L 12 AL 173/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 1535/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 173/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.09.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie von der Beklagten getragener Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit des früheren Arbeitsnehmers der Klägerin Herrn N. T. (T).

Der 1941 geborene T war seit dem 01.04.1978 bei der Fa. L. mit Sitz in L. beschäftigt, welche im Jahr 1998 durch die Klägerin übernommen wurde. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag hat nie existiert. Zuletzt hat T seit 1983 als Bereichsleiter bzw. Kundenbetreuer gearbeitet. Auch nach der Übernahme der Firma L. durch die Klägerin übte T zunächst die zuvor beschriebene vorwiegend kaufmännisch geprägte Tätigkeit weiter aus, wobei das bei T vorliegende und seinem Arbeitgeber bekannte Asthma bronchiale bis zu diesem Zeitpunkt kein wesentliches Arbeitshindernis darstellte. Im April 1999 teilte die Klägerin dem T mit, dass sein bisheriger Arbeitsplatz wegen Umstrukturierungen entfalle. Zu ansonsten gleichen Vertragsbedingungen wie zuvor wurde dem T in R. eine Beschäftigung als Lagerist/Fahrer bzw. Fülltechniker angeboten, die dieser im April 1999 auch zunächst antrat. Allerdings erkrankte T anschließend für längere Zeit (Diagnose einer Lungenentzündung am 09.07.1999 mit anschließendem stationären Aufenthalt; danach Erkrankung an einer Stirnhöhlen-Entzündung, ebenfalls mit stationärem Aufenthalt und anschließender Kur vom 10.11.1999 bis zum 21.12.1999). Daraufhin erhob T Klage zum Arbeitsgericht Ulm zwecks Feststellung, dass er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses nicht zur Übernahme der angebotenen alternativen Tätigkeiten verpflichtet sei (Az: 2 Ca 82/00). Vor dem Arbeitsgericht Ulm wurde am 15.06.2000 ein Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.01.2001 enden sollte. Bis zu diesem Datum wurde T von der Arbeit freigestellt. Ihm wurde hierbei eine Sozialabfindung nach den §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz i. V. m. § 3 Ziff. 9 Einkommensteuergesetz in Höhe von 25.000 DM gewährt.

Am 08.01.2001 beantragte T bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er gab an, wegen Bronchialasthma und chronischer Nebenhöhlenentzündung in seiner Vermittlungsfähigkeit eingeschränkt zu sein und seine zuletzt ausgeübte Beschäftigung nicht weiter ausüben zu können. Anschließend wurde T Arbeitslosengeld ab dem 01.02.2001 bewilligt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; inzwischen: Deutsche Rentenversicherung Bund) lehnte mit Bescheid vom 03.04.2001 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. T gab am 04.02.2001 gegenüber der Beklagten an, vom 09.07 bis zum 15.11.1999, vom 01.02. bis 03.03.2000 sowie vom 09.04. bis zum 20.04.2000 krankheitsbedingt bei seiner Arbeit gefehlt zu haben. Außerdem sei er seit dem 12.02.2001 erneut arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 26.03.2001 erhalte er Krankengeld.

Mit Schreiben vom 23.04.2001 hörte die Beklagte die Klägerin anlässlich der beabsichtigten Entscheidung über die Erstattungspflicht für die Leistung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.02. bis zum 11.02.2001 an. T meldete sich am 21.05.2001 erneut arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld ab dem 24.05.2001. Anschließend erstellte der Arbeitsamtsarzt S. am 06.06.2001 ein Gutachten nach Aktenlage auf der Grundlage eines internistischen Gutachtens von Dr. W. vom 12.02.2001. Danach war T vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere Tätigkeiten im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tageschicht und in Werkhallen und geschlossenen bzw. temperierten Räumen. Auszuschließen seien Belastungen durch Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen sowie durch Staub, Rauch, Gase oder Dämpfe gewesen. Bei der Vorsprache bei der Beklagten am 29.06.2001 stellte T sich im Rahmen des ärztlich festgestellten Restleistungsvermögens der Arbeitsvermittlung der Beklagten zu Verfügung.

