L 11 R 3488/05 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1775/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3488/05 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 2. August 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt, weswegen der Senat auf die Ausführungen Bezug nimmt.

Auch für den Senat bestehen nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sowie der hier gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein etwaiger Beratungsfehler seitens der Handwerkskammer an der Versicherungspflicht des Antragstellers nichts ändert. Abgesehen davon, dass der Herstellungsanspruch, auf den das Vorbringen des Antragstellers wohl abhebt, einen Versicherungsträger nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten kann, das rechtlich zulässig ist, trifft die Handwerkskammer keine Beratungspflicht des § 14 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I). Sie ist kein Sozialleistungsträger und sie ist auch nicht im Sinne einer Funktionseinheit arbeitsteilig in das Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Feststellung versicherungsrechtlicher Tatbestände eingeschaltet. Die Antragsgegnerin kann auch nicht für eine möglicherweise fehlerhafte oder unterbliebene Auskunft i. S. des § 15 Abs. 2 SGB I im Wege eines Herstellungsanspruchs verpflichtet werden, denn die Handwerkskammer ist keine für die Auskunft über alle sozialen Angelegenheiten nach dem Sozialgesetzbuch zuständige Stelle.

Die Eintragung des Antragstellers in die Handwerksrolle ist notwendige Voraussetzung für die Versicherungspflicht, sie unterliegt keiner Überprüfung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Der Hinweis des Antragstellers auf die im Merkblatt zur Versicherungspflicht der Handwerker unter Ziffer 4 beschriebene Sonderregelung zur Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit und Befreiung von der Versicherungspflicht führt nicht weiter, denn er erfüllt die darin genannten Voraussetzungen nicht, wie die Antragsgegnerin zutreffend dargelegt hat. Weder hatte er am 31.12.1991 bereits für 216 Kalendermonate Pflichtbeiträge gezahlt, noch war er am 31.12.1991 als Arbeitnehmer versicherungspflichtig und daher versicherungsfrei. Neben der seit 01.10.1989 ausgeübten selbstständigen Tätigkeit des Antragstellers lag seinen Angaben zufolge eine gleichzeitige Arbeitnehmerbeschäftigung nicht vor. Eine Eintragung in die Handwerksrolle mit einem handwerksähnlichen Betrieb, der nicht der Rentenversicherungspflicht unterliegt, erfolgte erst am 14.02.1997. Angesichts seines Lebensalters war der Antragsteller auch nicht bis 31.12.1961 aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages versicherungsfrei. Die Eigenschaft als Junghandwerker endete am 31.12.1992.

Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers hat die Antragsgegnerin die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht geprüft und mit Bescheid vom 30.06.2005 zutreffend verneint. Dass die vom Antragsteller seit 01.11.1989 entrichteten freiwilligen Beiträge keine Pflichtbeiträge sind und auch nicht als solche gelten, haben die Antragsgegnerin und das SG ausführlich dargelegt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Insoweit hat das SG auch zu Recht deutlich gemacht, dass der Antragsteller (freiwillig) nur Mindestbeiträge geleistet hat, die weit niedriger sind als einkommensabhängige Pflichtbeiträge. Freiwillige Beiträge sind zwar Beitragszeiten i. S. von § 55 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI), § 2 Abs. 1 Ziffer 4 SGB VI verlangt aber Pflichtbeiträge.

Dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Eintrags in die Handwerksrolle ausreichend vorgesorgt hatte bzw. versichert war, ist unerheblich. Mit Rücksicht auf die Typisierungsnotwendigkeiten des auf die Beurteilung von Massentatbeständen zugeschnittenen Sozialversicherungsrechts sowie aus dem Solidaritätsgedanken heraus unterliegt der in § 2 Satz 1 SGB VI erfasste Personenkreis der Versicherungspflicht selbst dann, wenn er im Einzelfall zu einer eigenverantwortlichen Daseinsvorsorge befähigt (BSG SozR 2200 § 2 Nr. 8) oder aufgrund individueller Lebensverhältnisse nicht schutzbedürftig ist (BSG SozR 3 - 2600 § 2 Nr. 2). Besonderheiten bestehen für Handwerker nur insoweit, als sich der Gesetzgeber mit Rücksicht auf das typischerweise vorhandene Betriebsvermögen nur für eine Grundsicherung entschieden hat (vgl. Klattenhoff in: Hauck/Haines, SGB VI, K § 2 Rdnr. 5). Die Rentenversicherungspflicht des in § 2 genannten Personenkreises ist durch das sozialpolitische Ziel eines Schutzes der "kleinen Selbstständigen" gerechtfertigt und begegnet deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Festlegung arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Spielraum (BVerfGE 81, 156). Ein Verstoß gegen Art. 14 Grundgesetz und gegen Art 2 Grundgesetz ist insoweit nicht erkennbar. Die Rentenversicherung wird - wenn auch der Sache und der Höhe nach begrenzt - durch einen (auch) beitragsfinanzierten sozialen Ausgleich geprägt, dem sich der Einzelne nicht durch eine Option zugunsten einer "günstigeren" Vorsorgeeinrichtung entziehen soll (vgl. Klattenhoff a. a. O. Rdnr. 9 a m. w. N.).

Nach alledem dürfte viel dafür sprechen, dass die Bescheide vom 25.09.2003/Widerspruchsbescheid vom 23.11.2004 und vom 30.06.2005 zu Recht ergangen sind.

Abgesehen davon hat der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund dargetan noch ist ein solcher für den Senat ersichtlich. Darunter ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Dem Antragsteller muss es unzumutbar sein, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich die besondere Dringlichkeit ergibt. Auch daran fehlt es hier.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruht.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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