L 13 AS 1824/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 706/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1824/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bewilligt der hierfür sachlich zuständige kommunale Träger Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, kann bei Fortdauer der sachlichen Zuständigkeit nicht die Agentur für Arbeit die diese Bewilligung mit einschließende Bewilligung von Arbeitslosengeld II aufheben.
2. Widerspruch und Anfechtungsklage wegen der Erstattung von Arbeitslosengeld II haben nach der Grundregel des § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung; § 39 Nr. 1 SGB II findet insoweit keine Anwendung.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 abgeändert und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt, soweit im Bescheid vom 24. Oktober 2005 die Bewilligung der Regelleistung und des Sozialgeldes für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. September 2005 aufgehoben worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beschluss des Sozialgerichts wie folgt neu gefasst wird: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsstellerin wegen der die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. September 2005 betreffenden Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Unterkunft und Heizung im Bescheid vom 24. Oktober 2005 wird angeordnet. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin wegen der im Bescheid vom 24. Oktober 2005 verfügten Erstattung von Arbeitslosengeld II in Höhe von 2464,06 EUR aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Instanzen zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist sachlich nicht begründet.

Ausgangspunkt des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Bescheid der Agentur für Arbeit (AA) K. vom 24. Oktober 2005. Darin hat die AA die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit ab 1. Juli 2005 teilweise, nach der Bescheidbegründung für die nachfolgenden Monate August und September jedoch ganz aufgehoben und überzahltes Alg II in Höhe von 2464,06 EUR zur Erstattung gefordert. Die auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Aufhebung bezog sich auf die mit Bescheid vom 11. Mai 2005 der AA für die Zeit vom 27. April bis 31. Oktober 2005 verfügte Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Sozialgeld) in Höhe von 358,35 EUR ab Mai 2005 für die Antragstellerin und deren am 3. Februar 2005 geborene, dem Haushalt der Antragstellerin angehörende und deshalb zur Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)) zählende Tochter M ... Mit Bescheid vom gleichen Tage hatte das Landratsamt K. für den Landkreis K. der Antragstellerin außerdem für die Zeit vom 27. April bis 31. Oktober 2005 Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 471,98 EUR ab Mai 2005 bewilligt. Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hat die Antragstellerin einen zulässigen, sich gegen Aufhebung und Erstattung richtenden Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Statt dessen hat die Antragsgegnerin während des Vorverfahrens Vorkehrungen zur Vollstreckung der Erstattungsforderung getroffen und dabei die Auffassung vertreten, dass der Widerspruch wegen der Erstattungsforderung nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung habe, weshalb die Antragstellerin am 17. Februar 2006 vor dem Sozialgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht hat.

Zutreffend hat das Sozialgericht das Begehren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der Erstattung dahin verstanden, dass die Antragstellerin insoweit die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs anstrebt (zu dieser Feststellung vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juli 2004 - L 13 RJ 2467/04 ER-B -). Denn der deswegen eingelegte Widerspruch hat, wie noch zu zeigen ist, nach § 86 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufschiebende Wirkung, weil entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin § 39 Nr. 1 SGB II insoweit nicht anwendbar ist. Daneben geht es der Antragstellerin aber auch darum, dass die nach § 39 Nr. 1 SGB II entfallene aufschiebende Wirkung wegen der Aufhebung der Leistungsbewilligung angeordnet wird (vgl. § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG; Senatsbeschluss vom 25. August 2003 - L 13 AL 2374/03 ER -, abgedruckt in Juris). Da nach dem über § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II anwendbaren § 50 Abs. 1 SGB X die Aufhebung der Leistungsbewilligung ohne weiteres die Erstattung begründet und § 40 Abs. 2 SGB II lediglich den Erstattungsumfang in Bezug auf bestimmte Kosten der Unterkunft begrenzt, bei der Aufhebung aber die wesentlichen verwaltungsverfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Fragen zu entscheiden sind, hat die Antragstellerin wegen der Aufhebung der Leistungsbewilligung auch ein Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Hätte ein solcher Antrag Erfolg, dürfte es der Antragsgegnerin solange verwehrt sein, wegen der Erstattung die sofortige Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG anzuordnen.

1. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wegen der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung.

