Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 107/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1.Der Bescheid vom 06.11.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 05.01.2006 werden aufgehoben. 2.Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.
Die Klägerin beantragte am 19.05.2003 Rente aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung. Zum medizinischen Teil der Akte gelangten eine Vielzahl von ärztlichen Unterlagen in spanischer Sprache. Es wurde nur eine Seite davon übersetzt (Bl. 11 des medizinischen Teils der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 06.11.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil auch mit der Zervikal-Arthrose mit Bandscheibenschäden weder volle noch teilweise Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vorliege.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der auch begründet wurde. Wegen einer Vielzahl von Leistungseinschränkungen, die auch von spanischen Ärzten bestätigt würden, sei die bisherige Argumentation der Beklagten nicht nachvollziehbar. Es sei weder ersichtlich, auf welchen Untersuchungsergebnissen die Beurteilung basiere; schon weil keinerlei deutsche Beurteilungen vorliegen würden und die spanischen Befunde bisher nicht übersetzt worden seien; noch sei eine umfassende Prüfung auch zum Hauptberuf durchgeführt worden.
Zur Verwaltungsakte der Beklagten in dem medizinischen Teil gelangte auch ein Urteil eines spanischen Sozialgerichts (Bl. 30 ff des medizinischen Teils), das nicht ins deutsche übersetzt wurde. Die Beklagte ließ auszugsweise medizinische Unterlagen übersetzen, jedoch nicht alle spanischen Unterlagen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2006, der Klägerin zugegangen am 11.01.2006 (Bl. 123 der Rentenakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei der bereits ausgesprochenen Rentenablehnung. Nach ihren medizinischen Feststellungen liege weder teilweise noch volle Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vor. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass die Klägerin als ungelernte bzw. angelernte Arbeiterin zu beurteilen sei. In Deutschland sei sie als Busfahrerin beschäftigt gewesen. Sie sei deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Im übrigen habe der ärztliche Beratungsdienst anhand der bisherigen Unterlagen bestätigt, dass die Klägerin noch körperlich leichte leidensgerechte angepasste Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 05.04.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben, ohne bisher einen konkreten Antrag zu stellen.
Das Sozialgericht hat nach Eingang und Durchsicht der Verwaltungsakte der Beklagten den Beteiligten mitgeteilt zu beabsichtigen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen. Es sei voraussichtlich damit zu rechnen, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben würden mit der Folge, dass die Beklagte dann verpflichtet sei, den Rentenantrag erneut zu bescheiden, nach Durchführung weiterer erforderlicher Ermittlungen. Diese Möglichkeit ergebe sich nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, wonach das Gericht ohne Sachentscheidung die angefochtenen Verwaltungsakte aufheben könne, wenn es die Durchführung weiterer Ermittlungen für erforderlich halte und dies auch sachdienlich sei. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Die Beklagte habe von der Vielzahl spanischer ärztlicher Unterlagen nur einen geringen Teil übersetzen lassen und es sei nicht einmal ersichtlich, auf welche spanischen Unterlagen sich die bisherigen Übersetzungen bezögen. Woraus sich ergeben solle, dass die Klägerin für leichte Tätigkeiten noch 6 Stunden und mehr einsatzfähig sein solle, lasse sich den Unterlagen auch nicht entnehmen. Auch das Urteil des spanischen Sozialgerichts sei nicht übersetzt worden und es seien auch zum Hauptberuf nur ganz rudimentäre Feststellungen getroffen worden, ohne überhaupt die Berufsbiographie der Klägerin festgestellt zu haben. Das Verwaltungsverfahren sei daher völlig intransparent geblieben und es sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte bei geschuldeter sorgsamer Prüfung des Sachverhalts zu ihrer Entscheidung gelangt sei. Die Beklagte werde daher nach Aufhebung der Bescheide noch die spanischen Unterlagen zu übersetzen haben und zu überprüfen haben, welches Leistungsvermögen sich daraus im Einzelnen ergebe und welche Berufe die Klägerin eventuell erlernt und auch ausgeübt habe. In gleicher Weise habe auch bereits der 8. Senat des LSG NRW eine Entscheidung getroffen. Das Gericht hat den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26.05.2006 gegeben.
Die Klägerin hat durch ihre Bevollmächtigten mitgeteilt, sie sei mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise des Gerichts einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem die Beteiligten entsprechend schriftlich angehört wurden und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten und weil die Beurteilung, ob ein Aufhebungsfall nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG vorliegt, keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und insoweit der Sachverhalt sich aus den Akten ergibt.
B. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht innerhalb von 3 Monaten nach Zugang des Widerspruchsbescheides bei der Klägerin (zur Frist von 3 Monaten §§ 151, 153 Abs. 1 und 87 Abs. 1 Satz 2 SGG, Meyer/Ladewig, 8. Auflage, SGG, § 131 Rd. Nr. 6) erhoben. Denn der Widerspruchsbescheid der Beklagten ging der Klägerin erst am 11.01.2006 zu. Es lief dann eine Klagefrist bis zum 11.04.2006. Die Erhebung der Klage am 05.04.2006 war daher fristgerecht.
C. Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide war hier auch nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 in der ab 01.09.2004 geltenden Fassung geboten. Diese Vorschrift besagt: "Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist".
I.
Diese Vorschrift ist anwendbar. Sie gilt für gerichtliche Entscheidungen ab dem 01.09.2004 (Art. 14 des ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz – Bundesgesetzblatt Teil I 2004, 2197 ff, 2209). Die Vorschrift ist auch anwendbar, weil bisher noch keine 6 Monate seit Eingang der Verwaltungsakte der Beklagten (21.04.2006) vergangen sind, § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG. § 131 Abs. 5 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auch auf Klagen anwendbar, die auf eine Verpflichtung der beklagten Behörde gerichtet werden könnten. Die Klägerin hat auch bisher keinen Klageantrag gestellt und sich vielmehr sogar mit der vom Gericht vorgeschlagenen Vorgehensweise (also Aufhebung der angefochtenen Bescheide) einverstanden erklärt, mit Schriftsatz vom 26.05.2006. § 131 Abs. 5 SGG ist ein seit dem 01.09.2004 im Sozialgerichtsgesetz eingefügtes Instrument des Gerichts, das ohne Bindung an eventuell bisher gestellte Anträge gebraucht werden kann, wenn das Gericht die bisherige Sachaufklärung der Beklagten für unzureichend hält. Die Anwendbarkeit von § 131 Abs. 5 SGG sogar in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch bereits bestätigt worden durch das LSG NRW (Urteil vom 11.05.2005 – L 8 RJ 141/04 – zur Zeit in der Revision unter Az.: B 5 RJ 30/05 R) und das Sächsische LSG (Urteil vom 26.10.2005 – L 6 SB 34/05). Danach ist es auch irrelevant, dass nach der Praxis der Verwaltungsgerichte und der Kommentarliteratur zur Verwaltungsgerichtsordnung eine solche Aufhebung nicht möglich sein soll bei eventuellen Verpflichtungsklagen. Denn das verwaltungsgerichtliche Verfahren – ganz anders als das sozialgerichtliche Verfahren – ist wesentlich stärker geprägt von Anfechtungsklagen als Klagen gegen Akte der klassischen Eingriffsverwaltung; die ganz überwiegende Anzahl der sozialgerichtlichen Verfahren hingegen sind typischerweise Klagen auf Erbringung einer Sozialleistung durch die Leistungsverwaltung. Würde man auch für das sozialgerichtliche Verfahren die Anwendbarkeit von § 131 Abs. 5 SGG, also der Zurückverweisung an die Verwaltung, auf Anfechtungsklagen beschränken, so würde damit die Sozialgerichtsbarkeit eines wichtigen Verfahrensinstruments für die überwiegende Anzahl von Verfahren beraubt und § 131 Abs. 5 SGG nur noch einen geringen Anwendungsfall haben. Auch der Gesetzeswortlaut des § 131 Abs. 5 SGG enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift sich nur auf Anfechtungsklagen beschränken soll. Auch die Bundestags-Drucksache zur Neufassung des SGG (Drucksache 378/03 Seite 67) spricht dafür, § 131 Abs. 5 SGG sogar bei Verpflichtungsklagen anzuwenden. Danach sollte diese neue Vorschrift nämlich nunmehr auch für das sozialgerichtliche Verfahren geschaffen werden, um dem Gericht eigentlich der Behörde obliegende zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärung zu ersparen, weil nach Beobachtung der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe. Die typische Sachverhaltsaufklärung, gerade und auch was medizinische Ermittlungen und berufskundliche Ermittlungen angeht, fällt aber typischerweise hauptsächlich bei den üblichen Verpflichtungsklagen an, wie insbesondere bei Klagen auf Gewährung von Sozialleistungen wie Rente, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Teilhabeleistungen und vieles mehr. Gerade dieses Fälle muss der Gesetzgeber bei der Einführung von § 131 Abs. 5 SGG hier im Auge gehabt haben. Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf hält nach alledem nach wie vor die oben genannten Entscheidungen des Sächsischen LSG und des LSG NRW für zutreffend und folgt ihnen weiterhin. Es ist auch kein relevanter Rechtsnachteil für die Klägerin, wenn bisher nur eine "Zurückverweisung" ohne Sachentscheidung ergeht, zumal sie selbst sich mit der vom Gericht beabsichtigten Vorgehensweise einverstanden erklärt hat. Denn diese Vorgehensweise hat für die Klägerin auch den Vorteil, dass ihr quasi erneut das volle Rechtsmittelverfahren eröffnet wird, nämlich das Verwaltungsverfahren einschließlich Widerspruchsverfahren, ohne dass sie jetzt schon die Kosten des Klageverfahrens einschließlich ihrer außergerichtlichen Kosten zu tragen hätte. Es ist hier gerade sinnvoll, sie nicht schon jetzt mit etwaigen Kosten des Klageverfahrens zu belasten. § 131 Abs. 5 SGG ist mithin hier also anwendbar.
II. Es liegen auch die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG vor. Es sind nach Art und Umfang noch Ermittlungen erforderlich, um den Sachverhalt wirklich sachgerecht und abschließend beurteilen zu können. Von den spanischen medizinischen Unterlagen und auch sonstigen spanischen Unterlagen (z. B. des Sozialgerichts in Spanien), die zur Verwaltungsakte gelangten, ist nur ein kleiner Teil übersetzt worden, ohne dass aus den übersetzten Unterlagen überhaupt eine Aussage ableitbar wäre, in welchem Umfang die Klägerin überhaupt einsetzbar ist. Es ist somit nicht ersichtlich, dass wirklich alle maßgeblichen medizinischen Erkenntnisse, die sich aus den spanischen Unterlagen in der Akte ergeben, auch der Sachbearbeitung und der Widerspruchsstelle der Beklagten hinreichend bekannt wurden. Um einen Antrag und einen Widerspruchsvortrag einigermaßen angemessen würdigen zu können, gerade und auch durch die Sachbearbeitung und die Widerspruchsstelle, müssen doch zunächst Unterlagen in ins Deutsche übersetzter Form gewürdigt werden. Die Beklagte kann sich auch nicht auf ihre eventuelle Argumentation berufen, die Ärzte ihres medizinischen Dienstes seien mit spanischen Gutachten vertraut und es würden deshalb Unterlagen aus Spanien nicht vollständig ins Deutsche übersetzt werden müssen. Es kann dabei letztlich dahinstehen, ob die Spanischkenntnisse und noch vorhandenen Lateinkenntnisse des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten auch für komplizierte Sachverhalte ausreichen und auch zur Würdigung etwaiger Verschlechterungen. Denn auch die Sachbearbeitung und vor allem und gerade auch der Widerspruchsausschuss muss wissen, worüber er eigentlich entscheiden will und ob hier ein Versicherungsfall eventuell zumindest der Berufsunfähigkeit möglich sei oder nicht. Anderenfalls werden das Widerspruchsverfahren und der Widerspruchsausschuss ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht, wenn letzterer ohne eigene Prüfung sich blind auf den beratungsärztlichen Dienst verlässt, wie das im Widerspruchsbescheid auch zum Ausdruck gekommen ist. Denn schließlich gilt für die Beklagte der Untersuchungsgrundsatz, wonach sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen, Umstände zu berücksichtigen hat, § 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X. Sie hat außerdem die Regelung über die Vorlage von Unterlagen in fremder Sprache zu berücksichtigen, § 19 Abs. 2 SGB X. Danach soll die Beklagte unverzüglich die Vorlage von Übersetzungen verlangen, sofern sie nicht in der Lage ist, die Anträge und Schriftstücke zu verstehen; gerade bei medizinischen Sachverhalten kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass alles Wesentliche schon vom beratungsärztlichen Dienst verstanden werden würde und auch alles Wesentliche richtig übertragen werde. So hat bei Nichtübersetzung von Unterlagen in einer fremden Sprache die Rechtsprechung dies auch schon für einen erheblichen Verfahrensfehler gehalten, der deswegen zur Zurückverweisung führen könne (für das sozialgerichtliche Verfahren die oben erwähnten Urteile des LSG NRW und des Sächsischen LSG; für von einer zweiten Gerichtsinstanz zurück an die erste Gerichtsinstanz OLG Saarbrücken – Urteil vom 20.01.1989 – 5 Of 12/97 in NJWE-FER 1998, 280). Nach Aktenlage jedenfalls lassen sich Sozialanamnese und Berufsbiographie der Klägerin nach wie vor nicht eindeutig den Unterlagen der Verwaltungsakte entnehmen. Es wurde der Klägerin offenbar nicht einmal ein Vordruck übersandt, wie er in deutschen Rentenverfahren allgemein üblich ist, nämlich der Fragebogen zur Feststellung von Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit oder von Erwerbsminderung, mit Angaben zum gesamten bisherigen beruflichen Lebenslauf und auch zu erlernten Berufen. Die Beklagte hat sich hier offenbar nur gestützt auf eine zuletzt von der Klägerin in Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Busfahrerin, ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass die Klägerin früher eventuell auch schon Berufe erlernt hat und ohne zu prüfen aus welchen Gründen diese Berufe aufgegeben wurden. Auf die in Spanien ausgeübten Berufe kommt es für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit nach deutschen Recht ohnehin nicht an. Erschwert wird die gesamte Beurteilung des Sachverhalts noch durch die nur rudimentäre Übersetzung der Unterlagen in der Verwaltungsakte; daraus ergeben sich im wesentlichen nur Diagnosen, aber keine klaren Aussagen dazu, Tätigkeiten welcher Art die Klägerin noch in welchem Umfang pro Tag verrichten kann. Im Gegenteil, die ins deutsche übersetzten Unterlagen lassen vielmehr sogar Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Klägerin zu. Auf Blatt 42 heißt es "kann keine Stellung der zervikalen und lumbalen Wirbelsäule beibehalten" und auf Blatt 57 des medizinischen Teils der Verwaltungsakte heißt es: "Sie erscheint jedoch weiterhin unter vollschichtig einsetzbar für eine leichte körperliche Tätigkeit im Wechselrythmus ...". Das Gericht kann keiner der vorgelegten Unterlagen jedoch entnehmen, dass die Klägerin noch zumindest 6 Stunden täglich eine leichte Tätigkeit verrichten könne, wie in den angefochtenen Bescheiden von der Beklagten nur behauptet.
