Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 197/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 18/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.02.2006 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Durchführung einer LDL-Apherese.
Bei der 1947 geborenen Klägerin besteht eine familiäre Hypercholesterinämie mit Lipoprotein (a)-Erhöhung. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit zur LDL-Elimination die Durchführung der LDL-Apherese bewilligt, nachdem in einem Gerichtsgutachten vom 9.11.2000 in dem Verfahren SG Dortmund, S 41 KR 59/00, Priv. Doz. Dr. I eine Indikation für die Durchführung dieser Behandlung nach den Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bejaht hatte, da auch durch eine 12-monatige medikamentöse und diätetische Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt worden sei. In der Folgezeit verlängerte die Beklagte auf Grund entsprechender Empfehlung der Gutachterkommission der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen ihre Genehmigung bis zum 30.09.2003.
Auf den Verlängerungsantrag vom 10.09.2003 kam die Beratungskommission der KV Nordrhein am 03.11.2003 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen nach den Richtlinien nicht gegeben seien. Es bestehe kein Hinweis auf eine koronare Herzerkrankung, die Behandlung mit einem neuen Medikament werde erst seit April 2003 durchgeführt, so dass dessen Ergebnis abzuwarten sei. Dies teilte Priv. Doz. Dr. T mit Schreiben vom 14.11.2003 dem die Apherese durchführenden Arzt mit. In der Folgezeit verlängerte die Beklagte bis zur endgültigen Klärung der Sachlage ihre Zusagen bis (zuletzt) 30.04.2004. Priv. Doz. Dr. T gelangte in einem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 01.05.2004 zu dem Ergebnis, die Empfehlung der Beratungskommission entspreche dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, da nach den bislang vorgelegten Studien keine ausreichende Evidenz für die klinische Wirksamkeit einer extrakorporalen LDL-Eliminationsbehandlung bei Patienten mit nicht homozygoter familiärer Hypercholesterinämie oder Erhöhung von Lipoprotein bestehe. Da die Klägerin einen neuen Cholesterinresoptionshemmer in Kombination mit Atorvastatin seit April 2003 in einer nur geringen Tagesdosis eingenommen habe, bei ihr keine koronare Herzerkrankung festgestellt worden sei und auch klinisch keine entsprechenden Symptome aufgetreten seien, und sich die Lipidwerte gebessert hätten, sei eine Indikation zur Durchführung einer extrakorporalen LDL-Eminination nicht gegeben; vielmehr solle die medikamentöse Therapie weiter optimiert werden. Mit Bescheid vom 13.05.2001 lehnte die Beklagte daraufhin die weitere Genehmigung der LDL-Apherese ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 zurück.
Im Klageverfahren hat sich die Klägerin auf das Gutachten von Priv. Doz. Dr. I vom 09.11.2000 bezogen und geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand habe sich seither eher verschlechtert, so dass weiterhin eine Indikation zur Durchführung der LDL-Eliminationsbehandlung gegeben sei.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von dem die Apherese durchführenden Arzt Prof. Dr. C eingeholt (Bericht vom 09.02.2005) und die Beklagte veranlasst, hierzu eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. In dem MDK-Gutachten vom 21.07.2005 kommt Dr. X zu dem Ergebnis, den vorliegenden Unterlagen sei nicht eindeutig zu entnehmen, inwieweit ein konsequentes, diätetisches Behandlungskonzept in den letzten Jahren verfolgt worden sei. Ferner sei eine dauerhafte, anhaltende Absenkung der LDL-Cholesterinfraktion durch die langjährig erfolgte Apheresebehandlung nach den Unterlagen nicht eindeutig nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen sei nicht auszuschließen, dass eine Indikation zur Durchführung einer Apheresebehandlung vorliege; zwingend nachvollziehbar sei eine solche Indikation unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen jedoch nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Befundbericht von Prof. Dr. C und das Gutachten von Dr. X Bezug genommen.
Auf Anregung des Gerichts war auf entsprechenden Antrag der Beteiligten zunächst das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Die Klägerin hat nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) die Wiederaufnahme beantragt und die Auffassung vertreten, für die Eintrittspflicht der Krankenkasse für die streitige Behandlung sei nur erforderlich, dass eine begründete Erfolgsaussicht bestehe.
Mit Urteil vom 08.02.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf den Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend ausgeführt, da bei der Klägerin noch keine Koronarerkrankung vorliege, handele es sich bei der LDL-Apherese nur um eine Vorbeugungsmaßnahme. Es müsse abgewartet werden, wie sich die Behandlung mit Cholesterinhemmern unter einer strengen Beachtung der Diät langfristig auswirke. Für einen evtl. künftigen Antrag sei jedoch das Gericht nicht zuständig.
Mit der fristgerecht eingelegten Berufung fordert die Klägerin weiterhin die Genehmigung der LDL-Apherese. Unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 macht sie geltend, bei ihr bestehe bei Nichtbehandlung eine akute Lebensgefährdung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.02.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 zu verurteilen, eine Genehmigung zur Durchführung der LDL-Apherese zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Da eine unmittelbare Lebensbedrohung nicht bestehe, sei der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht einschlägig.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Sinne der Zurückweisung begründet.
Gemäß § 159 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn (unter anderem) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (aaO Nr. 2). Diese Voraussetzung liegt vor, denn das sozialgerichtliche Verfahren leidet an wesentlichen Mängeln. Das Gericht hat den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 Abs. 1 SGG) verletzt und gegen § 128 Abs. 1 SGG verstoßen.
Das Sozialgericht hat unter Missachtung des § 103 SGG den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht ermittelt. § 103 S. 1 1. Halbsatz SGG verpflichtet das Sozialgericht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen. Ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip liegt vor, wenn das Sozialgericht die Ermittlung von Tatsachen unterlässt, die es nach seiner Rechtsauffassung hätte anstellen müssen, mit anderen Worten, zu denen es sich gedrängt fühlen musste (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 103 Rd.-Nr. 4 ff.). Das ist hier der Fall. Das Sozialgericht hätte sich zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen, um die tatsächlichen Grundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch festzustellen. Das Sozialgericht hat zunächst zutreffend einen Befundbericht eingeholt. Im Folgenden mochte es zunächst angezeigt sein, die Beklagte zur Befragung des MDK zu diesen Unterlagen zu bitten. Aus dem Gutachten von Dr. X vom 21.07.2005 ergab sich dann aber weiterer Aufklärungsbedarf, denn in dem Gutachten wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum einen aus den Unterlagen nicht ersichtlich sei, welche diätetischen Maßnahmen in der Vergangenheit durchgeführt worden seien und zum anderen sich nicht daraus ergebe, inwieweit die LDL-Eliminationsbehandlung erfolgreich gewesen sei. Dr. X räumt ausdrücklich ein, dass nach den vorliegenden Unterlagen nicht auszuschließen sei, dass eine Indikation zur Durchführung einer Apheresebehandlung vorliege, wie sie der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in der Fassung der Nr. 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien vom 24.03.2003 fordere. Es wäre daher erforderlich gewesen, die von Dr. X genannten Aspekte zu klären. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Gericht in dem Schreiben vom 16.09.2005 behauptet hat, der Anspruch der Klägerin scheitere an den BUB-Richtlinien und weshalb deswegen den Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Wirksamkeit der Richtlinien vorgeschlagen worden ist. Die Voraussetzungen für einen Ruhensbeschluss lagen nicht vor, da die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 3.1 der Nr. 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien nicht geklärt war und somit die Frage der Vereinbarkeit der BUB-Richtlinien mit höherrangigem Recht nicht entscheidungserheblich war. Mithin war die Anordnung des Ruhens im Hinblick auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht im Sinne des § 253 Zivilprozessordnung (ZPO) zweckmäßig. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens im Dezember 2005 bestand erst recht weiterer Aufklärungsbedarf, weil nunmehr die Auswirkungen der medikamentösen und diätetischen Behandlung der Klägerin über einen längeren Zeitraum (ohne Durchführung einer LDL-Apherese) zu überprüfen gewesen wäre.
Bei seiner Entscheidung hat das Sozialgericht ferner § 128 Abs. 1 SGG verletzt. In dem Urteil fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem - vom Gericht selbst veranlassten - Gutachten des MDK vom 21.07.2005. Das Sozialgericht begründet nicht, warum es abweichend von diesem Gutachten davon überzeugt ist, dass eine Indikation für die LDL-Apherese gemäß den BUB-Richtlinien nicht vorliegt. Die gegebene Begründung, bei der Klägerin liege (noch) keine Koronarerkrankung vor, so dass es sich bei der LDL-Apherese um eine Vorsorgemaßnahme handle, hat keinen Bezug zu den BUB-Richtlinien. Die Indikation für eine LDL-Apherese wird dort nämlich nicht vom Vorliegen einer Koronarerkrankung abhängig gemacht. Offenkundig besteht ein Anspruch auf Durchführung von LDL-Apheresen (schon) wegen des mit der LDL-Hypercholesterinämie verbunden erhöhten kardiovaskulären Risikos. Insoweit wird zwar in den Richtlinien für die Indikation eine Abwägung des Gesamtrisikoprofils gefordert, nicht aber das Vorliegen einer schon bestehenden Koronarerkrankung. Von daher geht die Begründung an der Sache vorbei. Unabhängig davon nennt Prof. Dr. C in seinem Befundbericht auch die Diagnose einer koronaren Herzkrankheit, so dass von der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ausgehend sich dieses hätte mit dieser Diagnose auseinandersetzen müssen. Soweit das Sozialgericht die LDL-Apherese als "Vorsorgemaßnahme" qualifiziert hat, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass mangels eigener medizinischer Sachkunde ein Gericht regelmäßig kaum in der Lage sein wird, zu beurteilen, wann bestimmte Maßnahmen als Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V oder als Vorsorgeleistung im Sinne des § 23 Abs.1 SGB V zu werten sind; den Entscheidungsgründen des Urteils lässt sich jedenfalls nichts für eine entsprechende Sachkunde des Gerichts entnehmen.
Wegen der genannten Verfahrensfehler war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben. Der Senat hält angesichts der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung eine Zurückverweisung für sachgerecht, um der Klägerin beide Tatsacheninstanzen zu erhalten.
Das Sozialgericht wird bei seinem weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob im Hinblick auf die Regelungen der Nr. 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien die Beiladung der zuständigen KV angezeigt ist. Es wird auch über die Kosten des Verfahrens entscheiden müssen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Durchführung einer LDL-Apherese.
Bei der 1947 geborenen Klägerin besteht eine familiäre Hypercholesterinämie mit Lipoprotein (a)-Erhöhung. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit zur LDL-Elimination die Durchführung der LDL-Apherese bewilligt, nachdem in einem Gerichtsgutachten vom 9.11.2000 in dem Verfahren SG Dortmund, S 41 KR 59/00, Priv. Doz. Dr. I eine Indikation für die Durchführung dieser Behandlung nach den Richtlinien des (früheren) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen bejaht hatte, da auch durch eine 12-monatige medikamentöse und diätetische Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt worden sei. In der Folgezeit verlängerte die Beklagte auf Grund entsprechender Empfehlung der Gutachterkommission der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen ihre Genehmigung bis zum 30.09.2003.
Auf den Verlängerungsantrag vom 10.09.2003 kam die Beratungskommission der KV Nordrhein am 03.11.2003 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen nach den Richtlinien nicht gegeben seien. Es bestehe kein Hinweis auf eine koronare Herzerkrankung, die Behandlung mit einem neuen Medikament werde erst seit April 2003 durchgeführt, so dass dessen Ergebnis abzuwarten sei. Dies teilte Priv. Doz. Dr. T mit Schreiben vom 14.11.2003 dem die Apherese durchführenden Arzt mit. In der Folgezeit verlängerte die Beklagte bis zur endgültigen Klärung der Sachlage ihre Zusagen bis (zuletzt) 30.04.2004. Priv. Doz. Dr. T gelangte in einem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 01.05.2004 zu dem Ergebnis, die Empfehlung der Beratungskommission entspreche dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, da nach den bislang vorgelegten Studien keine ausreichende Evidenz für die klinische Wirksamkeit einer extrakorporalen LDL-Eliminationsbehandlung bei Patienten mit nicht homozygoter familiärer Hypercholesterinämie oder Erhöhung von Lipoprotein bestehe. Da die Klägerin einen neuen Cholesterinresoptionshemmer in Kombination mit Atorvastatin seit April 2003 in einer nur geringen Tagesdosis eingenommen habe, bei ihr keine koronare Herzerkrankung festgestellt worden sei und auch klinisch keine entsprechenden Symptome aufgetreten seien, und sich die Lipidwerte gebessert hätten, sei eine Indikation zur Durchführung einer extrakorporalen LDL-Eminination nicht gegeben; vielmehr solle die medikamentöse Therapie weiter optimiert werden. Mit Bescheid vom 13.05.2001 lehnte die Beklagte daraufhin die weitere Genehmigung der LDL-Apherese ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2004 zurück.
Im Klageverfahren hat sich die Klägerin auf das Gutachten von Priv. Doz. Dr. I vom 09.11.2000 bezogen und geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand habe sich seither eher verschlechtert, so dass weiterhin eine Indikation zur Durchführung der LDL-Eliminationsbehandlung gegeben sei.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von dem die Apherese durchführenden Arzt Prof. Dr. C eingeholt (Bericht vom 09.02.2005) und die Beklagte veranlasst, hierzu eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. In dem MDK-Gutachten vom 21.07.2005 kommt Dr. X zu dem Ergebnis, den vorliegenden Unterlagen sei nicht eindeutig zu entnehmen, inwieweit ein konsequentes, diätetisches Behandlungskonzept in den letzten Jahren verfolgt worden sei. Ferner sei eine dauerhafte, anhaltende Absenkung der LDL-Cholesterinfraktion durch die langjährig erfolgte Apheresebehandlung nach den Unterlagen nicht eindeutig nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen sei nicht auszuschließen, dass eine Indikation zur Durchführung einer Apheresebehandlung vorliege; zwingend nachvollziehbar sei eine solche Indikation unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen jedoch nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Befundbericht von Prof. Dr. C und das Gutachten von Dr. X Bezug genommen.
Auf Anregung des Gerichts war auf entsprechenden Antrag der Beteiligten zunächst das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Die Klägerin hat nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) die Wiederaufnahme beantragt und die Auffassung vertreten, für die Eintrittspflicht der Krankenkasse für die streitige Behandlung sei nur erforderlich, dass eine begründete Erfolgsaussicht bestehe.
Mit Urteil vom 08.02.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf den Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend ausgeführt, da bei der Klägerin noch keine Koronarerkrankung vorliege, handele es sich bei der LDL-Apherese nur um eine Vorbeugungsmaßnahme. Es müsse abgewartet werden, wie sich die Behandlung mit Cholesterinhemmern unter einer strengen Beachtung der Diät langfristig auswirke. Für einen evtl. künftigen Antrag sei jedoch das Gericht nicht zuständig.
Mit der fristgerecht eingelegten Berufung fordert die Klägerin weiterhin die Genehmigung der LDL-Apherese. Unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 macht sie geltend, bei ihr bestehe bei Nichtbehandlung eine akute Lebensgefährdung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.02.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 zu verurteilen, eine Genehmigung zur Durchführung der LDL-Apherese zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Da eine unmittelbare Lebensbedrohung nicht bestehe, sei der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht einschlägig.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Sinne der Zurückweisung begründet.
Gemäß § 159 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn (unter anderem) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (aaO Nr. 2). Diese Voraussetzung liegt vor, denn das sozialgerichtliche Verfahren leidet an wesentlichen Mängeln. Das Gericht hat den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 Abs. 1 SGG) verletzt und gegen § 128 Abs. 1 SGG verstoßen.
Das Sozialgericht hat unter Missachtung des § 103 SGG den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht ermittelt. § 103 S. 1 1. Halbsatz SGG verpflichtet das Sozialgericht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen. Ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip liegt vor, wenn das Sozialgericht die Ermittlung von Tatsachen unterlässt, die es nach seiner Rechtsauffassung hätte anstellen müssen, mit anderen Worten, zu denen es sich gedrängt fühlen musste (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 103 Rd.-Nr. 4 ff.). Das ist hier der Fall. Das Sozialgericht hätte sich zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen, um die tatsächlichen Grundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch festzustellen. Das Sozialgericht hat zunächst zutreffend einen Befundbericht eingeholt. Im Folgenden mochte es zunächst angezeigt sein, die Beklagte zur Befragung des MDK zu diesen Unterlagen zu bitten. Aus dem Gutachten von Dr. X vom 21.07.2005 ergab sich dann aber weiterer Aufklärungsbedarf, denn in dem Gutachten wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum einen aus den Unterlagen nicht ersichtlich sei, welche diätetischen Maßnahmen in der Vergangenheit durchgeführt worden seien und zum anderen sich nicht daraus ergebe, inwieweit die LDL-Eliminationsbehandlung erfolgreich gewesen sei. Dr. X räumt ausdrücklich ein, dass nach den vorliegenden Unterlagen nicht auszuschließen sei, dass eine Indikation zur Durchführung einer Apheresebehandlung vorliege, wie sie der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in der Fassung der Nr. 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien vom 24.03.2003 fordere. Es wäre daher erforderlich gewesen, die von Dr. X genannten Aspekte zu klären. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Gericht in dem Schreiben vom 16.09.2005 behauptet hat, der Anspruch der Klägerin scheitere an den BUB-Richtlinien und weshalb deswegen den Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Wirksamkeit der Richtlinien vorgeschlagen worden ist. Die Voraussetzungen für einen Ruhensbeschluss lagen nicht vor, da die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 3.1 der Nr. 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien nicht geklärt war und somit die Frage der Vereinbarkeit der BUB-Richtlinien mit höherrangigem Recht nicht entscheidungserheblich war. Mithin war die Anordnung des Ruhens im Hinblick auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht im Sinne des § 253 Zivilprozessordnung (ZPO) zweckmäßig. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens im Dezember 2005 bestand erst recht weiterer Aufklärungsbedarf, weil nunmehr die Auswirkungen der medikamentösen und diätetischen Behandlung der Klägerin über einen längeren Zeitraum (ohne Durchführung einer LDL-Apherese) zu überprüfen gewesen wäre.
Bei seiner Entscheidung hat das Sozialgericht ferner § 128 Abs. 1 SGG verletzt. In dem Urteil fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem - vom Gericht selbst veranlassten - Gutachten des MDK vom 21.07.2005. Das Sozialgericht begründet nicht, warum es abweichend von diesem Gutachten davon überzeugt ist, dass eine Indikation für die LDL-Apherese gemäß den BUB-Richtlinien nicht vorliegt. Die gegebene Begründung, bei der Klägerin liege (noch) keine Koronarerkrankung vor, so dass es sich bei der LDL-Apherese um eine Vorsorgemaßnahme handle, hat keinen Bezug zu den BUB-Richtlinien. Die Indikation für eine LDL-Apherese wird dort nämlich nicht vom Vorliegen einer Koronarerkrankung abhängig gemacht. Offenkundig besteht ein Anspruch auf Durchführung von LDL-Apheresen (schon) wegen des mit der LDL-Hypercholesterinämie verbunden erhöhten kardiovaskulären Risikos. Insoweit wird zwar in den Richtlinien für die Indikation eine Abwägung des Gesamtrisikoprofils gefordert, nicht aber das Vorliegen einer schon bestehenden Koronarerkrankung. Von daher geht die Begründung an der Sache vorbei. Unabhängig davon nennt Prof. Dr. C in seinem Befundbericht auch die Diagnose einer koronaren Herzkrankheit, so dass von der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ausgehend sich dieses hätte mit dieser Diagnose auseinandersetzen müssen. Soweit das Sozialgericht die LDL-Apherese als "Vorsorgemaßnahme" qualifiziert hat, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass mangels eigener medizinischer Sachkunde ein Gericht regelmäßig kaum in der Lage sein wird, zu beurteilen, wann bestimmte Maßnahmen als Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V oder als Vorsorgeleistung im Sinne des § 23 Abs.1 SGB V zu werten sind; den Entscheidungsgründen des Urteils lässt sich jedenfalls nichts für eine entsprechende Sachkunde des Gerichts entnehmen.
Wegen der genannten Verfahrensfehler war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben. Der Senat hält angesichts der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung eine Zurückverweisung für sachgerecht, um der Klägerin beide Tatsacheninstanzen zu erhalten.
Das Sozialgericht wird bei seinem weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob im Hinblick auf die Regelungen der Nr. 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien die Beiladung der zuständigen KV angezeigt ist. Es wird auch über die Kosten des Verfahrens entscheiden müssen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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