Anschließend stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14.09.2001 fest, dass die Klägerin zu der Erstattung des in der Zeit vom 01.02. bis zum 11.02.2001 gezahlten Arbeitslosengeldes sowie der hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 824,60 Euro verpflichtet sei. Auf Anfrage der Beklagte teilte T am 21.09.2001 mit, dass er zwischenzeitlich nicht erneut arbeitsunfähig gewesen sei. Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 22.10.2001 zu der beabsichtigten Entscheidung über die Erstattungspflicht für den Zeitraum vom 24.05. bis zum 31.08.2001 an.

Am 10.10.2001 ging bei der Beklagten ein Widerspruch gegen den Bescheid "ohne Datum" ein. Die Beklagte wies darauf hin, dass der Widerspruch ihrer Auffassung nach verfristet sei und gab Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Die Klägerin vertrat hierzu die Auffassung, dass der Bescheid erst am 30.09.2001 zugegangen sei; trotz Aufforderung der Beklagten legte sie jedoch keine Belege für diese Behauptung vor.

Mit einem zweiten Erstattungsbescheid vom 12.12.2001 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass die Klägerin auch verpflichtet sei, die dem T gewährten Leistungen für die Zeit vom 24.05. bis zum 31.08.2001 in Höhe von insgesamt 7.496,78 Euro zu erstatten.

Gegen diesen Bescheid legte die Beklagte am 27.12.2001 Widerspruch ein. Der Arbeitsplatz des T sei seit Anfang 1999 durch verschiedene organisatorische Maßnahmen entfallen. Das große Lager, in dem T bis dahin beschäftigt gewesen sei, sei aufgelöst und durch ein wesentlich kleineres Zwischenlager ersetzt worden. Dabei seien die bisher von T erledigten umfangreichen Arbeiten zur Belieferung der Endkunden entfallen, weil nunmehr die Waren von den Lieferanten direkt an die Endkunden geliefert worden seien. Die dem T daraufhin übertragene Auslieferungsstrecke habe dieser wegen seiner Erkrankung dann nicht mehr übernehmen können. Bei einem gemeinsamen Gespräch mit dem Betriebsarzt sei dem T dann geraten worden, umgehend eine Anerkennung als Schwerbehinderter zu beantragen, da T keinerlei Tätigkeiten für die Klägerin mehr ausüben könne, wozu auch kaufmännische Tätigkeiten gehört hätten.

Anschließend verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2002 den ersten Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.09.2001 wegen Verfristung als unzulässig. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass der nachfolgende Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.12.2001 fristgemäß eingelegt und daher zulässig sei. Im Rahmen der Bearbeitung dieses Widerspruchs werde nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) überprüft, ob sich auch Auswirkungen auf die Entscheidung vom 14.09.2001 ergäben.

Am 16.01.2002 machte die Klägerin Angaben zu den zuletzt herrschenden Arbeitsbedingungen des T. Dieser habe als Fülltechniker hauptsächlich in Werkhallen und geschlossenen Räumen in Tagesschicht überwiegend leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen und zeitweise im Sitzen verrichtet. Dabei seien Hebe- und Traglasten bis zu 15 kg angefallen. Als Arbeitsmittel hätten ein Kfz sowie ein Sackkarren zur Verfügung gestanden. T habe diese Tätigkeit wegen seiner Krankheit (u. a. Asthma) nicht angetreten.

Die BfA bewilligte mit Bescheid vom 11.03.2002 ab dem 01.04.2002 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit als Vollrente, woraufhin die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld mit dem Beginn der Rentenzahlung einstellte.

Am 26.03.2002 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) gegen den Erstattungsbescheid vom 14.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2002 (Aktenzeichen S 12 AL 1535/02).

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2002 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.12.2001 als unbegründet zurückgewiesen, da die Voraussetzungen der Erstattungsforderung nach § 147 a Abs. 1 Satz 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) vorlägen und ein Befreiungstatbestand nicht erfüllt sei. Es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Kläger bei einer entsprechenden Antragstellung einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung gehabt hätte. Nach dem Ergebnis des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 06.06.2001 habe T auch noch vollschichtig mittelschwere Arbeiten ausüben können. Eine weitere Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts habe wegen mangelnder entsprechender Hinweise nicht bestanden. Der Klägerin habe auch kein Recht zur fristlosen Kündigung oder zur Kündigung mit sozialer Auslauffrist zugestanden. Es sei nicht ersichtlich, dass T die zuletzt von ihm ausgeführte Tätigkeit eines Bereichsleiters nicht habe weiterhin ausüben können. Der Wegfall des Arbeitsplatzes sei kein wichtiger Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist. Schließlich unterliege die gesetzliche Erstattungsregelung auch keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Am 02.05.2002 erhob die Klägerin auch Klage gegen den Bescheid vom 12.12.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2002 (Aktenzeichen S 12 AL 2093/02).