Bei der von der AA K. verfügten Aufhebung der Bewilligung handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 39 Nr. 1 SGB II, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet und der mit Widerspruch und einer nachfolgenden Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Der von der Antragsstellerin eingelegte Widerspruch hatte deshalb keine aufschiebende Wirkung. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. August 2005 - L 13 AS 3390/05 ER-B -, vom 18. Oktober 2005 - L 13 AS 3993/05 ER-B -, vom 29. Dezember 2005 - L 13 AS 4684/05 ER-B - und vom 30. Dezember 2005 - L 13 AS 5471/05 ER-B -), dass als Verwaltungsakte im Sinne von § 39 Nr. 1 SGB II auch solche anzusehen sind, welche die Bindungswirkung einer Leistungsbewilligung ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit beseitigen. Die von Gesetzes wegen entfallene aufschiebende Wirkung kann indes angeordnet werden, wenn der Hauptsacherechtsbehelf - hier also der Widerspruch - offensichtlich begründet ist. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hat das Gericht das vom Gesetzgeber generell angenommene Sofortvollzugsinteresse mit dem individuellen Suspensivinteresse gegeneinander abzuwägen.

Bei summarischer Prüfung spricht nach dem bisherigen Ergebnis alles dafür, dass der Widerspruch der Antragstellerin, soweit er sich gegen die Aufhebung der Bewilligung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung richtet, erfolgreich ist. Die AA K. war nämlich für diese Aufhebung sachlich nicht zuständig. Nach der gesetzlichen Grundregel des § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II und der die örtliche Zuständigkeit regelnden Bestimmung des § 36 Satz 2 SGB II ist der Landkreis K., in dessen Bezirk die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, für die Leistungen der Unterkunft und Heizung sachlich und örtlich zuständig. Eine Arbeitsgemeinschaft (vgl. § 44 b SGB II) war nicht errichtet. Deshalb hat auch der Landkreis K. für die Leistungen der Unterkunft und Heizung den Bewilligungsbescheid vom 11. Mai 2005 erlassen. Als Träger der Leistungen für Unterkunft und Heizung ist der Landkreis K. auch für die Aufhebung dieser Bewilligung (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 44 Abs. 3 1. Halbsatz SGB X) sachlich und örtlich zuständig. Die AA K. hat, soweit sie die Bewilligung der Leistungen für Unterkunft und Heizung aufgehoben hat, als sachlich unzuständiger Leistungsträger gehandelt. Dieser Mangel begründet jedenfalls die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung und führt ohne weiteres zur Aufhebung, ohne dass insoweit § 42 1. Halbsatz SGB X eingreift (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in BSGE 57, 151, 153; BSG SozR 3-3300 § 20 Nr. 5). Ob die die Leistungen für Unterkunft und Heizung betreffende Aufhebung sogar nichtig ist (vgl. BSGE 24, 162, 167; BSG SozR 2200 § 1286 Nr. 2 m.w.N.; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 2), kann hier offen bleiben, weil der nichtige Teil jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des gesamten Verwaltungsaktes führen würde, denn die AA hätte den Verwaltungsakt auch ohne den nichtigen Teil erlassen (vgl. § 40 Abs. 4 SGB X).

