Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 294/06 AK-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1933/06 AK-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 8. März 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Beklagten, welcher das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (vgl. im Einzelnen §§ 172 f. des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat der Beklagten zutreffend die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfange auferlegt.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird (§ 193 Abs. 1 Satz 3 SGG). Vorliegend ist das Klageverfahren durch das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 4. Januar 2006 und dessen Annahme durch den Bevollmächtigten des Klägers vom 18. Januar 2006 mit gleichzeitiger Erledigungserklärung beendet worden.
Für die Entscheidung über die Kostenerstattung ist Maßstab grundsätzlich die Anwendung sachgemäßen Ermessens, wobei vorrangig der nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrensausgang den Ausschlag gibt (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 und 10); ebenso wenig kann aber außer Betracht bleiben, ob ein Versicherungsträger Anlass zur Klage gegeben (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2; SozR 3-5050 § 22b Nr. 1), wobei es auf Verschuldenserwägungen regelmäßig nicht ankommt.
Unter Beachtung dessen entspricht es sachgemäßem Ermessen, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang zu erstatten hat.
Die Beklagte hat Anlass zur Klage gegeben; der Bescheid vom 5. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2005, mit dem die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt wurde, war nach dem Gesamtergebnis des Klageverfahrens rechtswidrig. Auch die Beklagte ist mit ihrem Anerkenntnis vom 4. Januar 2006 letztlich davon ausgegangen, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung beim Kläger am 13. September 2004 - also schon zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung - vorgelegen hat. Auf die diesbezügliche weitere Begründung des Sozialgerichts wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen.
Für den Senat steht - entgegen der Auffassung der Beklagten - fest, dass der vom Kläger geltend gemachte prozessuale Anspruch über das Anerkenntnis der Beklagten nicht hinausging und dieses vom Kläger angenommene Anerkenntnis deshalb den vollen Verfahrensgegenstand umfasst hat. Der Kläger hat zwar in seinem Antrag vom 10. Mai 2005, die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren, nicht klar zum Ausdruck gebracht, ob er die Gewährung der Rente als Dauerrente oder lediglich als Zeitrente begehrt. Sein pauschal formulierter Antrag umfasst beides. Dabei ist es gemäß § 92 SGG zunächst Sache des durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretenen Klägers, mit seinem Antrag den Gegenstand des Verfahrens festzulegen. Notwendig ist deswegen, dass der Kläger - jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - klarstellt, welches Ziel er mit seiner Klage verfolgt. Bei Unklarheit des klägerischen Antrags ist dann aber dafür, ob durch das Anerkenntnis der Beklagten dem Begehren des Klägers voll genügt wurden ist, - unter Heranziehung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. BSGE 74, 77, 79) - der Antrag des Klägers unter Würdigung seines gesamten Vorbringens auszulegen (vgl. BSGE 63, 93; 94, 74, 77, 79; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage § 92 Rndr. 5 m.w.N.). Die Auslegung des Klageantrags unter Heranziehung der - auch im Vorverfahren abgegebenen - Begründung führt dazu, dass vorliegend davon auszugehen ist, dass der Kläger - auch bei Beachtung des Grundsatzes der Meistbegünstigung - nur eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Der Kläger hat in seinem Widerspruch vom 14. Januar 2005 gegen den Bescheid vom 5. Januar 2005 ausgeführt, dass er "derzeit" nicht in der Lage sei, irgendeine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Noch deutlicher, dass er - schon im Widerspruchsverfahren - nur eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat, bringt es die weitere Begründung seines Widerspruchs zum Ausdruck. Er hat nämlich ausgeführt, dass es "sein Ziel sei, schon wieder arbeiten zu wollen. Der behandelnde Arzt der Klinik habe ihm jedoch eine Rente auf Zeit empfohlen. Deswegen habe er den Rentenantrag gestellt". Mit dieser Begründung seines Widerspruchs macht der Kläger deutlich, dass es nicht sein Ziel war, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu beziehen, sondern dass sein Ziel eine Rückkehr in die Erwerbstätigkeit war, woran er sich lediglich "auf Zeit" gehindert sah. Nichts anderes ist der Begründung seiner Klage beim SG zu entnehmen. In der Klagebegründung hat er darauf hingewiesen, dass er seit Februar 2005 im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme bei der Firma M. in L. seine Tätigkeit als Lagerist wieder aufgenommen habe, hat jedoch die besonders günstigen Arbeitsgelegenheiten, die ihm sein Arbeitgeber und andere Arbeitnehmern einräumen, hervorgehoben und deswegen ausgeführt, dass er derzeit auf Kosten seiner Restgesundheit dieser Tätigkeit als Lagerist nachgehe. Weiterhin haben sein behandelnder Nervenfacharzt Dr. B. als auch die ihn behandelnde Ärztin Dr. K. von der Klinik II für Psychiatrie und Psychotherapie S. G. im Rahmen ihrer sachverständigen Zeugenauskünfte ausgeführt, dass dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit dringend zu gewähren sei bzw. dass er bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt sei. Diesen Einschränkungen der Reduzierung seines Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht ist der Kläger im weiteren Klageverfahren nicht entgegengetreten. Stattdessen hat er das Anerkenntnis der Beklagten vom 4. Januar 2006 gerichtet auf Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 1. April 2005 bis 31. März 2008 umgehend mit Schreiben vom 18. Januar 2006 angenommen. Bei zusammenfassender Würdigung ist das klägerische Begehren deshalb auch unter Würdigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung dahingehend zu verstehen, dass der Kläger lediglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Hiervon ausgehend ist es gerechtfertigt, der Beklagten die vollen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Beklagten, welcher das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat (vgl. im Einzelnen §§ 172 f. des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat der Beklagten zutreffend die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfange auferlegt.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird (§ 193 Abs. 1 Satz 3 SGG). Vorliegend ist das Klageverfahren durch das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 4. Januar 2006 und dessen Annahme durch den Bevollmächtigten des Klägers vom 18. Januar 2006 mit gleichzeitiger Erledigungserklärung beendet worden.
