L 27 U 71/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 10 U 161/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 U 71/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Juni 2002 wird zurückgewiesen. Die im Berufungsverfahren angefallene Klage gegen den Bescheid vom 24. März 2005 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Der Klägerin werden 225,00 Euro als Verschuldenskosten auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Beurteilung einer Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) der Klägerin als Berufskrankheit (BK) und / oder als Folge eines Arbeitsunfalls im Jahre 1958.

Die am 1935 geborene Klägerin war als Krankenschwester tätig in der Zeit von 1956 bis 30. April 1992 auf wechselnden Arbeitsplätzen. Ab 01. Mai 1992 arbeitete sie als Altenpflegerin in einem Seniorenzentrum. Ab 01. März 1995 führte sie keine berufliche Tätigkeiten mehr aus und bezieht seitdem Rente wegen Alters. Während der Zeit ihrer Berufstätigkeit hat die Klägerin schwere Lasten gehoben und getragen. Allerdings hat sie keine Lasten auf der Schulter getragen. Insbesondere hat sie Patienten, Matratzen, Milch- und Kaffeekannen, Wäschesäcke getragen, Patienten umgelagert.

In ihrer ärztlichen Anzeige über eine BK zeigte die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H im November 1994 bei der Beklagten einen vorzeitigen Verschleiß der Halswirbelsäule (HWS) und der LWS an.

Die Beklagte ermittelte daraufhin und lehnte durch Bescheid vom 25. Januar 1996 die Anerkennung einer Erkrankung der Wirbelsäule der Klägerin im Sinne der Nrn. 2108/2109 der Anlage 01 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BeKV) ab. Eine feststellte Fehlstatik der LWS mit funktionellen Einschränkungen und degenerative Veränderungen auch der HWS und eine beginnende Coxarthrose und Arthrose in der Schulter lägen bei der Klägerin vor. Die festgestellten Veränderungen an der Wirbelsäule seien nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Krankenpflegerin zurückzuführen. An der Wirbelsäule lägen degenerative Veränderungen vor, die für eine schicksalsmäßige Entstehung und nicht für eine berufsbedingte mechanische Überbelastung sprächen. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin hat die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1997 zurückgewiesen. Insbesondere hatte sie zur Begründung auf ein Gutachten von Prof. Dr. W und Dr. S Bezug genommen. Diese hatten am 30. September 1996 ein Gutachten erstattet nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 05. September 1996 unter Einbeziehung eines Zusatzgutachtens auf radiologischem Fachgebiet, das Frau Dr. M am 19 September 1996 erstattet hatte. Die Gutachter legten eine Exposition der Klägerin im Sinne der BK 2108 über mehr als 10 Jahre ihrer Beurteilung zugrunde. Nach ihrer Beurteilung liegt bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, fortgeschrittene degenerative Veränderungen der HWS mit Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes sowie eine Fehlstatik der LWS im Sinne einer anlagebedingten Torsionsskoliose vor. Ein von der Klägerin angeschuldigtes Ereignis beim Drehen eines Patienten während ihrer Arbeit im Jahre 1958, das sie verantwortlich mache für ihr LWS-Beschwerden, sei als Gelegenheitsursache zu werten. Der Verschleiß des Wirbelsäulensegmentes LWK 2/LWK 3 sei eher als skoliosetypisch anzusehen, da dort kein direkter aszendierender Befall der LWS-Segmente zu erkennen sei. Auch die Verschleißerscheinungen im Bereich der HWS seien nicht belastungskonform. Aufgrund des multilokulären Befalles verschiedener Wirbelsäulensegmente sei von einer schicksalsmäßigen Entstehung auszugehen.

