S 22 AS 76/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
22
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AS 76/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 17.06.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit ihrem am 17.06.2005 bei Gericht eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) als ihr die Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 11.03.2005, 04.04.2005, 15.06.2005 und 21.06.2005 zuerkannt hat. Nachdem die Antragsgegnerin den hiergegen gerichteten Widerspruch unter dem 22.06.2005 dahingehend beschieden hatte, die der Antragstellerin ab 01.04.2005 zustehenden Leistungen beliefen sich – unter Anrechnung des für ihre Söhne (geb. am ...) und ... (geb ...) gezahlten Kindergeldes als Einkommen der Antragstellerin – ab 01.04.2005 auf insgesamt 341,53 EUR monatlich, machte die Antragstellerin dem gegenüber folgende Rechnung auf (Schriftsatz vom 24.06.2005):

"345,- EUR zum Leben 160,- EUR Armutsgewöhnungszuschlag 226,- EUR Wohngeld (von Stadt ...) 308,- EUR Kindergeld."

Für die Antragsgegnerin ergebe sich hieraus ein monatlicher Zahlbetrag von 813,- EUR. Dabei weist die Antragstellerin insbesondere darauf hin, dass sie das Kindergeld in Höhe von insgesamt 308,- EUR monatlich, wie von den beiden Söhnen ausdrücklich bestätigt, diesen als Barzahlung jeden Monat überlasse. Allerdings sei das Abzweigungsbegehren der Kinder (nach § 74 EStG) zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2005 abschlägig beschieden worden; mit der Klage vor dem Finanzgericht Köln (Az.: ) werde es aber weiter verfolgt. Arbeitslosengeld II stehe der Antragstellerin im Übrigen, da ihr Arbeitslosengeld I-Anspruch am 30.03.2005 geendet habe, schon ab dem folgenden Tage zu. An den Wohnkosten schließlich fehle ihr ein weiterer Betrag, den die Antragsgegnerin ebenfalls zu übernehmen habe.

Sinngemäß hat die Antragstellerin schriftsätzlich beantragt,

Die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Bescheide vom 11.03., 04.04., 27.04, 15.06., 21.06. und den Widerspruchsbescheid vom 22.06.2005 abzuändern und höhere Leistungen nach dem SGB II gem. den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,

diesen Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, der Klägerin könne zugemutet werden, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Im Übrigen bezieht sich die Antragsgegnerin auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2005.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin – Nr.: ... -, die das Gericht beigezogen hat und die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Gem. § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet sich daher danach, ob sich die angegriffenen Entscheidungen der Antragsgegnerin – nach summarischer Überprüfung – als rechtswidrig darstellen bzw. der geltend gemachte Anspruch der Antragstellerin glaubhaft ist und zur Abwendung sonst drohender Nachteile unmittelbarer gerichtlicher Handlungsbedarf besteht.

Keine dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Falle erfüllt. Die Ausführungen der Antragsgegnerin, insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 22.06.2005, erweisen sich vielmehr in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als zutreffend. Auf sie wird analog § 136 Abs. 3 SGG zur Begründung Bezug genommen. Richtig sind zunächst die Feststellungen zum Leistungsbegehren ab 01.04.2005 und zur Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin. Auf die ihr zustehende Regelleistung – 345,- EUR pro Monat – ist das Kindergeld für ihre beiden volljährigen Söhne ... und ... anzurechnen, die der Haushalts-, nicht der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin angehören. Kindergeld steht grundsätzlich dem nach §§ 62, 63 EStG Berechtigten zu. Das ist auch der Ausgangspunkt der in § 11 Abs. 1 SGB II geregelten Einkommensanrechnung. Die Tatsache, dass in Satz 3 dieser Vorschrift eine Regelung zugunsten minderjähriger Kinder erforderlich wurde, bestätigt nur den gesetzgeberischen Grundsatz. - Allerdings äußern beide volljährigen Söhne der Antragstellerin, dass das Kindergeld als Barzahlung der Antragstellerin an sie, die Kinder, weitergeleitet werde. Am Ergebnis ändert eine solche Verfahrensweise indes nichts (a. A. Brühl in LPK – SGB II – RNr. 20 zu § 11). Anderenfalls hätte es derjenige, der Leistungen nach dem SGB II begehrt, selbst in der Hand, ob bzw. in welchem Umfange er Bedürftigkeit nach den §§ 7 Abs. 1 Satz Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II herbeiführt. Die Richtigkeit dieser Wertung bestätigt insbesondere § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II, der das Kindergeld (wie Satz 2 den Kinderzuschlag) minderjährigen Kindern zuordnet, allerdings nur insoweit, als es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wird. § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB III hat den Charakter einer Ausnahmevorschrift. Es verbietet sich daher, seinen Regelungsgehalt auf volljährige Kinder, wie die Söhne der Klägerin, zu übertragen. Dass der Gesetzgeber minderjährige Kinder berücksichtigt, Volljährige aber einfach "nicht gesehen" haben könnte, kann ausgeschlossen, von einer systemwidrigen, durch Analogie etwa auszufüllenden Regelungslücke daher nicht gesprochen werden. Dies auch deshalb nicht, weil das Instrumentarium, die Zuordnung des Kindergeldes verbindlich zu ändern, im Einkommensteuergesetz, und zwar in § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG, sogar unter den erleichternden Voraussetzungen des Satzes 3 der Vorschrift, vorgesehen ist. Diesen Weg ist die Antragstellerin auch gegangen, wie die an ihre Söhne gerichteten Widerspruchsbescheide der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach vom 01.06.2005 zeigen. Durchgedrungen mit dem Begehren ist sie indes nicht. Ihrer hiergegen zum Finanzgericht Köln erhobenen Klage dennoch und trotz des der Agentur für Arbeit im Rahmen des § 74 EStG eingeräumten Ermessens Erfolg beizumessen sowie auf der Grundlage einer solchen Hypothese – noch dazu im einstweiligen Anordnungsverfahren – die Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Antragstellerin auszuschließen, erscheint nicht vertretbar.

Von dem der Antragstellerin zustehenden Regelsatz – § 345,- EUR/Monat – hat daher die Antragsgegnerin zurecht das nach § 11 Abs. 2 SGB II bereinigte Einkommen (Kindergeld) in Höhe von 263,- EUR abgesetzt, die Kosten nach § 22 SGB II zutreffend bemessen und in Höhe des auf die Antragstellerin (neben ihren Söhnen) entfallenden Drittelanteiles berücksichtigt. Auch das, was die Antragstellerin im Schriftsatz vom 24.06.2005 als "Armutsgewöhnungszuschlag" bezeichnet, die Leistungen nach § 24 SGB III, wurden beanstandungsfrei mit dem Höchstsatz, 160,- EUR monatlich beziffert. Insgesamt ergibt sich der von der Antragsgegnerin ab 01.04.2005 zu zahlende Leistungsbetrag: 341,53 EUR, der der Antragstellerin – schließlich – auch bewilligt worden ist.

Dem Antrag musste nach allem der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung ergeht analog §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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