Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 1047/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Klägers, den Richter am Sozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein. Es kommt dabei weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, tatsächlich begründet ist, noch auf die Auffassung des abgelehnten Richters dazu, ob der klägerische Vortrag geeignet sei, einen Ablehnungsgrund nachvollziehbar zu machen.
In erster Linie beanstandet der Kläger, dass der abgelehnte Richter, der bereits in dem vorangegangenen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der vorliegend im Hauptsacheverfahren streitigen Rechtsfrage befasst war, sich in einem Schreiben vom 21. Oktober 2005 auf eine "bestätigende Entscheidung" des Landessozialgerichts (vom 5. September 2005 – ) bezieht, die sich – so die Auffassung des Klägers - allein zu der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit im einstweiligen Rechtsschutz verhalte und zur Bestätigung der vorläufig geäußerten Rechtsauffassung des Richters daher nicht herangezogen werden könne. Die Anfrage, ob die Klage fortgeführt werden solle, sei daher verfehlt, da es auf Gesichtspunkte der Eilbedürftigkeit hier nicht ankomme. Sinngemäß macht der Kläger damit geltend, der Richter habe sich in unzulässiger Weise bereits auf unverrückbare Positionen festgelegt und habe zu erkennen gegeben, dass er innerlich die Instanz bereits als abgeschlossen betrachte, da er – fälschlicherweise – davon ausgehe, dass seine Rechtsauffassung durch das Landessozialgericht bestätigt sei.
Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ua ausgeschlossen in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Im Grundsatz ist dem § 41 Nr. 6 ZPO damit die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass in anderen als den dort genannten Fällen der Vorbefassung – hier: Entscheidung über einen Antrag nach § 86b SGG - der Richter weder kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, noch allein die Vorbefassung eine Befangenheit begründen kann. Dass der abgelehnte Richter sich im Rahmen der Entscheidung über den Eilantrag eine vorläufige Meinung über die Erfolgsaussichten in der Sache gebildet hat, verlangt das Gesetz von ihm. Ein Grund für seine Befangenheit folgt allein daraus nicht. Für die Beurteilung der Frage, ob ein im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorbefasster Richter im weiteren Verfahren befangen ist, muss geprüft werden, ob darüber hinaus Anhaltspunkte dafür vorliegen, die bei einem unvoreingenommenen Dritten objektiv den Eindruck erwecken, die Überzeugungsbildung im Hauptsacheverfahren werde lediglich noch "eine mechanische Konsequenz" sein.
Aus dem vom Kläger beanstandeten Schreiben ergeben sich solche Hinweise nicht. Es spricht allerdings vieles für die Ansicht des Klägers, dass in dem von dem abgelehnten Richter in Bezug genommenen Beschluss des Landessozialgerichts entgegen seinem Wortlaut eine Aussage zum Anordnungsanspruch, also dem materiell-rechtlichen Anspruch, für den auch in der Hauptsache Rechtschutz begehrt wird, nicht getroffen worden ist. Es findet in der nach dem Gesetz erforderlichen Begründung des Beschlusses (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 1 SGG) lediglich eine Auseinandersetzung mit der besonderen Eilbedürftigkeit – also dem Anordnungsgrund - statt; es fehlt dagegen insbesondere eine Bezugnahme auf die – ausführlichen – Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts vom 8. August 2005. Dies spricht dafür, dass der Hinweis auf den Anordnungsanspruch nur versehentlich erfolgt ist und tatsächlich nur eine Auseinandersetzung mit dem Anordnungsgrund erfolgt ist. Vom Wortlaut her lässt der Beschluss vom 5. September 2005 aber auch die vom abgelehnten Richter sinngemäß in dem beanstandeten Schreiben und in der dienstlichen Äußerung vertretene Auffassung zu, der Beschluss vom 8. August 2005 sei inhaltlich in allen Punkten bestätigt worden. Dies ist für den Kläger auch erkennbar, denn in den vorangegangenen Beschlüssen des Sozialgerichts ist eine ausführliche Darlegung der beiden Begriffe (Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund) erfolgt.
