Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 RJ 2156/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RJ 6/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die der Klägerin ab 4. Januar 2001 gewährte Witwenrente ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs zu leisten ist. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer wiederaufgelebten Witwenrente.
Die 1934 geborene Klägerin war die Ehefrau des 1932 geborenen und 1959 verstorbenen G M (Im Folgenden: Versicherter). Durch Bescheid vom 30. September 1959 gewährte die Beklagte Witwenrente. Laufender Zahlbetrag war (nach Ablauf des Sterbevierteljahrs) zunächst 150,10 DM. Im September 1969 teilte die Klägerin ihre erneute Heirat mit. Die Beklagte ordnete daraufhin den Wegfall der Rente an und gewährte durch Bescheid vom 13. Oktober 1969 eine Abfindung wegen Wiederverheiratung in Höhe von 18.276,- DM.
Die Klägerin lebte seit März 1980 von ihrem neuen Ehemann, Herrn S, getrennt. Durch Urteil des Amtsgerichts C vom 11. April 1983, rechtskräftig seit 25. Mai 1983, wurde die Ehe geschieden. Eine Unterhaltsregelung wurde zunächst nicht getroffen. Am 20. April 1983 beantragte die Klägerin wieder Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12. Juni 1984 Witwenrente ab dem 1. Juni 1983 in Höhe von 869,20 DM (Stand: Juli 1984). Anzurechnen sei ein nach der Düsseldorfer Tabelle berechneter Unterhaltsanspruch gegen Herrn S in Höhe von 245,00 DM monatlich, so dass 605,47 DM laufend auszuzahlen seien. Die Klägerin verglich sich daraufhin am 15. April 1985 vor dem Amtsgericht C mit ihrem geschiedenen Ehemann, dass dieser ab November 1983 an sie monatlichen Unterhalt in Höhe von 245,- DM zahle. Die Rente wurde durch Bescheid vom 10. April 1986 neu berechnet.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1994 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass sie beabsichtige, die Bescheide vom 12. Juni 1984 und 10. April 1986 mit Wirkung ab dem 1. Februar 1995 aufzuheben. Wegen der geänderten Einkommensverhältnisse ihres geschiedenen Ehemannes bestehe nunmehr ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 1.198,76 DM monatlich. Durch Bescheid vom 16. Dezember 1994 setzte die Beklagte die Rentenzahlungen mit Wirkung ab 1. Februar 1995 auf 20,17 DM herab, mit Bescheid vom 18. April 1995 hob sie die Bescheide vom 12. Juni 1984 und 10. April 1986 mit Wirkung ab dem 1. Februar 1995 auf. Die Klägerin legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein und verklagte ihren geschiedenen Ehemann vor dem Amtsgericht T auf Auskunft über seine Einkommensverhältnisse und die Gewährung höheren Unterhalts. Durch Urteil vom 15. April 1998 wies das Amtsgericht T die auf höheren Unterhalt gerichtete Klage ab. Zwar habe die Klägerin an sich Ansprüche in Höhe von monatlich 797,- DM. Dieser Anspruch sei aber wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1579 Nr. 7 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgeschlossen. Denn die Klägerin unterhalte bereits seit 1985 eine eheähnliche Beziehung zu Herrn T, mit dem sie bis 1989 in einer Wohnung zusammen gelebt habe. Die dann erfolgte räumliche Trennung ändere nichts an dem Erscheinungsbild einer eheähnlichen Beziehung. Herr T halte sich zweimal im Jahr für 2 Wochen bei der Klägerin in B auf, die wiederum 6 1/2 bis 7 Monate im Jahr bei ihm in K lebe. Daneben gebe es gemeinsame Reisen. Die Beklagte half daraufhin durch Bescheid vom 10. September 1998 dem Widerspruch der Klägerin ab und zahlte die Witwenrente nach dem Versicherten weiter, vermindert um 245,- DM anzurechnender Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehemannes.
Nachdem die Klägerin der Beklagten im Februar 2001 mitgeteilt hatte, dass ihr geschiedener Ehemann vor dem Amtsgericht P ein Verfahren zur Aberkennung des Unterhaltsanspruches betreibe, legte sie ein Anerkenntnisurteil desselben Gerichts vom 26. April 2001 (rechtskräftig seit dem 3. Juli 2001) vor, wonach der geschiedene Ehemann ihr seit dem 4. Januar 2001 keinen Unterhalt mehr schulde. Bereits in dem Schreiben vom Februar 2001 hatte die Klägerin gebeten, dass die Unterhaltsanrechnung gegebenenfalls rückwirkend abgeändert werde. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 8. August 2002 die Aufhebung ihres Bescheides vom 10. September 1998 und Auszahlung einer Witwenrente ohne Anrechnung von 245,- DM monatlichen Unterhalts ab. Denn der geschiedene Ehemann sei unverändert leistungsfähig. Der Verzicht der Klägerin auf den Unterhaltsanspruch könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass das Klageverfahren vor dem Amtsgericht P für sie nicht hätte erfolgreich ausgehen können, da der geschiedene Ehemann sich auf Verwirkung des Unterhaltsanspruches wegen der Beziehung zu Herrn T berufen habe. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002 zurück. Den Verlust des Unterhaltsanspruches habe die Klägerin durch ihr Anerkenntnis selbst herbeigeführt. Dies stehe der Anrechnung des (nunmehr fiktiven) Unterhaltsanspruches nicht entgegen.
Mit der am 17. September 2002 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Auszahlung der ungekürzten Witwenrente. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 5. Dezember 2003 den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 10. September 1998 abzuändern und der Klägerin seit dem 1. Januar 2001 wiederaufgelebte Witwenrente ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruches zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich aus § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ein Anspruch auf Aufhebung mit Wirkung ab Änderung der Verhältnisse ergebe. Seit Zustellung der von dem geschiedenen Ehegatten erhobenen Abänderungsklage sei die Anrechnung gezahlten Unterhalts auf die Witwenrente der Klägerin nach § 90 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nicht mehr zulässig. Der Klägerin sei nicht zuzumuten gewesen, den Rechtsstreit weiter zu führen, da Herr S mit seiner Klage auch nach Auffassung des Sozialgerichts Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Denn seine weitere Unterhaltspflicht sei nach § 1579 Nr. 7 BGB wegen grober Unbilligkeit angesichts der Beziehung der Klägerin zu Herrn T ausgeschlossen gewesen. Das ergebe sich aus dem Urteil des Amtsgerichts T vom 15. Mai 1998. Der Klägerin könne auch nicht entgegengehalten werden, dass sie nicht die Einrede der Verwirkung erhoben habe. Denn das Nichterheben der Einrede habe dazu geführt, dass der Zustand hergestellt worden sei, der bereits 1998 der objektiven Rechtslage entsprochen habe. Die Belange der Versichertengemeinschaft seien damit nicht berührt.
Gegen das ihr am 30. Januar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 27. Februar 2004. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Sozialgerichts die §§ 48 SGB X, 90 SGB VI, 1579 Nr. 7 BGB und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletze. Die von Herrn Schacht erhobene Abänderungsklage habe keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse herbeigeführt, weil seine Unterhaltspflicht nicht wegen grober Unbilligkeit im Sinne des § 1579 Nr. 7 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Aufgrund der von der Klägerin mit Herrn T unterhaltenen Beziehung sei der Unterhaltsanspruch nicht notwendig vollständig untergegangen. Der Unterhalt sei schon auf 245,- DM monatlich reduziert gewesen, durch fortlaufende Zahlung habe Herr S weitergehende Rechte ohnehin verwirkt. Durch das Anerkenntnis habe die Klägerin zu Lasten der Versichertengemeinschaft auf Unterhaltsansprüche aus dem vor dem Amtsgericht C am 15. April 1985 geschlossenen gerichtlichen Vergleich verzichtet. Nach § 90 SGB VI führe das dazu, dass weiterhin 245,- DM bzw. 125,27 Euro monatlich auf die wiederaufgelebte Witwenrente anzurechnen seien. Auch die Klägerin stelle nicht in Abrede, dass 1998 der Unterhaltsanspruch möglicherweise noch nicht vollständig entfallen war. Das sei dann aber auch im Jahre 2001 noch so gewesen. Denn eine Veränderung der Verhältnisse derart, dass der Klägerin nach Abschluss der Betreuung von gemeinsamen Kindern wieder eine Erwerbstätigkeit hätte zugemutet werden können, habe nicht vorgelegen. Herr S habe bereits 1985 gewusst, dass die Klägerin mit Herrn T eine gemeinsame Wohnung unterhalten habe. Die gleichwohl langjährig erfolgten Unterhaltszahlungen seien als Anerkenntnis der Unterhaltspflicht zu verstehen, welches das Eingreifen des Verwirkungstatbestandes des § 1579 Nr. 7 BGB ausschließe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
nachdem sie die Klage für Zeiträume vor dem 4. Januar 2001 zurückgenommen hat. Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zwischen den einzelnen Verwirkungstatbeständen des § 1579 Nr. 7 BGB streng zu unterscheiden. Das Eingehen einer intimen Beziehung mit einem neuen Partner sei nur dann ein Härtegrund, wenn der Unterhaltsberechtigte sich diesem schon während bestehender Ehe zugewandt habe. Daneben komme als Härtegrund in Betracht, wenn die Beziehung des Unterhaltsberechtigten zu einem neuen Partner wegen besonderer Umstände geeignet sei, den Unterhaltsverpflichteten zu treffen oder in der Öffentlichkeit bloßzustellen, oder wenn nur deswegen keine Eheschließung mit dem neuen Partner erfolge, um den Unterhaltsanspruch nicht zu verlieren. Davon zu unterscheiden seien Fälle, in denen aus anderen Gründen trotz einer neuen festen sozialen Bindung die Eheschließung unterbleibe. Dann werde die Fortdauer der Unterhaltspflicht für den Verpflichteten unzumutbar, wenn der Unterhaltsberechtigte von dem neuen Partner unterhalten werden könne und mithin nicht verständlich sei, dass keine neue Unterhaltsgemeinschaft begründet werde. Falls der neue Partner aber nicht über die für die Unterhaltssicherung notwendigen Mittel verfüge, müsse sich die Unzumutbarkeit der fortdauernden Unterhaltsverpflichtung aus einem anderen Gesichtspunkt ergeben. Dies komme insbesondere in Betracht, wenn die neue Beziehung als verfestigt in der Öffentlichkeit erscheine. Dafür sei indessen regelmäßig der Ablauf von mehreren Jahren erforderlich. Bei der im Januar 2001 zugestellten Abänderungsklage habe die Klägerin bedenken müssen, dass sie einerseits bereits (nachehelichen) Unterhalt für einen Zeitraum bezogen hatte, welcher der Ehedauer entsprach, und andererseits der Zeitraum der mit Herrn T geführten Beziehung nicht mehr wesentlich hinter der Ehedauer zurückblieb. Danach sei es ihr überwiegend wahrscheinlich erschienen, dass ab Zustellung der Klageschrift der Unterhaltsanspruch aberkannt werden würde. Der Verwirkungseinwand könne ohnehin nicht dem in der Zukunft noch zu leistenden Unterhalt entgegenstehen, sondern allein die Rückforderung bereits erfolgter Zahlungen ausschließen. Im Übrigen sei zu bedenken, dass die Dauer der Unterhaltsentrichtung ein maßgebliches Kriterium für die Unzumutbarkeit sei. Wenn sich erst aus einer langjährigen Zahlung der Einwand der Unzumutbarkeit ergebe, dürfe Herrn S nicht deswegen Verwirkung entgegen gehalten werden, weil er zunächst gezahlt habe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akte des Amtsgerichts P verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung kann, soweit über sie nach teilweiser Rücknahme der Klage noch zu entscheiden ist, keinen Erfolg haben. Für Zeiträume ab dem 4. Januar 2001 hat das Sozialgericht die Beklagte mit Recht verurteilt, der Klägerin Witwenrente ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruches zu leisten. Der Bescheid vom 8. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2002 war rechtswidrig, weil die Beklagte nach § 48 SGB X verpflichtet war, ihren Rentenbescheid vom 10. September 1998 aufzuheben, soweit dieser die Verminderung der Rentenzahlungen um 245,- DM monatlichen Unterhalts regelte.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Veränderung dann, wenn sie rechtserheblich ist, also zu anderen Rechtsfolgen führt, als in dem aufzuhebenden Bescheid festgesetzt worden sind. Die Beklagte hatte zuletzt durch bestandskräftigen Rentenbescheid vom 10. September 1998 bestimmt, dass die an die Klägerin zu zahlende Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten wegen der Unterhaltsansprüche nach dem letzten Ehegatten um einen Betrag von 245,- DM zu kürzen ist. Rechtsgrundlage für diese Regelung war § 90 Abs. 1 SGB VI. Das Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts P vom 26. April 2001 hat mit Wirkung vom 4. Januar 2001 an aber die Grundlage für eine Anrechnung von Unterhaltsansprüchen entfallen lassen.
§ 90 Abs. 1 SGB VI bestimmt, dass auf eine Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten Ansprüche auf Unterhalt nach dem letzten Ehegatten angerechnet werden. Die Klägerin hatte (jedenfalls) seit dem 4. Januar 2001 von ihrem geschiedenen Ehegatten keinen Unterhalt mehr erhalten. Der Unterhaltsanspruch war mit Wirkung von diesem Tage ab durch das - rechtskräftig gewordene - Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts C vom 26. April 2001 erloschen. In Übereinstimmung mit der zu § 1291 RVO als Vorgängervorschrift des § 90 SGB VI ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 1. Februar 1983 – 4 RJ 101/81 – SozR 2200 § 1291 Nr. 27) ist aber davon auszugehen, dass ein Unterhaltsanspruch im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB VI nicht stets das Bestehen eines durchsetzbaren Anspruchs voraussetzt. Der Unterhaltsberechtigte hat als Inhaber des Anspruchs die Rechtsmacht, wirksam über den Anspruch zu verfügen. Die Interessen der Versichertengemeinschaft erlauben indessen nicht, dass diese Verfügungen stets auch rentenrechtlich beachtlich werden. Denn sie gingen ausschließlich zu Lasten der Rentenversicherung, wenn ausgefallener Unterhalt ohne weiteres durch eine nun ohne Anrechung zu zahlende Rente kompensiert würde. Grundsätzlich ist dem Unterhaltsberechtigten daher zuzumuten, seine Ansprüche zu realisieren. Unterlässt er dies, rechtfertigt schon ein fiktiver Unterhaltsanspruch die Anrechenbarkeit auf die Rentenzahlung. Nur wenn ein verständiger Grund für eine entsprechende Verfügung über den Unterhaltsanspruch besteht, hat ein Verzicht auf Unterhalt zur Folge, dass auch rentenrechtlich vom Erlöschen des Anspruchs auszugehen ist (Verbandskommentar zum SGB, § 90 SGB VI Rdnr. 4.3; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht-Gürtner, § 90 SGB VI, Rdnr. 15).
Nach diesen Grundsätzen ist hier jedoch von einem auch rentenrechtlich beachtlichen Erlöschen des Unterhaltsanspruchs auszugehen. Das Urteil des Amtsgerichts P ist zwar auf der Grundlage des Anerkenntnisses der Klägerin ergangen, dass ihr der geschiedene Ehemann seit dem 4. Januar 2001 keinen Unterhalt mehr schulde (§ 307 Abs. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO - ). Die Klägerin hatte indessen verständige Gründe dafür, von einer weiteren Durchsetzung des Unterhaltsanspruches Abstand zu nehmen und sich der Klageforderung ihres geschiedenen Ehemannes zu beugen. Denn bei einer weiteren Verfolgung ihres Unterhaltsanspruchs hätte sie ein erhebliches Prozessrisiko zu tragen gehabt, das die Gefahr einer Belastung mit Gerichts- und Anwaltskosten in sich barg. Das Risiko eines Prozessverlustes erscheint - auch im Nachhinein betrachtet - real genug, als dass der Klägerin nicht zugemutet werden konnte, es auf sich zu nehmen. Insoweit ist auch darauf zu verweisen, dass die Beklagte bereits 1995 die Klägerin zur Erhebung einer Klage auf Durchsetzung höheren Unterhalts gegen den geschiedenen Ehegatten veranlasst hatte, die erfolglos blieb und deren Kosten die Klägerin zu tragen hatte.
Das Fortbestehen eines Unterhaltsanspruches gegen den geschiedenen Ehemann war gemäß § 1579 Nr. 7 BGB fraglich. Nach dieser Vorschrift ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten ( ) grob unbillig wäre, weil ( ) 7. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 6 aufgezählten Gründe. Die Voraussetzungen dieser Generalklausel sieht die zivilrechtliche Rechtsprechung als erfüllt an, wenn der geschiedene Ehegatte eine neue eheähnliche Beziehung eingegangen ist (BGH, Urt. v. 21. Dezember 1988 – IVb ZR 18/88 - = NJW 1989, 1083; Urt. v. 12. März 1997 – XII ZR 153/95 - = NJW 1997, 1851). Das Amtsgericht T wies in seinem Urteil aus dem Jahre 1998 darauf hin, dass nach seiner Ansicht die von der Klägerin mit Herrn T eingegangene Beziehung die Annahme von grober Unbilligkeit rechtfertigen würde. Für die Annahme der Beklagten, dass lediglich eine Reduzierung des Unterhaltsanspruches auf 245,- DM in Frage komme, gibt es im Urteil des Amtsgerichtes T keinen Anhaltspunkt. Die dem Vergleich aus dem Jahre 1985 entstammende Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 245,- DM war nicht Streitgegenstand, so dass insoweit kein Urteilsausspruch erfolgen konnte. In den Urteilsgründen (dort Seite 5) hielt das Amtsgericht den Unterhaltsanspruch indes in voller Höhe für ausgeschlossen. Auch das Amtsgericht P geht in seinem Kostenbeschluss vom 21. August 2001 davon aus, dass der Ausschluss des Unterhaltsanspruches wegen grober Unbilligkeit auch die im Vergleich festgesetzten 245,- DM erfasse. Allgemein wird beim Vorliegen grober Unbilligkeit wegen Eingehens einer neuen eheähnlichen Beziehung eine bloße Reduzierung des Unterhaltsanspruches dann für angemessen erachtet, wenn der Berechtigte notwendig auf die Unterhaltszahlungen angewiesen ist (Münchener Kommentar -Maurer, BGB, 4. Aufl. 2000, § 1579 Rdnr. 78) oder gemeinsame Kinder zu betreuen hat (BGH, Urt. v. 27. September 1989, - IVb ZR 78/88 - = FamRZ 1989, 1279). Daraus kann vorliegend nichts hergeleitet werden, weil die Klägerin mittlerweile (neben der Witwenrente) eine eigene Altersrente bezog, deren Zahlbetrag von 1.029,00 DM (Stand: Juli 2001) sie in die Lage versetzte, ihren Lebensunterhalt selbst zu sichern. Bei der ursprünglichen Bemessung des Unterhaltsanspruchs auf 245,- DM im Monat hatte der Gedanke einer Reduzierung wegen Vorliegens grober Unbilligkeit ebenso wenig eine Rolle gespielt. Demnach sprechen gewichtige Gründe dafür, dass der Unterhaltsanspruch über den 4. Januar 2001 hinaus vollständig wegen grober Unbilligkeit entfallen war.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin gleichwohl Erfolg im Unterhaltsprozess gehabt hätte, weil ihr geschiedener Ehemann auch während der zu Herrn T unterhaltenen Beziehung langjährig weiter Unterhalt gezahlt und deswegen bereits das Recht verwirkt hatte, eine grobe Unbilligkeit geltend zu machen. Allerdings ergibt sich aus den Akten, dass der geschiedene Ehemann jedenfalls seit dem Jahre 1995 Kenntnis von der Beziehung hatte, weil er diese Tatsache damals von seinem Rechtsanwalt im Unterhaltsprozess vor dem Amtsgericht T hat vortragen lassen. Rechtsprechung und Literatur erkennen auch grundsätzlich die Möglichkeit an, dass die Erhebung des Einwands der groben Unbilligkeit gegen Unterhaltszahlungen mit Wirkung für die Zukunft verwirkt werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. August 1996 – 3 UF 43/96 - = FamRZ 1997, 1159; Münchener Kommentar-Maurer, BGB 4. Aufl. 2000, § 1579 Rdnr. 70). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat indessen in seinem Urteil vom 28. Januar 2004 (- XII ZR 259/01 – BGHZ 157, 395) ausdrücklich die Frage als "streitig" gekennzeichnet, ob eine Verwirkung auch da denkbar ist, wo eine grobe Unbilligkeit ihren Grund nicht in einem persönlichen Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten hat (also jenseits der Fälle der "Verzeihung"). Der Klägerin kann kein ehewidriges Fehlverhalten vorgeworfen werden, da sie - nach Aktenlage - ihre Beziehung zu Herrn T erst nach dem Scheitern der Ehe mit Herrn S begonnen hat. Demnach wäre in ihrem Unterhaltsrechtsstreit die Frage erheblich geworden, ob ein Unterhaltsverpflichteter bei Vorliegen grober Unbilligkeit, die sich erst aus einer weiteren Entwicklung der Verhältnisse nach Beendigung der Ehe ergeben hat, den Einwand mit Wirkung für die Zukunft verliert, wenn er ihn nicht zeitnah nach seiner (erstmaligen) Entstehung geltend macht. Eine klarstellende höchstrichterliche Entscheidung dazu war zum Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts noch nicht ergangen. Angesichts des Kostenrisikos war von der Klägerin auch nicht zu verlangen, die Frage selbst einer Klärung zuzuführen. Ihre Anerkennung der Klageforderung erscheint damit nachvollziehbar, so dass ein verständiger Grund für das Verhalten im Unterhaltsstreitverfahren vor dem Amtsgericht P vorliegt. Das Anerkenntnisurteil vom 26. April 2001 ist damit auch rentenrechtlich wirksam geworden. Mit Wirkung ab dem 4. Januar 2001 trat eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse ein, da die Anrechnung des Unterhaltsanspruches auf die Witwenrente nun nicht mehr gerechtfertigt war.
Dies war mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an zu berücksichtigen. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X enthält eine entsprechende Sollvorschrift für die Fälle, in denen sich eine Änderung zu Gunsten der Betroffenen auswirkt. Die Klägerin wurde durch den Wegfall der Anrechnung begünstigt, da sie nunmehr Anspruch auf Auszahlung der Rente ohne Anrechnung von Unterhalt hatte. Besondere Gegebenheiten, welche ein Abweichen von der Sollvorschrift rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Potsdam, den 26. Juni 2006
Der Vorsitzende des 12. Senats
Az.: L 12 RJ 6/04
BeschlussBeschluss
in dem Rechtsstreit
E S,
G, B,
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt E A,
D Weg , B,
Gz.:
gegen
Deutsche Rentenversicherung
Berlin-Brandenburg
Standort Berlin,
Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin,
Gz.:
- Beklagte und Berufungsklägerin -.
Das Urteil vom 15. November 2005 wird gemäß § 138 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG- wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass es
auf Seite 1 im Urteilstenor Zeile 2
statt "16. August 2004" richtig "5. Dezember 2003"
heißen muss.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer wiederaufgelebten Witwenrente.
Die 1934 geborene Klägerin war die Ehefrau des 1932 geborenen und 1959 verstorbenen G M (Im Folgenden: Versicherter). Durch Bescheid vom 30. September 1959 gewährte die Beklagte Witwenrente. Laufender Zahlbetrag war (nach Ablauf des Sterbevierteljahrs) zunächst 150,10 DM. Im September 1969 teilte die Klägerin ihre erneute Heirat mit. Die Beklagte ordnete daraufhin den Wegfall der Rente an und gewährte durch Bescheid vom 13. Oktober 1969 eine Abfindung wegen Wiederverheiratung in Höhe von 18.276,- DM.
Die Klägerin lebte seit März 1980 von ihrem neuen Ehemann, Herrn S, getrennt. Durch Urteil des Amtsgerichts C vom 11. April 1983, rechtskräftig seit 25. Mai 1983, wurde die Ehe geschieden. Eine Unterhaltsregelung wurde zunächst nicht getroffen. Am 20. April 1983 beantragte die Klägerin wieder Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 12. Juni 1984 Witwenrente ab dem 1. Juni 1983 in Höhe von 869,20 DM (Stand: Juli 1984). Anzurechnen sei ein nach der Düsseldorfer Tabelle berechneter Unterhaltsanspruch gegen Herrn S in Höhe von 245,00 DM monatlich, so dass 605,47 DM laufend auszuzahlen seien. Die Klägerin verglich sich daraufhin am 15. April 1985 vor dem Amtsgericht C mit ihrem geschiedenen Ehemann, dass dieser ab November 1983 an sie monatlichen Unterhalt in Höhe von 245,- DM zahle. Die Rente wurde durch Bescheid vom 10. April 1986 neu berechnet.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1994 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass sie beabsichtige, die Bescheide vom 12. Juni 1984 und 10. April 1986 mit Wirkung ab dem 1. Februar 1995 aufzuheben. Wegen der geänderten Einkommensverhältnisse ihres geschiedenen Ehemannes bestehe nunmehr ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 1.198,76 DM monatlich. Durch Bescheid vom 16. Dezember 1994 setzte die Beklagte die Rentenzahlungen mit Wirkung ab 1. Februar 1995 auf 20,17 DM herab, mit Bescheid vom 18. April 1995 hob sie die Bescheide vom 12. Juni 1984 und 10. April 1986 mit Wirkung ab dem 1. Februar 1995 auf. Die Klägerin legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein und verklagte ihren geschiedenen Ehemann vor dem Amtsgericht T auf Auskunft über seine Einkommensverhältnisse und die Gewährung höheren Unterhalts. Durch Urteil vom 15. April 1998 wies das Amtsgericht T die auf höheren Unterhalt gerichtete Klage ab. Zwar habe die Klägerin an sich Ansprüche in Höhe von monatlich 797,- DM. Dieser Anspruch sei aber wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1579 Nr. 7 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgeschlossen. Denn die Klägerin unterhalte bereits seit 1985 eine eheähnliche Beziehung zu Herrn T, mit dem sie bis 1989 in einer Wohnung zusammen gelebt habe. Die dann erfolgte räumliche Trennung ändere nichts an dem Erscheinungsbild einer eheähnlichen Beziehung. Herr T halte sich zweimal im Jahr für 2 Wochen bei der Klägerin in B auf, die wiederum 6 1/2 bis 7 Monate im Jahr bei ihm in K lebe. Daneben gebe es gemeinsame Reisen. Die Beklagte half daraufhin durch Bescheid vom 10. September 1998 dem Widerspruch der Klägerin ab und zahlte die Witwenrente nach dem Versicherten weiter, vermindert um 245,- DM anzurechnender Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehemannes.
Nachdem die Klägerin der Beklagten im Februar 2001 mitgeteilt hatte, dass ihr geschiedener Ehemann vor dem Amtsgericht P ein Verfahren zur Aberkennung des Unterhaltsanspruches betreibe, legte sie ein Anerkenntnisurteil desselben Gerichts vom 26. April 2001 (rechtskräftig seit dem 3. Juli 2001) vor, wonach der geschiedene Ehemann ihr seit dem 4. Januar 2001 keinen Unterhalt mehr schulde. Bereits in dem Schreiben vom Februar 2001 hatte die Klägerin gebeten, dass die Unterhaltsanrechnung gegebenenfalls rückwirkend abgeändert werde. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 8. August 2002 die Aufhebung ihres Bescheides vom 10. September 1998 und Auszahlung einer Witwenrente ohne Anrechnung von 245,- DM monatlichen Unterhalts ab. Denn der geschiedene Ehemann sei unverändert leistungsfähig. Der Verzicht der Klägerin auf den Unterhaltsanspruch könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass das Klageverfahren vor dem Amtsgericht P für sie nicht hätte erfolgreich ausgehen können, da der geschiedene Ehemann sich auf Verwirkung des Unterhaltsanspruches wegen der Beziehung zu Herrn T berufen habe. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002 zurück. Den Verlust des Unterhaltsanspruches habe die Klägerin durch ihr Anerkenntnis selbst herbeigeführt. Dies stehe der Anrechnung des (nunmehr fiktiven) Unterhaltsanspruches nicht entgegen.
Mit der am 17. September 2002 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Auszahlung der ungekürzten Witwenrente. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 5. Dezember 2003 den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 10. September 1998 abzuändern und der Klägerin seit dem 1. Januar 2001 wiederaufgelebte Witwenrente ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruches zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich aus § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ein Anspruch auf Aufhebung mit Wirkung ab Änderung der Verhältnisse ergebe. Seit Zustellung der von dem geschiedenen Ehegatten erhobenen Abänderungsklage sei die Anrechnung gezahlten Unterhalts auf die Witwenrente der Klägerin nach § 90 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nicht mehr zulässig. Der Klägerin sei nicht zuzumuten gewesen, den Rechtsstreit weiter zu führen, da Herr S mit seiner Klage auch nach Auffassung des Sozialgerichts Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Denn seine weitere Unterhaltspflicht sei nach § 1579 Nr. 7 BGB wegen grober Unbilligkeit angesichts der Beziehung der Klägerin zu Herrn T ausgeschlossen gewesen. Das ergebe sich aus dem Urteil des Amtsgerichts T vom 15. Mai 1998. Der Klägerin könne auch nicht entgegengehalten werden, dass sie nicht die Einrede der Verwirkung erhoben habe. Denn das Nichterheben der Einrede habe dazu geführt, dass der Zustand hergestellt worden sei, der bereits 1998 der objektiven Rechtslage entsprochen habe. Die Belange der Versichertengemeinschaft seien damit nicht berührt.
Gegen das ihr am 30. Januar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 27. Februar 2004. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Sozialgerichts die §§ 48 SGB X, 90 SGB VI, 1579 Nr. 7 BGB und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletze. Die von Herrn Schacht erhobene Abänderungsklage habe keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse herbeigeführt, weil seine Unterhaltspflicht nicht wegen grober Unbilligkeit im Sinne des § 1579 Nr. 7 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Aufgrund der von der Klägerin mit Herrn T unterhaltenen Beziehung sei der Unterhaltsanspruch nicht notwendig vollständig untergegangen. Der Unterhalt sei schon auf 245,- DM monatlich reduziert gewesen, durch fortlaufende Zahlung habe Herr S weitergehende Rechte ohnehin verwirkt. Durch das Anerkenntnis habe die Klägerin zu Lasten der Versichertengemeinschaft auf Unterhaltsansprüche aus dem vor dem Amtsgericht C am 15. April 1985 geschlossenen gerichtlichen Vergleich verzichtet. Nach § 90 SGB VI führe das dazu, dass weiterhin 245,- DM bzw. 125,27 Euro monatlich auf die wiederaufgelebte Witwenrente anzurechnen seien. Auch die Klägerin stelle nicht in Abrede, dass 1998 der Unterhaltsanspruch möglicherweise noch nicht vollständig entfallen war. Das sei dann aber auch im Jahre 2001 noch so gewesen. Denn eine Veränderung der Verhältnisse derart, dass der Klägerin nach Abschluss der Betreuung von gemeinsamen Kindern wieder eine Erwerbstätigkeit hätte zugemutet werden können, habe nicht vorgelegen. Herr S habe bereits 1985 gewusst, dass die Klägerin mit Herrn T eine gemeinsame Wohnung unterhalten habe. Die gleichwohl langjährig erfolgten Unterhaltszahlungen seien als Anerkenntnis der Unterhaltspflicht zu verstehen, welches das Eingreifen des Verwirkungstatbestandes des § 1579 Nr. 7 BGB ausschließe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
nachdem sie die Klage für Zeiträume vor dem 4. Januar 2001 zurückgenommen hat. Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zwischen den einzelnen Verwirkungstatbeständen des § 1579 Nr. 7 BGB streng zu unterscheiden. Das Eingehen einer intimen Beziehung mit einem neuen Partner sei nur dann ein Härtegrund, wenn der Unterhaltsberechtigte sich diesem schon während bestehender Ehe zugewandt habe. Daneben komme als Härtegrund in Betracht, wenn die Beziehung des Unterhaltsberechtigten zu einem neuen Partner wegen besonderer Umstände geeignet sei, den Unterhaltsverpflichteten zu treffen oder in der Öffentlichkeit bloßzustellen, oder wenn nur deswegen keine Eheschließung mit dem neuen Partner erfolge, um den Unterhaltsanspruch nicht zu verlieren. Davon zu unterscheiden seien Fälle, in denen aus anderen Gründen trotz einer neuen festen sozialen Bindung die Eheschließung unterbleibe. Dann werde die Fortdauer der Unterhaltspflicht für den Verpflichteten unzumutbar, wenn der Unterhaltsberechtigte von dem neuen Partner unterhalten werden könne und mithin nicht verständlich sei, dass keine neue Unterhaltsgemeinschaft begründet werde. Falls der neue Partner aber nicht über die für die Unterhaltssicherung notwendigen Mittel verfüge, müsse sich die Unzumutbarkeit der fortdauernden Unterhaltsverpflichtung aus einem anderen Gesichtspunkt ergeben. Dies komme insbesondere in Betracht, wenn die neue Beziehung als verfestigt in der Öffentlichkeit erscheine. Dafür sei indessen regelmäßig der Ablauf von mehreren Jahren erforderlich. Bei der im Januar 2001 zugestellten Abänderungsklage habe die Klägerin bedenken müssen, dass sie einerseits bereits (nachehelichen) Unterhalt für einen Zeitraum bezogen hatte, welcher der Ehedauer entsprach, und andererseits der Zeitraum der mit Herrn T geführten Beziehung nicht mehr wesentlich hinter der Ehedauer zurückblieb. Danach sei es ihr überwiegend wahrscheinlich erschienen, dass ab Zustellung der Klageschrift der Unterhaltsanspruch aberkannt werden würde. Der Verwirkungseinwand könne ohnehin nicht dem in der Zukunft noch zu leistenden Unterhalt entgegenstehen, sondern allein die Rückforderung bereits erfolgter Zahlungen ausschließen. Im Übrigen sei zu bedenken, dass die Dauer der Unterhaltsentrichtung ein maßgebliches Kriterium für die Unzumutbarkeit sei. Wenn sich erst aus einer langjährigen Zahlung der Einwand der Unzumutbarkeit ergebe, dürfe Herrn S nicht deswegen Verwirkung entgegen gehalten werden, weil er zunächst gezahlt habe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akte des Amtsgerichts P verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung kann, soweit über sie nach teilweiser Rücknahme der Klage noch zu entscheiden ist, keinen Erfolg haben. Für Zeiträume ab dem 4. Januar 2001 hat das Sozialgericht die Beklagte mit Recht verurteilt, der Klägerin Witwenrente ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruches zu leisten. Der Bescheid vom 8. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2002 war rechtswidrig, weil die Beklagte nach § 48 SGB X verpflichtet war, ihren Rentenbescheid vom 10. September 1998 aufzuheben, soweit dieser die Verminderung der Rentenzahlungen um 245,- DM monatlichen Unterhalts regelte.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Veränderung dann, wenn sie rechtserheblich ist, also zu anderen Rechtsfolgen führt, als in dem aufzuhebenden Bescheid festgesetzt worden sind. Die Beklagte hatte zuletzt durch bestandskräftigen Rentenbescheid vom 10. September 1998 bestimmt, dass die an die Klägerin zu zahlende Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten wegen der Unterhaltsansprüche nach dem letzten Ehegatten um einen Betrag von 245,- DM zu kürzen ist. Rechtsgrundlage für diese Regelung war § 90 Abs. 1 SGB VI. Das Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts P vom 26. April 2001 hat mit Wirkung vom 4. Januar 2001 an aber die Grundlage für eine Anrechnung von Unterhaltsansprüchen entfallen lassen.
§ 90 Abs. 1 SGB VI bestimmt, dass auf eine Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten Ansprüche auf Unterhalt nach dem letzten Ehegatten angerechnet werden. Die Klägerin hatte (jedenfalls) seit dem 4. Januar 2001 von ihrem geschiedenen Ehegatten keinen Unterhalt mehr erhalten. Der Unterhaltsanspruch war mit Wirkung von diesem Tage ab durch das - rechtskräftig gewordene - Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts C vom 26. April 2001 erloschen. In Übereinstimmung mit der zu § 1291 RVO als Vorgängervorschrift des § 90 SGB VI ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 1. Februar 1983 – 4 RJ 101/81 – SozR 2200 § 1291 Nr. 27) ist aber davon auszugehen, dass ein Unterhaltsanspruch im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB VI nicht stets das Bestehen eines durchsetzbaren Anspruchs voraussetzt. Der Unterhaltsberechtigte hat als Inhaber des Anspruchs die Rechtsmacht, wirksam über den Anspruch zu verfügen. Die Interessen der Versichertengemeinschaft erlauben indessen nicht, dass diese Verfügungen stets auch rentenrechtlich beachtlich werden. Denn sie gingen ausschließlich zu Lasten der Rentenversicherung, wenn ausgefallener Unterhalt ohne weiteres durch eine nun ohne Anrechung zu zahlende Rente kompensiert würde. Grundsätzlich ist dem Unterhaltsberechtigten daher zuzumuten, seine Ansprüche zu realisieren. Unterlässt er dies, rechtfertigt schon ein fiktiver Unterhaltsanspruch die Anrechenbarkeit auf die Rentenzahlung. Nur wenn ein verständiger Grund für eine entsprechende Verfügung über den Unterhaltsanspruch besteht, hat ein Verzicht auf Unterhalt zur Folge, dass auch rentenrechtlich vom Erlöschen des Anspruchs auszugehen ist (Verbandskommentar zum SGB, § 90 SGB VI Rdnr. 4.3; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht-Gürtner, § 90 SGB VI, Rdnr. 15).
Nach diesen Grundsätzen ist hier jedoch von einem auch rentenrechtlich beachtlichen Erlöschen des Unterhaltsanspruchs auszugehen. Das Urteil des Amtsgerichts P ist zwar auf der Grundlage des Anerkenntnisses der Klägerin ergangen, dass ihr der geschiedene Ehemann seit dem 4. Januar 2001 keinen Unterhalt mehr schulde (§ 307 Abs. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO - ). Die Klägerin hatte indessen verständige Gründe dafür, von einer weiteren Durchsetzung des Unterhaltsanspruches Abstand zu nehmen und sich der Klageforderung ihres geschiedenen Ehemannes zu beugen. Denn bei einer weiteren Verfolgung ihres Unterhaltsanspruchs hätte sie ein erhebliches Prozessrisiko zu tragen gehabt, das die Gefahr einer Belastung mit Gerichts- und Anwaltskosten in sich barg. Das Risiko eines Prozessverlustes erscheint - auch im Nachhinein betrachtet - real genug, als dass der Klägerin nicht zugemutet werden konnte, es auf sich zu nehmen. Insoweit ist auch darauf zu verweisen, dass die Beklagte bereits 1995 die Klägerin zur Erhebung einer Klage auf Durchsetzung höheren Unterhalts gegen den geschiedenen Ehegatten veranlasst hatte, die erfolglos blieb und deren Kosten die Klägerin zu tragen hatte.
Das Fortbestehen eines Unterhaltsanspruches gegen den geschiedenen Ehemann war gemäß § 1579 Nr. 7 BGB fraglich. Nach dieser Vorschrift ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten ( ) grob unbillig wäre, weil ( ) 7. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 6 aufgezählten Gründe. Die Voraussetzungen dieser Generalklausel sieht die zivilrechtliche Rechtsprechung als erfüllt an, wenn der geschiedene Ehegatte eine neue eheähnliche Beziehung eingegangen ist (BGH, Urt. v. 21. Dezember 1988 – IVb ZR 18/88 - = NJW 1989, 1083; Urt. v. 12. März 1997 – XII ZR 153/95 - = NJW 1997, 1851). Das Amtsgericht T wies in seinem Urteil aus dem Jahre 1998 darauf hin, dass nach seiner Ansicht die von der Klägerin mit Herrn T eingegangene Beziehung die Annahme von grober Unbilligkeit rechtfertigen würde. Für die Annahme der Beklagten, dass lediglich eine Reduzierung des Unterhaltsanspruches auf 245,- DM in Frage komme, gibt es im Urteil des Amtsgerichtes T keinen Anhaltspunkt. Die dem Vergleich aus dem Jahre 1985 entstammende Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 245,- DM war nicht Streitgegenstand, so dass insoweit kein Urteilsausspruch erfolgen konnte. In den Urteilsgründen (dort Seite 5) hielt das Amtsgericht den Unterhaltsanspruch indes in voller Höhe für ausgeschlossen. Auch das Amtsgericht P geht in seinem Kostenbeschluss vom 21. August 2001 davon aus, dass der Ausschluss des Unterhaltsanspruches wegen grober Unbilligkeit auch die im Vergleich festgesetzten 245,- DM erfasse. Allgemein wird beim Vorliegen grober Unbilligkeit wegen Eingehens einer neuen eheähnlichen Beziehung eine bloße Reduzierung des Unterhaltsanspruches dann für angemessen erachtet, wenn der Berechtigte notwendig auf die Unterhaltszahlungen angewiesen ist (Münchener Kommentar -Maurer, BGB, 4. Aufl. 2000, § 1579 Rdnr. 78) oder gemeinsame Kinder zu betreuen hat (BGH, Urt. v. 27. September 1989, - IVb ZR 78/88 - = FamRZ 1989, 1279). Daraus kann vorliegend nichts hergeleitet werden, weil die Klägerin mittlerweile (neben der Witwenrente) eine eigene Altersrente bezog, deren Zahlbetrag von 1.029,00 DM (Stand: Juli 2001) sie in die Lage versetzte, ihren Lebensunterhalt selbst zu sichern. Bei der ursprünglichen Bemessung des Unterhaltsanspruchs auf 245,- DM im Monat hatte der Gedanke einer Reduzierung wegen Vorliegens grober Unbilligkeit ebenso wenig eine Rolle gespielt. Demnach sprechen gewichtige Gründe dafür, dass der Unterhaltsanspruch über den 4. Januar 2001 hinaus vollständig wegen grober Unbilligkeit entfallen war.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin gleichwohl Erfolg im Unterhaltsprozess gehabt hätte, weil ihr geschiedener Ehemann auch während der zu Herrn T unterhaltenen Beziehung langjährig weiter Unterhalt gezahlt und deswegen bereits das Recht verwirkt hatte, eine grobe Unbilligkeit geltend zu machen. Allerdings ergibt sich aus den Akten, dass der geschiedene Ehemann jedenfalls seit dem Jahre 1995 Kenntnis von der Beziehung hatte, weil er diese Tatsache damals von seinem Rechtsanwalt im Unterhaltsprozess vor dem Amtsgericht T hat vortragen lassen. Rechtsprechung und Literatur erkennen auch grundsätzlich die Möglichkeit an, dass die Erhebung des Einwands der groben Unbilligkeit gegen Unterhaltszahlungen mit Wirkung für die Zukunft verwirkt werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. August 1996 – 3 UF 43/96 - = FamRZ 1997, 1159; Münchener Kommentar-Maurer, BGB 4. Aufl. 2000, § 1579 Rdnr. 70). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat indessen in seinem Urteil vom 28. Januar 2004 (- XII ZR 259/01 – BGHZ 157, 395) ausdrücklich die Frage als "streitig" gekennzeichnet, ob eine Verwirkung auch da denkbar ist, wo eine grobe Unbilligkeit ihren Grund nicht in einem persönlichen Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten hat (also jenseits der Fälle der "Verzeihung"). Der Klägerin kann kein ehewidriges Fehlverhalten vorgeworfen werden, da sie - nach Aktenlage - ihre Beziehung zu Herrn T erst nach dem Scheitern der Ehe mit Herrn S begonnen hat. Demnach wäre in ihrem Unterhaltsrechtsstreit die Frage erheblich geworden, ob ein Unterhaltsverpflichteter bei Vorliegen grober Unbilligkeit, die sich erst aus einer weiteren Entwicklung der Verhältnisse nach Beendigung der Ehe ergeben hat, den Einwand mit Wirkung für die Zukunft verliert, wenn er ihn nicht zeitnah nach seiner (erstmaligen) Entstehung geltend macht. Eine klarstellende höchstrichterliche Entscheidung dazu war zum Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts noch nicht ergangen. Angesichts des Kostenrisikos war von der Klägerin auch nicht zu verlangen, die Frage selbst einer Klärung zuzuführen. Ihre Anerkennung der Klageforderung erscheint damit nachvollziehbar, so dass ein verständiger Grund für das Verhalten im Unterhaltsstreitverfahren vor dem Amtsgericht P vorliegt. Das Anerkenntnisurteil vom 26. April 2001 ist damit auch rentenrechtlich wirksam geworden. Mit Wirkung ab dem 4. Januar 2001 trat eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse ein, da die Anrechnung des Unterhaltsanspruches auf die Witwenrente nun nicht mehr gerechtfertigt war.
Dies war mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an zu berücksichtigen. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X enthält eine entsprechende Sollvorschrift für die Fälle, in denen sich eine Änderung zu Gunsten der Betroffenen auswirkt. Die Klägerin wurde durch den Wegfall der Anrechnung begünstigt, da sie nunmehr Anspruch auf Auszahlung der Rente ohne Anrechnung von Unterhalt hatte. Besondere Gegebenheiten, welche ein Abweichen von der Sollvorschrift rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Potsdam, den 26. Juni 2006
Der Vorsitzende des 12. Senats
Az.: L 12 RJ 6/04
BeschlussBeschluss
in dem Rechtsstreit
E S,
G, B,
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt E A,
D Weg , B,
Gz.:
gegen
Deutsche Rentenversicherung
Berlin-Brandenburg
Standort Berlin,
Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin,
Gz.:
- Beklagte und Berufungsklägerin -.
Das Urteil vom 15. November 2005 wird gemäß § 138 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG- wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass es
auf Seite 1 im Urteilstenor Zeile 2
statt "16. August 2004" richtig "5. Dezember 2003"
heißen muss.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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