L 6 U 3525/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 343/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3525/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juli 2005 und der Bescheid vom 24. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2003 abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 2. September 2002 ein Arbeitsunfall gewesen ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 2. September 2002 als Arbeitsunfall.

Der Kläger ist im November 1964 geboren und war bei der H.-B. GmbH als Kopfschlächter beschäftigt. Mit Durchgangsarztbericht vom 4. September 2002 teilte der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. R. der Beklagten mit, der Kläger habe am 2. September 2002 einen Arbeitsunfall erlitten, als er Schweinehälften vom Lkw geladen und sich dabei den rechten Ellenbogen verdreht habe. Er berichtete über einen Druckschmerz am rechten Ellenbogen dorsomedial bei freier Beweglichkeit und ohne wesentliche Schwellung (Sensibilität, Motorik und Durchblutung ohne Befund). Die röntgenologische Untersuchung des Ellenbogens habe keine knöcherne Verletzung gezeigt. Als Diagnose wurde aufgeführt eine Distorsion des rechten Ellenbogens mit Verdacht auf Radiusköpfchenfraktur. Im Nachschaubericht vom 9. September 2002 (Untersuchung am 7. September 2002) berichtete Prof. Dr. R. über deutliche Schmerzen des Klägers. Der Kläger habe bislang gearbeitet, die Röntgenkontrolle habe keinen sicheren Frakturnachweis erbracht. Wegen einer bekannten Gicht habe der Hausarzt Blut abgenommen. Durchblutung und Sensibilität wurden als intakt beschrieben, es bestehe leichter Druckschmerz über dem Radiusköpfchen sowie eine schmerzhafte Supinationswendung. Die Pronation sei frei, der Kläger beuge und strecke nahezu voll, die Bewegung sei endgradig schmerzhaft. Der Arzt für Chirurgie Dr. D. teilte unter dem 11. September 2002 unter Beifügung seines Nachschauberichts vom 9. September 2002 mit, der Kläger habe ihm von einer Nachuntersuchung am 7. September 2002 nichts erzählt, auch nicht von dort durchgeführten Röntgenaufnahmen oder einer verordneten Medikation. Im Nachschaubericht berichtete Dr. D. u.a. nach einer radiologischen Untersuchung über fehlenden Frakturnachweis und einen unfallunabhängigen Olecranonsporn. Als endgültige Diagnose führte er eine Distorsion des rechten Ellenbogens auf. Im Durchgangsarztbericht vom 26. September 2002 berichtete der Arzt für Chirurgie Dr. v. K. über eine Zerrung der rechten Schulter und des rechten Ellenbogengelenks. Arbeitsunfähigkeit wurde dem Kläger durch Dr. v. K. vom 26. September bis 11. Oktober 2002 bescheinigt.

Am 12. November 2002 ging die ärztliche Unfallmeldung des Praktischen Arztes L. vom 8. Oktober 2002 bei der Beklagten ein. Am 4. November 2002 erstattete Prof. Dr. R. einen Wiederaufnahme-Durchgangsarztbericht. Er teilte darin als Diagnose eine Epicondylitis des rechten Ellenbogens mit und berichtete über einen stationären Aufenthalt des Klägers zur Alkoholentgiftung vom 14. bis 26. Oktober 2002. Beigefügt war die Bescheinigung des OA Dr. M. vom 4. November 2002. Danach habe eine mittlerweile durchgeführte Kernspintomographie eine traumatische Epicondylitis sowie ein Ödem im Bereich des medialen Kollateralbandes gezeigt.

Am 26.11.2002 wurde bei dem Kläger eine Denervierungsoperation nach Hohmann/Wilhelm durchgeführt. Auf Nachfrage der Beklagten teilte OA Dr. M. unter dem 12. Februar 2003 mit, man habe beim Eingriff im November 2002 keine Histologie entnommen. Dass es sich um eine traumatische Epicondylitis handle, habe sich anhand des OP-Befundes nicht bestätigen lassen. Es seien keine kontusionierten Wundbezirke zu finden gewesen. Es sei ihm nicht klar, wie Dr. v. K. eine Epicondylitis durch Kernspin nachweisen wolle.