Befangenheit ist aber zu verneinen, solange das Verhalten des Richters im Rahmen der Gesamtschau des beanstandeten Vorgehens sachbezogen und nachvollziehbar ist. Dabei brauchte der Senat nicht abschließend zu klären, welcher inhaltliche Gehalt dem Beschluss des 18. Senats tatsächlich zukommt. Selbst wenn der Richter objektiv fehlerhaft zu der Auffassung gekommen sein sollte, dass auch seine Rechtsauffassung zum materiell-rechtlichen Anspruch bestätigt worden sei, folgt aus der Bezugnahme auf diesen Beschluss nicht die Besorgnis der Befangenheit. Fehler, die einem Richter bei der Beurteilung eines Sachverhaltes oder bei der Anwendung von Rechtsvorschriften unterlaufen, stellen nämlich keinen Grund für dessen Ablehnung wegen Befangenheit dar. Das Ablehnungsverfahren soll nicht gegen unrichtige Rechtsauffassungen eines Richters schützen. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Hier gilt vor allem deshalb nichts anderes, weil an die Anfrage des Richters, ob die Klage fortgeführt werden solle, keine weiteren Versuche einer Einflussnahme auf eine bestimmte Entscheidung des Klägers in diesem Punkt geknüpft worden sind. Für die Auffassung, dass der Richter nicht mehr in der Lage sei, sich aufgrund ggf. neuen Vorbringens und neuen Sachverhalts mit der Sache vorurteilsfrei auseinander zu setzen, finden sich nach alledem in dem beanstandeten Schreiben keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt auch der zeitliche Ablauf des vorangegangenen Verfahrens keinen nachvollziehbaren Schluss auf die Befürchtung zu, der Richter sei in dem nunmehr zur Entscheidung stehenden Verfahren zu seinen Lasten voreingenommen. Wie oben bereits dargelegt, können Vorgehensweisen in früheren Verfahren nur ausnahmsweise zur Begründung des Misstrauens in die Unparteilichkeit des Richters herangezogen werden. Der Vorwurf, der Richter habe das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes absichtlich zögerlich betrieben und erst nach Vorliegen einer vom Vertreter abgefassten Entscheidung im Sinne des Klägers das Verfahren als "Eiltsache" behandelt, ist nach dem Vortrag des Klägers und der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters so nicht nachvollziehbar. Der abgelehnte Richter hat mit Hinweis auf die Eilbedürftigkeit sofort eine Erwiderung der Antragsgegnerin angefordert und nur kurze Wiedervorlagefristen verfügt. Einen konkreten Anreisezeitpunkt der Kinder hat der Kläger in seiner Antragsschrift nicht benannt. Gegen die Darstellung des abgelehnten Richters, ein angekündigter Rückruf des Klägers, den er erwartet habe, sei nicht erfolgt, hat sich dieser nicht gewandt. Als der Kläger die unmittelbar bevorstehende Anreise seiner Kinder aktenkundig gemacht hat, war der abgelehnte Richter bereits im Urlaub. Auch der vorliegende Rechtsstreit wird vom Richter erkennbar zügig betrieben. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Richter einen Ausgang des Rechtsstreits zugunsten des Klägers durch Verzögerung "verhindern" will.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein. Es kommt dabei weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, tatsächlich begründet ist, noch auf die Auffassung des abgelehnten Richters dazu, ob der klägerische Vortrag geeignet sei, einen Ablehnungsgrund nachvollziehbar zu machen.
In erster Linie beanstandet der Kläger, dass der abgelehnte Richter, der bereits in dem vorangegangenen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der vorliegend im Hauptsacheverfahren streitigen Rechtsfrage befasst war, sich in einem Schreiben vom 21. Oktober 2005 auf eine "bestätigende Entscheidung" des Landessozialgerichts (vom 5. September 2005 – ) bezieht, die sich – so die Auffassung des Klägers - allein zu der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit im einstweiligen Rechtsschutz verhalte und zur Bestätigung der vorläufig geäußerten Rechtsauffassung des Richters daher nicht herangezogen werden könne. Die Anfrage, ob die Klage fortgeführt werden solle, sei daher verfehlt, da es auf Gesichtspunkte der Eilbedürftigkeit hier nicht ankomme. Sinngemäß macht der Kläger damit geltend, der Richter habe sich in unzulässiger Weise bereits auf unverrückbare Positionen festgelegt und habe zu erkennen gegeben, dass er innerlich die Instanz bereits als abgeschlossen betrachte, da er – fälschlicherweise – davon ausgehe, dass seine Rechtsauffassung durch das Landessozialgericht bestätigt sei.
Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ua ausgeschlossen in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Im Grundsatz ist dem § 41 Nr. 6 ZPO damit die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass in anderen als den dort genannten Fällen der Vorbefassung – hier: Entscheidung über einen Antrag nach § 86b SGG - der Richter weder kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, noch allein die Vorbefassung eine Befangenheit begründen kann. Dass der abgelehnte Richter sich im Rahmen der Entscheidung über den Eilantrag eine vorläufige Meinung über die Erfolgsaussichten in der Sache gebildet hat, verlangt das Gesetz von ihm. Ein Grund für seine Befangenheit folgt allein daraus nicht. Für die Beurteilung der Frage, ob ein im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorbefasster Richter im weiteren Verfahren befangen ist, muss geprüft werden, ob darüber hinaus Anhaltspunkte dafür vorliegen, die bei einem unvoreingenommenen Dritten objektiv den Eindruck erwecken, die Überzeugungsbildung im Hauptsacheverfahren werde lediglich noch "eine mechanische Konsequenz" sein.