Für die Entscheidung über die Kostenerstattung ist Maßstab grundsätzlich die Anwendung sachgemäßen Ermessens, wobei vorrangig der nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrensausgang den Ausschlag gibt (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 und 10); ebenso wenig kann aber außer Betracht bleiben, ob ein Versicherungsträger Anlass zur Klage gegeben (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2; SozR 3-5050 § 22b Nr. 1), wobei es auf Verschuldenserwägungen regelmäßig nicht ankommt.
Unter Beachtung dessen entspricht es sachgemäßem Ermessen, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang zu erstatten hat.
Die Beklagte hat Anlass zur Klage gegeben; der Bescheid vom 5. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2005, mit dem die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt wurde, war nach dem Gesamtergebnis des Klageverfahrens rechtswidrig. Auch die Beklagte ist mit ihrem Anerkenntnis vom 4. Januar 2006 letztlich davon ausgegangen, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung beim Kläger am 13. September 2004 - also schon zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung - vorgelegen hat. Auf die diesbezügliche weitere Begründung des Sozialgerichts wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen.
Für den Senat steht - entgegen der Auffassung der Beklagten - fest, dass der vom Kläger geltend gemachte prozessuale Anspruch über das Anerkenntnis der Beklagten nicht hinausging und dieses vom Kläger angenommene Anerkenntnis deshalb den vollen Verfahrensgegenstand umfasst hat. Der Kläger hat zwar in seinem Antrag vom 10. Mai 2005, die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren, nicht klar zum Ausdruck gebracht, ob er die Gewährung der Rente als Dauerrente oder lediglich als Zeitrente begehrt. Sein pauschal formulierter Antrag umfasst beides. Dabei ist es gemäß § 92 SGG zunächst Sache des durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretenen Klägers, mit seinem Antrag den Gegenstand des Verfahrens festzulegen. Notwendig ist deswegen, dass der Kläger - jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - klarstellt, welches Ziel er mit seiner Klage verfolgt. Bei Unklarheit des klägerischen Antrags ist dann aber dafür, ob durch das Anerkenntnis der Beklagten dem Begehren des Klägers voll genügt wurden ist, - unter Heranziehung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. BSGE 74, 77, 79) - der Antrag des Klägers unter Würdigung seines gesamten Vorbringens auszulegen (vgl. BSGE 63, 93; 94, 74, 77, 79; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage § 92 Rndr. 5 m.w.N.). Die Auslegung des Klageantrags unter Heranziehung der - auch im Vorverfahren abgegebenen - Begründung führt dazu, dass vorliegend davon auszugehen ist, dass der Kläger - auch bei Beachtung des Grundsatzes der Meistbegünstigung - nur eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Der Kläger hat in seinem Widerspruch vom 14. Januar 2005 gegen den Bescheid vom 5. Januar 2005 ausgeführt, dass er "derzeit" nicht in der Lage sei, irgendeine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert zu verrichten. Noch deutlicher, dass er - schon im Widerspruchsverfahren - nur eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat, bringt es die weitere Begründung seines Widerspruchs zum Ausdruck. Er hat nämlich ausgeführt, dass es "sein Ziel sei, schon wieder arbeiten zu wollen. Der behandelnde Arzt der Klinik habe ihm jedoch eine Rente auf Zeit empfohlen. Deswegen habe er den Rentenantrag gestellt". Mit dieser Begründung seines Widerspruchs macht der Kläger deutlich, dass es nicht sein Ziel war, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu beziehen, sondern dass sein Ziel eine Rückkehr in die Erwerbstätigkeit war, woran er sich lediglich "auf Zeit" gehindert sah. Nichts anderes ist der Begründung seiner Klage beim SG zu entnehmen. In der Klagebegründung hat er darauf hingewiesen, dass er seit Februar 2005 im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme bei der Firma M. in L. seine Tätigkeit als Lagerist wieder aufgenommen habe, hat jedoch die besonders günstigen Arbeitsgelegenheiten, die ihm sein Arbeitgeber und andere Arbeitnehmern einräumen, hervorgehoben und deswegen ausgeführt, dass er derzeit auf Kosten seiner Restgesundheit dieser Tätigkeit als Lagerist nachgehe. Weiterhin haben sein behandelnder Nervenfacharzt Dr. B. als auch die ihn behandelnde Ärztin Dr. K. von der Klinik II für Psychiatrie und Psychotherapie S. G. im Rahmen ihrer sachverständigen Zeugenauskünfte ausgeführt, dass dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit dringend zu gewähren sei bzw. dass er bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt sei. Diesen Einschränkungen der Reduzierung seines Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht ist der Kläger im weiteren Klageverfahren nicht entgegengetreten. Stattdessen hat er das Anerkenntnis der Beklagten vom 4. Januar 2006 gerichtet auf Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet vom 1. April 2005 bis 31. März 2008 umgehend mit Schreiben vom 18. Januar 2006 angenommen. Bei zusammenfassender Würdigung ist das klägerische Begehren deshalb auch unter Würdigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung dahingehend zu verstehen, dass der Kläger lediglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Hiervon ausgehend ist es gerechtfertigt, der Beklagten die vollen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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