L 21 RJ 155/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 112/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 RJ 155/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 02. September 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Mai 2000 streitig.

Der 1965 geborene Kläger erlernte von 1982 bis 1986 den Beruf des Funkmechanikers und war danach bis 1987 beim S B tätig. Anschließend war er als Hausmeister und zuletzt von 1987 bis 1989 als Garderobier versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1991 bis 1998 war er als selbstständiger Makler tätig. Infolge eines Verkehrsunfalls am 06. Mai 1982 wurde dem Kläger der rechte Oberschenkel amputiert, ein ultrakurzer Stumpf ist nach Gasbrand verblieben.

Nachdem der Facharzt für Chirurgie Dr. P in einem ärztlichen Gutachten vom 11. Dezember 1989 das Vorliegen von Invalidität festgestellt hatte, wurde dem Kläger mit Bescheid vom 26. April 1990 ab 01. März 1990 eine Rente wegen Invalidität nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht gewährt, die mit Bescheid vom 29. November 1991 ab 01. Januar 1992 als Erwerbsunfähigkeitsrente geleistet wurde.

Im Rahmen einer Nachprüfung der weiteren Rentenberechtigung veranlasste die Beklagte das Rentengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. Dr. A vom 03. Februar 2000, der zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger in der Lage sei, eine ausschließlich sitzende Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Mit Schreiben vom 22. März 2000 teilte die Beklagte dem Kläger ihre Absicht mit, die ab 01. Januar 1992 nach § 302 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - gewährte Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit zu entziehen, weil eine gesundheitliche Besserung eingetreten sei. Der Kläger könne mit Prothese bei normalen Wetterbedingungen eine Wegstrecke von 500 m zurücklegen und beherrsche die übrigen Gliedmaße und Körperfunktionen gut. Er sei in der Lage, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten und daher nicht mehr berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 SGB VI und auch nicht mehr invalide im Sinne des Art. 2 § 7 Abs. 3 Rentenüberleitungsgesetz - RÜG -. Mit Bescheid vom 20. April 2000 hob die Beklagte die mit Bescheid vom 26. April 1990 gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Wirkung zum 31. Mai 2000 unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - auf. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht mehr in dem Maße gemindert, dass Berufsunfähigkeit vorliege. Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Gesundheitsstörungen seien in ihrem tatsächlichen Ausmaß unzureichend gewürdigt worden. Er habe beim Laufen im Stumpfbereich Beschwerden sowie Schmerzen im Bereich des linken Beines und zunehmend Rückenschmerzen. Sein behandelnder Arzt bezweifle das angenommene vollschichtige Leistungsvermögen. Es sei weiter nicht nachvollziehbar, welche Besserungsnachweise gegenüber den Bedingungen, die zur Zeit der Rentengewährung 1989 bestanden hätten, vorlägen.

Nachdem der Prüfarzt der Beklagten Dipl.-Med. Sch unter dem 05. Januar 2001 Stellung genommen hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2001 den Widerspruch zurück. Die körperliche Leistungsfähigkeit habe sich gegenüber dem Zustand zum Zeitpunkt der ursprünglichen Rentengewährung gebessert. Der Kläger sei wieder in der Lage, leichte Arbeiten im Sitzen vollschichtig zu verrichten. Die Entziehung der Rente werde zum 30. April 2000 wirksam.

Mit seiner vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 20. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides begehrt. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht für das Land Brandenburg mit Beschluss vom 26. August 2002, Az L 2 B 54/02 RJ ER, ohne Erfolg geblieben. Der Kläger hat im Klageverfahren geltend gemacht, eine zur Entziehung der Rente berechtigende wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei nicht eingetreten. Eine vollschichtige Tätigkeit im Sitzen komme für ihn nicht in Betracht, dies werde auch von dem ihn behandelnden Arzt J bestätigt. Er habe zunehmende Rücken-, insbesondere Ischiasprobleme. Darüber hinaus sei es im Laufe der Zeit durch die Prothese bzw. den Stumpf infolge einer chronischen Fehlbelastung zu Arthrosen in beiden Hüftgelenken, im linken Kniegelenk und der Lendenwirbelsäule gekommen. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie die Tatsache, dass er die Prothese aufgrund von Wundstellen am Stumpf durch Aufreiben nicht immer ganztägig tragen könne, machten eine vollschichtige Tätigkeit im Sitzen unzumutbar. Bereits der Erstgutachter Dr. P habe angenommen, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes und damit des Leistungsvermögens nicht wahrscheinlich sei. Von September 1994 bis Ende Februar 1995 sei er Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen und habe zu keiner Zeit Gewinne erzielt. In der Zeit von 1991 bis 1998 habe er ein Maklergewerbe angemeldet gehabt, die Tätigkeit aber nur sporadisch, an manchen Tagen gar nicht, an anderen nur zwei bis drei Stunden, ausgeübt und Einkünfte unterhalb der zulässigen Hinzuverdienstgrenze erzielt.