Soweit die AA K. ihre Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung an Arbeitssuchende aufgehoben hat, ist der Ausgang des Vorverfahrens als völlig offen zu bezeichnen. Bereits der Umfang der Aufhebung erscheint nicht ohne weiteres hinreichend bestimmt und bestimmbar (vgl. § 33 Abs. 1 SGB X). Nach dem Verfügungssatz hat die AA die Bewilligung ab 1. Juli 2005 teilweise aufgehoben. Aus der Bescheidbegründung ergibt sich indes, dass lediglich die Aufhebung für Juli 2005 teilweise, nämlich offenbar in Höhe von 331,42 EUR, für die Monate August und September 2005 aber ganz erfolgen sollte. Unklar ist ferner, ob und in welchem Umfang von der Aufhebung auch der Oktober 2005 erfasst werden sollte, weil die Begründung nahe legt, dass eine Aufhebung lediglich in dem Umfang der bis 30. September 2005 bereits erbrachten und deshalb einer Erstattung zugänglichen Leistungen erfolgen sollte. Diese inhaltliche Widersprüchlichkeit und Unbestimmtheit wird auch durch Auslegung - insoweit gehen Unklarheiten zu Lasten der Behörde (vgl. BSGE 37, 155, 160; 62, 32, 37) - nicht klar. Fraglich ist, ob es der AA gelingt, im Widerspruchsbescheid noch eine Klarstellung und eine hinreichende Bestimmung zum Ausdruck zu bringen und nachzuholen (vgl. BSG SozR 3-7815 Artikel 1 § 2 Nr. 1). Bei dieser Unklarheit und Unbestimmtheit ist jedenfalls derzeit die vor Erlass des Bescheides vorgeschriebene (vgl. § 24 SGB X), jedoch unterbliebene Anhörung nicht mit heilender Wirkung nachgeholt. Was die materiell-rechtliche Befugnis zur Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X anbelangt, muss in tatsächlicher Hinsicht geklärt werden, ob und wann nach der Bekanntgabe der Bewilligung eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dies wäre der Fall, wenn der jetzige Ehemann P. Z. bereits ab 1. Juli 2005 zur Bedarfsgemeinschaft gehört und die Bedarfsgemeinschaft ab 1. Juli 2005 über nach §§ 11, 12 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfügt hätte, welches die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin ganz oder teilweise ausschließen würde. Da die Antragstellerin mit P. Z. damals noch nicht verheiratet war, kommt nur in Betracht, dass die Antragstellerin mit diesem ab 1. Juli 2005 in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt hat (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b SGB II). Unter einer eheähnlichen Gemeinschaft versteht der Senat mit der Rechtsprechung eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft im Sinne einer über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehenden Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in BVerfGE 87, 234, 264 f, Beschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04 - abgedruckt in Juris; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in BVerwGE 98, 195, 199; BSGE 90, 98 f). Die auf Dauer angelegte Verbindung zweier Personen unterschiedlichen Geschlechts muss daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulassen und sich durch innere Bindung auszeichnen, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründen. Maßgebend ist grundsätzlich die Gesamtheit der feststellbaren (äußeren) Tatsachen, die einen Rückschluss auf das Bestehen einer solchen Gemeinschaft zulassen. Bei der Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, gilt die Dauer des Zusammenlebens neben anderen Indizien als gewichtigste Hinweistatsache (BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 1999 - 5 B 114/98 - veröffentlicht in Juris). Als weitere Hilfstatsache für die Ernsthaftigkeit einer Gemeinschaft ist auch die nach aussen erkennbare Intensität einer Beziehung zu würdigen (BVerwG vom 24. Juni 1999 a.a.O. m.w.N.), wobei sexuelle Beziehungen, wenn sie bekannt sind, berücksichtigt werden können (BVerwGE 98, 195, 199). Ob zwischen der Antragstellerin und P. Z. ab 1. Juli 2005 eine auf Dauer angelegte Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden hat, bedarf weiterer Aufklärung. Für das Zusammenleben und seine Dauer entscheidend ist dabei nicht, wann P. Z. aus seiner bisher in P. angemieteten Wohnung ausgezogen ist, sich dort polizeilich abgemeldet und unter der Anschrift der Antragstellerin angemeldet hat. Angesichts dessen, dass P. Z. der Vater der am 3. Februar 2005 geborenen gemeinsamen Tochter M. ist, könnte nahe liegen, dass dieser trotz eigener Wohnung bereits vor dem 1. Juli 2005 mit der Antragstellerin zusammengelebt und mit dieser schon damals eine auf Dauer angelegte Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft gebildet hat. Angesichts des gemeinsamen Kindes und des Umstandes, dass beide noch vor dem angegriffenen Bescheid und während des Bewilligungszeitraumes geheiratet haben, würde der Senat auch ein Zusammenleben von weniger als einem Jahr (vgl. zur Dauer des Zusammenlebens Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2005 - L 13 AS 5471/05 ER-B -) nicht als der Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft entgegenstehend beurteilen. Bei Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft ab 1. Juli 2005 wäre grundsätzlich das für diesen Monat im Juli 2005 zugeflossene Arbeitslosengeld I des Partners anzurechnen. Lag hingegen eine eheähnliche Gemeinschaft bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bewilligung am 14. Mai 2005 vor und hätte P. Z. schon damals über Einkommen z.B. in Form von Arbeitsentgelt verfügt, käme keine Aufhebung, sondern lediglich eine Zurücknahme nach § 45 SGB X unter den Voraussetzungen von § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X in Betracht. Dass die AA K. den aus einem Erbfall wegen Tod des Vaters am 8. August 2005 erfolgten Zufluss von 13.300 EUR als Einkommen angesehen hat, mag die Antragstellerin hierauf schon vorher einen Anspruch gehabt haben, dürfte nicht zu beanstanden sein (vgl. BVerwG Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 30). Die Antragstellerin wird sich aber dazu erklären müssen, wann der Erbfall eingetreten ist, ob im Bewilligungszeitraum bis 31. Oktober und wann jeweils weitere Zuflüsse von Einkommen aus diesem Erbfall erfolgt sind und welches Vermögen in den Monaten September und Oktober 2005 noch vorhanden war. Außerdem ist ggf. Vermögen des Partners P. Z. von Interesse. Eine ins Einzelne gehende Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens und ggf. Vermögens erscheint bei dieser in tatsächlicher Hinsicht ganz unklaren Ausgangslage nicht angezeigt. Soweit die Antragstellerin mit am 30. August 2005 eingegangenen Schreiben vom 17. August 2005 der AA K. gegenüber erklärt hat, nach Zufluss der 13.300 EUR gelte sie als nicht mehr bedürftig und sie sei auf die Unterstützung nicht mehr angewiesen, könnte für die Zeit ab 30. August 2005 hierin möglicherweise ein Verzicht auf die zukünftige Leistung nach § 46 Abs. 1 erster Halbsatz des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) gesehen werden, der ebenfalls ein Aufhebungsrecht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X begründen würde (vgl. BSG Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 24/91 - in BSGE 70, 51 ff nicht abgedruckt).

