L 27 RJ 152/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RJ 460/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 RJ 152/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger gezahlten und ab dem 1. Januar 1992 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewandelten Invalidenrente streitig, und zwar die Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG).

Der am 29. August 1941 geborene Kläger absolvierte von September 1957 bis Oktober 1959 eine Berufsausbildung als Lagerist ohne Erwerb des Facharbeiterabschlusses. Im Zeitraum von 1960 bis zum 8. April 1968 war der Kläger bei der D R, zuletzt als Zugfertigsteller, tätig. Am 24. März 1967 erwarb er den Abschluss als Facharbeiter für den Betriebs- und Verkehrsdienst der DR. Ausweislich der Unterlagen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR war der Kläger im Zeitraum vom 25. März 1966 bis zum 8. April 1968 als informeller Mitarbeiter auf der Grundlage einer von ihm unterzeichneten Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem Aufgabenbereich 1 der Kriminalpolizei vom 13. Mai 1966 für die Staatssicherheit tätig. Im April 1968 löste der Kläger das Arbeitsverhältnis bei der DR auf, weil er sich von Angehörigen der Staatssicherheit unter Druck gesetzt fühlte. Ab dem 28. September 1968 war der Kläger als Beikoch, Koch und Küchenleiter beschäftigt.

Der Kläger erhielt mit Rentenbescheid vom 23. September 1980 des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), Kreisvorstand G – Verwaltung der Sozialversicherung -, ab dem 1. Juli 1980 eine Invalidenrente in Höhe von 450,00 Mark/DDR zuzüglich 31,00 Mark/DDR aus der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) monatlich. Als Berentungsgrund wurde von der untersuchenden Ärztin, Dr. med. T, in ihrem Gutachten vom 1. September 1980 eine chronisch verlaufende paranoide Schizophrenie festgestellt. Der Kläger war danach noch für kurze Zeit als Beikoch mit einer täglichen Arbeitszeit von zwei Stunden beschäftigt, gab diese Tätigkeit aber bald auf. In der Nachuntersuchung vom 1. Juli 1982 stellte Frau Dr. T eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers fest. Bei der Feststellung einer chronisch verlaufenden paranoiden Schizophrenie verblieb es im Wesentlichen auch bei den Nachuntersuchungen vom 1. Juli 1985 und vom 15. Juli 1988. Der Kläger übte ab dem 1. Oktober 1987 neben dem Bezug der Invalidenrente eine Teilzeitbeschäftigung als Sachbearbeiter in der Schul- und Kindergartenverwaltung aus.

Der Kläger stellte am 27. Mai 1999 beim Ministerium des Inneren des Landes Brandenburg einen Antrag auf Rehabilitierung, in welchem er angab, von 1966 bis 1968 durch die Staatssicherheit zur Mitarbeit gezwungen und ständiger Drohung und Repressalien ausgesetzt worden zu sein. Nach Beiziehung der Unterlagen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR sowie der medizinischen Unterlagen über die Invalidisierung des Klägers im Jahre 1980 erteilte das Ministerium dem Kläger am 23. November 1999 eine Bescheinigung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) und nach dem BerRehaG und stellte fest, dass der Kläger durch Mitarbeiter des Arbeitsgebietes 1 der Kriminalpolizei Verfolgungsmaßnahmen, u. a. der Drohung auf Inhaftierung, ausgesetzt gewesen sei, die mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar gewesen seien. Diese Maßnahmen wurden für rechtsstaatswidrig erklärt. Für den Zeitraum vom 8. April 1968 bis 2. Oktober 1990 erfolgte die Anerkennung als Verfolgungszeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerRehaG. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Der Kläger beantragte daraufhin am 29. November 1999 bei der Beklagten die Neuberechnung seiner Invalidenrente.

