S 20 SO 45/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 45/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig sind Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für Mai 2006 und die Folgemonate.

Der am 00.00.1970 geborene Antragsteller (Ast.) bezog vom Antragsgegner (Ag.) bis 08.05.2006 Leistungen der Grundsicherung (GSi) bei Erwerbsminderung gem. §§ 41 ff. SGB XII. Grundlage war ein Bewilligungsbescheid vom 07.12.2005. Durch Bescheid vom 08.05.2006 hob der Ag. diesen Bewilligungsbescheid mit sofortiger Wirkung auf und ordnete die sofortige Vollziehung an. Als Leistungen für den Monat Mai 2006 erhielt der Ast. am 28.04.2006 eine Barauszahlung in Höhe von 399,78 EUR; hierin war ein Betrag in Höhe von 340,00 EUR für die Kosten der Unterkunft enthalten, die der Ast. aber absprachewidrig nicht an den Vermieter weiterleitete. Am 09.05.2006 erhielt der Ast. nochmals einen Betrag in Höhe von 57,00 EUR.

Am 19.05.2006 heiratete der Ast. die ausländische Staatsangehörige C.

Am 24.05.2006 hat der Ast. den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, ihm Leistungen nach dem SGB XII für Mai 2006 und Folgemonate auszuzahlen. Er behauptet, für Mai 2006 nur 52,00 EUR erhalten zu haben. Er sei mittellos; seine Frau erhalte keine Leistungen und habe weder Einkünfte noch Vermögen.

Der Ast. beantragt schriftsätzlich,

den Ag. im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB XII für Mai 2006 und Folgemonate zu zahlen.

Der Ag. beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Er hat ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 26.05.2006 vorgelegt, wonach der Ast. ab dem 01.03.2006 befristet bis zum 30.09.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen wird. Der Ag. weist darauf hin, dass der Ast. allein deshalb künftig keinen Anspruch mehr auf GSi-Leistungen hat, weil solche voraussetzen, dass der Leistungsberechtigte dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Zudem stünde einem Anspruch auf weitere GSi-Leistungen entgegen, dass der Bewilligungsbescheid vom 07.12.2005 durch Bescheid vom 08.05.2006 aufgehoben worden sei. Einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27 SGB XII sei vom Ast. nicht glaubhaft gemacht, da völlig offen sei, aus welchen Mitteln die Ehefrau des Ast. ihren Lebensunterhalt bestreite.

Eine telefonische Nachfrage des Gerichts bei der DRV Rheinland hat ergeben, dass sich der monatliche Rentenbetrag auf 201,91 EUR netto beläuft und erstmals Ende Juli für den Monat Juli 2006 ausgezahlt wird; der Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.03. bis 30.06.2006 werde im Hinblick auf Erstattungsforderungen der Stadt B einbehalten; der Rentenbewilligung liege die sozialmedizinische Einschätzung zu Grunde, der Ast. könne drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten; wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes werde befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt.

II.

Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Ast. muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.

Gemäß diesen Voraussetzungen hat der Ast. weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund für die begehrten Leistungen für den Monat Mai 2006 und die Folgemonate glaubhaft gemacht. Die einstweilige Anordnung im Sozialhilferecht kann nur zur Beseitigung einer aktuellen Notlage begehrt werden. Der Ast. muss jetzt bedürftig und deshalb nicht in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Eilverfahren werden daher grundsätzlich nur Leistungen für die Zeit von der Antragstellung bei Gericht bis zum Ende des Monats, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht, zugesprochen. Soweit der Ast. daher auch Leistungen "für Folgemonate" begehrt, kann er damit im Eilverfahren keinen Erfolg haben.

Einem Anspruch auf GSi-Leistungen nach §§ 42 ff. SGB XII stehen zum einen der mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Aufhebungsbescheid vom 08.05.2006, zum anderen der nunmehr bekannt gewordene Umstand, dass der Ast. nicht dauerhaft erwerbsgemindert ist, entgegen.

Ob der Ast. überhaupt einen Anspruch nach dem SGB XII auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 19 Abs. 1, 27 ff hat, begegnet erheblichen Zweifeln. Nach sozialmedizinischer Einschätzung der DRV Rheinland kann er noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. Dies begründet im Hinblick auf die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes den Anspruch auf eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit einem solchen Leistungsvermögen ist der Ast. jedoch erwerbsfähig im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II); er gehört damit zum Kreis der Berechtigten, die – Hilfebedürftigkeit vorausgesetzt – Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben (vgl. §§ 7 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II). Wer aber dem Grunde nach leistungsberechtigt ist, erhält keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach SGB XII (vgl. §§ 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II, 21 Satz 1 SGB XII).

Der Ast. hat darüber hinaus nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen bzw. dem seiner Ehefrau seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend beschaffen kann und deshalb Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII benötigt. Bereits die Behauptung des Ast. in der Antragsschrift vom 24.05.2006, er habe für Mai 2006 erst 52,00 EUR ausgezahlt bekommen, wird durch den Inhalt der beigezogenen Sozialgerichtsakte S 00 SO 00/00 ER widerlegt. Denn danach hat der Ast. vom Ag. für Mai 2006 am 28.04.2006 einen Scheck über 399,78 EUR und aufgrund des Beschluss des Sozialgerichts B vom 05.05.2006 einen weiteren Barbetrag von 57,00 EUR erhalten. Zweifel, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe tatsächlich ein Anspruch des Ast. besteht ergeben sich sodann aus dem Umstand, dass er am 19.05.2006 geheiratet hat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt bildet er mit seiner Ehefrau gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB XII eine Bedarfsgemeinschaft, da die Eheleute, wie sich aus der gleichlautenden Anschrift in der Bescheinigung über die Eheschließung ergibt, nicht getrennt leben. Dies hat zum einen zur Konsequenz, dass die Unterkunfts- und Heizungskosten für den Ast. nur noch anteilig zu berücksichtigen sind, wodurch sich sein sozialhilferechtlicher Bedarf insgesamt mindert. Zum anderen ist völlig offen, aus welchen Mitteln die Ehefrau des Ast. ihren Lebensunterhalt bestreitet. Sie bezieht weder Leistungen nach dem SGB II noch nach dem SGB XII noch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nach einer dem Ag. erteilten Auskunft des Ausländeramtes hält sich die Ehefrau des Ast. illegal in Deutschland auf, da sie über keinen aufenthaltsrechtlichen Statuts verfügt. Wenn die Ehefrau des Ast. keine Leistungen aus öffentlichen Mitteln bezieht, muss davon ausgegangen werden, das Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, aus dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Das unsubstanziierte Bestreiten von Einkünften oder Vermögen seiner Ehefrau durch den Ast. ist deshalb nicht glaubhaft. Von der Höhe des Einkommens oder Vermögens der Ehefrau hängt jedoch gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB XII der Bedarf des Ast. ab.

Bei dieser Sachlage überwiegen die Zweifel an einem Leistungsanspruch des Ast. nach dem SGB XII, insbesondere auch an seiner Bedürftigkeit und am Bestehen einer aktuellen Notlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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