S 11 AL 76/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 76/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Kraftfahrzeughilfe.

Der am 00.00.1970 geborene Kläger beantragte am 22.04.2005 bei der Beklagten Hilfe zur Erlangung einer Fahrerlaubnis und Beschaffung eines Kraftfahrzeuges und führte zur Begründung aus, er beabsichtige, unter dem Namen "g d" von seinem Wohnsitz aus eine selbständige Tätigkeit als Kaufmann aufzunehmen. Er leide unter sozialer Phobie, so dass es ihm nicht möglich sei, mit fremden Personen zu arbeiten oder diese aufzusuchen. Einen Arbeitsweg im eigentlichen Sinne gebe es nicht, jedoch benötige er Fahrerlaubnis und Kraftfahrzeug, um Kundenbestellungen zur Post zu bringen, Lieferungen bei der Post oder bei Lieferanten abzuholen, Produktschulungen zu besuchen oder "befreundete Händler" aufzusuchen.

Mit Bescheid vom 14.06.2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, Kraftfahrzeughilfe werde nur zur Erlangung, Erhaltung oder Sicherung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gewährt. Da es bereits hieran fehle, seien die weiteren Voraussetzungen der begehrten Leistung nicht näher zu prüfen. Den am 15.06.2005 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2005 zurück. Hiergegen richtet sich die 18.07.2005 erhobene Klage.

Der Kläger führt aus, § 33 Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) i.V.m. § 3 Abs. 4 der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (Kraftfahtzeughilfe-Verordnung, KfzHVO) sehe einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe ausdrücklich auch zur Unterstützung einer selbständigen Tätigkeit vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 zu verurteilen, ihm Kraftfahrzeughilfe in Gestalt der Beschaffung eines Kraftfahrzeuges und der Erlangung einer Fahrerlaubnis zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, § 3 Abs. 4 KfzHVO finde ihr gegenüber keine Anwendung, da das Arbeitsförderungsrecht keine gesetzliche Anspruchsgrundlage kenne, auf der auch selbständig Tätigen Kraftfahtzeughilfe erbracht werden könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind nicht rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da der Kläger keinen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe hat.

Das Gericht braucht nicht zu entscheiden, ob die Rechtsauffassung der Beklagten, sie dürfe Kraftfahrzeughilfe allein zur Erlangung, Erhaltung oder Sicherung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses leisten, richtig ist oder ob die Beklagte möglicherweise im Wege von § 14 SGB IX auch für die - nach anderen Leistungsgesetzen i.V.m. § 3 Abs. 4 KfzHVO vorgesehene (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.11.2005, L 14 RA 128/04) - Kraftfahtzeughilfe zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zuständig geworden ist. Jedenfalls scheitert der klageweise geltend gemachte Anspruch bereits daran, dass der Kläger die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Kraftfahrzeughilfe weder nach § 3 Abs. 1 KfzHVO noch nach § 3 Abs. 3 KfZHVO (jeweils i.V.m. § 3 Abs. 4 KfzHVO) erfüllt.

Ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 KfzHVO scheitert daran, dass der Kläger sein Büro an seinem Wohnsitz betreibt. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KfzHVO setzt voraus, dass der behinderte Mensch auf die Benutzung seines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeitsort zu erreichen. Arbeitsort i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KfzHVO ist, auch bei Tätigkeiten, die mit der Notwendigkeit häufiger Kundenbesuche verbunden sind, diejenige Stelle, von der aus der Einsatz organisiert und abgewickelt wird (Bayerisches LSG, Urteil vom 25.08.1999, L 1 RA 10/99). Dies ist auch bei klassischen Außendiensttätigkeiten das eigene Büro (Bayerisches LSG, a.a.O.), das der Kläger - wie unstreitig ist - an seinem Wohnsitz unterhält.

Ein Anspruch nach § 3 Abs. 3 KfzHVO setzt voraus, dass der behinderte Mensch zur Berufausübung nicht nur vorübergehend auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist und nur durch die Kraftfahrzeughilfe die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden kann. Eine solche Notwendigkeit sieht das Gericht nicht.

Soweit der Kläger (erstmals in der mündlichen Verhandlung) erklärt hat, er benötige ein Kraftfahrzeug, um Kunden zu Beratungsgesprächen zuhause aufzusuchen, hat er die erheblichen Diskrepanzen zwischen dieser Aussage und seinen ausführlichen Angaben im Verwaltungsverfahren nicht hinreichend zu erklären vermocht. Bei Antragstellung hatte er angegeben, es sei ihm aufgrund ausgeprägter sozialer Phobie nicht möglich, fremde Menschen aufzusuchen und mit ihnen zu arbeiten. In der mündlichen Verhandlung hat er diese Angaben dahingehend revidiert, es gehe ihm gerade darum, Kunden per Kraftfahrzeug zuhause aufzusuchen und beraten. Neue medizinische Befunde, die eine insoweit wesentliche Besserung der psychischen Erkrankungen belegen, hat der Kläger nicht vorgelegt. Er hat auch - nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung - bisher ausschließlich Kunden aus seinem Bekanntenkreis zuhause aufgesucht, so dass das Gericht aus den (nach Angaben des Klägers etwa zehn) bisherigen Beratungsgesprächen den Schluss ziehen kann, der Kläger sei nunmehr - entgegen seinen Angaben noch vor weniger als einem Jahr - in der Lage, andere Menschen aufzusuchen.

Auch die anderen Gründe, die der Kläger für einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe anführt, überzeugen nicht. Soweit der Kläger ausführt, er benötige ein Kraftfahrzeug auch dazu, Sendungen zur Post zu befördern, ist jedenfalls nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger sich nicht auch eines Kurierdienstes bedienen kann, der die Sendungen bei ihm abholt. Wieso es für den Kläger weiterhin erforderlich sein soll, Lieferungen bei der Post abzuholen, ist nicht hinreichend dargetan, da die Post ihre Sendungen auszuliefern pflegt. Besuche von Produktschulungen oder bei befreundeten Händlern bewertet das Gericht nicht als unerlässlich für die Berufsausübung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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