In dem angefochtenen Bescheid vom 26. Januar 2000 legte die Beklagte für Zeiten ab dem 1. Juli 1990 auf der Grundlage des § 16 BerRehaG den Zeitraum vom 8. April 1968 bis 30. Juni 1980 als ununterbrochene Dienstzeit bei der DR zu Grunde und führte hierzu aus, dass die in der Rehabilitierungsbescheinigung vom 23. November 1999 außerdem anerkannte Zeit der Verfolgung vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 erst bei Vorlage eines neuen Leistungsfalles berücksichtigt werden könne.

Zum 1. Januar 1992 nahm die Beklagte eine Umwertung und Anpassung der Invalidenrente nach § 307 a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor und gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 2. Februar 2000 nach Durchführung einer Neuberechnung eine Invalidenrente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Im Rahmen seines gegen den Bescheid vom 26. Januar 2000 erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass er wegen psychischen Drucks erkrankt und invalidisiert worden sei. Da sich seine Erkrankung unmittelbar aus der Verfolgung ergeben habe, müsse er so gestellt werden, wie er ohne politische Verfolgung beruflich gestellt gewesen wäre. Als Pflichtbeitragszeit sei eine Berechnung der Entgeltpunkte für die gesamte Verfolgungszeit vorzunehmen, so dass bei der Rentenberechnung der Zeitraum von 1981 bis 1990 auf der Grundlage eines steigenden Einkommens bei der DR zu berücksichtigen sei. Er, der Kläger, habe zu keinem Zeitpunkt nach dem erzwungenen Ausscheiden einen Verdienst erzielt, wie er ihn bei der DR bei normaler Fortschreibung hätte erwarten können.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers am 13. September 2000 als unbegründet zurück und führte aus, dass die nach den Vorschriften des BerRehaG vorgenommene Neuberechnung der dem Kläger seit dem 1. Juli 1980 gewährten Invalidenrente ab dem 1. Juli 1990 nicht zu beanstanden sei. Weder § 10 noch § 16 BerRehaG enthielten Aussagen, nach welchem Recht Bestandsrenten des Beitrittsgebietes unter Berücksichtigung des Nachteilsausgleiches neu festzustellen seien. Die Rechtsanwendung bestimme sich damit nach den allgemein für Renten geltenden Vorschriften. Dies bedeute, dass für die gegenwärtig bezogene Invalidenrente – mit einem Leistungsfall 1. Juli 1980 – rentenrechtliche Zeiten ab dem 1. Juli 1980 nicht berücksichtigt werden könnten. Nach den allgemeinen Rechtsvorschriften, d. h. sowohl nach den Bestimmungen der ehemaligen DDR als auch nach den Vorschriften des SGB VI, seien nach dem Eintritt des Leistungsfalles zurück gelegte rentenrechtliche Zeiten bei der Berechnung der Rente nicht zu berücksichtigen. Hieran ändere auch die ergangene Rehabilitierungsbescheinigung nichts. Die hierdurch bestätigten Zeiten ab dem 1. Juli 1980 wirkten sich somit erst bei der Berechnung der neuen Rente mit einem neuen Leistungsfall aus. Nicht aber begründe die Erstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung den Eintritt eines neuen Leistungsfalles.

Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen auf Neuberechnung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung des Zeitraums vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 als rentenrechtliche Zeit weiter verfolgt und nochmals hervor gehoben, dass seine Invalidisierung im Jahr 1980 gerade wegen einer durch die politische Verfolgung eingetretenen Erkrankung erfolgt sei. Die DDR-Behörden hätten ihn mit dem Ziel verfolgt, den politisch unbequemen und latent "gefährlichen" Kläger von weiteren Einflussmöglichkeiten auf andere Betriebsmitarbeiter auszuschalten. Die Beklagte könne ihm nicht die gezielten Verfolgungsmaßnahmen als "Versicherungsfall" entgegen halten, sondern hätte das Ende der Verfolgungszeit, also den 2. Oktober 1990, als "echten" Versicherungsfall für eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers annehmen müssen. So habe sich erst bei der Untersuchung von Fachärzten zur Wendezeit eindeutig herausgestellt, dass er durch den ständigen Druck der weiteren politischen Verfolgung seine Erwerbsfähigkeit tatsächlich dauerhaft verloren habe. Eine anderweitige Handhabung hätte zur folge, dass das SED-Unrecht zu einem erheblichen Teil gegenüber dem Kläger weiter wirksam bliebe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 26. Januar 2000 in der Fassung des Bescheides vom 2. Februar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2000 zu verurteilen, dem Kläger Invalidenrente ab dem 1. Juli 1990 sowie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Januar 1992 unter Berücksichtigung des Zeitraumes vom 1. Juli 1980 bis 2. Oktober 1990 als Verfolgungszeit zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist bei ihrer Rechtsauffassung verblieben und hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass sie aufgrund eines vom Kläger gestellten Antrages auf Gewährung einer Altersrente eine Überprüfung vorgenommen und festgestellt habe, dass die dem Kläger gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente den Betrag der ermittelten Altersrente unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 übersteige und daher Rente weiter in dieser Höhe gezahlt werde.

