch auf UhG gehabt, führt dies nicht dazu, dass das Überbrückungsgeld in Höhe des zuletzt bezogenen UhG gewährt werden müsste. Der Wortlaut des § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB III sieht die Bemessung des Überbrückungsgeldes nach einer anderen Leistungsart als Alg oder Alhi nicht vor. Insbesondere hat der Gesetzgeber erkennbar zwischen den in § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III erwähnten Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III einerseits und den in § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB III genannten Leistungsarten Alg und Alhi andererseits unterschieden. Der in § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III geregelte Anspruch auf Überbrückungsgeld ist dabei durch Art 1 Nr. 23 Buchst. a) des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl I, 3443) auf andere Vorbezugsleistungen als Alg, Alhi und Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorische eigenständigen Einheit ausgedehnt worden, ohne dass der Gesetzgeber § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB III entsprechend angepasst hätte. Damit sollte der Zugang zu selbstständigen Tätigkeiten erleichtert werden (vgl. BT-Drucks. 14/6944, S. 33). Ein Wille des Gesetzgebers, gleichzeitig die wirtschaftliche Situation der Begünstigten zu verbessern, ist nicht erkennbar. Vielmehr liegt § 57 Abs. 4 SGB III - wie schon der im Wesentlichen regelungsgleichen Vorgängervorschrift des § 55a Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz - allein das Ziel zu Grunde, den Lebensunterhalt des Selbstständigen zu sichern (vgl. BT-Drucks. 13/4941, S. 163), und zwar auf dem Leistungsniveau, das ohne Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bestünde. Wäre der Kläger arbeitslos geblieben, ohne eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen, hätte er jedoch nur Alhi in Anspruch nehmen können. Der frühere Anspruch auf Alg war mit dem 07.06.2002 erschöpft, und die Teilnahme an der berufsfördernden Maßnahme mit dem Bezug von Uhg hat nicht zur Begründung einer erneuten Anwartschaft auf Alg geführt. Nach allem konnte also auch ein Versicherter, der unmittelbar im Anschluss an den Bezug von Uhg eine selbstständige Tätigkeit aufnahm, ohne noch über eine (Rest-)Anwartschaft auf Alg zu verfügen, Überbrückungsgeld nur in Höhe der ansonsten zu beanspruchenden Alhi verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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