Auf Aufforderung der Beklagten schilderte der Kläger unter dem 25. Dezember 2002 den Vorfall am 2. September 2002 wie folgt: Er sei am fraglichen Tag mit seinem Lkw zu verschiedenen Metzgern in der Umgebung gefahren, um sie mit geschlachteten Schweinen und anderem Fleisch zu beliefern. Beim Abladen bei der Metzgerei S., G., habe ihm ein junger Angestellter beim Abladen der Schweinehälften geholfen, aber nicht richtig zugepackt. Das Schwein sei dem Angestellten daraufhin entglitten. Da das Fleisch aber den Boden nicht berühren sollte, habe er versucht, den Fall aufzuhalten und sich dabei unter der Wucht des Gewichts den rechten Arm verdreht. Seitdem habe er Schmerzen. Da er sich aber noch in der Probezeit befunden habe, habe er weiter gearbeitet, sich dann aber doch ab dem 26. September 2002 krankschreiben lassen müssen.

Die Beklagte zog den Bericht über das Kernspintomogramm vom 29. Oktober 2002 beim Klinikum O., Radiologisches Institut, OÄin Dr. M., bei. Darin war ausgeführt, dass eine frische Fraktur nicht nachzuweisen sei. Es zeige sich am Epicondylus humeri ulnaris ein diskretes Knochenmarködem. Von einer posttraumatischen Epicondylitis humeri ulnaris sei auszugehen. Daneben liege noch ein diskretes Hämatom im radialen Kollateralband und im Ansatz des Musculus extensor digitorum am Epicondylus humeri radialis vor. Beigezogen wurde weiter das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse.

Eine telefonische Nachfrage der Beklagten am 8. Mai 2003 bei der Firma S. ergab, dass keiner der dort Beschäftigten von einem Unfall wisse. Es sei zwar möglich, dass sich der Kläger den Arm verdreht habe. Da er aber zu niemandem etwas gesagt habe, könne dies niemand bezeugen. Eine vergleichbare Auskunft erteilte unter dem 15. Mai 2003 die H.-B. GmbH (Frau D.).

Mit Bescheid vom 24. Juni 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 2. September 2003 als Arbeitsunfall ab, da nicht nachgewiesen sei, dass sich das vom Kläger beschriebene Ereignis tatsächlich ereignet habe.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, bereits im Durchgangsarztbericht vom 3. September 2002 sei von einem Unfall berichtet und später von ihm auch weiter präzisiert worden. Auch die ärztlichen Unterlagen bestätigten eine traumatische Epicondylitis humeri ulnaris.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück.

