S 27 AS 371/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 371/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über einen Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – für die Zeit vom 18.03.2005 bis zum 31.03.2005. Streitig ist insbesondere die Frage, ob ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II nur in Betracht kommt, wenn ansonsten bereits ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II – Alg -II – besteht.

Der am geborene Kläger ist seit Dezember 2004 dauernd getrennt lebend.

Von der Agentur für Arbeit Oberhausen erhielt er bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer bis einschließlich zum 17.03.2005 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 40,31 EUR. Bereits zu der Zeit erzielte er einen gleichbleibenden Nebenverdienst in Höhe von 290,- EUR brutto gleich netto.

Am 10.02.2005 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Auf das Antragsformular einschließlich Anlagen wird Bezug genommen.

Die Beklagte bewilligte zunächst mit Bescheid vom 30.04.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 712,95 EUR für drei Monate als Darlehen. Der Bescheid trägt den Briefkopf der Agentur für Arbeit Oberhausen. Mit Bescheid vom 09.05.2005 – wiederum unter dem Briefkopf der Agentur für Arbeit Oberhausen – bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2005 bis zum 30.06.2005 Leistungen als Zuschuss in Höhe von 752,30 EUR monatlich. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der Bescheid sei weder inhaltlich bestimmt noch ausreichend begründet. Aus dem Bescheid lasse sich nicht entnehmen, wie sich die einzelnen Kürzungsbeträge errechneten. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund ab dem 18.03.2005 kein Anspruch auf Alg-II bestehe und ob die Kosten für Unterkunft/Heizung sowie der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II zutreffend berechnet sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005 als unbegründet zurück. Der Bescheid enthält ausführliche Darlegungen zu den Grundlagen der Berechnung sowie zu den gesetzlichen Vorschriften. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage, die sich zunächst auch gegen den weiteren Bescheid vom 10.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 gerichtet hat, trägt der Kläger vor, ihm sei Arbeitslosengeld II erst ab dem 01.04.2005 bewilligt worden, obwohl er nur bis zum 17.03.2005 Arbeitslosengeld nach dem SGB III erhalten habe. Insgesamt sei ihm im März 2005 ein Betrag in Höhe von 685,27 EUR an Arbeitslosengeld nach dem SGB II ausgezahlt worden. Der von der Beklagten ermittelte Bedarf setze sich aus der Regelleistung in Höhe von 345,- EUR, einem Mehrbedarf in Höhe von 30,48 EUR, der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 417,96 EUR sowie dem Zuschlags nach § 24 SGB II in Höhe von 160,- EUR zusammen, so dass sich ein Gesamtbedarf in Höhe von 953,64 EUR ergebe. Hiervon sei das bereinigte Erwerbseinkommen in Höhe von 201,34 EUR sowie das Arbeitslosengeld in Höhe von 685,25 EUR abzuziehen, so dass sich ein nicht gedeckter Bedarf in Höhe von 67,05 EUR ergebe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 09.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 24.08.2005 dahingehend abzuändern, dass dem Kläger auch für die Zeit vom 18.03.2005 bis zum 31.03.2005 Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften bewilligt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es sei unstreitig, dass der Kläger im März 2005 Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 201,34 EUR sowie Arbeitslosengeld I in Höhe von 685,25 EUR erzielt habe. Der Bedarf des Klägers bezüglich der Regelleistung, des Mehrbedarfs und der Kosten für Unterkunft läge bei 793,64 EUR monatlich. Das anzurechnende Einkommen betrage 886,50 EUR, so dass sich kein auszuzahlender Betrag ergebe. Der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II setze seinem Wortlaut nach voraus, dass mindestens die Zahlung von einem Cent der Leistungen nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II gezahlt werde.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 09.06.2006 den Bescheid vom 10.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 aufgehoben. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Vorgänge der Beklagten, der bei der Entscheidung vorgelegen hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auf seinen Antrag vom 10.02.2005 für die Zeit vom 18.03.2005 bis zum 31.03.2005.

Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005, denen es sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage anschließt, und sieht insoweit gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Begründung ab. Die Höhe der von der Beklagten berechneten Bedarfe ist im Übrigen im Klageverfahren nicht mehr streitig.

Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen für die Zeit vom 18.03.2005 bis zum 31.03.2005 hat. Insoweit kommt – was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig zu sein scheint – ein Anspruch des Klägers für diesen Zeitraum nur dann in Betracht, wenn der Zuschlag nach § 24 SGB II trotz des im März 2005 erzielten Erwerbseinkommens in Höhe von 201,34 EUR sowie des Arbeitslosengeld I in Höhe von 685,25 EUR zu berücksichtigen ist. Ohne den Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 160,- EUR hätte der Kläger nur einen Bedarf in Höhe von 793,64 EUR, der unter dem erzielten und anrechenbaren Einkommen in Höhe von 886,59 EUR liegt.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlungen des Zuschlags nach § 24 SGB II. Nach dieser Vorschrift erhält ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, der innerhalb von zwei Jahren nach Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem SGB III Arbeitslosengeld II – Alg II – bezieht, in diesem Zeitraum einen monatlichen Zuschlag. Nach § 24 Abs. 2 SGB II beträgt der Zuschlag 2/3 des Unterschiedsbetrages zwischen dem von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und dem an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen zu zahlenden Alg-II nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 sowie Satz 2 oder Sozialgeld nach § 28, höchstens jedoch die in § 24 Abs. 3 SGB II genannten Beträge.

Ob die Vorschrift auch dann Anwendung findet, wenn das anzurechnende Einkommen den Bedarf nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II übersteigt, der Zuschlag also bedarfserhöhend wirkt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Insbesondere das Landessozialgericht – LSG – Berlin/Brandenburg (L 5 B 1091/05 AS ER, Beschluss vom 06.02.2006, veröffentl. unter www.sozialgerichtsbarkeit.de,mit weiteren Nachweisen) und das LSG Niedersachsen/Bremen ( Beschluss vom 05.07.2005, L 8 AS 71/05, veröffentlicht in Juris und unter www.sozialgerichtsbarkeit.de, mit weiteren Nachweisen) sowie zwei Kammern des Sozialgerichts Duisburg gehen – jedoch mit unterschiedlichen Berechnungsmodalitäten – davon aus, dass in die Bedarfsberechnung auch der dem Betroffenen nach § 24 SGB II zustehende Zuschlag einzuberechnen ist. Begründet wird diese Auffassung im Wesentlichen mit dem Wortlaut des § 19 Satz 1 Nr. 2 SGB II, nach dem erwerbsfähige Hilfebedürftige als Alg- II unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II einen befristeten Zuschlag erhalten und dieser befristete Zuschlag damit einen Teil des Alg-II darstelle. Stelle der Zuschlag aber einen Teil des Alg-II dar, sei er konsequenterweise auch in die Bedarfsberechnung einzubeziehen (LSG Berlin-Brandenburg, am angegebenen Orte, unter Bezugnahme auf Brünner in LPK/SGB II, § 24 Randnummer 6).

Dieser Auffassung überzeugt nach Ansicht der erkennenden Kammer nicht, auch wenn eine solche Interpretation sozialpolitisch wünschenswert sein mag. Der Wortlaut des § 24 Abs. 1 SGB II ist eindeutig und geht von einer strengen Akzessorietät zwischen Alg-II-Bezug und Zuschlag aus (im Ergebnis ohne Begründung ebenso LSG NRW, Beschuss vom 19.01.2006, L 1 B 17/05 AS ER). Auch das LSG Bayern sieht den Zuschlag akzessorisch zum Bezug und führt aus, dass derjenige, dem keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen, auch keinen Anspruch auf den befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II hat, denn dieser werde nur dann gewährt, wenn der Hilfebedürftige tatsächlich Alg-II beziehe. Der Kompensationseffekt des Zuschlags solle nur den Alg-II-Beziehern zu Gute kommen (LSG Bayern, Urteil vom 04.04.2006, L 11AS 81/05 und vom 21.04.2006, L 7 AS 76/05 jeweils veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de mit weiteren Nachweisen). Entsprechend vertritt Söhngen (Anmerkung zu LSG Niedersachsen/Bremen in jurisPR-SozR 7/2006 Anmerkung 2 mit weiteren Nachweisen) die Ansicht, dass in § 24 Abs. 1 SGB II ganz allgemein der Bezug von Alg-II zur Anspruchsvoraussetzung gemacht werde. Nach der sich aus § 19 SGB II ergebenden Definition von Alg-II falle der befristete Zuschlag "unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II" an. Diese Rückverweisung auf § 24 SGB II stehe einer Überbetonung der Bedeutung des § 19 SGB II entgegen. Auch die Bezeichnung als "Zuschlag" spreche ebenso wie die Berechnungsregelung in § 24 Abs. 2 SGB II dafür, dass der Zuschlag nur zusätzlich zu einem ohnehin zu zahlenden Alg-II gewährt werden solle. Einen Zuschlag "unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II" gebe es nur dann, wenn sich ein solcher nach Maßgabe der Berechnungsvorschriften errechnen lasse. Im Hinblick auf § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB II sei dies aber nur dann der Fall, wenn Alg-II nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II – also ohne Zuschlag – oder Sozialgeld zu zahlen sei. Wenn der Gesetzgeber tatsächlich einen Sonderbedarf für ehemalige Bezieher von Arbeitslosengeld habe einführen wollen, so hätte es nahe gelegen, diesen in die allgemeinen Regelungen zum Bedarf (§§ 20, 21 SGB II) aufzunehmen. Das Anknüpfen an den Alg-II-Bezug wäre dann vollständig entbehrlich gewesen.

Dem schließt sich die erkennende Kammer uneingeschränkt an.

Die Klage war daher abzuweisen.

Das Gericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Dies folgt aus der vorhandenen divergierenden Rechtsprechung. Selbst die Rechtsprechung des Sozialgerichts Duisburg ist in diesem Punkt nicht einheitlich. Zudem sind eine Vielzahl von Verfahren zu dieser Fragestellung anhängig

Die Kostenentscheidung folgt aus §193 SGG. Eine Quotelung war angesichts des im Termin zur mündlichen Verhandlung abgegebenen Teilanerkenntnis angemessen.
Rechtskraft
Aus
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