Die Beklagte ist bei der mit dem Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung verblieben.

Das Sozialgericht hat berufskundliche Unterlagen zu den Tätigkeiten eines Handelspackers, Maklers und Grundstücksverwalters sowie den Befundbericht des den Kläger behandelnden Chirurgen Dipl.-Med. J vom 07. September 2001 beigezogen und das Sachverständigengutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. Bvom 17. Oktober 2002 veranlasst, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Mit Urteil vom 02. September 2003 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2001 mit der Begründung aufgehoben, eine Änderung der Verhältnisse sei nicht eingetreten. Aufgrund der bei dem Kläger bestehenden spezifischen Leistungseinschränkung und mangels Vorhandenseins einer konkreten Verweisungstätigkeit sei der allgemeine Arbeitsmarkt trotz vollschichtigen Leistungsvermögens für den Kläger verschlossen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte sieht sich auch durch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. B in ihrer Rechtsauffassung bestätigt und hat hierzu u. a. die Stellungnahme ihres Prüfarztes Dr. E (Arzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Sportmedizin) vom 14. November 2005 zur Gerichtsakte gereicht, worin ausgeführt wird, dass zur Ausführlichkeit des Besserungsnachweises anzumerken sei, dass der Sinn eines Rentengutachtens nicht darin bestehen könne, unauffällige Befunde wortreich zu beschreiben. Der Besserungsnachweis bestehe darin, dass sich im Vergleich zur Berentung 1989 die Stumpfverhältnisse so günstig entwickelt hätten, dass der Versicherte mit prothetischer Versorgung die Wegefähigkeit habe wiedererlangen können. Zur Begründung der Berufung wird weiter vorgetragen: Dr. Dr. A habe bei der Nachuntersuchung festgestellt, dass der Kläger körperlich leichte Arbeiten vollschichtig mit weiteren Einschränkungen verrichten könne. Der Kläger sei auch in der Lage, viermal täglich Fußstrecken von 500 m in einer zumutbaren Zeit zurückzulegen. Insofern komme es nicht darauf an, dass er nicht über ein Kfz mit Automatikgetriebe verfüge. Schwere spezifische Leistungseinschränkungen oder eine Summierung von Leistungseinschränkungen, die zur Annahme einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führten, lägen nicht vor. Das Restleistungsvermögen reiche noch aus, um auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Sortier-, Montier- und Maschinenarbeiten zu verrichten. Der Kläger könne auch eine Tätigkeit als Makler im Innendienst verrichten. Eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X liege bereits mit dem Inkrafttreten des SGB VI vor, weil für das Vorliegen von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit die §§ 43, 44 SGB VI maßgebend seien und für die Annahme einer Erwerbsfähigkeit es auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen und die Wegefähigkeit ankomme.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 02. September 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Ein Besserungsnachweis sei nicht erbracht.

Der Senat hat Befundunterlagen sowie eine Auflistung der Behandlungsdaten mit Befunderhebungen für den Zeitraum von 1992 bis 2004 des behandelnden Arztes J beigezogen sowie die gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. B veranlasst, auf die Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Aktenzeichen ) sowie auf die Gerichtsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben; der Bescheid ist rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides folgt dabei nicht schon daraus, dass die Beklagte mit ihm nur den die Rente wegen Invalidität bewilligenden Bescheid vom 26. April 1990 als aufzuhebende Verwaltungsentscheidung benannt hat; denn in den Begründungen des Aufhebungsbescheides und des Widerspruchsbescheides hat die Beklagte hinreichend bestimmt und für den Kläger erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sie die rentengewährenden Bescheide und damit (auch) den Bescheid vom 29. November 1991 hatte aufheben wollen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 1992, 9a RV 20/90, BSGE 72, 1; Steinwedel in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X Anm. 21, § 50 SGB X, Anm. 12; vgl. zur Bestimmtheit: Krasney in: Kasseler Kommentar Sozial-versicherungsrecht, § 33 SGB X, Anm. 3, 7).

Es sind aber die Voraussetzungen der als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der gewährten Rente hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 48 SGB X nicht erfüllt. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Für die Feststellung, ob eine Änderung vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen bescheidmäßigen Feststellung der Leistung mit denen im Zeitpunkt der beabsichtigten veränderten Feststellung zu vergleichen (BSG, Urteil vom 03. Oktober 1989, 10 Rkg 7/89, BSGE 65, 301, SozR 1300 § 48 Nr. 60; Wiesner in: von Wulffen, SGB X, Kommentar, 4. Auflage, § 48 Anm. 7 m. w. N.; Steinwedel in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X, Anm. 14 ff.). Zu vergleichen sind hier die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Gewährung der Rente mit denen im Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Rentenleistung mit Widerspruchsbescheid am 30. Januar 2001.

Eine die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtfertigende Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ist nicht eingetreten. Durch die Änderung der rechtlichen Grundlagen für die (Weiter-)Gewährung einer nach dem Recht des Beitrittsgebiets gewährten Rente wegen Invalidität durch Inkrafttreten des SGB VI liegt hier keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor. Zwar waren die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung einer Invalidenrente nach § 8 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung (Rentenverordnung) vom 23. November 1979 (GBl. I Nr. 38 S. 401) andere als diejenigen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht - SGB VI a. F. -, so dass mit Inkrafttreten des SGB VI für Erwerbsgeminderte neues Recht zu beachten war. Die Rechtsänderung durch Einführung des SGB VI war aber nicht wesentlich für den Anspruch des Klägers im Sinne des § 48 SGB X, weil der Gesetzgeber in § 302a SGB VI die Berücksichtigung der Rechtsänderung für Bezieher einer Invalidenrente geregelt hat. Nach § 302a Abs. 1 SGB VI war eine Rente wegen Invalidität, auf die am 31. Dezember 1991 Anspruch bestand, vom 01. Januar 1992 an als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu leisten, wenn die Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 nicht überschritten wurde. Gemäß § 302a Abs. 3 SGB VI sollte eine als Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit geleistete Invalidenrente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres geleistet werden, solange der Versicherte berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist oder die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Blindengeld oder Sonderpflegegeld nach den am 31. Dezember 1991 geltenden Vorschriften des Beitrittsgebiets vorlagen. Somit hat der Gesetzgeber des SGB VI bei Einführung des neuen Rechts bestimmt, dass eine Invalidenrente als Erwerbsunfähigkeitsrente zu leisten war und damit die Rechtsänderung in Bezug auf gewährte Invalidenrenten geregelt. Dementsprechend hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 29. November 1991 auch ab 01. Januar 1992 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt und damit die "Rechtsänderung" bereits berücksichtigt. Allein in dieser Änderung des Rechts liegt keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist nach Erlass des Bewilligungsbescheides (29. November 1991) bis zur angefochtenen Aufhebungsentscheidung ebenfalls nicht eingetreten. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte den die Rente wegen Invalidität gewährenden Bescheid vom 26. April 1990 und den Bescheid vom 29. November 1991 über die Leistung einer Erwerbsunfähigkeitsrente nach § 302a SGB VI aufgehoben. Voraussetzung dafür wäre nach § 302a Abs. 3 SGB VI i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass sich das Leistungsvermögen des Klägers in der Weise geändert hätte, dass diese Änderung für den zugesprochenen Rentenanspruch wesentlich wäre. Wesentlich ist eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur dann, wenn sie rechtserheblich ist, das heißt, wenn die Änderung dazu führt, dass der Bescheid über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit nach den nunmehr (geänderten) vorliegenden Verhältnissen nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG, Urteil vom 23. 10. 2003, B 4 RA 27/03 R, SozR 4-2600, § 7 Nr. 1; Wiesner a. a. O., § 48 Anm. 9). Zum Zeitpunkt der Aufhebung müsste damit im Vergleich zur Rentengewährung eine Änderung des Leistungsvermögens in der Weise eingetreten sein, dass eine Weitergewährung der Rente wegen Invalidität als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Gegensatz zum Zeitpunkt der Rentengewährung nicht mehr möglich wäre.

Trägt bezüglich der Fähigkeit, mit dem Restleistungsvermögen nicht mehr in einem bestimmten zeitlichen Umfang erwerbstätig sein zu können, der Versicherte die objektive Beweislast, wenn er den Anspruch auf Gewährung einer Rente geltend macht (BSG, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8; Steinwedel a. a. O., Anm. 22), so trägt die Beklagte für den Umstand, dass sie aufgrund einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berechtigt ist, einen Verwaltungsakt aufzuheben, die objektive Beweislast. Eine die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtfertigende wesentliche Änderung der Verhältnisse ist hier nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens indes nicht nachgewiesen.

Denn nach den übereinstimmenden Feststellungen in den Gutachten von Dr. Pvon Dr. Dr. A und von Dr. B im Gutachten vom 17. Oktober 2002 sowie den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen hierzu sind der Leidenszustand und das Leistungsvermögen des Klägers in der Zeit von 1990 bis Januar 2001 (Erlass des Widerspruchsbescheides) im Wesentlichen unverändert geblieben.

In dem Gutachten des Dr. P vom 11. Dezember 1989 wurde bei dem Kläger aufgrund einer Oberschenkelamputation mit ultrakurzem Stumpf infolge des im Mai 1982 erlittenen Verkehrsunfalls und nachfolgender Oberschenkelamputation das Vorliegen von Invalidität festgestellt. Eine Begründung für die Annahme der Voraussetzungen eines Leistungsfalls der Invalidität nach § 8 RVO (Minderung des Leistungsvermögens um mindestens zwei Drittel) wurde in dem Gutachten nicht gegeben. Es wurde aber ausgeführt, dass nur eine bedingte Leistungsfähigkeit in sitzender Tätigkeit bei variabler Arbeitszeit in Abhängigkeit von den Stumpfverhältnissen bestehe, möglicherweise im Sinne einer Zusatzbeschäftigung als Invalidenrentner. Hinsichtlich der Befunde bezüglich des Hauptleidens des Klägers (Unterschenkelamputation) wurden deutliche, aber zum Zeitpunkt der Untersuchung reizlose Druckstellen um den Stumpf beschrieben. Für Juli 1982 und Februar 1984 wurden unter Bezugnahme auf überreichte Unterlagen reizlose Stumpfverhältnisse, für Dezember 1982 eine rezidivierende Stumpffistelbildung ab Dezember 1982 angegeben. Bei der Nachuntersuchung durch Dr. Dr. A im Februar 2000 wurden vergleichbare Befunde festgestellt. Bei dieser Begutachtung hat der Kläger ebenfalls wie auch bei der Begutachtung durch Dr. P Rückenschmerzen, ausstrahlend in das linke Bein, angegeben. Auf der Grundlage dieser Befundung lässt sich nur eine unveränderte Sachlage feststellen.

Soweit die Beklagte demgegenüber vorbringt, es sei eine Besserung der Wegefähigkeit eingetreten, ist dem nicht zu folgen. Die Gutachten der Dr. P und Dr. A sowie die Befundunterlagen des behandelnden Arztes J belegen vielmehr, dass die prothetische Versorgung des Klägers wegen des kurzen Stumpfes von Anfang an schwierig gewesen ist und der Kläger zeitweise wegen der Druckstellen am Stumpf und mangelnder Belastbarkeit Schwierigkeiten beim Gehen gehabt haben muss. Vergleichbare Schwierigkeiten liegen zeitweise noch immer vor und sind bedingt durch das Dauerleiden des Klägers; das ergibt sich auch aus dem von dem Kläger eingereichten Bericht des Orthopädiemechanikers. Auf diese dauerhaft vorliegende Einschränkung hat schon der Gutachter Dr. P hingewiesen und eine Besserung des Gesundheitszustandes und damit des Leistungsvermögens für unwahrscheinlich gehalten. Eine Veränderung der gesundheitlichen Situation mit Auswirkungen auf das Gehvermögen ist auch unter Berücksichtigung des Berichts des Orthopädiemechanikers nicht durch bessere Möglichkeiten der prothetischen Versorgung feststellbar. Soweit Dr. Dr. Aangegeben hat, der Kläger erreiche nur knapp eine Wegefähigkeit, resultiert hieraus keine Änderung der Verhältnisse. Eine für die Gewährung der Rente relevante Einschränkung der Gehfähigkeit ist nämlich für November 1991 oder für den Zeitpunkt der Gewährung der Rente wegen Invalidität im April 1990 nicht erkennbar. Als Grund für seine Berentung hat der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. Dr. A auch selbst und nach den vorliegenden Befundunterlagen nachvollziehbar angegeben, er habe den Beruf des Funkmechanikers nicht mehr voll ausüben können; eine eingeschränkte Gehfähigkeit zur Zeit der Rentenbewilligung ist auch daraus nicht zu ersehen. Gegen das Vorliegen einer dauerhaften Einschränkung der Wegefähigkeit zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung spricht schließlich auch, dass der Kläger mit seiner Behinderung bereits von 1982 bis 1989 verschiedene Tätigkeiten ausgeübt und die angefallenen Wegstrecken zurückgelegt hatte. Selbst wenn eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit zum Zeitpunkt der Weitergewährung der Rente im November 1991 vorgelegen hätte, ist jedenfalls nach den vorliegenden Befundunterlagen, insbesondere auf der Grundlage der Beschreibung des Behandlungsverlaufs durch den behandelnden Arzt J keine Besserung des Leistungsvermögens eingetreten, weil sich der Leidenszustand des Klägers nicht geändert hat. Soweit die Prüfärztin der Beklagten Dr. W in ihrer Stellungnahme vom 09. März 2000 angegeben hat, dass eindeutig ein Besserungsnachweis gegenüber den Bedingungen, die zur Wendezeit geherrscht hätten, nachweisbar sei, lässt sich diese Schlussfolgerung mit dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht in Einklang bringen.

Insoweit gibt nämlich der Sachverständige Dr. B in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 13. Juni 2005 nach Sichtung der Auflistung der Behandlungsunterlagen mit Befunderhebung für die Jahre 1992 bis 2004 durch den behandelnden Arzt Dipl.-Med. Jan, dass bei dem Kläger ein vollschichtiges und nicht zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen seit März 1990 und in den Jahren danach, insbesondere bis Februar 2001, vorgelegen hat. Aus der Befundaufstellung und -beschreibung der von dem Kläger bei seinem behandelnden Arzt geklagten Beschwerden in dem Zeitraum 1992 bis Ende Dezember 2004 geht hervor, dass - soweit Konsultationen wegen Beschwerden im Stumpf erfolgt sind - diese behandelt wurden und nicht durchgehend bestanden. Regelmäßig gingen die Beschwerden nach Behandlung zurück, z. B. in den Behandlungszeiträumen vom 02. April 1992 bis Juli 1992, im März 1993, von Juni 1993 bis September 1993/November 1993, von Mai 1994 bis August 1994 und von März 1996 bis Mai 1996 und von Februar 1998 bis September 1998, in den Monaten November 1998, Februar 2000, März 2000. Auch eine anlässlich einer Untersuchung am 14. Februar 2001 festgestellte Hämatombildung am Stumpf bildete sich nach wenigen Tagen unter Behandlung zurück (Vorstellung beim behandelnden Arzt am 19. Februar 2001). Anhand der Aufstellung können keine dauerhaften Beschwerden, die eine Arbeitsunfähigkeit von über sechs Monaten belegen würden, nachgewiesen werden. Eine dauerhafte Reizung der Stumpfverhältnisse geht schon aus dem Gutachten des Dr. P nicht hervor und auch nicht für die Zeit danach bis zur Entscheidung der Beklagten im April 2000/Januar 2001, sodass mit dem Sachverständigen Dr. B von einer nahezu durchgehend gleich bleibenden gesundheitlichen Situation bezüglich des Hauptleidens des Klägers auszugehen ist. Eine Verbesserung der Rückenbeschwerden und der Beschwerden am linken Bein ergibt sich ebenfalls nicht aus den Feststellungen des Sachverständigen Dr. B unter Berücksichtigung der vorhandenen medizinischen Unterlagen und wird auch von der Beklagten nicht angeführt. Eine solche Annahme wäre auch fern liegend, weil erfahrungsgemäß durch Mehrbelastung der anderen Extremität bei einseitig Amputierten degenerative Veränderungen an der verbliebenen Gliedmaße auftreten.

Weil der Kläger zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung der Beklagten seine bis 1998 ausgeübte Maklertätigkeit beendet hatte und nicht mehr selbstständig tätig war, konnte der in der Vergangenheit liegende Zeitraum der Selbstständigkeit auch nicht mehr eine Aufhebung für die Zukunft rechtfertigen. Die Beklagte hat bezüglich dieses Umstandes den Kläger auch nicht gemäß § 24 SGB X angehört, sondern nur zur angenommenen Besserung des Leistungsvermögens und nicht zu den Auswirkungen seiner selbstständigen Tätigkeit auf den Anspruch einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VI a. F. Dies gilt auch für den Umstand eines möglichen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen nach § 302a Abs. 2 SGB VI während der Zeit der selbstständigen Tätigkeit

Nach allem ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht festzustellen. Ob der Kläger zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung überhaupt einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Invalidität bzw. von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hatte, kann dahinstehen. Die Beklagte hat die Rentenbewilligungs-bescheide jedenfalls nicht wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit nach § 45 SGB X zurückgenommen, für eine Entscheidung nach § 45 SGB X fehlte es auch an der hier erforderlichen Ausübung des Ermessens (BSG, Urteil vom 9. September 1998, Az: B 13 RJ 41/97 R, SozSich 1999, 137-140).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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