Mit Bescheid vom 8. April 2002, der gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden ist, hat die Beklagte mitgeteilt, dass eine Überprüfung des Invalidenrentenbezuges des Klägers aufgrund der Änderung des BerRehaG durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz vom 27. Juli 2001 erfolgt sei und sich im Falle des Klägers keine Änderung ergebe.

Das Sozialgericht Cottbus hat mit Urteil vom 8. Oktober 2002 die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung des Zeitraums vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 als Verfolgungs- und Beitragszeit nicht gegeben sei.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. November 2002 Berufung beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt, mit der er seinen Anspruch auf Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung der Zeiten von 1980 bis 1990 weiter verfolgt. Zur Begründung hat er über seinen Prozessbevollmächtigten vorgetragen, dass der Grundsatz, dass auch Bescheide der DDR-Sozialversicherung Bestandskraft behielten (Art. 19 Einigungsvertrag), hier durch den in § 15 BerRehaG genannten Grundsatz der Rehabilitation durchbrochen werde. Die Rehabilitierungsbehörde habe festgestellt, dass der Kläger auch während der Zeiten des Bezuges von Invalidenrente rechtsstaatlichen Verfolgungen ausgesetzt und durch seine Invalidisierung an der weiteren Ausübung seiner Berufstätigkeit gehindert gewesen sei. Er habe deshalb Anspruch auf Entschädigung, hier Berücksichtigung von Verfolgungszeiten, so dass auch teilweise Zeiten des Invalidenrentenbezuges als Zeiten einer Beschäftigung und damit als rentenrechtliche Zeiten anerkannt werden müssten, ohne dass hierfür ein neuer Leistungs- (versicherungs)fall erforderlich sei. Die Beklagte, die Aufgaben der Sozialversicherung wahrnehme, sei nicht befugt, die Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde abzuändern; diese hätten Bindungswirkung (§ 22 Abs. 3 BerRehaG). Hierbei sei nicht entscheidungserheblich, dass durch die Rehabilitierungsbescheinigung die Gewährung der Invalidenrente an den Kläger ab 1. Juli 1980 nicht ausdrücklich als rechtsstaatswidrig beurteilt worden sei, denn Aufgabe der Rehabilitierungsbehörde sei allein die Feststellung der Verfolgungszeit.

Die Zeit vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 sei aber auch deshalb als tatsächliche Verfolgungszeit anzunehmen, weil der Kläger auf Druck des Ministeriums für Staatssicherheit in rechtswidriger Weise unter Zugrundelegung einer bewusst fehlerhaften Diagnose der paranoiden Schizophrenie durch die Gutachterin Dr. T invalidisiert worden sei, um ihn ruhig zu stellen. Nach dem Verlust seines Berufes hätte der Kläger für jede neue Tätigkeit der Einwilligung von Frau Dr. T bedurft. Diese habe jedoch jegliche Wiedereingliederung in das Berufsleben abgelehnt und mitgeteilt, dass eine Zustimmung nicht erteilt werde. Tatsächlich habe der Kläger an einer Angststörung gelitten, die bei richtiger Diagnose nicht zu einer Invalidisierung geführt hätte. Die Diagnose "Angststörung" hätten damals die Ärztekommission und später auch der Facharzt für Innere Medizin/Psychotherapie, Dr. med. P H, bestätigt; dieser habe dem Kläger mitgeteilt, dass für eine Psychose keine Anhaltspunkte bestünden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Oktober 2002 und die Bescheide der Beklagten vom 26. Januar und vom 2. Februar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger höhere Invalidenrente ab dem 1. Juli 1990 –

berechnet als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für Zeiten ab 1. Januar 1992 -

unter Berücksichtigung weiterer Verfolgungszeiten vom 1. Juli 1980 bis zum 2.

Oktober 1990 zu gewähren und die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die tatsächlich vorliegenden Verhältnisse auch im Rahmen des Nachteilsausgleiches nach dem BerRehaG zu beachten seien. Tatsächlich habe der Kläger seit dem 1. Juli 1980 eine Invalidenrente bezogen. Für eine neben diesem Rentenbezug ausgeübte Beschäftigung sei der Kläger gemäß § 15 Abs. 1 der Sozialversicherungsordnung der DDR (SVO DDR) von der Zahlung eines Beitrages befreit gewesen, weshalb eine Anrechnung dieser Zeit bei der Berechnung einer Invalidenrente nicht möglich gewesen sei. Dabei sei es unerheblich, dass bei Ausübung einer Beschäftigung mit einem Einkommen oberhalb des so genannten Lohndrittels nach § 8 Abs. 1 Erste Rentenverordnung keine Invalidität vorgelegen hätte. Für die Beklagte sei die nach § 15 Abs. 1 der SVO DDR eintretende Beitragsfreiheit bei der Anrechnung der Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige nach dem SGB VI allerdings nicht zu beachten. Im Übrigen dürften die zur Berentung in der DDR führenden Gründe für die hier zu beurteilende Frage keine Bedeutung haben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, ferner auf die vorliegenden Ablichtungen aus den Verfahrensakten nach dem BerRehaG des Ministeriums des Inneren des Landes Brandenburg sowie auf die Rentenakte der Beklagten (Vers.Nr. 04 290841 G 023) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Cottbus hat im Urteil vom 8. Oktober 2002 zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten für rechtmäßig erachtet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Zeitraum vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 als weitere Zeit der Verfolgung im Rahmen der Berechnung der Invalidenrente bzw. der Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 1. Januar 1992 berücksichtigt wird.

Die dem Kläger mit Rentenbescheid vom 23. September 1980 des FDGB ab dem 1. Juli 1980 nach dem Recht des Beitrittsgebietes gewährte Invalidenrente ist unter Berücksichtigung der Angaben in der Rehabilitierungsbescheinigung vom 23. November 1999 zur Durchführung des Nachteilsausgleichs unter Berücksichtigung der bescheinigten Verfolgungszeiten zum 1. Juli 1990 - als dem frühest möglichen Zeitpunkt (§ 16 BerRehaG) - neu festzustellen. Hierfür maßgebend sind die Bestimmungen des Rentenrechts der DDR, das bis zum 31. Dezember 1991 in Bezug auf Leistungsansprüche weiterhin anzuwenden ist (Anlage II, Kapitel VIII, Sachgebiet F, Abschnitt III, Nr. 6 des Einigungsvertrages; vgl. auch Backhaus, Grintsch, Neidert, Polster, Das Versicherungs- und Rentenrecht im beigetretenen Teil Deutschlands, Deutsche Rentenversicherung (DRV) 1991, 15 ff., 55 ff.; vgl. auch § 14 BerRehaG, der an das Rentenrecht des Beitrittsgebietes anknüpft ["versicherungspflichtige Tätigkeit"]).

Maßgebend für die Prüfung, ob und in welcher Höhe ein Rentenanspruch des Klägers zum 1. Juli 1990 besteht, ist die Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung vom 23. November 1979 (Gesetzblatt [GBl.] I Nr. 38 S. 401 [RentenVO]). Nach § 80 RentenVO gelten Renten, auf die vor dem 1. Januar 1980 ein Anspruch bestand, als nach dieser Verordnung gewährt und berechnet. Für Bezugszeiten ab dem 1. Januar 1992 ist die Rente auf der Grundlage der neu festgestellten Daten (Arbeitsjahre und Durchschnittsverdienst) erneut nach § 307 a Abs. 1 – 5 SGB VI umzuwerten und anzupassen.

Bei der Neufeststellung der Invalidenrente ab dem 1. Juli 1990 mit Bescheid vom 26. Januar 2000 hat die Beklagte zu Recht nur den Zeitraum vom 8. April 1968 bis zum 30. Juni 1980 als ununterbrochene Dienstzeit bei der DR zu Grunde gelegt. Zwar hat die Rehabilitierungsbehörde in der Bescheinigung vom 23. November 1999 eine darüber hinaus gehende Zeit der Verfolgung vom 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 anerkannt. Diese konnte nach Auffassung des Senats jedoch trotz der grundsätzlichen Bindung der Beklagten an die in der Rehabilitierungsbescheinigung enthaltenen Feststellungen als Grundlage des rentenrechtlichen Nachteilsausgleiches (§ 22 Abs. 3 BerRehaG) erst bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles berücksichtigt werden. Insoweit überlagern nämlich die allgemeinen rentenrechtlichen Grundsätze die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde, die ihre Entscheidung ohne Beachtung der rentenrechtlichen Konsequenzen trifft. Die Berechnung der Rente nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung – hier der RentenVO - obliegt allein dem Rentenversicherungsträger.

Nach allgemeinen rentenrechtlichen Grundsätzen können nach dem Eintritt des Leistungsfalles zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten – hier die weiteren Verfolgungszeiten ab dem 1. Juli 1980 bis zum 2. Oktober 1990 als Pflichtbeitragszeiten (§ 11 BerRehaG) – erst bei Eintritt eines neuen Versicherungsfalles berücksichtigt werden. Zwar enthält das BerRehaG keine Regelung zur Sperrwirkung des eingetretenen Versicherungsfalles. Da das BerRehaG die allgemeinen rentenrechtlichen Grundsätze jedoch nicht verdrängt, sondern diese lediglich ergänzt (§ 10 S. 1 BerRehaG), ist dieser elementare rentenrechtliche Grundsatz auch bei der Durchführung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs nach dem BerRehaG zu beachten. Diese Beurteilung wird durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 BerRehaG gestützt, wonach Verfolgungszeiten – fiktiv – als Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit – also Zeiten eines versicherten Arbeitseinkommens im Beitrittsgebiet – gelten. Nach Eintritt des Versicherungsfalls – hier der Invalidität – kommt indes bei der Bemessung der Leistung eine Berücksichtigung für diesen Versicherungsfall grundsätzlich nicht mehr in Betracht.

In den – für die Neufeststellung der Invalidenrente ab dem 1. Juli 1990 anzuwendenden - Vorschriften des Rentenversicherungsrechts des Beitrittsgebietes findet sich zwar keine ausdrückliche Formulierung des Grundsatzes der Sperrwirkung des eingetretenen Versicherungsfalles, anders als z. B. in § 75 Abs. 1 SGB VI. Dort ist ausdrücklich der Endzeitpunkt bestimmt, bis zu dem erworbene Entgeltpunkte bei der Berechnung von Renten berücksichtigt werden können, nämlich grundsätzlich nicht mehr nach Rentenbeginn, während andere rentenrechtliche Zeiten (z. B. Beitrags- oder Anrechnungszeiten) nur bei einer späteren Rente zu berücksichtigen sind (so auch bereits §§ 1253 Abs. 3, 1255 Abs. 8, 1258 Abs. 4, 1259 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung [RVO]; vgl. auch Polster, Kasseler Kommentar, SGB VI, § 75 Rdn. 1, 3). Der Grundsatz, dass nach dem Beginn der Rente liegende andere – weitere –

rentenrechtliche Zeiten bei der Berechnung dieser Rente nicht berücksichtigt werden können, spiegelt sich gleichwohl in den Bestimmungen des Rentenrechts des Beitrittsgebietes wider. Ist z. B. ein Anspruch auf Rente - bei Erfüllung von bestimmten Alters- und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 3 RentenVO) - durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit erworben worden (§ 2 RentenVO) und gelten als versicherungspflichtige Tätigkeit auch Zeiten der versicherungspflichtigen Tätigkeit während des Bezugs einer Rente wegen Invalidität (§ 2 Abs. 2 d) RentenVO), so wirken sich letztere erst mit Eintritt des (weiteren) Rentenleistungsfalls "Alter", nicht aber bereits zum Rentenleistungsfall "Invalidität" aus. Auch § 76 Abs. 2 RentenVO zeigt das Prinzip der Maßgeblichkeit des jeweiligen Versicherungsfalles, wenn dort bestimmt ist, dass die wegen Erreichens der Altersgrenze festzusetzende Altersrente nach vorangegangenem Bezug einer Invalidenrente bei gleichzeitiger versicherungspflichtiger Tätigkeit unter Einbeziehung dieser versicherungspflichtiger Tätigkeit neu zu berechnen ist, wenn dies günstiger ist. Hiernach wird die Höhe der vor Bezug der Altersrente bezogenen Invalidenrente nicht beeinflusst durch die gleichzeitig ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit; diese wirkt sich erst bei dem neuen Leistungsfall "Alter" aus (vgl. auch § 3 Abs. 1 der Anordnung über die Berechnung von Renten der Sozialversicherung für bestimmte Gruppen von Werktätigen vom 12. April 1976 [RentBerAO], der zu Folge u. a. als versicherungspflichtige Tätigkeit alle bis zum Anspruch auf Invalidenrente geleisteten Tätigkeiten gelten, wobei sich eine nach Eintritt des Leistungsfalls "Invalidität" ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit nicht (bereits) auf die Höhe der Invalidenrente auswirkt, sondern erst auf die spätere Altersrente). Schließlich bestätigt auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur ähnlichen Problematik bei der Anwendung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) vom 22. Dezember 1970 (BGBl. I, 1846) den Grundsatz der Maßgeblichkeit des eingetretenen Leistungsfalles. So hat das BSG unter entsprechender Anwendung des § 1419 Abs. 1 RVO ausgeführt, dass nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit wirksam nach § 10 WGSVG entrichtete Beiträge aufgrund der Sperrwirkung hinsichtlich der Leistungen aus einem bereits eingetretenen Versicherungsfall nicht mehr der bereits entstandenen Erwerbsunfähigkeitsrente zu Grunde gelegt, sondern erst bei einem neuen Versicherungsfall berücksichtigt werden könnten (BSG, Urteil vom 11. Juni 1980, 4 RJ 31/79, Sozialrecht (SozR) 5070 § 10 Nr. 12).

Hiernach konnte die Verfolgungszeit als fiktiv zu berücksichtigende Zeit versicherungspflichtiger Tätigkeit (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BerRehaG) im Streitfall trotz entsprechender Rehabilitierungsbescheinigung nicht, wie beantragt, bis zum 2. Oktober 1990 festgestellt werden, da dem Kläger mit Rentenbescheid vom 23. September 1980 des FDGB Invalidenrente bewilligt worden war, der Leistungsfall mithin bereits mit Beginn des Bezuges der Invalidenrente eingetreten ist. Berücksichtigte man hingegen die nach dem Leistungsfall liegende, als Verfolgungszeit bescheinigte Zeit würde die Höhe der Invalidenrente durch Berücksichtigung weiterer rentenrechtlich relevanter Zeiten – Verfolgungszeiten als Pflichtbeitragszeiten (§ 11 BerRehaG) – beeinflusst; dies würde dem dargestellten allgemeinen versicherungsrechtlichen, hier: rentenrechtlichen Grundprinzip der Maßgeblichkeit des Leistungsfalles widersprechen. Die Rehabilitierungsbescheinigung vermag daher auch nicht – wie der Kläger vorträgt – den Eintritt eines neuen Leistungsfalles zu begründen, da dieser sich allein nach rentenrechtlichen Vorschriften bestimmt.

Dass der Versicherungsfall "Invalidität" als nicht eingetreten anzusehen wäre, etwa weil der Rentenbescheid des FDGB vom 23. September 1980 keine Wirkung erzeugt hätte, vermochte das Gericht nicht festzustellen. Gemäß Art 19 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (Bundesgesetzblatt [BGBl] II 889, 1062, 1216) bleiben Verwaltungsakte der DDR, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind, über den 2. Oktober 1990 hinaus grundsätzlich wirksam (Satz 1) und i. S. des § 77 SGG bindend gegenüber dem Rechtsnachfolger. Zwar können Verwaltungsakte der DDR dann aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind (Art 19 des Einigungsvertrages, Satz 2; vgl. auch BSG, vom 11. September 2001 – B 2 U 41/00 R – Sozialrecht (SozR) 3-2200 § 1150 Nr 5). Dies lässt sich indes nicht feststellen. Gegen eine zwangsweise Invalidisierung des Klägers – welche allein als belastende Maßnahme in Betracht käme – spricht zunächst, dass der Kläger den Rentenantrag selbst gestellt und auch nicht behauptet hat, dass er dazu gezwungen worden sei. Vielmehr ist den Berichten zu entnehmen, dass der Kläger tatsächlich krank war und sich auch für invalide hielt. Zum anderen erscheint es auch zweifelhaft, ob Zwang und Drohung für sich gesehen eine psychische Störung haben auslösen können, insbesondere unter Berücksichtigung des großen zeitlichen Abstands zwischen der unter Druck erfolgten Aufgabe der Tätigkeit des Klägers bei der DR im April 1968, dem Auftreten der ersten Symptome im Jahr 1976 und der Feststellung der Invalidität im Jahr 1980. Denn vorderhand hat sich der Kläger dem auf ihm lastenden Druck durch die Aufgabe der Tätigkeit bei der DR gerade entzogen. Wäre die Krankheit aber unabhängig von der Verfolgung aufgetreten, wäre die Invalidisierung des Klägers nicht rechtsstaatswidrig gewesen. Selbst wenn die Diagnose der Schizophrenie – wie der Kläger vorträgt - aber unzutreffend gewesen sein sollte, ließe sich allein aus diesem Umstand nicht ohne weiteres darauf schließen, dass man den Kläger mit seiner Invalidisierung "unschädlich machen" wollte. War der Kläger in seinem sozialmedizinischen Restleistungsvermögen in nötigem Umfange herabgesunken, war ihm die Invalidenrente von der bewilligenden Stelle zu Recht zuerkannt, ohne dass es vorderhand auf Gesichtspunkte ankam, aus welchen Gründen dies geschehen war (finale Betrachtungsweise). Anderenfalls müsste feststellbar sein, dass die Ärztin Dr. T das Vorliegen einer Schizophrenie aufgrund einer diesbezüglichen Beeinflussung durch den Staatssicherheitsdienst ihrerseits vorsätzlich falsch bescheinigt hat. Für eine derartige Annahme bieten die vorliegenden Akten und Unterlagen jedoch keine genügenden Anhaltspunkte. Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es sich bei dem Rentenbescheid des FDGB vom 23. September 1980 um einen begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt hat, so dass die Feststellung von dessen Nichtigkeit möglicherweise zu unerwünschten Konsequenzen für den Kläger führen würde.

Hiernach war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. Sozialgerichtsgesetz und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision war zuzulassen, da das BSG hinsichtlich der Reichweite der Bindungswirkung der Rehabilitierungsbescheinigung und die Überlagerung durch rentenrechtliche Grundsätze noch nicht entschieden hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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