Dagegen erhob er am 29. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 4. Mai 2004 wiederholte der Kläger sein bisheriges Vorbringen zum Geschehen am 2. September 2002 und schilderte den genauen Ablauf. Auf die Niederschrift wird im Einzelnen Bezug genommen. Im Auftrag des Gerichts erstellte am 22. Oktober 2004 Prof. Dr. L., Orthopädische Universitätsklinik H., ein fachorthopädisches Sachverständigengutachten. Dabei wurde er gebeten, von einem Unfallereignis auszugehen, wie es der Kläger am 4. Mai 2004 gegenüber dem Gericht geschildert hatte. Prof. Dr. L. berichtete über eine Muskelminderung im Bereich der Oberarmmuskulatur rechts, Narbenbildung, Druckschmerzen, endgradige Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im Bereich des rechten Ellenbogengelenks nach 2-facher chirurgischer Intervention, Narbenbildung und Muskelminderung im Bereich der rechten Hand nach Schnittverletzung. Er führte aus, dass keine dieser Gesundheitsstörungen auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Kläger, den von ihm geschilderten Geschehensablauf zugrunde gelegt, eine Zerrung im Bereich des rechten Ellenbogens zugezogen habe. Der vom Kläger angegebene Ereignisablauf erscheine nach traumatomechanischer Analyse nicht geeignet, strukturelle Schäden im Bereich des Ellenbogengelenks und der angrenzenden Muskulatur zu verursachen. Wenn auch eine passiv erzwungene Außendrehbewegung im rechten Ellenbogen nach der Ablaufschilderung angenommen werden könne, so wäre eine strukturelle Schädigung des Kapselbandapparats am Ellenbogengelenk oder eine Schädigung der ellenbogennah ansetzenden Muskulatur nur bei fixiertem Oberarm denkbar. Gegen die Annahme einer strukturellen Schädigung spreche weiter, dass der Kläger noch drei Wochen nach dem angeschuldigten Ereignis weitergearbeitet habe. Auch in den zeitnah erstellten Arztberichten sei nicht von einem ausgeprägten Verletzungsbild am rechten Ellenbogen berichtet worden. Bei einer Verletzung der Kapselbandstrukturen oder der Sehnenansätze wären äußere Verletzungszeichen in Form einer Schwellung oder eines Blutergusses zu erwarten gewesen. Darüber hinaus habe auch die Kernspintomographie vom 29. Oktober 2002 im Bereich des rechten Ellenbogens keine verletzungstypischen Veränderungen aufgewiesen. Die aktuell vom Kläger geklagten Beschwerden seien auf die operativen Eingriffe im November 2002 und Januar 2004 zurückzuführen, die aber nicht im Zusammenhang mit dem Ereignis vom 2. September 2002 stünden. Denn dort seien nachweislich des Primärbefunds und der Kernspintomographie am speichenseitigen körperfernen Unterarmende keine strukturellen Schäden verursacht worden. Der Kläger habe sich am 2. September 2002 daher nur eine Zerrung im Bereich des rechten Ellenbogens zugezogen. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe nicht bestanden, Behandlungsbedürftigkeit für maximal 6 Wochen.

Der Kläger legte daraufhin ein Schreiben der mittlerweile von ihm getrennt lebenden Ehefrau vom 7. Dezember 2004 vor, in welchem diese ausführte, dass der Kläger vor dem 2. September 2002 nie unter Schmerzen im Bereich des Ellenbogens gelitten habe, er ihr gegenüber unmittelbar nach dem Vorfall geschildert habe, sich den Arm verdreht zu haben und schon am nächsten Tag die Unfallambulanz im Klinikum O. aufgesucht habe. Nur aus Angst um seinen Arbeitsplatz habe er trotz Schmerzen weitergearbeitet, bis diese am 26. September 2002 unerträglich geworden seien.

Durch Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2005 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, es könne nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass der Kläger am 2. September 2002 einen Arbeitsunfall erlitten habe, auch wenn davon ausgegangen werde, dass sich der Kläger tatsächlich am 2. September 2002 beim Entladen von Schweinehälften den Arm verdreht habe. Gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. L. sei aber nicht davon auszugehen, dass sich der Kläger dabei einen Gesundheitsschaden zugezogen habe, was aber Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sei. Daran habe auch die Stellungnahme der Ehefrau des Klägers nichts geändert, da deren Vorbringen dem Gericht wie auch dem Gutachter bekannt gewesen und bei der Gutachtenserstellung berücksichtigt worden sei.

Gegen den am 2. August 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. August 2005 Berufung eingelegt u.a. mit der Begründung, dem Sachverständigen sei nicht bekannt gewesen, dass er nur aus Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, weiter gearbeitet habe. Hätte er dies gewusst, hätte er eine andere Einschätzung abgegeben.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juli 2005 sowie den Bescheid vom 24. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung des Ereignisses vom 2. September 2002 als Arbeitsunfall Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Entscheidungen als zutreffend.

Das Gericht hat Prof. Dr. L. um eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme gebeten, insbesondere zur Frage, ob er auch in Kenntnis der klägerischen Einwände bei seiner Beurteilung bleibe.

Unter dem 31. Januar 2006 hat Prof. Dr. L. u.a. ausgeführt, dass im Gutachten der vom Kläger geschilderte Unfallmechanismus berücksichtigt und dargestellt worden sei, dass eine strukturelle Schädigung des Ellenbogengelenks durch den geschilderten Geschehensablauf nur dann vorstellbar wäre, wenn der Oberarm passiv fixiert worden wäre, während der Unterarm nach seitlich und außen gebogen werde. Bei frei beweglichem Oberarm und Schultergelenk komme es zwangsläufig zum Ausweichen des Arms, bevor die ellenseitig liegenden Strukturen geschädigt würden. Dass der Kläger nach dem Unfall noch drei weitere Wochen gearbeitet habe, sei nur ein Argument von mehreren, die gegen den Unfallzusammenhang sprechen würden. Andererseits seien bei einer traumatischen Läsion des inneren Kapselbandapparats bestimmte Bewegungen und Belastungen schlechterdings nicht möglich, beispielsweise das Führen eines Lkw oder das Be- und Entladen eines solchen mit größeren Fleischmengen. Bei der Beurteilung sei im übrigen auch von einer vor dem Geschehen bestehenden Beschwerdefreiheit ausgegangen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger stehen mit Ausnahme der für die Dauer von 6 Wochen nach dem 2. September 2002 entstandenen Behandlungskosten keine Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Das Gericht ist zwar davon überzeugt, dass sich am 2. September 2002 ein Arbeitsunfall ereignet hat, als sich der Kläger beim Entladen von Schweinehälften den rechten Arm verdreht hat. Allerdings ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Kläger dabei Gesundheitsschäden zugezogen hat, die eine mehr als sechswöchige Behandlungsbedürftigkeit bedingt haben oder einen Anspruch auf Verletztenrente begründen könnten.

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang, vgl. BSGE 63, 273 , 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92 S. 257; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19), dass die Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und letzteres einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der Senat ist aufgrund des schon im ersten Durchgangsarztbericht und dann fortlaufend vom Kläger, auch gegenüber dem SG und dem Gutachter geschilderten Geschehensablaufs davon überzeugt, dass der Kläger beim Ausladen einer Schweinehälfte am 2. September 2002 nachgreifen musste, als diese dem ihm zur Seite gestellten Helfer entglitt und er sich dabei den rechten Arm im Bereich des Ellenbogens verdrehte.

Die Verrichtung - das Nachgreifen - hat bei dem Kläger zu einer zeitlich begrenzten Einwirkung von außen - dem Unfallereignis - geführt. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Das Merkmal der äußeren Einwirkung dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 35, Urteil vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83). Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, ist dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht ( BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr. 6 S 20). Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung, bei dieser liegt, wie im vorliegenden Fall, eine äußere Einwirkung vor.

Der Kläger hat beim Nachgreifen nach dem abrutschenden Fleisch einen Gesundheitserstschaden in Gestalt einer Ellenbogendistorsion erlitten, die - wie Prof. Dr. L. in seinem Gutachten schlüssig ausgeführt hat - auch eine Behandlungsbedürftigkeit von maximal 6 Wochen bedingt hat. Insoweit ist vom Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität - entgegen den angefochtenen Entscheidungen - auszugehen.

Diese erweisen sich jedoch im Ergebnis dennoch als zutreffend, da die haftungsausfüllende Kausalität zwischen den noch immer geklagten Beschwerden und dem Unfallereignis nicht wahrscheinlich ist.

Dabei stützt sich das Gericht bei seiner Beurteilung auch insoweit auf das schlüssige und sorgfältig erstellte Gutachten von Prof. Dr. L. sowie dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahme. Prof. Dr. L. hat seiner Beurteilung den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf, wie er auch durch den Senat festgestellt worden ist, zugrunde gelegt. Er ist weiter davon ausgegangen, dass der Kläger vor dem Unfall im Bereich des rechten Ellenbogens beschwerdefrei war Er hat darauf aufbauend schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass schon der Unfallhergang nicht geeignet ist, die beim Kläger bestehenden Gesundheitseinschränkungen zu verursachen. Prof. Dr. L. hat ausgeführt, dass eine strukturelle Schädigung des Ellenbogengelenks durch den geschilderten Geschehensablauf nur dann vorstellbar ist, wenn der Oberarm passiv fixiert ist, während der Unterarm nach seitlich und außen gebogen wird. Bei einem frei beweglichen Oberarm und Schultergelenk kommt es dagegen zwangsläufig zum Ausweichen des Arms, bevor die ellenseitig liegenden Strukturen geschädigt werden. Des weiteren hat Prof. Dr. L. ausgeführt, dass die im Kernspintomogramm vom 29. Oktober 2002 erhobenen Befunde eine diskrete Signalverstärkung im Bereich der Muskelansätze am Epicondylus ulnaris und eine signalintense Durchsetzung des speichenseitigen Bandapparates ohne Konturunterbrechung zeigen. Es handelt sich dabei um unspezifische Veränderungen, d.h. solche, die nicht zwangsläufig auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen sind. Insbesondere ist es nicht sicher möglich, eine diskrete Flüssigkeitsmehrung auf ein Ereignis zurückzuführen, das 8 Wochen zurückliegt. Vielmehr ist nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen davon auszugehen, dass diese Signalanhebungen Ausdruck einer chronischen Entzündung sind. Prof. Dr. L. hat weiter - entgegen dem klägerischen Vorbringen - seine Beurteilung nicht wesentlich darauf gestützt, dass der Kläger nach dem angeschuldigten Ereignis vom 2. September 2002 noch 3 Wochen - wenn auch mit Schmerzen - weitergearbeitet hat. Allerdings ist dieser Umstand dennoch insoweit von Bedeutung, als die behauptete Schwere der am 2. September 2002 erlittenen Verletzung es ausgeschlossen hätte, dass der Kläger weiterhin einen 7,5 - Tonner Lkw fährt oder größere Fleischmengen be- bzw. entlädt, da traumatische Läsionen des inneren Kapselbandapparats bestimmte Bewegungen und Belastungen ausschließen.

Die beim Kläger bestehenden Beschwerden sind daher vielmehr durch eine unfallunabhängige Epicondylitis verursacht, die zu zweimaliger operativer Invasion geführt hat. Die im radiologischen Bericht vom 4. November 2002 berichtete traumatische Epicondylitis ist in der wissenschaftlichen Literatur hingegen nicht bekannt. Entsprechende Veränderungen können, worauf Prof. Dr. L. ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, allenfalls bei nachweisbaren strukturellen Schäden der Sehnenansätze, z.B. bei einer Ausrenkung des Ellenbogengelenks, vorstellbar sein. Die zeitnah gefertigten Untersuchungsberichte sowie die Kernspintomographie haben jedoch klar gezeigt, dass eine schwerwiegende Verletzung der Ellenbogenregion nicht stattgefunden hat.

Einer Einvernahme des behandelnden Arztes L., wie vom Kläger zuletzt beantragt, oder weiterer Beweiserhebungen von Amts wegen bedurfte es nicht. Denn auch das Gericht geht - wie nur nochmals betont werden soll - davon aus, dass der Kläger vor dem Unfall vom 2. September 2002 beschwerdefrei am rechten Arm war. Deshalb vermögen auch die vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztbriefe des Arztes L. vom 3. Mai 2006 sowie des Dr. D. vom 2. Mai 2006 eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Auf die vom Arzt L. für erforderlich erachtete "traumatomechanische Analyse" im Rahmen eines Lokaltermins kommt es ebenfalls nicht an, da der vom Kläger angegebene Unfallverlauf vom Senat seiner Beurteilung zugrunde gelegt worden ist und von einem Lokaltermin keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind.

Nach alldem ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem angeschuldigten Ereignis und den noch bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht wahrscheinlich zu machen.

Die angefochtenen Entscheidungen sind daher - abgesehen von der fehlenden Feststellung des Arbeitsunfalls - nicht zu beanstanden. Die Berufung war im wesentlichen zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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