Mit der am 24. Dezember 1997 beim Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) eingegangenen Klage hat die Klägerin ihren Anspruch auf eine Verletztenrente für die Erkrankung ihrer Wirbelsäule weiter verfolgt. Insbesondere wurde vorgetragen, die Klägerin leide unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, eine zusätzliche Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS gemäß Nr. 2109 der Anlage 1 BKV sei niemals beantragt worden. Aus den Erfahrungen der letzten vier Jahre nach Aufnahme der bandscheibenbedingten Erkrankung der Wirbelsäule in die BeKV werde deutlich, dass nicht nur unterschiedliche Expositionsverhältnisse, sondern auch unterschiedliche Beurteilungskriterien der Unfallversicherungsträger Einfluss auf die Anerkennung als BK hätten. Fehlende Standardisierung eröffne der Beklagten zu viele Möglichkeiten der Leistungsverweigerung und erschwere die Überprüfbarkeit der Entscheidung. Insbesondere habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Klägerin während der gesamten Berufstätigkeit von 40 Jahren das Vielfache der Lastgewichte bewältigt habe, die beispielsweise im Merkblatt für die BeKV aufgestellt worden seien. Zur sinnvollen Durchführung der Begutachtung müssten Gutachter über arbeitsmedizinische Kenntnisse verfügen, eine erneute Beurteilung eines entsprechend ausbildeten Gutachters sei erforderlich. Insbesondere sei auch der Beklagten bekannt, dass eine anlagebedingte Minderbelastung nicht mit einem Vorschaden verwechselt werden dürfe. Die Bewertung eines Krankheitsbildes als Vorschaden setze voraus, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung unabhängig von der Belastung durch die versicherte Tätigkeit vor Eintritt des Versicherungsfalls bewiesen werden könne. Solche Beweisführung sei hier nicht erfolgt. Eine Skoliose als Erkrankung und disponierender Risikofaktor hätte bei Einstellungs- und Vorsorgeuntersuchungen, denen sich die Klägerin unterzogen hatte, erkannt werden müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Eine ausgeprägte Skoliose liege bei der Klägerin nicht vor. Bei dem beruflichen Verhebetrauma von 1958 handele es sich nicht um eine Gelegenheitsursache. Sie habe unter Mithilfe einer zweiten Person einen 150 kg schweren Patienten vom Operationstisch auf eine in der Nähe stehende Trage heben müssen unter Beugung, Überstreckung und Drehung der LWS. Dabei hätten sofort starke Schmerzen eingesetzt. Das dabei eingetretene lumbale Bandscheibensyndrom habe sich bei der starken beruflichen Belastung der Wirbelsäule verschlimmert. Die zusätzlich an der HWS diagnostizierten degenerativen Veränderungen korrellierten mit der Schwere der beruflichen Tätigkeit.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin wegen der bandscheibenbedingten Erkrankung ihrer Lendenwirbelsäule eine Verletztenrente zu bewilligen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigte ihre Entscheidungen.

Das SG hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt, das der Facharzt für Orthopädie OMR Dr. H aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 26. Januar 2001 im Februar 2002 erstattete. Er gelangte zu der Beurteilung, bei der Klägerin läge eine seitliche Wirbelsäulenverbiegung vor allem der LWS mit Verwringung der Wirbelkörper, Wirbelkörperverformung (Torsionsskoliose) und sekundären Degenerationen an Bandscheiben, Grund- und Deckplatten sowie Wirbelkörpern, eine s-förmige Schwingung der BWS, ausgeprägte Bandscheibenzermürbungen in den Segmenten der HWS mit Degenerationen an den Grund- und Deckplatten sowie Wirbelkörpern vor. Die Aufnahmen bildgebender Diagnostik belegten, dass Lokalisationen und Ausprägungen der degenerativen Veränderungen insbesondere auch an den Bandscheiben der Fehlstatik der LWS infolge der Torsionsskoliose und der Schiefstellung des Kreuzbeinplateaus eindeutig folgten. Die Skoliose der LWS und die Schiefstellung des Kreuzbeinplateaus mit einer Beinverkürzung rechts von 1,5 cm sei eine anlagebedingte Fehlbildung seit Kindheit an. Degenerationen an der unteren HWS gäben einen Hinweis auf die individuellen Alterungsprozesse an der Wirbelsäule.

Soweit die Klägerin das Umlagern eines Patienten im Jahre 1958 als Ursache ihrer Erkrankung anschuldigt, führt der Gutachter aus, dass der Hebeakt kein geeignetes Unfallereignis sei.

Die formal anzuerkennende berufliche Belastung sei als eine wesentliche Teilursache der bandscheibenbedingten Veränderungen der Wirbelsäule mit Wahrscheinlichkeit nicht anzusehen. Eine Verschlimmerung der bandscheibenbedingten Veränderungen der Wirbelsäule durch die berufliche Belastung könne ebenfalls nicht belegt werden.

