L 27 RA 52/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 RA 47/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 RA 52/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 08. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Die im Berufungsverfahren angefallene Klage gegen den Bescheid vom 11. März 2003 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht die Feststellung von weiterem Arbeitsentgelt nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Insbesondere ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme verpflichtet ist, in einem Entgeltbescheid nach § 8 AAÜG in der Zeit von 1975 bis Juni 1990 als "leistungsorientierten Schichtzuschlag" bezeichnete Zuflüsse als tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen.

Der am 1940 geborene Kläger war vom 06. März 1975 bis 30. Juni 1990 als Schichtingenieur beim VEB und -Werke W beschäftigt. Er hat die Prüfung in der Fachstudienrichtung "Technologie der Elektronik" abgeschlossen und ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur" mit dem Grad "Diplomingenieur (FH)" zu führen.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2000 stellte die Beklagte nachgewiesene Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 01. Oktober 1973 bis 30. Juni 1990 fest und bescheinigte für diesen Zeitraum nachgewiesene Arbeitsentgelte. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger insbesondere damit, dass sein personengebundenes Gehalt durch Schichtarbeit nicht berücksichtigt worden sei.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2000, zugegangen beim Kläger am 04. Januar 2001, hat die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Insbesondere wurde darin ausgeführt, Entgelt nach dem AAÜG sei das aus der vom Zusatzversorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Sinne von §§ 14, 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Kindergeld, Erschwerniszuschläge, Überstundenzuschläge und Prämien gehörten insoweit nicht zu den berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelten.

Mit der am 26. Januar 2001 beim Sozialgericht (SG) eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf Berücksichtigung weiteren Arbeitsentgelts weiterverfolgt. Insbesondere machte er geltend, sein personengebundenes Gehalt als Schichtingenieur sei nicht mitgerechnet worden. Ab 1975 habe er als Schichtingenieur gearbeitet und somit Zuschläge erhalten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid vom 11. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit von 1975 bis Juni 1990 auch die personengebundenen Zuschläge zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat insbesondere vorgetragen, Schichtzuschläge (Schichtprämien), die im Rahmen des Dreischichtsystems im Betrieb gemäß der Verordnung vom 05. September 1963 gezahlt wurden, seien nicht zum erzielten Arbeitsentgelt zu rechnen. Sie hätten nicht der Lohnsteuer und nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterlegen (§ 5 der Verordnung vom 05. September 1963).

Mit dem 08. Januar 2002 verkündeten Urteil hat das SG die Klage abgewiesen. Die Kammer vertrat die Auffassung, die von dem Kläger erzielten Zuschläge hätten nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen. Entgeltbestandteile, die nicht sozialversicherungspflichtig gewesen seien, wie beispielsweise Erschwerniszuschläge, Prämien, gehörten nicht zum Arbeitsverdienst im Sinne von §§ 14, 15 SGB IV. Insgesamt habe sich die Kammer von einer Sozialversicherungspflicht der geltend gemachten Zuschläge nicht überzeugen können. Der Kläger habe insbesondere keinerlei Nachweise einer etwaigen Beitragsabführung zur gesetzlichen Rentenversicherung erbracht.

Gegen das dem Kläger am 30. Januar 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Februar 2002 beim Landessozialgericht (LSG) für das Land Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. Insbesondere macht er geltend, dass für die leistungsabhängige Prämie und Treueprämie Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden seien. Zudem sei die vom SG herangezogene Verordnung vom 19. September 1963 zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr gültig. Hingegen sei die Verordnung vom 12. September 1974 am 01. Januar 1975 in Kraft getreten. Des Weiteren hat er zur Begründung dargelegt, es gehe ihm bei seiner Klage um den "leistungsorientierten Schichtzuschlag". Dieser sei auf den Lohnabrechnungen von 1990 unter der Schlüsselzahl 355 ausgewiesen. Der Schichtzuschlag beginne im Jahre 1975 mit 120 M und erhöhe sich ab September 1987 auf 175 M. Ab 1975 sei er in den Gehaltskonten als Sonntagsstundenzuschlag und ab 1983 als steuerfreier Zuschlag ausgewiesen. Er sei wohl in diesen Spalten eingetragen gewesen, weil es auf den Gehaltskonten keine Spalte für leistungsorientierten Schichtzuschlag gebe. Ein Ingenieurgehalt habe sich aus dem Grundgehalt und den leistungsgebundenen Zuschlägen zusammengesetzt. Der Schichtingenieur habe einen leistungsorientierten Schichtzuschlag hinzubekommen.