Mit einem dritten Bescheid vom 24.05.2002 wurde die Überprüfung des Bescheides vom 14.09.2001 nach § 44 SGB X mit der Begründung abgelehnt, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei, weswegen es bei der angegriffenen Entscheidung verbleiben müsse. Diese Entscheidung wurde mit einem weiteren Bescheid vom 24.06.2002 mit dem gleichen Inhalt bekräftigt.

Mit Beschluss vom 17.09.2002 hat das SG die beiden Klagen zu dem Aktenzeichen S 12 AL 1535/02 verbunden. Anschließend hat das SG eine Stellungnahme des Arbeitnehmers T (ohne Datum, Eingang beim SG am 28.10.2002) eingeholt. Danach sei er vom 12.02. bis zum 23.05.2001 arbeitsunfähig krank gewesen und habe hierfür eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten. Vom 28.03. bis zum 29.03.2001 habe er sich im Hj.-G.-Spital in R. befunden. Krankengeld habe er vom 26.03. bis zum 23.05.2001 bezogen. Anschließend hörte das Sozialgericht Dr. E. (07.11.2002) sowie Dr. B. (14.11.2002) als sachverständige Zeugen an. Dr. E. bestätigte eine Arbeitsunfähigkeit vom 12.02. bis zum 26.02.2001 sowie vom 10.05. bis zum 23.05.2001 wegen einer im Mai 2001 operierten Nabelhernie. Dr. B. bestätigte eine Arbeitsunfähigkeit vom 12.02. bis 23.05.2001 aufgrund einer eitrigen Bronchitis bei vorbestehenden chronischem Asthma bronchiale. Nach dem 23.05.2001 sei T nicht mehr arbeitsunfähig gewesen.

Die Beklagte teilte anschließend am 29.11.2002 mit, dass eine Sperrzeit im Falle des T nicht festgestellt worden sei. Hierbei sei berücksichtigt worden, dass in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich die maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden sei und T sich bei der Annahme des Vergleichs offensichtlich auf die Fachkompetenz seines Rechtsanwaltes gestützt habe.

Mit Schreiben vom 14.10.2002 hörte die Beklagte die Klägerin in Bezug auf die Pflicht zur Erstattung weiterer Leistungen an. Mit Bescheid vom 24.02.2003 verpflichtete sie die Klägerin daraufhin zur Erstattung von Leistungen für die Zeit vom 01.10.2001 bis zum 31.03.2002 in Höhe von 3.116,30 Euro, wobei sie angab, dass der Bescheid nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens werde.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.09.2004 als unbegründet abgewiesen. Zunächst habe die Beklagte zu Recht den Widerspruch vom 30.10.2001 gegen den Bescheid vom 14.09.2001 als unzulässig verworfen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin den Bescheid vor dem 30.09.2001 erhalten habe. Die bloße Erklärung, den Bescheid erst später erhalten zu haben, reiche mangels der Vorlage des Schreibens mit Eingangsstempel nicht aus. Zu Recht habe die Beklagte zudem mit den Bescheiden vom 24.05.2002 und 24.06.2002 eine Überprüfung des Bescheides vom 14.09.2001 abgelehnt, da kein wesentlicher neuer Sachverhalt vorgetragen und der Erstattungsbescheid vom 14.09.2001 auch in der Sache rechtmäßig sei. Grundlage des Erstattungsanspruchs sei § 147 a SGB III (unter Hinweis auf § 431 SGB III i. d. F. des Art. 1 AFRG vom 24.03.1997, § 242 X Abs. 6 AFRG und die §§ 117 Abs. 2 bis 3 a - 117 a AFG). § 147 a SGB III sei ebenso wie § 128 AFG verfassungsgemäß. Die Voraussetzungen des Eintritts der Erstattungspflicht lägen vor. Ein Ausnahmetatbestand nach § 147 a Abs. 1 Satz 2 SGB III sei nicht gegeben. T habe sein Arbeitsverhältnis bei der Klägerin nach seinem vollendeten 56. Lebensjahr beendet. Im streitigen Erstattungszeitraum habe T auch nicht die Voraussetzungen für die in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 SGB III genannten Leistungen erfüllt, insbesondere nicht für den Bezug von Krankengeld sowie einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung; insoweit werde auf die sachverständigen Zeugenaussagen der Dres. R. und B. verwiesen, wonach lediglich die bereits von der Beklagten aus dem Erstattungszeitraum herausgenommene Arbeitsunfähigkeit vom 12.02. bis zum 23.05.2001 bestanden habe. Die Klägerin sei auch nicht berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Verhaltens- oder personenbedingte Gründe für eine fristlose Kündigung seien nicht ersichtlich. Schließlich habe die Klägerin auch nicht dargelegt und nachgewiesen, dass ein anderweitiger Befreiungstatbestand vorliege. Das Urteil ist der Klägerin am 17.12.2004 zugestellt worden.