Mit dem am 19. Juni 2002 verkündeten Urteil hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, bei begründeten Zweifeln daran, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt seien, könnten diese dahinstehen, es fehle an der Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen für diese BK. Insbesondere das an der Wirbelsäule der Klägerin vorhandene Schadensbild spreche gegen den ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der Erkrankung der LWS. Ort und Ausgang der Verschleißerscheinungen seien nicht von der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit der Klägerin geprägt worden. Vielmehr belegten die Befunde bildgebender Diagnostik, dass Lokalisationen und Ausprägungen der degenerativen Veränderungen der Fehlstatik der LWS infolge der Torsionsskoliose und der Schiefstellung des Kreuzbeinplateaus eindeutig folgten. in Es spreche gegen eine berufliche Verursachung der LWS-Erkrankung die Tatsache, dass nach dem Gutachten der Ärztin für Radiologie Dr. M, auf das auch Dr. H Bezug nehme, die Bandscheibenveränderungen nicht über das Altersmaß hinausgegangen seien. Dies sei jedoch ein entscheidendes Kriterium gegen eine berufliche Verursachung der LWS-Erkrankung. Auch das gleichzeitige Vorhandensein einer degenerativen Erkrankung an der HWS, die nicht einer ausreichenden Exposition im Sinne einer BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BeKV unterlegen habe, spreche gegen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen beruflicher Belastung und LWS-Erkrankung.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. November 2002 beim Landessozialgericht (LSG) für das Land Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Insbesondere wird vorgetragen, es entstehe der Eindruck, dass die von der Gegenseite aufgeführten Gutachter Gefälligkeitsgutachten erstellt hätten. Insbesondere auch das Gutachten von Dr. H sei zu kritisieren, es habe sich nicht auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand befunden. Hierzu habe die Klägerin erstinstanzlich umfangreich aus Fachliteratur vorgetragen.

Zudem sei im Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften inzwischen vereinbart worden, dass im BK-Verfahren 2108 eine Skoliose als rechtlich relevante Verursachungskomponente erst bei Überschreiten eines Skoliosewinkels von 40 Grad vorliege. Diese Vereinbarung habe Prof. Dr. R auf einer ärztlichen Fortbildungsveranstaltung im Oktober 2002 mitgeteilt. Prof. Dr. R sei ein anerkannter Experte in der Orthopädischen Begutachtung. Insbesondere sei auch der radiologische Befund von Frau Dr. M unvollständig zugunsten der Beklagten aufgeführt. Auch schließe das Vorliegen frühzeitiger degenerativer Veränderungen an der HWS das Vorliegen einer BK 2108 nicht aus. Hierzu habe die Klägerin bereits erstinstanzlich wissenschaftlich fundiert vorgetragen. An der HWS lägen bei der Klägerin qualitativ und quantitativ geringer ausgeprägte degenerativen Veränderungen vor als an der LWS. Insbesondere die im Kernspintomogramm vom 24. April 1999 nachgewiesenen bandscheibenbedingten Veränderungen an der gesamten LWS hätten ein belastungskonformes Verteilungsmuster und überschritten wesentlich die alterstypische Norm. Auch spreche das Fehlen degenerativer Veränderungen und jeglicher Symptomatik im Bereich der BWS gegen einen schicksalsmäßigen Prozess.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Juni 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1997 sowie den Bescheid vom 24. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und die im Berufungsverfahren angefallene Klage gegen den Bescheid

vom 24. März 2005 abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.

Im Berufungsverfahren wurden medizinische Unterlagen eingeholt aus dem Gesundheitsamt Beeskow. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erstattete der Facharzt für Orthopädie und gestellten Rheumatologie Prof. Dr. R im März 2004 ein Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchung vom 23. Februar 2004. Er gelangte zu der Beurteilung, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung bei der Klägerin nicht vorliege, auch nicht eine solche durch berufliche Belastung. Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule seien aus innerer Ursache heraus entstanden.

Nach Eingang des Gutachtens bei der Klägerin und einer ausführlichen Auseinandersetzung mit diesem Gutachten beantragte sie, Herrn Prof. Dr. R zu von ihr konkret gestellten Fragen zu hören. Mit dem Gutachten vom 26. November 2004 beantwortete der Gutachter diese Fragen. Insbesondere verwies er darauf, dass sich eine andere Beurteilung als die erfolgte auch dann nicht ergebe, sofern für die gesamte Zeit des Berufslebens der Klägerin eine Exposition im Sinne der BK 2108 nachweisbar wäre. Des Weiteren führte er unter anderem aus, das Schadensbild der BK 2108 bis 2110 entspreche den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben. Es gebe kein hiervon eindeutig abgrenzbares belastungstypisches, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulenschadensbild der BK. Das belastungskonforme Schadensbild werde beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien

- Lebensalter beim Auftreten der Schädigung,

- Ausprägungsgrad ab einem bestimmten Alter,

- Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten

Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person,

- Entwicklung einer Begleitspondylose.

