L 4 RA 28/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 RA 1018/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RA 28/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beschäftigungszeiten des Klägers seit dem 1. September 1966 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG zu bewerten sind.

Der 1944 geborene Kläger schloss 1966 an der Ingenieurschule für Maschinenbau W das Fachschulstudium in der Fachrichtung Allgemeiner Maschinenbau ab und erwarb das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Vom 1. September 1966 bis zum 30. September 1983 war der Kläger als Ingenieur bei verschiedenen volkseigenen Betrieben, bei den Bund bei der H tätig. Vom 1. Oktober 1983 an und über den 30. Juni 1990 hinaus war er als Fach- und Leitungsingenieur bei der B H B des Ministeriums für Bauwesen beschäftigt.

Am 14. Mai 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Bescheid vom 25. November 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 1. September 1966 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine Versorgungsanwartschaft sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am Stichtag 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei damit nicht anwendbar.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch trug der Kläger vor, mit dem Abschluss der Ingenieurschule im Juli 1966 die Berechtigung erworben zu haben, die Berufsbezeichnung eines Ingenieurs zu führen. Es habe eine Anwartschaft auf eine Zusatzrente bestanden. Seine Beschäftigungsbetriebe seien teilweise eindeutig den volkseigenen Produktionsbetrieben zuzurechnen gewesen, so etwa der VEB K. Die B H B des Ministeriums für Bauwesen der DDR müsse als ein den volkseigenen Produktionsbetrieben des Bauwesens gleichgestellter Betrieb angesehen werden.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Entscheidend sei, dass es sich bei der B H B nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb in den Bereichen Industrie oder Bau und auch nicht um einen so genannten gleichgestellten Betrieb gehandelt habe. Dieser Arbeitgeber sei nach den Regeln der Versorgungssysteme nicht in den Bereich der Zusatzversorgung einbezogen gewesen.

Mit der am 28. Februar 2003 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Unstreitig habe er aufgrund seiner Qualifikation die Tätigkeit eines Ingenieurs ausgeübt. Während seiner Beschäftigung bei der B H B habe er so etwa an der Vorbereitung und Planung von Bauvorhaben, an der Projekt- und Planungskoordinierung, an der fachlichen Anleitung der Montage, an der Qualitäts-, Kosten- und Terminkontrolle von Bauhaben sowie am Abnehmen und der Inbetriebsetzung von Anlagen mitgewirkt. Die B H B nicht als volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb anzusehen, entspreche nicht der tatsächlichen Sachlage. Sie sei Anfang der 70er Jahre als Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin gegründet worden und habe als Generalauftragnehmer unter anderem den Palast der Republik, die Charité und das Handelszentrum Friedrichstraße schlüsselfertig errichtet. Anfang der 80er Jahre sei die Umbenennung in B erfolgt. Sie habe direkt dem Ministerium für Bauwesen der DDR unterstanden und sei damit gemäß § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 wie ein VEB zu behandeln. So genannte Generalauftragnehmer wie die B H B seien für die Forschung und Entwicklung, für die Projektierung, Herstellung und Errichtung baulicher Anlagen verantwortlich gewesen. Produktionsarbeiter seien zum Beispiel im eigenen Betonwerk, in der eigenen Tischlerei und im eigenen Fuhrpark beschäftigt gewesen.

Beim Amtsgericht Charlottenburg von Berlin hat das Sozialgericht Berlin die Auskunft eingeholt, dass für die B H B kein VEB-Register geführt worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Versorgungszusage scheitere daran, dass er weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Die B H B sei nicht in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen gewesen und erfülle damit nicht das Erfordernis eines VEB.

Gegen den ihm am 7. Februar 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. März 2004 (Montag) Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Eine Gleichstellung der B H B mit den volkseigenen Betrieben sei durch die Anweisung über die Umbildung der Aufbauleitung Sondervorhaben Berlin in die B H B vom 1. August 1983 erfolgt. So heiße es in Abs. 1 Nr. 4 der Verfügung über spezifische Festlegungen zur Anordnung vom 14. April 1983 über die Finanzierungsrichtlinie für die volkseigene Wirtschaft (Bauwesen) vom 27. Juli 1983 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Bauwesen vom 15. November 1983, Seite 29, 30), dass die B rechtsfähig sei und vom Charakter und den Aufgaben her die Stellung eines volkseigenen Betriebes einnehme. Die Produktion habe dem Betrieb auch das Gepräge gegeben. Es habe sich um ein Bauunternehmen gehandelt, das neben der Planung auch die Realisierung von Bauvorhaben betrieben habe. Von den etwa 290 Mitarbeitern hätten rund drei Viertel auf den Baustellen gearbeitet. In einer Reihe vergleichbarer Fälle habe die Beklagte Kollegen des Klägers in die Zusatzversorgung einbezogen. Die Kehrtwendung in der Verwaltungspraxis sei willkürlich. Abgesehen vom Zeitraum 12. April 1967 bis 29. Juli 1967, in dem er bei den BVB gearbeitet habe, fielen sämtliche Tätigkeiten unter die Zusatzversorgung.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2003

sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiträume vom 1. September 1966 bis zum 10. April 1967 und vom 1. August 1967 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat die Gerichtsakte zum Parallelfall S 1 RA 7160/02 bzw. L 1 RA 52/03 (Sozialgericht und Landessozialgericht Berlin) beigezogen. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht Berlin beurteilt in seinem Gerichtsbescheid vom 12. November 2003 die Sach- und Rechtslage im Ergebnis zutreffend.

Zur Begründung nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf das den Beteiligten bekannte rechtskräftige Urteil des 1. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Januar 2005, L 1 RA 52/03, das einen deckungsgleichen Sachverhalt betrifft. Dort heißt es:

Das SG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger die begehrte Feststellung (nach § 8 AAÜG) nicht zusteht, weil das AAÜG auf ihn keine Anwendung findet.

Nach § 1 Abs. 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist die Vorschrift im Hinblick auf deren Satz 2 darüber hinaus verfassungskonform ausdehnend dahin auszulegen, dass die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nicht nur durch die tatsächliche Einbeziehung zu DDR-Zeiten bis zur Schließung der Versorgungssysteme (am 30. Juni 1990) bzw. danach aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften (Rehabilitierungsentscheidung) begründet wird, sondern auch dadurch, dass jemand aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 1. August 1991 gegebenen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" nach den bundesrechtlich fortgeltenden leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - = SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 12/13 und - B 4 RA 3/02 R - = SozR 3 a.a.O. Nr. 7 S. 54, ständige Rechtsprechung). Zu den in diesem Sinne fortgeltenden leistungsrechtlichen Regelungen gehört die - für den Kläger allein in Betracht kommende - Vorschrift des § 1 der Verordnung über die AVItech vom 17. August 1950 (vgl. Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 AAÜG) in der Bedeutung, die sie durch § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB gefunden hat (vgl. BSG a.a.O. Nr. 2 S. 13).

Voraussetzung für den Anspruch auf Versorgungszusage war danach außer der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen - u.a. die des Ingenieurs - (persönliche Voraussetzung), und der tatsächlichen Ausübung der entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine solche in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens handelte - betriebliche Voraussetzung - (vgl. BSG-Urteile vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R - = SozR 3 a.a.O. Nr. 6 S. 40 und SozR 3 a.a.O. Nr. 7 S. 60).

Der Kläger erfüllte zwar die persönliche, möglicherweise auch die sachliche, nicht aber die betriebliche Voraussetzung, und zwar jedenfalls deshalb, weil er am 30. Juni 1990 in keinem VEB und auch in keinem gleichgestellten Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB beschäftigt war.

Die Baudirektion war kein VEB. Sie war eine dem Ministerium für Bauwesen unterstellte juristische Person und Haushaltsorganisation eigener Art, die zwar "vom Charakter und von den Aufgaben her die Stellung" eines VEB einnahm (§ 2 der Anweisung vom 2. Januar 1973) und auf die bestimmte für VEB geltende Rechtsvorschriften Anwendung fanden (§ 3 Abs. 2 der Anweisung). Gerade diese - wenn auch weitgehende, so doch letztlich begrenzte - Bezugnahme auf das für VEB geltende Recht in der Gründungsanweisung macht aber deutlich, dass es sich bei der Baudirektion um keinen VEB im Sinne der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8. November 1979 handelte. Anderenfalls hätte die Baudirektion einen Namen geführt, der die Bezeichnung "VEB" enthielt, und wäre im Rechtsverkehr unter diesem Namen aufgetreten (§ 31 Abs. 3 der Verordnung vom 8. November 1979). Das für VEB maßgebliche Recht hätte ohne weiteres auf sie Anwendung gefunden und es hätte keiner besonderen Verweisung bedurft.

Im Übrigen wurde die Baudirektion entgegen der Darstellung des Klägers - anders als VEB - nicht von einem Direktor, sondern - wie das SG bereits zutreffend festgestellt hatte - (Kombinaten gleich) von einem Generaldirektor geleitet. Die Baudirektion nahm eben "nur" vom "Charakter" und von den Aufgaben her die Stellung eines VEB ein.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Baudirektion wirtschaftsrechtlich einem VEB gleichgestellt gewesen sein mag, wie dem Statistischen Betriebsregister der DDR entnommen werden könnte. Jedenfalls fehlt es an einem Anhalt dafür, dass von der Verordnung über die AVItech - also versorgungsrechtlich - auch juristische Personen erfasst sein sollten, die keine VEB im Sinne der Verordnung vom 8. November 1979 waren. ( )

Angesichts dessen ist nicht weiter darauf einzugehen, dass die Einordnung der Baudirektion in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR unter die "sonstigen produzierenden Betriebe" und nicht unter den Wirtschaftszweig "Bauwirtschaft" (mit der Ordnungszahl 2 beginnender fünfstelliger Schlüssel) eher dagegen spricht, dass der Baudirektion ihre eigene Bautätigkeit das Gepräge gegeben hat (vgl. BSG-Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R - = SozR 4-8570 § 1 Nr. 1).

Die Baudirektion war schließlich auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 2. DB. Das hat das SG zutreffend dargelegt. Darauf wird Bezug genommen. Die Aufzählung der gleichgestellten Betriebe ist abschließend. Sie duldet wegen des Neueinbeziehungsverbotes keine Erweiterung (vgl. BSG SozR 3 a.a.O. Nr. 6 S. 50).

Diesen zutreffenden und auch dem Fall des Klägers vollständig gerecht werdenden Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Der Berufung war damit der Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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