Am 14.01.2005 hat die Klägerin beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Arbeitnehmer T sei bei Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs anhaltend und dauerhaft daran gehindert gewesen, die vertraglich geschuldete Leistung als Fülltechniker und Tourenfahrer zu erbringen. Dies habe T auch selbst dem Arbeitsamt mit Schreiben vom 12.04.2001 mitgeteilt. Administrativ-Kaufmännische Tätigkeiten, die den T im Innendienst bei der Klägerin weniger belastet hätten, habe es im Betrieb der Klägerin in Ravensburg nicht gegeben. Die Klägerin erklärte weiter, dass ihre Berufung sich nicht gegen den Bescheid vom 14.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2002 richte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.09.2004 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2002 sowie den Bescheid vom 24.02.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Im Berufungsverfahren wurden die Akten des Arbeitsgerichts Ulm sowie die Akten der BfA beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Akten und die darin enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den § 143 f. SGG zulässige Berufung ist nicht begründet.

Auf den vorliegenden Sachverhalt ist § 147 a SGB III in der vom 01.04.1999 bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden, § 431 SGB III in Verbindung mit § 242 x Abs. 3 und 6 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Nach § 147 a Abs. 1 Satz 1 SGB III erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate.

Die Erstattungspflicht tritt nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzung für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 SGB III genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt oder der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass 1. a) bei Arbeitslosen, deren Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 57. Lebensjahres beendet worden ist; der Arbeitslose innerhalb der letzten 18 Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 die Rahmenfrist bestimmt wird, insgesamt weniger als 15 Jahre b) bei den übrigen Arbeitslosen: der Arbeitslose innerhalb der letzten zwölf Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 die Rahmenfrist bestimmt wird, insgesamt weniger als zehn Jahre zu ihm in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat; Zeiten vor dem 03.10.1990 bei Arbeitgebern in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet bleiben unberücksichtigt, 2. er in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt; § 10 Abs. 2 Satz 2 bis 6 des Lohnfortzahlungsgesetzes gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Kalenderjahr maßgebend ist, das dem Kalenderjahr vorausgeht, in dem die Voraussetzungen des Satzes 1 für die Erstattungspflicht erfüllt sind, 3. der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat, 4. er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes findet keine Anwendung; das Arbeitsamt ist an eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gebunden, 5. er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen, 6. sich die Zahl der Arbeitnehmer in dem Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt mindestens zwei Jahre beschäftigt war, um mehr als drei Prozent innerhalb eines Jahres vermindert und unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben, nicht höher ist als es ihrem Anteil an der Gesamtzahl der im Betrieb Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraumes entspricht. Vermindert sich die Zahl der Beschäftigten im gleichen Zeitraum um mindestens zehn Prozent, verdoppelt sich der Anteil der älteren Arbeitnehmer, der bei der Verminderung der Zahl der Arbeitnehmer nicht überschritten werden darf. Rechnerische Bruchteile werden aufgerundet. wird der gerundete Anteil überschritten, ist in allen Fällen eine Einzelfallentscheidung erforderlich, 7. der Arbeitnehmer im Rahmen eines kurzfristigen drastischen Personalabbaus von mindestens 20 Prozent aus dem Betrieb, in dem er zuletzt mindestens zwei Jahre beschäftigt war, ausgeschieden ist und dieser Personalabbau für den örtlichen Arbeitsmarkt von erheblicher Bedeutung ist.

Die Erstattungspflicht entfällt nach § 147 a Abs. 2 SGB III, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass 1. in dem Kalenderjahr, das dem Kalenderjahr vorausgeht, für das der Wegfall geltend gemacht wird, die Voraussetzungen für den Nichteintritt der Erstattungspflicht nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 erfüllt sind, oder 2. die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären. Insoweit ist zum Nachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle erforderlich.

Die Vorschrift des § 147 a SGB III ist ebenso wenig wie die Vorläufervorschrift des § 128 AFG von Verfassungs wegen zu beanstanden (BVerfGE 99, 202; BVerfG SozR 3-4100 § 128 Nr. 12; zuletzt BVerfG NZS 2006, 27 und BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.09.2005 - 1 BvR 846/02). Veranlassung, den Rechtsstreit auszusetzen, besteht daher nicht.

Die von Amts wegen zu prüfenden Befreiungstatbestände in § 147 a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und Alt. 2 SGB III liegen nicht vor, da der Kläger im Jahr 2000 bereits 59 Jahre alt war und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 genannten Leistungen erfüllte. Soweit sich vorliegend Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mit dem Bezug von Krankengeld haben feststellen lassen, hat die Beklagte diese aus dem Zeitraum, für den sie eine Erstattung von Arbeitslosengeld fordert, herausgenommen. Der Kläger erfüllte insbesondere auch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die BfA/Deutsche Rentenversicherung Bund hat nach Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes (Gutachten des Internisten Dr. W. vom 12.02.2001) mit Bescheid vom 03.04.2001 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit für den Senat überzeugender Begründung abgelehnt und lediglich eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.04.2002 gewährt.

Von den weiteren Befreiungstatbeständen des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 SGB III kommt im vorliegenden Fall ersichtlich nur der Tatbestand des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III in Betracht. Auch dieser von der Klägerin mit der Berufung geltend gemachte Befreiungstatbestand ist jedoch nicht erfüllt. Da ein schriftlicher Arbeitvertrag nicht bestand, war für die Kündigungsmöglichkeiten der Klägerin gegenüber dem T die Vorschrift des § 622 BGB maßgeblich.

Nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) galt eine Kündigungsfrist von sieben Monate zum Monatsende, weil das Arbeitsverhältnis bereits 20 Jahre bestanden hat, nachdem das Arbeitsverhältnis des T mit der Firma L. wegen der Betriebsübernahme durch die Klägerin im Jahr 1998 nach § 613 a BGB auf die Klägerin übergegangen ist.

Eine außerordentliche sofortige Kündigung bzw. eine Kündigung mit kürzerer sozialer Auslauffrist war ausgeschlossen, weil hierfür ein wichtiger Grund erforderlich gewesen wäre. Ein solcher stand der Klägerin jedoch nicht zur Seite. Die Klägerin beruft sich darauf, dass der T gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dieser Umstand kann bei einer lang andauernden Erkrankung grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (vgl. BVerfG NJW 1990, 1230). Hierzu ist indes zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin insofern nach dem klaren Wortlaut des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III sowohl die Darlegungs- als auch die Beweislast trägt.

Dafür, dass der T die von ihm langjährig ausgeübte Tätigkeit im kaufmännischen Bereich nicht mehr ausüben kann, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Auch die Klägerin stellt in ihrer Argumentation ausschließlich darauf ab, dass der T die 1999 angebotene Tätigkeit eines Fülltechnikers/Tourenfahrers nicht mehr ausüben konnte. Der T hat sich allerdings vor dem Arbeitsgericht Ulm gegen die Zuweisung seiner neuen Tätigkeit, die eine Änderungskündigung darstellte, gewehrt. Erst durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich hat T auf seine arbeitsrechtlichen Ansprüche aus dieser Beschäftigung verzichtet. Der T hat die kaufmännische Tätigkeit zudem sehr lange ausgeübt, die Tätigkeit als Fülltechniker/Tourenfahrer demgegenüber nur sehr kurz, wobei gesundheitliche Probleme sehr bald auftraten. Aus den in § 147 a SGB III genannten anderen Befreiungstatbeständen von der Erstattungspflicht ergibt sich der Umkehrschluss, dass die von der Klägerin im April 1999 vorgenommene Umstrukturierung nicht unter die Befreiung von der Erstattungspflicht des § 147 a SGB III fällt. Dann muss es der Klägerin aber auch verwehrt sein, dies dadurch zu umgehen, dass sie dem T im Rahmen der Umstrukturierung eine Arbeit anbietet, die dieser nicht ausüben kann oder will. Denn auch durch die ausgesprochene Änderungskündigung hat die Klägerin den T auf eine Weise freigesetzt, die sich an § 147 a SGB III messen lassen muss. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die maßgebliche Tätigkeit, auf die für die Prüfung der Befreiungstatbestandes des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III abzustellen ist, die langjährig ausgeübte kaufmännische Tätigkeit und nicht die nur ca. 3 Monate ausgeübte Tätigkeit eines Fülltechnikers/Tourenfahrers ist, da die zuvor ausgeübte Tätigkeit das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen dem T und der Klägerin prägte. Auch die Klägerin betont, dass es zu einer dauerhaften Ausübung der angebotenen Alternativtätigkeit nicht gekommen ist (vgl. die Begründung des Widerspruchs vom 27.12.2001).

Allerdings ist festzustellen, dass eine dauerhafte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des T für beide Tätigkeiten nicht festgestellt werden konnte, so dass in jedem Fall eine Kündigung des T wegen seiner Krankheit mit einer kürzeren Frist als in § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB nicht zulässig war.

T selbst hat gegenüber dem SG angegeben, lediglich vom 12.02. bis zum 23.05.2001 arbeitsunfähig krank gewesen zu sein und hierüber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten zu haben. Die vom SG gehörten sachverständigen Zeugen Dr. E. (Aussage vom 07.11.2002) sowie Dr. B. (Aussage vom 14.11.2002) bestätigen dies (Arbeitsunfähigkeit lediglich vom 12.02. bis 23.05.2001). Ausdrücklich haben beide sachverständige Zeugen mitgeteilt, der T sei nach dem 23.05.2001 bis zum November 2002 nicht mehr arbeitsunfähig gewesen. Danach kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der T dauerhaft nicht zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung in der Lage gewesen ist.

Soweit die Klägerin mit der Berufung einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 20 SGB X) rügt und daraus auch eine Verletzung des Anhörungsrechts (§ 24 SGB X) folgert, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide. Etwaige Mängel der Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren ist nach § 42 Satz 1 SGB X grundsätzlich von den Tatsacheninstanzen zu beheben (BSG, Urteil vom 27.5.2003 - B 7 AL 124/01 R -). Die Beklagte hat den Sachverhalt bereits umfassend ermittelt. Weder das SG, noch der Senat hatten Veranlassung weitere Ermittlungen (§ 103 SGG) vorzunehmen, nachdem die behandelnden Ärzte des T klare Angaben zum Nichtvorhandensein von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum von Juni 2001 bis November 2002 gemacht haben.

Anhaltspunkte dafür, dass die geltend gemachte Erstattungsforderung unzutreffend berechnet worden ist, werden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Verpflichtung zur Erstattung des Arbeitslosengeldes schließt die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nach § 147 a Abs. 4 SGB III ein.

Nach § 147 a Abs. 3 SGB III mindert sich die Erstattungsforderung, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er 1. nicht mehr als 40 Arbeitnehmer oder 2. nicht mehr als 60 Arbeitnehmer im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 2 beschäftigt, um zwei Drittel im Falle der Nummer 1 und um ein Drittel im Falle der Nummer 2. Für eine nachträgliche Minderung der Erstattungsforderung gilt Absatz 2 Nr. 1 entsprechend. Da diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hatte vorliegend eine Minderung nach dieser Vorschrift nicht zu erfolgen.

Der Streitwert wird auf 11.437,68 EUR festgesetzt.

Die Kostenentscheidung ruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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