Wegen des völlig offenen, auch kein Wahrscheinlichkeitsurteil erlaubenden Ausgangs des Vorverfahrens, bedarf es einer Interessenabwägung (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005/04 - in Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 69). Insoweit übersteigt aber, zumal keine unabänderlichen Tatsachen geschaffen werden, die Vorenthaltung der Regelleistung und des Sozialgeldes in Höhe der bewilligten 358,35 EUR für Oktober 2005 angesichts des Wertes der Erbschaft von mindestens 50.000 EUR auch keine unbillige Härte begründet und der Widerspruch wegen der Erstattungsforderung, wie auszuführen ist, aufschiebende Wirkung hat, das Suspensivinteresse der Antragstellerin das generell bestehende Sofortvollzugsinteresse nicht, so dass es bei der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der Aufhebung der von der AA K. bewilligten Regelleistungen und des Sozialgeldes zu bleiben hat.

2. Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wegen der Erstattungsforderung.

Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 30. Dezember 2005 - L 13 AS 5471/05 ER-B - die Auffassung vertreten und begründet, dass Erstattungsbescheide keine Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung im Sinn von § 39 Nr. 1 SGB II darstellen. An dieser Auffassung hält er nach erneuter Prüfung fest. Zwar erscheint es nach der weiten Fassung des Wortlauts nicht völlig ausgeschlossen, aber nicht nahe liegend, als Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung auch Erstattungsbescheide nach § 50 SGB X anzusehen. Davon, dass der Gesetzgeber auch Leistungen der Grundsicherung betreffende Erstattungsbescheide als von Gesetzes wegen sofort vollziehbar angesehen hat, kann indes nicht ausgegangen werden. Denn dann würden Bezieher von Leistungen der Grundsicherung gegenüber den Beziehern von Leistungen nach dem SGB III oder anderen Büchern des Sozialgesetzbuchs ohne sachlichen Grund anders behandelt. Deren gegen einen Erstattungsbescheid gerichteter Widerspruch, ihre Klage oder Berufung haben nämlich in Ausformung des nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes nach §§ 86 a Abs. 1 Sätze 1 und 2, 154 Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Bezieher von Leistungen der Grundsicherung sind gegenüber den Beziehern anderer Sozialleistungen aber nicht weniger schutzbedürftig. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Erstattungen schon vor der Einführung von § 86 a Abs. 1 SGG zum 2. Januar 2002 seit jeher vollziehungsgeschützt waren, weil Widerspruch, Klage und Berufung aufschiebende Wirkung hatten (vgl. §§ 86 Abs. 2, 97, Abs. 1 Nr. 2, 154 Abs. 1 SGG in der vor dem 2. Januar 2002 geltenden Fassung; zum vorläufigen Rechtsschutz wegen Erstattungen vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4260/02 ER-B in Juris). Dafür, dass der Gesetzgeber von diesem für die Bezieher anderer Sozialleistungen weiter geltenden Grundsatz gerade bei den Beziehern von Leistungen der Grundsicherung hat abweichen wollen, ist kein vernünftiger Grund ersichtlich. Soweit sich obergerichtliche Entscheidungen mit der Anwendbarkeit von § 39 Nr. 1 SGB II auf Erstattungsbescheide nach § 50 SGB X befasst haben, haben weitere Landessozialgerichte dieselbe Rechtsauffassung wie der erkennende Senat vertreten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. März 2006 - L 9 AS 127/06 ER -, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. April 2006 - L 3 ER 47/06 AS, jeweils in Juris). Soweit der 8. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 20. März 2006 - L 8 AS 369/06 ER-B - in Juris offenbar eine andere Auffassung vertritt, weil er die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wegen einer Erstattung angeordnet hat, ist diese abweichende Meinung nicht näher begründet worden. In der Literatur wird der vom Senat angenommene Standpunkt überwiegend vertreten (so Pilz in Gagel, SGB III, § 39 SGB II Rz. 9; Conradis in LPK - SGB II § 39 Rz. 7; Berlit, info also 2005, 3, 5; unklar Gröschel-Gundermann in Linhart/Adolph, SGB II, § 39 Rz. 2 a.A. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K 39 Rz. 44). Da die Beklagte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs missachtet, war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs festzustellen (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 2. Juli 2004 - L 13 R 2467/04 ER-B - m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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