All diese Umstände stellen seit vielen Jahren einen erheblichen Mangel in der Rechtskontrolle der ausländischen bzw. insbesonderen spanischen Rentenverfahren dar, weil den Sozialgerichten jahrelang praktisch immer nur Rentenakten in spanischer Sprache vorgelegt wurden (die für den in der Fremdsprache nicht bewanderten Lesern nahezu unverständlich sind), obwohl die Gerichtssprache und Amtssprache Deutsch ist (§§ 184-191 GVG, § 19 SGB X, vgl. auch Meyer/Ladewig SGG. 7. Auflage, § 61 Rd. Nr. 7). Damit sollten dem Gericht wie auch dem Widerspruchsausschuss deutsche Unterlagen vorgelegt werden. Auch die Vorlage der in europäischen Rentenverfahren allgemein verwandten Vordrucke bewirkt keine entscheidende ausreichende Sachverhaltsaufklärung. Denn so kann man aus diesen allgemeinen Vordrucken zwar ersehen, zu welchen Punkten welche Antworten gegeben werden können, diese Antworten lassen sich aber der Akte hier gerade so nicht ohne weiteres entnehmen.
Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die "Zurückverweisung" an die Beklagte ist hier auch sachdienlich im Sinne von § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, weil nur damit dem der Beklagten obliegenden Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X Genüge getan wird und weil dies im jetzigen frühen Verfahrensstand auch der Klägerin günstig ist, denn mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und der Zurückverweisung an die Beklagte erlangt sie die Möglichkeit, nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen und nach Übersetzung der bisherigen Unterlagen und nach Feststellung ihrer Berufsbiographie und insbesondere des maßgeblichen Hauptberufes im Falle einer erneuten Ablehnung ihres Rentenantrages erneut wieder alle Rechtsmittel wie Widerspruch und Klageerhebung auszuschöpfen, ohne dass ihr quasi schon die Vorinstanz des Widerspruchsverfahrens genommen wurde, wie die Beklagte dies bisher getan hat.
Die Beklagte wird also nunmehr, wenn sie weiterhin Rente ablehnen will, gemäß § 19 SGB X zu verfahren haben, also die spanischen Unterlagen zu übersetzen haben (auch das Urteil des spanischen Sozialgerichts, weil dessen Meinung zumindest indizielle Wirkung haben kann), sofern die Beklagte daraus der Klägerin ungünstige Schlussfolgerungen ziehen will, und auch durch Befragen der Klägerin zu ihren bisherigen Berufen und Arbeitgebern festzustellen haben, welches der maßgebliche auch für längere Zeit ausgeübte Hauptberuf der Klägerin ist und ob eventuell ein Berufsschutz entstanden sein könne und woraus bzw. aus welchen Unterlagen sich dies ergibt und dann nach Würdigung aller Angaben zu prüfen haben, ob der Klägerin (zumindest) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI zusteht und ggf. seit wann und dabei auch noch näher abzuklären haben, welche Verschlechterungen eingetreten sein könnten im Sinne einer voller Erwerbsminderung, soweit die spanischen medizinischen Unterlagen dafür weitere Anhaltspunkte bieten; angesichts der Unterlagen Bl. 42 und 57 im medizinischen Teil der Verwaltungsakte dürfte nach bisheriger Aktenlage auch noch ein weiteres Gutachten einzuholen sein, mit konkreten Angaben zur Frage, in welchem Umfang die Klägerin täglich noch leistungsfähig ist.
Will die Beklagte also aufgrund spanischer Unterlagen einem Rentenantrag stattgegeben, so muss sie die spanischen Unterlagen nicht übersetzen lassen; will sie aber eine Rente ablehnen, so ist zur Rechtskontrolle und zur Überprüfung sowohl durch den Widerspruchsausschuss wie durch das Sozialgericht dann eine Übersetzung spanischer Unterlagen nötig und geboten.
D. Demzufolge war hier zu entscheiden wie geschehen und zwar auch durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG. Denn von der "Zurückverweisung" an die Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG kann nur sinnvoll Gebrauch gemacht werden, wenn dies zügig geschieht, auch im Interesse der Beteiligten (§ 131 Abs. 5 Satz 4 SGG), zumal die Klägerin hier Einwände gegen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht erhoben hat und keinen weitergehenden Klageantrag gestellt hat. Die Zurückverweisung in geboten erscheinenden Fällen hat daher sinnvollerweise durch Gerichtsbescheid zu erfolgen (so auch Sozialgericht Aachen – Gerichtsbescheid vom 11.01.2005 – S 18 SB 221/04 und Sozialgericht Dresden – Gerichtsbescheid vom 25.02.2005 – S 19 SB 362/04), der als Urteil wirkt (§ 105 Abs. 3 SGG). Wäre angesichts der überlasteten Gerichte erst ein zukünftiger freier Kammertermin abzuwarten, so könnte der Ablauf der 6-Monats-Frist nach § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG möglicherweise nicht eingehalten werden, und schließlich liegt es auch im Interesse der Beteiligten, dass möglichst frühzeitig über eine Zurückverweisung entschieden wird. Ein Abwarten einer Entscheidung im Revisionsverfahren B 0 RJ 00/00 R in Bezug auf das vorgenannte Urteil des LSG NRW vom 11.05.2005 war demnach hier auch nicht geboten, auch weil schon allein durch das Abwarten die 6-Monats-Frist abzulaufen droht, innerhalb derer eine Zurückverweisung nur möglich ist.
E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.
Die Klägerin beantragte am 19.05.2003 Rente aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung. Zum medizinischen Teil der Akte gelangten eine Vielzahl von ärztlichen Unterlagen in spanischer Sprache. Es wurde nur eine Seite davon übersetzt (Bl. 11 des medizinischen Teils der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 06.11.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil auch mit der Zervikal-Arthrose mit Bandscheibenschäden weder volle noch teilweise Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vorliege.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der auch begründet wurde. Wegen einer Vielzahl von Leistungseinschränkungen, die auch von spanischen Ärzten bestätigt würden, sei die bisherige Argumentation der Beklagten nicht nachvollziehbar. Es sei weder ersichtlich, auf welchen Untersuchungsergebnissen die Beurteilung basiere; schon weil keinerlei deutsche Beurteilungen vorliegen würden und die spanischen Befunde bisher nicht übersetzt worden seien; noch sei eine umfassende Prüfung auch zum Hauptberuf durchgeführt worden.
Zur Verwaltungsakte der Beklagten in dem medizinischen Teil gelangte auch ein Urteil eines spanischen Sozialgerichts (Bl. 30 ff des medizinischen Teils), das nicht ins deutsche übersetzt wurde. Die Beklagte ließ auszugsweise medizinische Unterlagen übersetzen, jedoch nicht alle spanischen Unterlagen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2006, der Klägerin zugegangen am 11.01.2006 (Bl. 123 der Rentenakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei der bereits ausgesprochenen Rentenablehnung. Nach ihren medizinischen Feststellungen liege weder teilweise noch volle Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vor. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass die Klägerin als ungelernte bzw. angelernte Arbeiterin zu beurteilen sei. In Deutschland sei sie als Busfahrerin beschäftigt gewesen. Sie sei deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Im übrigen habe der ärztliche Beratungsdienst anhand der bisherigen Unterlagen bestätigt, dass die Klägerin noch körperlich leichte leidensgerechte angepasste Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 05.04.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben, ohne bisher einen konkreten Antrag zu stellen.
Das Sozialgericht hat nach Eingang und Durchsicht der Verwaltungsakte der Beklagten den Beteiligten mitgeteilt zu beabsichtigen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen. Es sei voraussichtlich damit zu rechnen, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben würden mit der Folge, dass die Beklagte dann verpflichtet sei, den Rentenantrag erneut zu bescheiden, nach Durchführung weiterer erforderlicher Ermittlungen. Diese Möglichkeit ergebe sich nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, wonach das Gericht ohne Sachentscheidung die angefochtenen Verwaltungsakte aufheben könne, wenn es die Durchführung weiterer Ermittlungen für erforderlich halte und dies auch sachdienlich sei. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Die Beklagte habe von der Vielzahl spanischer ärztlicher Unterlagen nur einen geringen Teil übersetzen lassen und es sei nicht einmal ersichtlich, auf welche spanischen Unterlagen sich die bisherigen Übersetzungen bezögen. Woraus sich ergeben solle, dass die Klägerin für leichte Tätigkeiten noch 6 Stunden und mehr einsatzfähig sein solle, lasse sich den Unterlagen auch nicht entnehmen. Auch das Urteil des spanischen Sozialgerichts sei nicht übersetzt worden und es seien auch zum Hauptberuf nur ganz rudimentäre Feststellungen getroffen worden, ohne überhaupt die Berufsbiographie der Klägerin festgestellt zu haben. Das Verwaltungsverfahren sei daher völlig intransparent geblieben und es sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte bei geschuldeter sorgsamer Prüfung des Sachverhalts zu ihrer Entscheidung gelangt sei. Die Beklagte werde daher nach Aufhebung der Bescheide noch die spanischen Unterlagen zu übersetzen haben und zu überprüfen haben, welches Leistungsvermögen sich daraus im Einzelnen ergebe und welche Berufe die Klägerin eventuell erlernt und auch ausgeübt habe. In gleicher Weise habe auch bereits der 8. Senat des LSG NRW eine Entscheidung getroffen. Das Gericht hat den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26.05.2006 gegeben.
Die Klägerin hat durch ihre Bevollmächtigten mitgeteilt, sie sei mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise des Gerichts einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem die Beteiligten entsprechend schriftlich angehört wurden und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten und weil die Beurteilung, ob ein Aufhebungsfall nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG vorliegt, keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und insoweit der Sachverhalt sich aus den Akten ergibt.
B. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht innerhalb von 3 Monaten nach Zugang des Widerspruchsbescheides bei der Klägerin (zur Frist von 3 Monaten §§ 151, 153 Abs. 1 und 87 Abs. 1 Satz 2 SGG, Meyer/Ladewig, 8. Auflage, SGG, § 131 Rd. Nr. 6) erhoben. Denn der Widerspruchsbescheid der Beklagten ging der Klägerin erst am 11.01.2006 zu. Es lief dann eine Klagefrist bis zum 11.04.2006. Die Erhebung der Klage am 05.04.2006 war daher fristgerecht.
C. Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide war hier auch nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 in der ab 01.09.2004 geltenden Fassung geboten. Diese Vorschrift besagt: "Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist".
I.
Diese Vorschrift ist anwendbar. Sie gilt für gerichtliche Entscheidungen ab dem 01.09.2004 (Art. 14 des ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz – Bundesgesetzblatt Teil I 2004, 2197 ff, 2209). Die Vorschrift ist auch anwendbar, weil bisher noch keine 6 Monate seit Eingang der Verwaltungsakte der Beklagten (21.04.2006) vergangen sind, § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG. § 131 Abs. 5 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auch auf Klagen anwendbar, die auf eine Verpflichtung der beklagten Behörde gerichtet werden könnten. Die Klägerin hat auch bisher keinen Klageantrag gestellt und sich vielmehr sogar mit der vom Gericht vorgeschlagenen Vorgehensweise (also Aufhebung der angefochtenen Bescheide) einverstanden erklärt, mit Schriftsatz vom 26.05.2006. § 131 Abs. 5 SGG ist ein seit dem 01.09.2004 im Sozialgerichtsgesetz eingefügtes Instrument des Gerichts, das ohne Bindung an eventuell bisher gestellte Anträge gebraucht werden kann, wenn das Gericht die bisherige Sachaufklärung der Beklagten für unzureichend hält. Die Anwendbarkeit von § 131 Abs. 5 SGG sogar in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch bereits bestätigt worden durch das LSG NRW (Urteil vom 11.05.2005 – L 8 RJ 141/04 – zur Zeit in der Revision unter Az.: B 5 RJ 30/05 R) und das Sächsische LSG (Urteil vom 26.10.2005 – L 6 SB 34/05). Danach ist es auch irrelevant, dass nach der Praxis der Verwaltungsgerichte und der Kommentarliteratur zur Verwaltungsgerichtsordnung eine solche Aufhebung nicht möglich sein soll bei eventuellen Verpflichtungsklagen. Denn das verwaltungsgerichtliche Verfahren – ganz anders als das sozialgerichtliche Verfahren – ist wesentlich stärker geprägt von Anfechtungsklagen als Klagen gegen Akte der klassischen Eingriffsverwaltung; die ganz überwiegende Anzahl der sozialgerichtlichen Verfahren hingegen sind typischerweise Klagen auf Erbringung einer Sozialleistung durch die Leistungsverwaltung. Würde man auch für das sozialgerichtliche Verfahren die Anwendbarkeit von § 131 Abs. 5 SGG, also der Zurückverweisung an die Verwaltung, auf Anfechtungsklagen beschränken, so würde damit die Sozialgerichtsbarkeit eines wichtigen Verfahrensinstruments für die überwiegende Anzahl von Verfahren beraubt und § 131 Abs. 5 SGG nur noch einen geringen Anwendungsfall haben. Auch der Gesetzeswortlaut des § 131 Abs. 5 SGG enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift sich nur auf Anfechtungsklagen beschränken soll. Auch die Bundestags-Drucksache zur Neufassung des SGG (Drucksache 378/03 Seite 67) spricht dafür, § 131 Abs. 5 SGG sogar bei Verpflichtungsklagen anzuwenden. Danach sollte diese neue Vorschrift nämlich nunmehr auch für das sozialgerichtliche Verfahren geschaffen werden, um dem Gericht eigentlich der Behörde obliegende zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärung zu ersparen, weil nach Beobachtung der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe. Die typische Sachverhaltsaufklärung, gerade und auch was medizinische Ermittlungen und berufskundliche Ermittlungen angeht, fällt aber typischerweise hauptsächlich bei den üblichen Verpflichtungsklagen an, wie insbesondere bei Klagen auf Gewährung von Sozialleistungen wie Rente, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Teilhabeleistungen und vieles mehr. Gerade dieses Fälle muss der Gesetzgeber bei der Einführung von § 131 Abs. 5 SGG hier im Auge gehabt haben. Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf hält nach alledem nach wie vor die oben genannten Entscheidungen des Sächsischen LSG und des LSG NRW für zutreffend und folgt ihnen weiterhin. Es ist auch kein relevanter Rechtsnachteil für die Klägerin, wenn bisher nur eine "Zurückverweisung" ohne Sachentscheidung ergeht, zumal sie selbst sich mit der vom Gericht beabsichtigten Vorgehensweise einverstanden erklärt hat. Denn diese Vorgehensweise hat für die Klägerin auch den Vorteil, dass ihr quasi erneut das volle Rechtsmittelverfahren eröffnet wird, nämlich das Verwaltungsverfahren einschließlich Widerspruchsverfahren, ohne dass sie jetzt schon die Kosten des Klageverfahrens einschließlich ihrer außergerichtlichen Kosten zu tragen hätte. Es ist hier gerade sinnvoll, sie nicht schon jetzt mit etwaigen Kosten des Klageverfahrens zu belasten. § 131 Abs. 5 SGG ist mithin hier also anwendbar.
II. Es liegen auch die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG vor. Es sind nach Art und Umfang noch Ermittlungen erforderlich, um den Sachverhalt wirklich sachgerecht und abschließend beurteilen zu können. Von den spanischen medizinischen Unterlagen und auch sonstigen spanischen Unterlagen (z. B. des Sozialgerichts in Spanien), die zur Verwaltungsakte gelangten, ist nur ein kleiner Teil übersetzt worden, ohne dass aus den übersetzten Unterlagen überhaupt eine Aussage ableitbar wäre, in welchem Umfang die Klägerin überhaupt einsetzbar ist. Es ist somit nicht ersichtlich, dass wirklich alle maßgeblichen medizinischen Erkenntnisse, die sich aus den spanischen Unterlagen in der Akte ergeben, auch der Sachbearbeitung und der Widerspruchsstelle der Beklagten hinreichend bekannt wurden. Um einen Antrag und einen Widerspruchsvortrag einigermaßen angemessen würdigen zu können, gerade und auch durch die Sachbearbeitung und die Widerspruchsstelle, müssen doch zunächst Unterlagen in ins Deutsche übersetzter Form gewürdigt werden. Die Beklagte kann sich auch nicht auf ihre eventuelle Argumentation berufen, die Ärzte ihres medizinischen Dienstes seien mit spanischen Gutachten vertraut und es würden deshalb Unterlagen aus Spanien nicht vollständig ins Deutsche übersetzt werden müssen. Es kann dabei letztlich dahinstehen, ob die Spanischkenntnisse und noch vorhandenen Lateinkenntnisse des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten auch für komplizierte Sachverhalte ausreichen und auch zur Würdigung etwaiger Verschlechterungen. Denn auch die Sachbearbeitung und vor allem und gerade auch der Widerspruchsausschuss muss wissen, worüber er eigentlich entscheiden will und ob hier ein Versicherungsfall eventuell zumindest der Berufsunfähigkeit möglich sei oder nicht. Anderenfalls werden das Widerspruchsverfahren und der Widerspruchsausschuss ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht, wenn letzterer ohne eigene Prüfung sich blind auf den beratungsärztlichen Dienst verlässt, wie das im Widerspruchsbescheid auch zum Ausdruck gekommen ist. Denn schließlich gilt für die Beklagte der Untersuchungsgrundsatz, wonach sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen, Umstände zu berücksichtigen hat, § 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X. Sie hat außerdem die Regelung über die Vorlage von Unterlagen in fremder Sprache zu berücksichtigen, § 19 Abs. 2 SGB X. Danach soll die Beklagte unverzüglich die Vorlage von Übersetzungen verlangen, sofern sie nicht in der Lage ist, die Anträge und Schriftstücke zu verstehen; gerade bei medizinischen Sachverhalten kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass alles Wesentliche schon vom beratungsärztlichen Dienst verstanden werden würde und auch alles Wesentliche richtig übertragen werde. So hat bei Nichtübersetzung von Unterlagen in einer fremden Sprache die Rechtsprechung dies auch schon für einen erheblichen Verfahrensfehler gehalten, der deswegen zur Zurückverweisung führen könne (für das sozialgerichtliche Verfahren die oben erwähnten Urteile des LSG NRW und des Sächsischen LSG; für von einer zweiten Gerichtsinstanz zurück an die erste Gerichtsinstanz OLG Saarbrücken – Urteil vom 20.01.1989 – 5 Of 12/97 in NJWE-FER 1998, 280). Nach Aktenlage jedenfalls lassen sich Sozialanamnese und Berufsbiographie der Klägerin nach wie vor nicht eindeutig den Unterlagen der Verwaltungsakte entnehmen. Es wurde der Klägerin offenbar nicht einmal ein Vordruck übersandt, wie er in deutschen Rentenverfahren allgemein üblich ist, nämlich der Fragebogen zur Feststellung von Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit oder von Erwerbsminderung, mit Angaben zum gesamten bisherigen beruflichen Lebenslauf und auch zu erlernten Berufen. Die Beklagte hat sich hier offenbar nur gestützt auf eine zuletzt von der Klägerin in Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Busfahrerin, ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass die Klägerin früher eventuell auch schon Berufe erlernt hat und ohne zu prüfen aus welchen Gründen diese Berufe aufgegeben wurden. Auf die in Spanien ausgeübten Berufe kommt es für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit nach deutschen Recht ohnehin nicht an. Erschwert wird die gesamte Beurteilung des Sachverhalts noch durch die nur rudimentäre Übersetzung der Unterlagen in der Verwaltungsakte; daraus ergeben sich im wesentlichen nur Diagnosen, aber keine klaren Aussagen dazu, Tätigkeiten welcher Art die Klägerin noch in welchem Umfang pro Tag verrichten kann. Im Gegenteil, die ins deutsche übersetzten Unterlagen lassen vielmehr sogar Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Klägerin zu. Auf Blatt 42 heißt es "kann keine Stellung der zervikalen und lumbalen Wirbelsäule beibehalten" und auf Blatt 57 des medizinischen Teils der Verwaltungsakte heißt es: "Sie erscheint jedoch weiterhin unter vollschichtig einsetzbar für eine leichte körperliche Tätigkeit im Wechselrythmus ...". Das Gericht kann keiner der vorgelegten Unterlagen jedoch entnehmen, dass die Klägerin noch zumindest 6 Stunden täglich eine leichte Tätigkeit verrichten könne, wie in den angefochtenen Bescheiden von der Beklagten nur behauptet.
All diese Umstände stellen seit vielen Jahren einen erheblichen Mangel in der Rechtskontrolle der ausländischen bzw. insbesonderen spanischen Rentenverfahren dar, weil den Sozialgerichten jahrelang praktisch immer nur Rentenakten in spanischer Sprache vorgelegt wurden (die für den in der Fremdsprache nicht bewanderten Lesern nahezu unverständlich sind), obwohl die Gerichtssprache und Amtssprache Deutsch ist (§§ 184-191 GVG, § 19 SGB X, vgl. auch Meyer/Ladewig SGG. 7. Auflage, § 61 Rd. Nr. 7). Damit sollten dem Gericht wie auch dem Widerspruchsausschuss deutsche Unterlagen vorgelegt werden. Auch die Vorlage der in europäischen Rentenverfahren allgemein verwandten Vordrucke bewirkt keine entscheidende ausreichende Sachverhaltsaufklärung. Denn so kann man aus diesen allgemeinen Vordrucken zwar ersehen, zu welchen Punkten welche Antworten gegeben werden können, diese Antworten lassen sich aber der Akte hier gerade so nicht ohne weiteres entnehmen.
Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die "Zurückverweisung" an die Beklagte ist hier auch sachdienlich im Sinne von § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, weil nur damit dem der Beklagten obliegenden Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X Genüge getan wird und weil dies im jetzigen frühen Verfahrensstand auch der Klägerin günstig ist, denn mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und der Zurückverweisung an die Beklagte erlangt sie die Möglichkeit, nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen und nach Übersetzung der bisherigen Unterlagen und nach Feststellung ihrer Berufsbiographie und insbesondere des maßgeblichen Hauptberufes im Falle einer erneuten Ablehnung ihres Rentenantrages erneut wieder alle Rechtsmittel wie Widerspruch und Klageerhebung auszuschöpfen, ohne dass ihr quasi schon die Vorinstanz des Widerspruchsverfahrens genommen wurde, wie die Beklagte dies bisher getan hat.
Die Beklagte wird also nunmehr, wenn sie weiterhin Rente ablehnen will, gemäß § 19 SGB X zu verfahren haben, also die spanischen Unterlagen zu übersetzen haben (auch das Urteil des spanischen Sozialgerichts, weil dessen Meinung zumindest indizielle Wirkung haben kann), sofern die Beklagte daraus der Klägerin ungünstige Schlussfolgerungen ziehen will, und auch durch Befragen der Klägerin zu ihren bisherigen Berufen und Arbeitgebern festzustellen haben, welches der maßgebliche auch für längere Zeit ausgeübte Hauptberuf der Klägerin ist und ob eventuell ein Berufsschutz entstanden sein könne und woraus bzw. aus welchen Unterlagen sich dies ergibt und dann nach Würdigung aller Angaben zu prüfen haben, ob der Klägerin (zumindest) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI zusteht und ggf. seit wann und dabei auch noch näher abzuklären haben, welche Verschlechterungen eingetreten sein könnten im Sinne einer voller Erwerbsminderung, soweit die spanischen medizinischen Unterlagen dafür weitere Anhaltspunkte bieten; angesichts der Unterlagen Bl. 42 und 57 im medizinischen Teil der Verwaltungsakte dürfte nach bisheriger Aktenlage auch noch ein weiteres Gutachten einzuholen sein, mit konkreten Angaben zur Frage, in welchem Umfang die Klägerin täglich noch leistungsfähig ist.
Will die Beklagte also aufgrund spanischer Unterlagen einem Rentenantrag stattgegeben, so muss sie die spanischen Unterlagen nicht übersetzen lassen; will sie aber eine Rente ablehnen, so ist zur Rechtskontrolle und zur Überprüfung sowohl durch den Widerspruchsausschuss wie durch das Sozialgericht dann eine Übersetzung spanischer Unterlagen nötig und geboten.
D. Demzufolge war hier zu entscheiden wie geschehen und zwar auch durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG. Denn von der "Zurückverweisung" an die Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG kann nur sinnvoll Gebrauch gemacht werden, wenn dies zügig geschieht, auch im Interesse der Beteiligten (§ 131 Abs. 5 Satz 4 SGG), zumal die Klägerin hier Einwände gegen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht erhoben hat und keinen weitergehenden Klageantrag gestellt hat. Die Zurückverweisung in geboten erscheinenden Fällen hat daher sinnvollerweise durch Gerichtsbescheid zu erfolgen (so auch Sozialgericht Aachen – Gerichtsbescheid vom 11.01.2005 – S 18 SB 221/04 und Sozialgericht Dresden – Gerichtsbescheid vom 25.02.2005 – S 19 SB 362/04), der als Urteil wirkt (§ 105 Abs. 3 SGG). Wäre angesichts der überlasteten Gerichte erst ein zukünftiger freier Kammertermin abzuwarten, so könnte der Ablauf der 6-Monats-Frist nach § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG möglicherweise nicht eingehalten werden, und schließlich liegt es auch im Interesse der Beteiligten, dass möglichst frühzeitig über eine Zurückverweisung entschieden wird. Ein Abwarten einer Entscheidung im Revisionsverfahren B 0 RJ 00/00 R in Bezug auf das vorgenannte Urteil des LSG NRW vom 11.05.2005 war demnach hier auch nicht geboten, auch weil schon allein durch das Abwarten die 6-Monats-Frist abzulaufen droht, innerhalb derer eine Zurückverweisung nur möglich ist.
E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved