S 9 AS 57/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 57/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.
Die Beklagte wird entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 07.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2005 und des Änderungsbescheides vom 30.08.2005 Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 138,54 EUR unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge zu zahlen.

2.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3.
Die Beklagte trägt die Hälfte der Kosten, im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes II (Alg II).

Der 1960 geborene Kläger stellte am 7.10.2004 den Antrag, ihm im Anschluss an den zum 31.12.2005 endenden Arbeitslosenhilfebezug Alg II zu bewilligen.

Der Kläger ist Eigentümer eines abbezahlten Hauses mit nach eigenen Angaben 11 Räumen (darunter je zwei Küchen und Bäder) und einer Gesamtfläche von 179 m². Hiervon nutzt er selbst nach seiner Darstellung 68 m² im ersten Stock, seine Mutter eine abgeschlossene Wohnung von 67 m² im zweiten Stock, der Rest seien Keller-, Hobby- und Trockenräume etc.

Die anfallenden Wohnkosten trägt der Kläger, von der Mutter erhalte er einen monatlichen Abschlag von 145 EUR, der am Jahresende so abgerechnet werde, dass jeder die Hälfte zahle. Die Mutter des Klägers bezieht eine Rente von ca. 235 EUR. Sie hat daneben nach eigenen Angaben keine Sozialleistungen beantragt.

Die Beklagte bewilligte Alg II vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 (Bescheid vom 7.12.2004). Als Bedarf legte sie den Regelsatz von 345 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von 84,83 EUR monatlich zugrunde, zahlte mithin 429,83 EUR monatlich.

Der Kläger legte Widerspruch ein, den er u.a. damit begründete, die KdU seien zu niedrig bemessen.

Im Widerspruchsverfahren hob die Beklagte die KdU auf 123,42 EUR an (Widerspruchsbescheid vom 17.6.2005).

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger vorträgt, die Beklagte habe auch die Rundfunk- und Fernsehgebühren zu übernehmen, weil er bei Antragstellung nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er eine Befreiung beantragen könne. Der Strom der Umwälzpumpe der Heizung und der Hausbeleuchtung, je ca. 5EUR monatlich, laufe über seinen Zähler und sei von der Beklagten zu tragen. Auch seien die Gaskosten nicht in tatsächlicher Höhe übernommen worden und es seien ihm die Fahrkosten für Vorsprachen bei der Beklagten zu erstatten.

Sein Haus sei so aufgeteilt, dass man von einer Einfahrt aus ins Haus komme. Über eine Treppe gelange man dann zu den beiden Wohnungen hinauf. Der eigentliche Keller sei nicht nutzbar, Im Erdgeschoss seien die Räume, die er als Keller-, Hobby- und Lagerräume bezeichnet habe.

Der Kläger beantragt,

1.
Die Beklagte unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 07.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2005 und des Änderungsbescheides vom 30.08.2005 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 höhere Kosten der Unterkunft zu zahlen.

2.
Ihm die für die ersten 6 Monate des Jahres 2005 entstandenen GEZ-Gebühren von 99,54 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hob im laufenden Klageverfahren die KdU ab 1.1.2005 auf 124,92 EUR an (Gesamtleistung 469,92 EUR; Änderungsbescheid vom 30.8.2005). Eine weitere Anhebung der KdU auf 138,54 EUR bot sie im Termin zur mündlichen Verhandlung an.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit ein höherer Betrag als 138,54 EUR monatlich für Kosten der Unterkunft beantragt ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet, soweit sie über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinausgeht. Die Beklagte war ihrem Teilanerkenntnis entsprechend zu verurteilen. Höhere Leistungen stehen dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 nicht zu.

KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – SGB II). Zutreffend geht die Beklagte hierbei davon aus, dass als KdU bei Eigenheimen neben den Heizkosten die notwendigen (zur Notwendigkeit vgl. Eicher/Spellbrink/Lang, SGB II, Rdnr. 26 zu § 22) Bewirtschaftungskosten anzusetzen sind, im vorliegenden Fall demnach für den Halbjahreszeitraum 1.Hj. 2005:

Grundbesitzabgaben, dreimonatlich 146 EUR, 1. Hj. 2005 292,00 EUR Haus- und Grundbesitzer-Haftplficht, 43,65 EUR p. a. 21,83 EUR Gebäudeversicherung, 230,40 EUR p. a. 115,20 EUR Mtl. Wasserkostenabschlag, 18,00 EUR 108,00 EUR Schornsteinfegergebühren, 80,21 EUR p. a. 40,11 EUR Abfallgebühren, dreimonatlich 38,58 EUR 77,16 EUR

Das sind insgesamt monatlich 654,30 EUR./. 6 = 109,05 EUR

Anders als die Beklagte sieht die Kammer Beiträge zu Haus- und Grundbesitzervereinen bei selbst nutzenden Eigentümern nicht als notwendige Aufwendungen zur Bewirtschaftung an.

Die reinen Gaskosten (mtl. 161,- EUR bis 01.03.2005) abzüglich des 18%igen pauschalierten Warmwasseranteils (LSG NRW, L 19 B 68/05 AS ER, Beschl. v. 28.09.2005), also 132,02 EUR, hat die Beklagte bereits vollständig berücksichtigt. Die Warmwasserkosten sind aus dem Regelsatz zu finanzieren. Zu den notwendigen Kosten der Heizung gehören bei Eigenheimbesitzern aber auch die Kosten des Heizungsbetriebs, also auch die vom Kläger beanspruchten und im Termin zur mündlichen Verhandlung mit 5 EUR monatlich angesetzten Kosten des Betriebs der Umwälzpumpe. Die Höhe dieses Einzelpostens hat die Beklagte im Termin zugestanden.

Ab 01.04.2005 beträgt der monatliche Gaskostenabschlag 186 EUR und es fiel am 01.04.2005 eine Nachforderung von 171,46 EUR an. Berücksichtigt man diese nach der hier streitigen Leistungsbewilligung eingetretene Änderung, so ergeben sich im 1. Hj. 2005 Gaskosten von 1212,46 EUR, demnach Energiekosten (abzgl. 18% Warmwasser) von 994,22 EUR, entsprechend 165,70 EUR monatlich, unter Einschluss der Umwälzpumpe 170,70 EUR monatlich.

Allgemeinstrom, den Kläger und Beklagte im Termin ebenfalls übereinstimmend mit 5,- EUR monatlich angesetzt haben, also die Stromversorgung für Garten, Garage, Hof, Einfahrt, Treppenhaus usw. fällt typischerweise im Eigenheim nicht an. Da es sich um Betriebskosten des vom Kläger bewohnten Hauses handelt, hat die Beklagte auch diesen Posten im Termin anerkennen wollen. Die Existenz dieser Kostenposition und die vom Kläger gegebene Beschreibung des Anwesens machen aber deutlich, dass es sich bei dem vom Kläger genutzten Haus wohl nicht um ein als Schonvermögen im leistungsrechtlichen Sinne geschütztes "selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe" (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB II) handelt, sondern um ein Mehrfamilienhaus mit weiteren abgeschlossenen Wohnungen im Dachgeschoss und möglicherweise auch im als "Hobby- und Abstellräume" deklarierten Erdgeschoss (44 m²), deren Verwertung im Sinne von marktgerechter Vermietung dem Kläger durchaus zumutbar wäre. Hierdurch ließe sich die Bedürftigkeit des Klägers uU. mindern oder beseitigen. Für die hier zu entscheidenden Rechtsfragen kann dieser Gesichtspunkt allerdings offen bleiben, da nicht geklärt werden muss, ob der Kläger überhaupt Anspruch auf Leistungen hat, sondern nur, ob ihm noch höhere Leistungen zustehen, als bisher zugestanden. Dies ist aber schon aus anderen Gründen nicht der Fall.

Denn die oben errechneten Gesamtkosten für Betriebskosten 109,05 EUR Allgemeinstrom, 5,- EUR Heizung, 170,70 EUR, insgesamt also 284,74 EUR, ergeben abzüglich des von der Mutter erhaltenen monatlichen Abschlags von 145,- EUR (die Abrechnung am Jahresende ist nach der Abrechnung zu berücksichtigen) monatlich 139,74 EUR. Hiervon ist noch der auf den Kläger selbst entfallende Allgemeinstromanteil von 2,50 EUR abzusetzen, der aus dem Regelsatz zu begleichen ist, so dass als Anspruch auf KdU 137,24 EUR verbleiben. Der von der Beklagten im Termin anerkannte Betrag von 138,54 EUR liegt bereits geringfügig höher, so dass jedenfalls höhere Leistungen nicht beansprucht werden können.

Für die Übernahme der Rundfunk- und Fernsehgebühren sieht das SGB II keine Rechtsgrundlage vor. Soweit nicht anderweitig Befreiung erlangt werden kann, sind diese daher aus dem Regelsatz zu zahlen. Der Kläger macht insoweit ein Beratungsverschulden geltend, weil er nicht über die Möglichkeit der Rundfunkgebührenbefreiung aufgeklärt worden sei. Abgesehen davon, dass damit ein Anspruch auf Schadenersatz aus Amtshaftung behauptet wird, der vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen wäre, sieht die Kammer auch keine Verpflichtung der Beklagten zur allgemeinen Lebensberatung über die zahlreichen möglichen Vergünstigungen für Leistungsempfänger, soweit sie nicht in den Aufgabenbereich der Beklagten fallen.

Keine Rechtsgrundlage gibt es auch für die Erstattung der geltend gemachten, zuletzt aber auch nicht mehr beantragten Fahrkosten, der Kosten der Rechtsschutzversicherung, Hausratversicherung und Privathaftpflichtversicherung, sowie für die Sparraten des Bausparvertrags.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Die Unstatthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 SGG, nachdem die Kosten der Unterkunft bis auf mtl. 1,20 EUR Allgemeinstrom vollständig übernommen wurden, wird mit dem Betrag der noch streitigen GEZ-Gebühren von 99,54 EUR die Berufungssumme von 500,- EUR nicht mehr erreicht.
Rechtskraft
Aus
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