Aus dem vom Kläger beanstandeten Schreiben ergeben sich solche Hinweise nicht. Es spricht allerdings vieles für die Ansicht des Klägers, dass in dem von dem abgelehnten Richter in Bezug genommenen Beschluss des Landessozialgerichts entgegen seinem Wortlaut eine Aussage zum Anordnungsanspruch, also dem materiell-rechtlichen Anspruch, für den auch in der Hauptsache Rechtschutz begehrt wird, nicht getroffen worden ist. Es findet in der nach dem Gesetz erforderlichen Begründung des Beschlusses (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 1 SGG) lediglich eine Auseinandersetzung mit der besonderen Eilbedürftigkeit – also dem Anordnungsgrund - statt; es fehlt dagegen insbesondere eine Bezugnahme auf die – ausführlichen – Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts vom 8. August 2005. Dies spricht dafür, dass der Hinweis auf den Anordnungsanspruch nur versehentlich erfolgt ist und tatsächlich nur eine Auseinandersetzung mit dem Anordnungsgrund erfolgt ist. Vom Wortlaut her lässt der Beschluss vom 5. September 2005 aber auch die vom abgelehnten Richter sinngemäß in dem beanstandeten Schreiben und in der dienstlichen Äußerung vertretene Auffassung zu, der Beschluss vom 8. August 2005 sei inhaltlich in allen Punkten bestätigt worden. Dies ist für den Kläger auch erkennbar, denn in den vorangegangenen Beschlüssen des Sozialgerichts ist eine ausführliche Darlegung der beiden Begriffe (Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund) erfolgt.
Befangenheit ist aber zu verneinen, solange das Verhalten des Richters im Rahmen der Gesamtschau des beanstandeten Vorgehens sachbezogen und nachvollziehbar ist. Dabei brauchte der Senat nicht abschließend zu klären, welcher inhaltliche Gehalt dem Beschluss des 18. Senats tatsächlich zukommt. Selbst wenn der Richter objektiv fehlerhaft zu der Auffassung gekommen sein sollte, dass auch seine Rechtsauffassung zum materiell-rechtlichen Anspruch bestätigt worden sei, folgt aus der Bezugnahme auf diesen Beschluss nicht die Besorgnis der Befangenheit. Fehler, die einem Richter bei der Beurteilung eines Sachverhaltes oder bei der Anwendung von Rechtsvorschriften unterlaufen, stellen nämlich keinen Grund für dessen Ablehnung wegen Befangenheit dar. Das Ablehnungsverfahren soll nicht gegen unrichtige Rechtsauffassungen eines Richters schützen. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Hier gilt vor allem deshalb nichts anderes, weil an die Anfrage des Richters, ob die Klage fortgeführt werden solle, keine weiteren Versuche einer Einflussnahme auf eine bestimmte Entscheidung des Klägers in diesem Punkt geknüpft worden sind. Für die Auffassung, dass der Richter nicht mehr in der Lage sei, sich aufgrund ggf. neuen Vorbringens und neuen Sachverhalts mit der Sache vorurteilsfrei auseinander zu setzen, finden sich nach alledem in dem beanstandeten Schreiben keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt auch der zeitliche Ablauf des vorangegangenen Verfahrens keinen nachvollziehbaren Schluss auf die Befürchtung zu, der Richter sei in dem nunmehr zur Entscheidung stehenden Verfahren zu seinen Lasten voreingenommen. Wie oben bereits dargelegt, können Vorgehensweisen in früheren Verfahren nur ausnahmsweise zur Begründung des Misstrauens in die Unparteilichkeit des Richters herangezogen werden. Der Vorwurf, der Richter habe das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes absichtlich zögerlich betrieben und erst nach Vorliegen einer vom Vertreter abgefassten Entscheidung im Sinne des Klägers das Verfahren als "Eiltsache" behandelt, ist nach dem Vortrag des Klägers und der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters so nicht nachvollziehbar. Der abgelehnte Richter hat mit Hinweis auf die Eilbedürftigkeit sofort eine Erwiderung der Antragsgegnerin angefordert und nur kurze Wiedervorlagefristen verfügt. Einen konkreten Anreisezeitpunkt der Kinder hat der Kläger in seiner Antragsschrift nicht benannt. Gegen die Darstellung des abgelehnten Richters, ein angekündigter Rückruf des Klägers, den er erwartet habe, sei nicht erfolgt, hat sich dieser nicht gewandt. Als der Kläger die unmittelbar bevorstehende Anreise seiner Kinder aktenkundig gemacht hat, war der abgelehnte Richter bereits im Urlaub. Auch der vorliegende Rechtsstreit wird vom Richter erkennbar zügig betrieben. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Richter einen Ausgang des Rechtsstreits zugunsten des Klägers durch Verzögerung "verhindern" will.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved