L 17 R 1664/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 RJ 903/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 1664/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 8. Juni 2002 (Abschluss einer Rehabilitationsmaßnahme).

Der Kläger ist am 1959 geboren. Nach seinen Angaben hat er von September 1976 bis Juli 1978 eine Lehre zum Rohrleitungsmonteur abgeschlossen und war anschließend bis August 1981 in diesem Beruf tätig. Danach machte er eine Lehre zum Postfacharbeiter und übte diesen Beruf bis 14. November 1983 aus. Von Mai 1985 bis Dezember 1992 arbeitete er als Kanalarbeiter. Zuletzt war er vom 4. Januar 1993 bis 31. August 2001 als Rohrreiniger bei der Fa. S GmbH, F , P, beschäftigt. Er war aber bereits seit dem 25. Juli 2000 arbeitsunfähig.

Am 13. November 2000 stellte er einen Rentenantrag und machte geltend, er könne seit 1997 wegen starker Schmerzbeschwerden in der Halswirbelsäule bis hin zu krampfartigen Schmerzen und wegen starken Bewegungseinschränkungen der Schulter- und Armgelenke nur noch leichte gemischte Arbeiten verrichten, körperliche Anstrengungen seien nicht mehr möglich.

Dazu lag an zeitnahen Befunden ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – MDK – vom 13. Oktober 1997 vor (auf Dauer arbeitsunfähig, erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit).

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Assistenzarzt S und den Oberarzt Dipl.-Med. L von der Orthopädischen Klinik des O. Sie stellten die Diagnosen

chronisches vertebragenes Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen C 7, 6 und 5 und Uncovertebralarthrose C 6/7 rechts,

pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung in den rechten Arm.

Sie führten aus, der Kläger könne keine schweren körperlichen Arbeiten leisten. Er könne jedoch leichtere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen verrichten.

Darauf lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 17. April 2001 / Widerspruchbescheid vom 23. Oktober 2001 ab. Sie führte unter anderem aus, der Kläger könne mit dem ärztlicherseits festgestellten Leistungsvermögen zwar nicht mehr als Rohrleitungsmonteur arbeiten, er könne aber noch Tätigkeiten ausüben, die ihm nach der tariflichen Bewertung zumutbar seien, so z. B. die Tätigkeit eines Hauswarts.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben (eingegangen am 9. November 2001) und vorgetragen, er sei zumindest berufsunfähig. Die starken Schmerzen der Halswirbelsäule ließen nicht einmal mehr eine halbschichtige Tätigkeit als Hauswart zu.

Während des Verfahrens hat der Kläger einen von der Beklagten getragenen Lehrgang Haustechnik / Gebäudemanagement abgeschlossen, an dem er vom 3. September 2001 bis zum 7. Juni 2002 teilgenommen hatte.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers vom 30. Mai 2002 eingeholt und am 14. April und am 19. November 2003 ergänzen lassen. Dieser teilte mit, der Kläger habe als Rohrreiniger / Installateur gearbeitet. Diese Arbeiten setzten keine Lehre oder Anlernzeit voraus. Eine völlig ungelernte Kraft müsse einen Monat angelernt werden. Voraussetzung für die Einstellung sei eine abgeschlossene Ausbildung in einem technischen Beruf gewesen.

Ferner hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen, und zwar von dem Arzt für Chirurgie Dr. S vom 30. Mai 2005, von dem Facharzt für Orthopädie Dr. D vom 12. Juni 2002 und von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K vom 23. September 2002.

Sodann hat das Sozialgericht den Facharzt für Orthopädie Dr. Z mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 2. November 2004 stellte er die Diagnosen

rezidivierende Kniegelenksreizzustände bei beginnenden Verschleißerscheinungen,

rezidivierende Kreuzschmerzen und Cervicobrachialgie bei Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule mit Nervenwurzelreizzuständen, ohne motorische Störungen.

Er kam zu dem Schluss, der Kläger könne noch mindestens 6 Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten. Er könne in allen Haltungsarten arbeiten, jedoch sollten monoton stehende oder monoton sitzende Tätigkeitsinhalte vermieden werden. Ein regelmäßig harmonischer Wechsel der Haltungsarten sei nicht erforderlich. Die Arbeit solle nicht mit ständigen, längeren oder häufigen einseitigen Belastungen oder Zwangshaltungen einhergehen. Überkopfarbeit, häufiges Hocken, Knien und Bücken seien zu vermeiden, ebenso Arbeit unter Zeitdruck wie im Akkord und am Fließband. Im Freien könne er nur mit Witterungsschutz arbeiten. Wechsel- und Nachtschicht seien möglich.

Sodann hat das Sozialgericht ein berufskundliches Gutachten vom 30. Januar 2005 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 2. April und 18. Mai 2005 eingeholt. Der Sachverständige L führte aus, der Kläger habe mit dem Abschluss der Ausbildung zum Rohrleitungsmonteur (1978) Facharbeiterniveau erreicht und auf dieser Qualifikationsebene bis 1981 gearbeitet. Die von 1993 bis 2001 verrichteten Arbeiten in der Rohrreinigung bzw. als Installateur seien ebenfalls der Facharbeiterebene zuzurechnen. Die verrichteten Arbeiten hätten eine gewisse Verbindung zur Ausbildung zum Rohrleitungsmonteur, seien aber insbesondere in einen eigenständigen Ausbildungsberuf mit einer dreijährigen Ausbildungsdauer aufgegangen.

Das ermittelte Leistungsvermögen reiche nicht aus, um als Rohrleitungsmonteur bzw. Rohrreiniger zu arbeiten. Die Tätigkeit eines Hauswartes (oder ähnlich bezeichnet) stehe mit dem beschriebenen Leistungsvermögen im Einklang. Von besonderem Vorteil sei die erfolgreiche Teilnahme am Lehrgang "Haustechnik / Gebäudemanagement", die den Zugang zu Tätigkeiten ermögliche, bei denen weniger körperliche Arbeit als üblich anfalle.

Aufgrund der abgeschlossenen handwerklichen Ausbildung, der im Berufsverlauf erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und insbesondere der zuletzt besuchten beruflichen Bildungsmaßnahme sei der Kläger in der Lage, Hausmeistertätigkeiten der Facharbeiterebene zu verrichten.

Die Klage, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2005 auf die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 8. Juni 2002 beschränkt hat, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. Juli 2005 abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Diese Fassung sei nach § 300 Abs. 2 und § 302b SGB VI anzuwenden, weil der Kläger seinen Anspruch vor dem 31. Dezember 2000 geltend gemacht habe.

Der Kläger sei aber nicht berufsunfähig. Er könne zwar seinen bisherigen Beruf als Rohrreiniger nicht mehr ausüben, er könne aber noch zumutbar als Hausmeister auf Facharbeiterebene tätig sein. Hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens ist das Sozialgericht dem Gutachten von Dr. Z gefolgt.

Gegen das dem Kläger am 26. September 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine am 21. Oktober 2005 eingegangene Berufung. Der Kläger trägt vor, er könne mit dem von dem Sachverständigen Dr. Z festgestellten Leistungsvermögen nicht mehr als Hausmeister arbeiten. Dr. Z habe Arbeiten mit ständigen, längeren oder häufigen einseitigen körperlichen Belastungen oder Zwangshaltungen ausgeschlossen. Dasselbe gelte für Überkopfarbeiten sowie überwiegende, längerfristige oder häufige Arbeit im Hocken, Knien und Bücken.

Die Tätigkeit eines Hauswartes erfordere jedoch häufiges Knien und häufiges Überkopfarbeiten, z. B. beim Putzen der Fenster und bei Arbeiten im Sanitärbereich. Er könne aber auch deshalb nicht als Hauswart arbeiten, weil es ihm an den technischen Fähigkeiten mangele. Diese Fähigkeiten seien ihm – entgegen der Auffassung des Sachverständigen Langhoff – auch in dem Lehrgang Haustechnik / Gebäudemanagement nicht vermittelt worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Juli 2005 und unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2001 zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit ab 8. Juni 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Akten des Sozialgerichts Potsdam – S 16 RJ 903/01 – und die Akten der Beklagten – – haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Nach § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht, außer, wenn das Sozialgericht einen Gerichtsbescheid erlassen hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Das Sozialgericht hat zu Recht § 43 SGB VI a. F. angewandt, denn der Kläger verlangt Rente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 8. Juni 2002 im Anschluss an Übergangsgeld. Er macht also im Grunde geltend, bereits seit Antragstellung (13. November 2000) oder früher berufsunfähig gewesen zu sein.

Nach § 43 SGB VI a. F. bestand bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn Versicherte

berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt, er hat auch ausgehend vom Datum des Rentenantrags im November 2000 ausreichend zeitnahe Pflichtbeiträge entrichtet. Er ist aber nicht berufsunfähig.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992).

Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Der Kläger ist zuletzt Rohrreiniger gewesen. Diese Arbeit kann er nicht mehr verrichten, weil dabei auch schwere Arbeiten anfallen.

Ein Versicherter ist aber nicht schon dann berufsunfähig, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn er auch keinen zumutbaren anderen Beruf ausüben kann. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit sind von der Rechtsprechung des BSG für die Arbeiterberufe verschiedene Berufsgruppen entwickelt worden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Ausbildung überragende Bedeutung für die Qualität eines Berufes hat. Ausgehend von der am geringsten qualifizierten Tätigkeit gibt es die Gruppen mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters, des Arbeiters mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren (angelernter Arbeiter) und des Arbeiters mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung (Facharbeiter). Diese Gruppen sind von der Rechtsprechung inzwischen weiter differenziert worden, was hier aber nicht von Bedeutung ist.

Grundsätzlich darf der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe im Verhältnis zu seinem bisherigen Beruf verwiesen werden, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17).

Der Kläger hat zuletzt in einem Teilbereich seines erlernten Berufs als Rohrmonteur, also auf der Stufe eines Facharbeiters, gearbeitet. Das Sozialgericht hat ihn zutreffend im Anschluss an die Beurteilung des Sachverständigen L der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zugeordnet.

Er kann aber den Beruf eines Hausmeisters durchaus noch ausüben. Von seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten her ist dies noch auf Facharbeiterebene möglich. Wie der Sachverständige Lausgeführt hat, hat die zunehmende technische Ausstattung der Gebäude, insbesondere der gewerblich genutzten, dazu geführt, dass Gebäudeleitzentralen entstanden sind, in denen Mess- und Anzeigegeräte zusammengefasst und über Computer steuer- und programmierbar sind. Damit sind die geistigen Anforderungen an einen Hausmeister deutlich gestiegen. Die körperlichen Anforderungen sind jedoch gesunken.

Der Sachverständige hat auch ausgeführt, dass gerade wegen dieser Veränderungen berufliche Bildungsmaßnahmen wie diejenige, die der Kläger durchlaufen hat, eingerichtet worden seien. Sie befähigten auch zu anspruchsvolleren Aufgaben. Der Kläger könne damit sogar in Ausübungsformen arbeiten, bei denen ihm nachgeordnete Kräfte zugeteilt seien (Hausarbeiter für die zu verrichtenden körperlichen Arbeiten).

Daraus ergibt sich, dass die relativ geringen körperlichen Einschränkungen des Klägers für die zumutbare Verweisungstätigkeit nicht von Bedeutung sind.

Soweit der Kläger geltend macht, in dem einjährigen Lehrgang, für den er ein Zeugnis erhalten hat, keine verwertbaren Kenntnisse erworben zu haben, ist dies nicht glaubhaft. Als Hausmeister, insbesondere in dem hier in Betracht kommenden Segment als Hausmeister auf Facharbeiterebene, wird von ihm nicht erwartet, dass er alle Reparaturen vornehmen kann. Er hat vielmehr auf Grund des durch eine Facharbeiterausbildung nachgewiesenen Verständnisses für technische Zusammenhänge vor allem Prüf- und Kontrollaufgaben wahrzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
Rechtskraft
Aus
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