Im Erörterungstermin vom 25. April 2005 hat der Kläger erklärt, den Schichtzuschlag habe er dafür erhalten, dass er Früh-, Spät- und Nachtschicht geleistet habe. Im Schriftsatz vom 11. Dezember 2005 hat er vorgetragen, die von ihm vorgelegte Erläuterung der Kontenabrechnung seines ehemaligen Betriebes ließe erkennen, dass der größte Anteil des Schichtzuschlages ein leistungsorientierter Zuschlag gewesen sei, der direkt mit der Arbeitsaufgabe verbunden gewesen sei. Er sei gezahlt worden, weil die Arbeitsaufgabe umfangreicher als die eines Tagschichtingenieurs gewesen sei. Trotz Schichtarbeit sei dieser Zuschlag bei Nichterfüllung der Arbeitsaufgaben gestrichen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 08. Januar 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2000 sowie den Bescheid vom 11. März 2003 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers bei dem VEB Zellstoff- und Zellwolle Werke Wittenberge für die Zeit von 1975 bis 30. Juni 1990 leistungsabhängige Schichtzuschläge als weiteres Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, der Begriff des Arbeitsentgelts sei im AAÜG nicht eigenständig geregelt. Es würden die allgemeinen Regelungen des SGB gelten. Folge man der Anlehnung an das Steuerrecht, so seien Schichtzuschläge bundesrechtlich nicht steuerpflichtig und damit wären für den Kläger auch in der Bundesrepublik diese Zuschläge nicht beachtlich gewesen. Im Übrigen seien nicht alle Sachverhalte des Bundesrechts rückschauend auf Sachverhalte des DDR-Rechts zu übertragen. Es könne nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sein, dass durch die Überführung der in den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften der Berechtigte eine Position erreiche, die er bei gleichem Sachverhalt in der Bundesrepublik nicht erreicht hätte.

Mit Schriftsatz vom 06. März 2003 hat die Beklagte infolge eines gerichtlichen Hinweises für die Zeit vom 01. Januar 1990 bis 30. Juni 1990 als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt statt bisher 8.162,39 Mark ein Arbeitsentgelt in Höhe von 8.248,39 Mark anerkannt und hat dieses Anerkenntnis mit Bescheid vom 11. März 2003 ausgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das SG hat im Ergebnis zutreffenderweise die Klage abgewiesen.

In dem vorliegenden Rechtsstreit war im Verwaltungsverfahren Verfahrensgegenstand die von § 8 AAÜG gebotene Prüfung der dem Rentenversicherungsträger mitzuteilenden Daten, also der Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem, der Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen und der tatbestandlichen Voraussetzungen der § 6 und 7 AAÜG. Darauf haben die von Bescheiden nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG Betroffenen aus § 8 Abs. 2, 1 Sätze 1 und 2 AAÜG einen gesetzlichen Anspruch (BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95). Mit den angefochtenen Bescheiden sind entsprechend die Arbeitsentgelte für den streitgegenständlichen Zeitraum festgestellt worden. Die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte im Sinne der beanspruchten Berücksichtigung von Zuschlägen für (leistungsorientierten) Schichtzuschlag sind im vorliegenden Fall kein Arbeitsentgelt im Sinne des AAÜG.

Der Begriff "Arbeitsentgelt" ist bundesrechtlich im Sinne von § 14 SGB IV zu definieren (BSG SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 Satz 16, auch Urteil vom 29. Januar 2004 - B 4 RA 19/03 R in SozR 4-8570 § 8 Nr. 1) und nicht etwa nach der Verordnung der DDR über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlungen vom 21. Dezember 1961 (GBl. II Nr. 53 S. 551) in der Fassung vom 25. März 1982 (GBl. Nr. 12 S. 253) die am 03. Oktober 1990 außer Kraft getreten waren (Art. 8 Einigungsvertrag vom 31. August 1990 - BGBl II S. 889). Denn die in partielles Bundesrecht des Beitrittsgebiets zunächst überführten Berechtigungen wurden ab 01. Januar 1992 durch die entsprechenden Ansprüche und Anwartschaften aus der bundeseinheitlichen Rentenversicherung ersetzt; infolge dessen bestimmen sich nach der genannten Rechtsprechung des BSG die Entstehung und (Geld-)Wert dieser Ansprüche ausschließlich nach dem primären Bundesrecht, dem SGB VI sowie dem SGB IV.

Nach § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer oder im Zusammenhang mit einer Beschäftigung (§ 7 SGB IV, § 1 SGB VI) ohne Rücksicht auf deren Bezeichnung. Diese Vorschrift erfährt eine Einschränkung durch § 17 I Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung oder zur Vereinfachung des Beitragseinzugs zu bestimmen,

1. dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten.

Auf dieser Verordnungsermächtigung beruht die Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (Arbeitsentgeltverordnung- ArEV), die nach § 1 SGB IV für die Rentenversicherung auch gilt. In § 1 ArEV wird bestimmt, dass die genannten Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Damit wird insbesondere an § 3 b Einkommenssteuergesetz (EStG) in der zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des AAÜG maßgeblichen Fassung angeknüpft.

Die Einnahmen des Klägers gehören somit grundsätzlich zum Arbeitsentgelt, es sei denn, sie sind den Einnahmen vergleichbar, die (in §§ 3 und 3 b EStG) als steuerfrei bezeichnet sind.

Damit ist der Anspruch des Klägers an § 3 b EStG zu messen, wonach steuerfrei Zuschläge sind - und damit nicht als Arbeitsentgelt gelten -, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden. Letzteres ist im Fall des Klägers gegeben.

Der in den Lohn- und Gehaltskonten des Klägers genannte "Schichtzuschlag" wurde wesentlich dafür entrichtet, dass Nachtschicht geleistet wurde. Dies wird deutlich aus der Verordnung über die Gewährung von Schichtprämien von 12. September 1974 (GBl.INr.51S.477).

§ 1 der VO sah vor, dass alle in einem Arbeitsrechtverhältnis stehenden Werktätigen der volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe für jede Nachtschicht eine Schichtprämie erhielten. Als Nachtschicht im Sinne der VO galt jede von einem Werktätigen in der Zeit von 22 bis 6 Uhr im Umfang von mindestens 6 Stunden geleistete Nachtarbeit. Die Schichtprämie betrug gemäß § 2 der VO einheitlich 7 M. Gemäß § 4 dieser Verordnung wurden Sonn- und Feiertagszuschläge von der Schichtprämie nicht berührt. Die Schichtprämie gehörte gemäß § 5 zum Durchschnittsverdienst und unterlag nicht der Lohnsteuer und der Beitragspflicht zur Sozialversicherung. Die Verordnung trat am 01. Januar 1975 in Kraft.

Ab 1. Januar 1978 war das Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 in Kraft. § 171Abs.1 AGB bestimmte, dass für Nachtschicht von mindestens 6 Stunden je Schicht eine Schichtprämie entsprechend den Rechtsvorschriften zu zahlen war. Die VO über die Gewährung von Schichtprämien von 1974 wurde nicht außer Kraft gesetzt.

Nach allem war für die Zahlung der Schichtprämie wesentlich die geleistete Nachtarbeit, sodass § 3b EStG hier zur Anwendung kommt. Dies führt aufgrund der tatsächlich gezahlten Höhe dazu , dass die Schichtprämie hier nicht als Arbeitsentgelt in den streitgegenständlichen Bescheiden zu berücksichtigen ist.

Entsprechend der Höhe dieser Zahlungen, die den in § 3 b Abs. 1 EStG genannten Prozentsatz tnicht überstiegen, war dieser Zuschlag als Entgelt durch die Beklagte nicht zu berücksichtigen.

Aus § 3 b EStG ergibt sich, dass steuerfrei Zuschläge sind, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie in Nachtarbeit 25 v. H. des Grundlohns nicht übersteigen. Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit, für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht (§ 3 b Abs. 2 Satz 1 ArEV). Die vom Kläger herangezogenen Zuschläge (zum Teil in den Gehaltskarten als Schichtpauschale benannt) überstiegen 25 v. H. regelmäßig nicht. Ausweislich der vorliegenden Gehaltskarten betrug die Schichtpauschale ab dem Jahr 1975 regelmäßig 120 M bei einem Bruttolohn, der sich zwischen 779,40 und 910 M bewegte. Bei einer Gehaltsentwicklung ab dem Jahre 1976 auf 1.000 Mark, 1.050 M, 1.140 M, 1.230 M, 1.280 M, 1.375 M und mehr blieben die monatlichen Schichtzuschläge jeweils gleich bis zum August des Jahres 1987 mit 120 M und ab September 1987 mit 175 M.

Nach allem konnte die Berufung des Klägers nicht erfolgreich sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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