L 1 RA 7/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 RA 6561/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 7/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin aus ihrem Rentenstammrecht monatliche Rentenzahlungsansprüche zustehen.

Die 1927 geborene Klägerin ist die Witwe des 1908 geborenen und am 1999 verstorbenen H B(Versicherter). Die Eheleute hatten 1963 geheiratet. Der Versicherte durchlief sein Versicherungsleben in Lettland. Im Mai 1980 zog er in die Bundesrepublik Deutschland zu. Die Beklagte gewährte ihm durch Bescheid vom 6. Juli 1981 ab Mai 1980 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Der Rentenberechnung lagen außer Zeiten der Schulausbildung ausschließlich Beschäftigungs- und Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) von 1926 bis 1980 zugrunde.

Im Februar 2001 beantragte die (seit 1980) in Israel lebende Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten.

Durch Bescheid vom 20. März 2002 lehnte die Beklagte eine Rentenzahlung ab, weil keine Bundesgebiets-Beitragszeiten vorlägen. Allein aufgrund solcher Beitragszeiten komme bei gewöhnlichem Auslandsaufenthalt – wie bei der Klägerin – eine Rentenzahlung in Betracht.

Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, nach § 88 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI seien der Hinterbliebenenrente mindestens die Entgeltpunkte zugrunde zu legen, die in der Versichertenrente enthalten seien. Diese Vorschrift werde in den Auslandsrentenvorschriften weder aufgehoben noch modifiziert.

Durch Widerspruchsbescheid vom 6. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf besitzgeschützte Entgeltpunkte gemäß § 88 Abs. 2 SGB VI für eine Hinterbliebenenrente im Anschluss an eine Versichertenrente bestehe nur, wenn die Hinterbliebene das gleiche Personalstatut wie der Verstorbene besitze. Habe der verstorbene Rentenempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt bis zu seinem Tode im Inland gehabt, seine Hinterbliebene jedoch im Ausland, so seien nur die sich aus den §§ 113, 114 SGB VI ergebenden Entgeltpunkte heranzuziehen. Die §§ 113 f. SGB VI gingen als Sonderregelung für Auslandsrentenfälle § 88 Abs. 2 SGB VI vor.

Das dagegen angerufene Sozialgericht (SG) Berlin wies die auf Gewährung von Witwenrente seit dem 1. Februar 2000 gerichtete Klage durch Urteil vom 15. Dezember 2003 ab. Zwar richte sich der Wert des Stammrechts auf Hinterbliebenenrente nach § 88 Abs. 2 SGB VI. Hinsichtlich der Auszahlung des Rentenanspruchs ins Ausland begründe § 113 Abs. 1 SGB VI jedoch eine materiell-rechtliche Einwendung, die die Zahlungshöhe reduzieren oder – wie im vorliegenden Falle – eine Auszahlung gänzlich ausschließen könne.

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den Rentenbescheid vom 14. März 2005 über das Stammrecht der Rente der Klägerin erteilt und deren Anspruch auf große Witwenrente ab 1. Februar 2000 – auch der Höhe nach – anerkannt. Im Übrigen wird die Zahlung der Rente in dem Bescheid aus den Gründen der Vorbescheide abgelehnt.

Die Klägerin vertritt weiterhin den Standpunkt, ihr sei Witwenrente zu "gewähren", weil Vorschriften, die die Anwendung des § 88 Abs. 2 SGB VI in Auslandsrentenfällen ausschlössen, nicht existierten. Ihrem Anspruch stehe auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht entgegen. Der dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. April 2003 – B 4 RA 43/02 R – (in SozR 4-6961 Nr. 8 Nr. 1) zugrunde liegende Sachverhalt unterscheide sich von dem hier vorliegenden wesentlich dadurch, dass der dortige Versicherte wegen eigenen Auslandsaufenthalts ebenfalls keine Rente ausgezahlt erhalten, hier hingegen es eine Rentenzahlung an den Versicherten gegeben habe.

Die Klägerin beantragt,

den Rentenbescheid vom 14. März 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,

ihr aus dem Bescheid von Beginn an Rente zu zahlen, hilfsweise, die Revision

zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG – S 18 RA 6561/02 -) und Beklagtenakten () verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein noch der im Laufe desselben ergangene Rentenbescheid der Beklagten vom 14. März 2005, der die vorangegangenen, mit Klage und Berufung angefochtenen Bescheide vollständig ersetzt hat und deshalb gemäß §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – kraft Klage – Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Dadurch wurde auch das angefochtene erstinstanzliche Urteil gegenstandslos.

In dem angefochtenen Bescheid über das Rentenstammrecht der Klägerin hat die Beklagte den Bestandsschutz nach § 88 Abs. 2 SGB VI beachtet. Denn nach dem Bescheid – Anlage 6 Seite 1 – ergeben sich für die Klägerin an sich lediglich 34, 4772 persönliche Entgeltpunkte. Weiter heißt es dort jedoch, dass persönliche Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien, weiterhin zugrunde zu legen seien, wenn sie zu einer höheren Rente führten. Die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte betrügen 60,4271. Sie seien höher und deshalb der weiteren Berechnung zugrunde zu legen. Danach weist der Bescheid für die Zeit ab Rentenbeginn (1. Februar 2000) eine monatliche Rente von 1750,81 DM aus, die sich ab Juli 2000 jährlich erhöhte und für die Zeit ab 1. Juli 2003 947,38 EUR betrug.

Zu Recht hat die Beklagte allerdings die Zahlung der Rente aus diesem Rentenbescheid nach Israel abgelehnt. Denn der Entstehung einzelner monatlicher Zahlungsansprüche steht der bundesrechtliche materiell-rechtliche Einwand des Auslandswohnsitzes entgegen, der auch nicht vertragsrechtlich verdrängt wird.

Nach Nr. 3 Buchst. a 2.- Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (SP/DISVA) berührt die Gebietsgleichstellung nach Art. 4 DISVA nicht die deutschen Rechtsvorschriften über Leistungen aus Versicherungszeiten, die nicht nach Bundesrecht zurückgelegt sind. Aus den Abschnitten des SGB VI über Leistungen an Berechtigte im Ausland folgt, dass der Klägerin, solange sie sich gewöhnlich in Israel aufhält, kein Zahlungsanspruch aus ihrem Rentenstammrecht verbleibt. Denn aus den Vorschriften der §§ 113, 114 und 272 SGB VI dieser Abschnitte ergibt sich, dass, sofern keine Entgeltpunkte für Bundesgebiets-Beitragszeiten vorhanden sind, persönliche Entgeltpunkte weder aus Entgeltpunkten für Beitragszeiten nach dem FRG noch aus Entgeltpunkten für beitragsfreie Zeiten (hier: Ausbildungszeiten) – und ohnehin nicht aus Entgeltpunkten für Beschäftigungszeiten nach dem FRG – ermittelt werden.

Die Ansicht der Klägerin, § 88 Abs. 2 SGB VI enthalte eine Mindestgarantie bzgl. zu berücksichtigender persönlicher Entgeltpunkte, diese Garantie werde in den Auslandsrentenvorschriften weder aufgehoben noch modifiziert, verkennt die Systematik des Gesetzes. § 88 SGB VI ist innerhalb des Zweiten Kapitels des SGB VI – Leistungen – eine Vorschrift aus dem Zweiten Abschnitt über Renten. Dagegen gehören die §§ 113, 114 SGB VI zum Fünften Abschnitt – Leistungen an Berechtigte im Ausland -. Entsprechendes gilt innerhalb der Sonderregelungen des Fünften Kapitels für die Vorschrift des § 272 SGB VI. Daraus folgt, dass § 88 SGB VI eine Vorschrift des Rentenleistungsrechts im Sinne des Rentenstammrechts ist, des näheren eine die Höhe des Rentenstammrechts regelnde Vorschrift, während die §§ 110 ff. SGB VI bestimmen, in wie weit Leistungsberechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, die Leistungen des Zweiten Kapitels (Renten- und andere Leistungen) erhalten. § 110 Abs. 2 SGB VI bestimmt diesbezüglich, dass sie diese Leistungen erhalten, soweit nicht die folgenden Vorschriften über Leistungen an Berechtigte im Ausland etwas anderes bestimmen. Hinsichtlich der Rentenleistungen ist - wie oben näher dargelegt – etwas anderes bestimmt, mit den für den vorliegenden Fall beschriebenen Auswirkungen.

D.h. die Vorschriften des § 88 SGB VI einerseits und der § 113 f. SGB VI andererseits stehen in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander sondern betreffen verschiedene Regelungsebenen, die einander nicht berühren. § 88 SGB VI ist eine Vorschrift über das Rentenstammrecht. Die

§ 113 f. SGB VI sind hingegen Bestimmungen, die regeln, in wie weit den aus dem Stammrecht grundsätzlich als dessen Rechtfrüchte erwachsenden Einzel(zahlungs)ansprüchen der rechtshindernde Einwand des Auslandsaufenthalts entgegensteht (vgl. BSG-Urteil vom 10. April 2003 in SozR 4-6961 Nr. 8 Nr. 1, Entscheidungsgründe zu 2). Deshalb ist es für die Hinterbliebenenrente ohne Bedeutung, ob der Versicherte selbst im Inland gelebt und folglich die Rente ausgezahlt oder ebenfalls im Ausland gelebt und folglich die Rente auch nicht ausgezahlt erhalten hatte. Das umgekehrte Beispiel verdeutlicht die Rechtslage: Hätte der Versicherte im Ausland gelebt und die Rente deshalb nicht ausgezahlt erhalten, seine Witwe aber im Inland gelebt, so würde sich die Höhe ihres Rentenstammrechts an § 88 Abs. 2 SGB VI orientieren und ihr mindestens die persönlichen Entgeltpunkte aus dem Rentenstammrecht des Versicherten zugute kommen. Sie würde eine entsprechende Rente ausgezahlt erhalten, obwohl der Versicherte selbst keine Rentenzahlungen erhalten hatte.

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die dargestellte Gesetzessystematik führt zu zweifelsfreien Ergebnissen. Sie bedarf keiner weiteren revisionsgerichtlichen Klärung.
Rechtskraft
Aus
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