Im Fall der Klägerin seien diese genannten Voraussetzungen nicht erfüllt.

Auch sei nicht nachvollziehbar belegt die Behauptung der Klägerin, bei ihr liege eine langjährig bekannte und behandelte schwere bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit chronisch, allseitig schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, rechtsbetont wiederkehrenden Nervenwurzelreizerscheinungen und Kompressionszeichen. Die Beeinträchtigung der Klägerin im Beruf ergebe sich vor allem aus der Mehrfachseitausbiegung der Wirbelsäule, die in der Zwischenzeit zur Bandscheibenzermürbung durch Verwringung im Krümmungsscheitelbereich geführt habe.

Nach Eingang dieses Gutachtens hat die Klägerin schriftsätzlich im Einzelnen hierzu vorgetragen und hat Zweifel an der Begutachtung zum Ausdruck gebracht. Die vom Sachverständigen angeführten medizinischen Gründe zur Ablehnung einer BK 2108 seien widersprüchlich und daher nicht verwertbar. Insbesondere stünden seine aktuellen Ausführungen im Widerspruch zu seinem im Jahr 2004 herausgegebenen Fachbuch "Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane". Auch entspreche die Forderung des Sachverständigen nach einem belastungskonformen Schadensbild nicht dem Willen des Gesetzgebers. Typischerweise sei bei ihr eine der Altersnorm vorauseilende fortschreitende Bandscheibenschädigung dokumentiert. Da keine konkreten Anhaltspunkte für eine berufsfremde Verursachung festgestellt seien, erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine gesetzliche Vermutung gemäß § 9 Abs. 3 SGB VII.

Zwar sei Streitgegenstand die geltend gemachte BK, jedoch könne das Verhebetrauma aus dem Jahre 1958 nicht außer Betracht bleibe. Erst durch dieses zeige sich die heutige Situation.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24. März 2005 ausdrücklich erklärt, dass Gesundheitsstörungen der Klägerin auch nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und im Übrigen statthafte Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, so dass mit dem angefochtenen Urteil die Klage zutreffend abgewiesen worden ist. Auch der Bescheid der Beklagten vom 24. März 2005, der nach Auffassung des Senats in dem Schriftsatz der Beklagten vom 24.März zu sehen und in entsprechender Anwendung des § 96 SGG iVm § 153 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, ist rechtmäßig. Daher war auch die insoweit im Berufungsverfahren angefallene Klage abzuweisen. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen sind auch nicht Folge eines Arbeitsunfalls.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, we- der unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung einer BK noch unter dem der Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung setzt voraus, dass infolge eines Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, wobei als Arbeitsunfall auch eine BK gilt, § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO, 551 Abs. 1 Satz 1 RVO.

Die Beurteilung der LWS-Erkrankung der Klägerin als BK und als Arbeitsunfall richtet sich noch nach den vor In-Kraft-Treten des SGB VII geltenden Vorschriften, da eine im Jahr 1995 (Aufgabe der als belastend angeschuldigten Tätigkeit) als auch einem im Jahr 1958 (Eintritt des behaupteten Arbeitsunfalls) und somit vor In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 eingetretene Versicherungsfälle geltend gemacht werden, §§ 212 , 214 SGB VII Art. 36 des Unfallversicherungseinordnungsgesetzes.

BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet, § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO. Eine solche Bezeichnung nimmt die BeKV mit den so genannten Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, Nr. 2108 der BeKV. Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BeKV müssen als Voraussetzungen insgesamt vorliegen:

· bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS,

· diese muss durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ("arbeitstechnische Voraussetzungen") entstanden sein,

· die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) B 2 U 16/00 R in Breithaupt 2001, 791 ff.).

Der Versicherungsfall einer BK ist erst dann eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (BSG, SozR 2200 § 551 Nr. 35).

Für das Vorliegen des Tatbestandes der BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich.

Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, reicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - aus (BSG a.a.O.).

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die streitgegenständliche Tätigkeit der Klägerin als eine solche im Sinne der BK 2108 zu beurteilen ist und ob diese geeignet war, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zu verursachen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens lässt sich zur Überzeugung des Gerichts die LWS- Erkrankung der Klägerin nicht als BK beurteilen, selbst wenn eine entsprechende Exposition sicher feststünde.

Aus keinem der vorliegenden Gutachten ergibt sich eine entsprechende Beurteilung. In jedem der eingeholten Gutachten wurde die Bewertung als BK abgelehnt. Dem Senat fehlt damit bereits eine sachverständige medizinische Beurteilung, auf die er eine im Sinne der Klägerin günstige Beurteilung stützen könnte. Anlass zur weiteren medizinischen Beweiserhebung besteht nicht, es liegen ausreichende Beurteilungen auch eines bundesweit anerkannten Experten zur Beurteilung der streitgegenständlichen Erkrankung vor.

Der Senat hat bereits Zweifel daran, dass bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108 zweifelsfrei feststellbar ist. Prof. Dr. R hat in seinem Gutachten ernsthafte Zweifel daran geweckt, dass eine solche Erkrankung bei der Klägerin vorliegt. Nach seiner Beurteilung liegt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der hier zu prüfenden Norm nicht vor.

Die Gutachter sind sich insoweit einig, als nach dem radiologischen Befund im Bereich der LWS und ihrer Bandscheiben degenerative Veränderungen nachweisbar sind, allerdings lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, dass diese bandscheibenbedingt sind und dass eine entsprechende chronische Schmerzausprägung mit Funktionsstörungen bestehen, die diesen Veränderungen entsprechen. Prof. D. R, der die Klägerin zuletzt untersucht hat, hat insbesondere keine Hinweise für eine Reizung der von der LWS ausgehenden Nervenwurzeln gefunden – weder in Form von Gefühlsstörungen noch in Form von motorischen Schwächen im Bereich der unteren Extremitäten.

Der Senat erachtet in Übereinstimmung mit Prof. Dr. R das Vorhandensein röntgenologischer Veränderungen der LWS für nicht ausreichend, um das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BekV zu bejahen. Vielmehr müssen entsprechende klinische Kriterien des Wirkungsgrades morphologischer Schäden bezüglich der Funktionen der betreffenden Bewegungssegmente sowie topographisch zuzuordnender Nervenwurzeln und eine damit zu erklärende Schmerzausprägung nachweisbar sein. Diese Auffassung entspricht dem gegenwärtigen Stand in der medizinischen Wissenschaft, soweit sie zu dieser BK einen Konsens gefunden hat. Auch in der Rechtsprechung wird vertreten, dass chronisch rezidivierende Beschwerden und Funktionsstörungen hinzukommen müssten, es müsse ein durch die degenerativen Veränderungen verursachtes lokales Lumbalsyndrom, Ischiassyndrom oder Kaudasyndrom vorliegen (vgl. auch Hessisches LSG, L 3 U 1031/92 in HVBG-Info 1994, 489, 495).

Aus den Untersuchungsergebnissen von Dr. H und Prof. Dr. W folgt kein insoweit positiver Befund. Zuletzt hat Prof. Dr. R überzeugend in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass klinische Kriterien des Wirkungsgrades morphologischer Schäden auf Funktionen der betroffenen Bewegungssegmente sowie topografisch zuzuordnende Nervenwurzeln und damit zu erklärende Schmerzausprägung nicht nachweisbar seien.

Des Weiteren ist die Veränderung der Bandscheiben der Klägerin im Bereich der LWS nicht bedingt durch eine Erkrankung der Bandscheibe, sondern durch eine Mehrfachseitausbiegung der Wirbelsäule. Diese hat zur Bandscheibenzermürbung geführt. Auch dies hat Prof. Dr. R überzeugend dargelegt.

Die Klägerin selbst hat mit Schriftsatz vom 08. Januar 2003 vortragen lassen, Prof. Dr. R sei ein anerkannter Experte in der orthopädischen Begutachtung und hat ihn selbst als Gutachter benannt. Der Senat sieht diese Auffassung in den vorliegenden Gutachhten bestätigt und folgt ihm insbesondere auch in den von ihm genannten Kriterien für eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne des BK-Rechts.

Dessen ungeachtet lässt sich ebenfalls nach keinem der vorliegenden Gutachten ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits feststellen. Selbst wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK erfüllt wären und eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Norm zweifelsfrei nachweisbar wäre, könnte nicht schon auf das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhanges eines LWS-Schadens mit schädigenden Einwirkungen bei versicherter Tätigkeit im Wege eines Anscheinsbeweises geschlossen werden (BSG, Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 in HVBG-Info 1998, 1178 ff.). Eine individuelle Kausalitätsprüfung ist unerlässlich. Diese ergibt im vorliegenden Fall, dass ein ursächlicher Zusammenhang hier nicht wahrscheinlich ist.

Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden maßgeblichen Kausallehre von der wesentlichen Bedingung, die im Recht der BKen nach der Rechtsprechung des BSG ebenfalls gilt, ist eine Bedingung als (mit)ursächlich anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (ständige Rechtsprechung des BSG, BSGE 1, 76 ff.). Der Begriff der rechtlich wesentlichen Bedingung ist ein Wertbegriff. Die Frage, ob eine Bedingung für den Erfolg wesentlich ist, beurteilt sich nach dem Wert, den ihr die Auffassung des täglichen Lebens gibt (BSGE 12, 242, 245). Zu dem ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend, die bloße Möglichkeit hingegen reicht nicht. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG in HVBG-Info bei 1998 S. 103, 107).

Nach diesen Maßstäben ließe sich auch im Fall nachgewiesener arbeitstechnischer Voraussetzungen und Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der Norm eine Exposition der Klägerin nicht als rechtlich wesentliche Ursache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. In dieser Beurteilung waren sich sämtliche Gutachter, die im vorliegenden Verfahren tätig geworden sind, einig. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer beruflichen Exposition der Klägerin im Sinne der BK 2108 und ihren LWS-Beschwerden lässt sich schon deshalb nicht hinreichend wahrscheinlich machen, weil keine Umstände sicher feststellbar sind, die auf eine berufliche Verursachung so stark deuten, dass hierauf ihre Entscheidung gestützt werden könnte.

Nach dem umfassenden Ergebnis der medizinischen Ermittlungen vermag der Senat bereits nicht zweifelsfrei festzustellen, dass die bildtechnisch und klinisch nachweisbaren Bandscheibenveränderungen und deren Folgen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß deutlich übersteigen.

Die Ärztin für Radiologie Dr. M hat in ihrem Gutachten die Beurteilung abgegeben, die Bandscheibenveränderungen und die degenerativen Knochenveränderungen gingen nicht über das Altersmaß hinaus. Der Senat folgt ihrer Beurteilung und verwertet das Gutachten im Wege des Urkundsbeweises.

Die anderen Gutachten stehen dieser Beurteilung nicht entgegen. Soweit dem Gutachten von Dr. H eine Beuteilung im Sinne einer altersüberschreitenden LWS- Erkrankung zu entnehmen ist, hat er diese nicht mit dem radiologischen Befund begründet.

Dem erkennenden Senat ist unter Berücksichtigung der multifaktoriellen Ätiologie der LWS-Erkrankungen unverzichtbare Voraussetzung, dass die bildtechnisch und klinisch nachweisbaren Bandscheibenveränderungen und deren Folgen das altersdurchschnittlich zu erwartende Ausmaß deutlich übersteigen. Als BKen können nur Erkrankungen erfasst werden, die mit gegenüber dem Lebensalters deutlich vorauseilenden degenerativen Veränderungen verbunden sind (Becker, die aktuelle Rechtsprechung zu den Wirbelsäulenberufskrankheiten in SGb 2000, S. 416). Unter den außerberuflichen Risikofaktoren für einen degenerativen Wirbelsäulenbefund ist vorrangig das Alter zu berücksichtigen, wobei das Heben und Tragen schwerer Lasten mit Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung zu einer so genannten Linksverschiebung der altersbezogenen Verteilung der Befundhäufigkeiten gegenüber der Kontrollgruppe führt, also zu einer erheblichen Vorverlagerung (ca. 10 Jahre für Bandscheibendegeneration) in die jüngeren Altersgruppen (vgl. auch Begründung der Bundesregierung zur Änderung der BeKV, Drucksache 773/92). Insoweit hat auch Prof. Dr. R in seinem Gutachten vom 26. November 2004 darauf hingewiesen, dass das Schadensbild der BK 2108 den Volkskrankheiten durch chronisch degenerative Veränderungen der Bandscheiben entspreche. Auch diesbezüglich hat Prof. Dr. R sich in Übereinstimmung mit der medizinischen Literatur dahingehend geäußert, dass es kein von den chronisch degenerativen Veränderungen im Rahmen der Volkskrankheit eindeutig abgrenzbares belastungstypisches, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulen-Schadensbild der BK, einen Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter gebe. Eben dieses ist bei der Klägerin nicht nachweisbar. Hingegen ist ein von beruflicher Belastung unabhängiges Krankheitsbild feststellbar.

Dies folgt aus sämtlichen Gutachten. Prof. Dr. R hat insbesondere auch ausgeführt, dass

sich die degenerativen Veränderungen sowohl im Bereich der HWS als auch im Bereich der LWS der Klägerin in ihrer Entwicklung dem natürlichen Verlauf der Erkrankung entsprechend fortentwickelt haben, wie sich aus den schriftlich niedergelegten Befunden mit den Röntgenbefunden von 1993 und 2004 ergibt.

Auch unter dem von der Klägerin beanspruchten Gesichtspunkt des § 9 Abs. 3 SGB VII ergibt sich für die Klägerin kein günstiger Ursachenzusammenhang. Nach dem Inhalt dieser Vorschrift wird vermutet, dass infolge der versicherten Tätigkeit eine Erkrankung verursacht worden ist.

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass diese Vorschrift hier anwendbar ist. Letztlich kann hier offen bleiben, ob die Rechtsnorm hier anwendbar ist und als Verfahrensvorschrift im Sinne des § 214 Abs. 4 SGB VII auch auf Versicherungsfälle vor In-Kraft-Treten des SGB VII am 01. Januar 1997 anzuwenden ist (so LSG Rheinland-Pfalz - L 7 U 18/97 in HVBG-Info 1998, 524; dahingestellt im Urteil des BSG B 2 U 25/03 R).

Selbst wenn diese Vorschrift als Verfahrensvorschrift hier anwendbar wäre, könnte sie der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen.

Die in dieser Vorschrift geregelte Beweiserleichterung setzt voraus, dass der Versicherte "in erhöhtem Maße" der Gefahr einer der in der BeKV aufgeführten Erkrankungen ausgesetzt war. Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist insbesondere die Rechtslage zu berücksichtigen, die nach bisherigem Recht bestand (vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz - L 7 U 348/97 in HVBG-Info 1999, 2449 - 2455). Eine tatsächliche Vermutung im Sinne der Regeln des Anscheinsbeweises für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Erkrankung und Berufstätigkeit bestand nach altem Recht nur, wenn die BK in der Anlage 1 zur BKVO so genau definiert war, dass nach medizinischen Erkenntnissen der vorliegenden Tatbestandsmerkmale im Regelfall ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang gegeben ist. Dies ist jedoch bei Versicherten, die die definitionsmäßigen Anforderungen der BK gemäß BKVO Anlage 1 Nr. 2108 erfüllen, nicht der Fall (LSG Rheinland-Pfalz a.a.O).

Hingegen spricht - selbst wenn die Anwendung des § 9 Abs. 3 SGB VII in Betracht käme -, die vorliegende medizinische Befundlage dagegen, die dort geregelte Vermutung hier zum Tragen kommen zu lassen. Denn im Fall der Klägerin liegen zweifelsfrei feststellbare Anhaltspunkte vor für eine außerberufliche Verursachung mit überragender Bedeutung für die bandscheibenbedingten Veränderungen und die die Vermutung widerlegten. Dies folgt bereits daraus, dass von lediglich altersgemäßen Veränderung und ihrem altersgemäßen Voranschreiten seit 1993 nach den Feststellungen von Prof. Dr. R auszugehen ist. Zudem sind Ort und Ausmaß der Verschleißerscheinungen eben nicht von LWS belastenden Berufstätigkeit der Klägerin geprägt worden.

Hingegen stehen anlagebedingte Fehlbildungen fest (Beinverkürzung rechts von 1,5 cm, Schiefstellung des Kreuzbeinplateaus), die im Laufe der Jahre eine eigene Krankheitsdynamik ursächlich für die streitgegenständliche Erkrankung entwickelt haben (Mehrfachseitausbiegung der Wirbelsäule). Selbst der individuelle Alterungsprozess der Wirbelsäule der Klägerin steht als außerberufliche (Teil-)Ursache nach sämtlichen Gutachten fest.

Des Weiteren fehlt es am Tatbestandsmerkmal des Zwangs zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit. Voraussetzung für den Eintritt dieser BK ist, dass die Erkrankung die Unterlassung aller Tätigkeiten herbeigeführt hat und diese als Konsequenz aus dem Zwang zur Unterlassung schädigender Tätigkeiten die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt ist (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Nach dem Gutachten von Prof. Dr. R resultiert die Beeinträchtigung der Klägerin aus der Mehrfachseitausbiegung der Wirbelsäule in deren Folge erst in der Zwischenzeit eine Bandscheibenzermürbung durch Verwringung im Krümmungsscheitelbereich eingetreten ist. Entsprechend schlüssig hat der Gutachter ausgeführt, die Unterlassung der beruflichen Tätigkeit im Jahr 1995 sei nicht wesentlich verursacht worden durch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS und soweit nicht medizinisch geboten gewesen.

Die Klägerin ist nach allem beweislos geblieben für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung für die Folgen eines Arbeitsunfalls hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Insoweit wertet der Senat die Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 24. März 2005, dass die Gesundheitsstörungen der Klägerin auch nicht als Arbeitsunfall im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung anzuerkennen sei, als Verwaltungsakt, der in analoger Anwendung der §§ 156, 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens geworden ist.

Auch dieser Verwaltungsakt ist rechtmäßig und beeinträchtigt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die dagegen erhobene Klage war abzuweisen.

Der Anspruch auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung setzt wie dargelegt voraus, dass infolge eines Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO. Der Senat vermag jedoch nicht festzustellen, dass das von der Klägerin vorgetragene Ereignis von 1958 Gesundheitsstörungen hinterlassen hat, die heute noch feststellbar wären.

Die Klägerin macht insoweit ein Ereignis aus dem Jahre 1958 geltend und damit einen vor dem 01. Januar 1992 eingetretenen Versicherungsfall, der der Beklagten erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden ist. Insoweit ist § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO anzuwenden. Danach gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buchs (der RVO). Dies gilt nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab dem 01. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO).

Im Ergebnis kann dahinstehen, ob hier nach dem Recht des Beitrittsgebiets oder nach dem der RVO der von der Klägerin geschilderte Hergang beim Umlagern eines Patienten im Jahre 1958 als Arbeitsunfall zu bewerten ist. Es lassen sich keine Gesundheitsstörungen feststellen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf ein solches Ereignis als wesentliche Ursache zurückzuführen wären. Auch insoweit gilt die im Unfallversicherungsrecht maßgebliche Lehre von der wesentlichen Bedingung. Danach ist eine Bedingung als (mit)ursächlich anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung bedarf es einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen keine sicher feststellbaren Umstände vor, die für einen Zusammenhang zwischen dem Hergang des Umlagerns und streitgegenständlichen Bandscheibenbeschwerden der Klägerin im Bereich der LWS sprechen. Zum einen haben sowohl Dr. H als auch Prof. Dr. R in Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur dargestellt, dass bereits kein geeigneter Hergang sicher feststellbar ist, e H Her

der die von der Klägerin geklagten Beschwerden verursacht haben könnte. Dessen ungeachtet fehlt es an jeglichen objektivierten medizinischen Anknüpfungstatsachen, die zeitnah zu einem Hergang aus dem Jahre 1958 für eine Kausalbetrachtung zugrunde gelegt werden könnten trotz Beiziehung der Originalkrankenunterlagen vom Gesundheitsamt Beeskow.

In Auswertung der gegebenen Aktenlage hat Prof. Dr. R im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass es im Jahr 1958 nicht zu einer Bandscheibenläsion gekommen ist. Die Beurteilung steht in Übereinstimmung mit den vorhandenen ärztlichen Krankenunterlagen.

Der Senat folgt dem Gutachter, der in Anbetracht der vorliegenden Aktenlage keine Umstände für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Umlagern eines Patienten im Jahre 1958 und bandscheibenbedingten Erkrankungen der Klägerin benennen kann.

Insoweit kommt auch eine berufsbedingte Verschlimmerung einer im Jahr 1958 eingetretenen Bandscheibenerkrankung nicht in Betracht.

Nach allem konnte das Begehren der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Auferlegung von Verschuldenskosten beruht auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Die Klägerin hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung im Verhandlungstermin vom Vorsitzenden dargelegt und auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden war.

Die Missbräuchlichkeit ergibt sich aus der Weiterverfolgung trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit. Von jedem Einsichtigen hätte die Rechtsverfolgung im vorliegenden Verfahren als völlig aussichtslos angesehen werden müssen. Sowohl für die in Anspruch genommene BK als auch für den behaupteten Arbeitsunfall liegt nicht ein für die Klägerin günstiges Sachverständigengutachten vor. Die Klägerin hat ihrerseits zwei Ärzte vorgeschlagen, die sie nach § 109 SGG begutachtet haben. Prof. Dr. R wurde von ihr selbst als auf diesem Fachgebiet hochqualifizierter Gutachter beurteilt. Die Erwartung der Klägerin, der Senat möge ohne ein für sie günstiges Ergebnis der Beweisaufnahme den Rechtsstreit in ihrem Sinne entscheiden, lässt ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit erkennen.

Die Höhe der Kosten orientiert sich an § 184 Abs. 2 SGG und bedarf keiner weiteren Begründung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved