L 5 KR 83/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 325/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 83/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Oktober 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten einer Haushaltshilfe in Höhe von 1.150,48 EUR für den Zeitraum 26. August bis 17. September 2003 zu erstatten.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für die Mutterschaftsleistung Haushaltshilfe in der Zeit 26.08. bis 17.09.2003 in Höhe von EUR 1.150,48.

1.

Die Klägerin war ab 11.03.2003 bei der BKK M. familienversichert. Wegen Arbeitslosengeldbezuges war sie ab 18.07.2003 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten bis 30.11.2003.

Am 21.08.2003 beantragte sie die Bewilligung einer Haushaltshilfe von vier Stunden/Tag ab 25.08.2003 bei der BKK M ... Vorausgegangen war ein stationärer Krankenhausaufenthalt vom 14. bis 19.08.2003 wegen Frühgeburtsbestrebungen bei akuter Laryngitis sowie Überbelastung, insbesondere wegen der Betreuung des 2000 geborenen Sohnes L ... Dem Antrag beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung des behandelnden Frauenarztes Dr.B. vom 20.08.2003 mit den Diagnosen Cervixinsuffizienz sowie Frühgeburtsbestrebung und mit der Begründung für die Notwendigkeit der Haushaltshilfe, dass eine Frühgeburt zu vermeiden sei. Am 22.08.2003 bewilligte die BKK M. die begehrte Haushaltshilfe. Mit Schreiben vom 01.09.2003 teilte sie mit, die Klägerin sei nach neuerer Auskunft ab 18.07.2003 bei der Beklagten versichert, so dass ein Leistungsanspruch nicht bestehe und die Bewilligung ungültig sei.

Daraufhin beantragte die Klägerin mit Eingang bei der Beklagten am 10.09.2003 die Haushaltshilfe. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK in Bayern zur Notwendigkeit der Haushaltshilfe ein mit der Angabe, nach Rechtsprechung, Literatur sowie diversen Gutachten käme eine Haushaltshilfe nur in begründeten Einzelfällen, so wenn strikte Bettruhe einzuhalten sei, in Betracht. Die Beklagte gehe davon aus, dass eine normale Schwangerschaft bestehe. Daraufhin führte der MDK aus, dass unter diesen Prämissen die Voraussetzungen einer Hilfebewilligung nicht erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 07.10.2003 lehnte die Beklagte die Haushaltshilfe mit der Begründung ab, dass Haushaltshilfe während der Schwangerschaft in begründeten Einzelfällen geleistet werden könne, sofern diese medizinisch dringend erforderlich sei, insbesondere bei Risikoschwangerschaft, bei welcher zudem strenge Bettruhe einzuhalten sei. Entsprechend der Beurteilung des MDK bestehe bei der Klägerin jedoch keine Risikoschwangerschaft mit einzuhaltender strenger Bettruhe.

Mit Widerspruch vom 16.10.2003 legte die Klägerin eine Bestätigung des Dr.B. vom 22.10.2003 vor, wonach ein anamnestisches Risiko zur Frühgeburt bestehe, die stationäre Krankenhausbehandlung aufgrund einer Cervikalkanallänge von 3,1 cm erfolgt sei und regelmäßige vorzeitige Wehen bei cervikaler Insuffizienz sowie ein progredient psychisch-physisches Belastungssyndrom die Haushaltshilfe notwendig machten; zusätzlich reichte die Klägerin eine Abrechnung des Familienpflegewerks L. in Höhe von EUR 1.150,48 für Leistungen vom 26.08. bis 20.09.2003 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2003 lehnte die Beklagte den Widerspruch erneut mit der Begründung ab, ein Ausnahmetatbestand zur Gewährung von Haushaltshilfe während Schwangerschaft, insbesondere Bettlägerigkeit, habe nicht vorgelegen.

2.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg hat die Klägerin beantragt, die Kosten der Haushaltshilfe von 1.150,48 EUR zu übernehmen. Sie hat ausgeführt, dass sie wegen der Betreuung des Sohnes L. und der beruflich bedingten Ortsabwesenheit des Ehemannes im streitigen Zeitraum Haushaltsarbeiten nicht habe leisten können. In der Folge habe sie sich durch einen Nordseeurlaub, während dem ihre Mutter und Schwester den Sohn L. betreut hätten, psychisch und physisch erholt, habe jedoch später erneut strikte Bettruhe einhalten müssen und vom 18.11. bis 30.11.2003 erneut Haushaltshilfe durch die Schwester und die Mutter erhalten. Dafür habe die Beklagte die Fahrtkosten in Höhe von 315,56 EUR erstattet.

Mit Urteil vom 12.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, zwar setze die gesetzliche Regelung für die Gewährung von Haushaltshilfe bei Schwangerschaft keine strikte Bettruhe voraus, vielmehr genüge auch eine teilweise Unmöglickeit der Weiterführung des Haushaltes. Jedoch könne nicht schon jede Einschränkung der Haushaltsführung einen Anspruch auf Haushaltshilfe begründen. Entsprechende Umstände hätten nicht vorgelegen, denn die Klägerin habe im streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld bezogen, habe sich also dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt, ohne eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Arbeitsagentur vorzulegen und ohne dort eine Einschränkung der Vermittlungsfähigkeit anzugeben, so dass von einer nicht wesentlich eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Haushalt auszugehen sei. Auch habe eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen.

3.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit der Begründung, aus dem Entlassungsbericht des Krankenhauses L. sowie den Bestätigungen des Dr.B. ergebe sich, dass sie im fraglichen Zeitraum eine Haushaltshilfe benötigt habe. Aufgrund einer Problemschwangerschaft und der erforderlichen Schonung sei sie zur Führung des Haushaltes nicht mehr in der Lage gewesen. Sie sei davon ausgegangen, dass sie während des Arbeitslosengeldbezuges wegen der Schwangerschaft nicht vermittelt werden würde. Im Übrigen habe sie nach einem Wechsel zur BKK M. zum 01.12.2003 von dort problemlos Mutterschaftshilfen erhalten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 12.10.2004 sowie des Bescheides vom 07.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2003 zu verurteilen, die Kosten der Haushaltshilfe im Zeitraum 26.08. bis 17.09.2003 in Höhe von EUR 1.150,48 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12.10.2004 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2006 waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die der Bundesanstalt für Arbeit. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 07.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2003, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin auf Antrag vom 21.08.2003 eine Haushaltshilfe als Leistung bei Schwangerschaft zu gewähren. Diese Entscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf Haushaltshilfe gemäß § 38 SGB V in Verbindung mit § 199 Reichsversicherungsordnung - RVO -. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs.3 SGB V in der beantragten Höhe.

1.

Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch den Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs.3 Satz 1 SGB V). Gemäß § 199 RVO erhalten versicherte Frauen Haushaltshilfe, soweit ihnen wegen Schwangerschaft oder Entbindung die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann. Gemäß § 38 Abs.4 SGB V sind den Versicherten die Kosten für eine selbst beschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stellen kann.

2.

Die Klägerin war im fraglichen Zeitraum schwanger, eine andere im Haushalt lebende Person konnte diesen nicht weiterführen, weil ihr Ehemann beruflich bedingt ortsabwesend war und weitere geeignete Personen dem Haushalt nicht angehörten. Ihr war auch die Weiterführung des Haushaltes schwangerschaftsbedingt nicht möglich. Wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, besteht für die extrem restriktive Auslegung der Beklagten, dass die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe nur bei ärztlich vorgeschriebener Bettlägerigkeit oder vergleichbaren Zuständen zu gewähren ist, kein Anhalt im Gesetz. Es genügt, dass schwangerschaftsbedingt Haushaltstätigkeiten ganz oder teilweise unmöglich sind. Ausreichend ist es, dass z.B. wegen der konkreten Gefahr einer Frühgeburt der Haushalt von der Schwangeren nicht mehr geführt werden kann.

Dies war zur Überzeugung des Senates im streitigen Zeitraum der Fall, was eindeutig medizinisch dokumentiert ist. Die Klägerin war vom 14. bis 19.08.2003 in der gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses L. stationär behandelt worden wegen Frühgeburtsbestrebungen bei physischer Überlastung. Nach medikamentöser Behandlung sowie "aufgrund der verordneten Bettruhe" - wie der Entlassungsbericht ausdrücklich aufführt - konnte die Klägerin entlassen werden mit der ärztlichen Empfehlung, sich körperlich zu schonen. Zudem bestand nach dem Attest des Dr.B. vom 20.08.2003 eine Cervixinsuffizienz mit Frühgeburtsbestrebung. Wie von ihm attestiert war die Haushaltshilfe nötig, um eine Frühgeburt zu vermeiden. Ergänzend führt Dr.B. unter dem 15.09.2003 aus, dass Vorwehentätigkeit vorgelegen hatte, und somit eine Risikoschwangerschaft bestand, denn bei körperlicher und psychischer Belastung drohte eine Frühgeburt. Dies korrelliert mit der ärztlichen Bescheinigung vom 22.10.2003 des Dr.B. , wonach bei der Klägerin bereits bei dem stationären Aufenthalt eine Cervikalkanallänge von 3,1 cm bestanden hatte als konkretes Indiz der Gefahr einer Frühgeburt. Hieraus ergibt sich zur Überzeugung des Senats die medizinisch bedingte jedenfalls im begehrten Umfange von vier Stunden täglich bestehende Notwendigkeit einer Hilfe zur Weiterführung des Haushalts.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen des MDK. Denn insoweit hatte die Beklagte keine korrekte Stellungnahme angefordert, sondern eine Stellungnahme zu einer Rechtsfrage, die in ihrer Annahme mit der gesetzlichen Regelung in § 199 RVO nicht in Einklang stand. Angefragt hatte die Beklagte, ob bei der Klägerin ein begründeter Einzelfall mit strikter Bettruhe vorliege. Hierauf bezogen hat der MDK ausgeführt, dass diese angenommene Voraussetzung für die Genehmigung einer Haushaltshilfe nicht erfüllt sei. Die Stellungnahme ist damit zur Beantwortung der hier streitigen Frage ohne Wert.

Zudem ist der Beklagten vorzuhalten, dass sie der Klägerin im November 2003 Leistungen der Mutterschaftshilfe in Höhe von 315,56 EUR erbracht hat.

3.

Die Beklagte kann der Klägerin deren Verhalten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, insbesondere die Nichtvorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder die Beschränkung der Vermittelbarkeit auf Teilzeitbeschäftigungen, nicht entgegengehalten. Zwar darf das Verhalten von Versicherten Dritten, insbesondere Behörden gegenüber, als Indiz für die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Leistungsanspruches gewertet werden. Der Senat hält es im streitigen Fall zwar für möglich, dass die Klägerin gegen ihre Pflichten als Arbeitslose verstoßen haben könnte und deshalb eventuell ein Anspruch auf Arbeitslosengeld im streitigen Zeitraum nicht bestanden hätte. Ebenso denkbar ist es aber, dass die Klägerin sich der Vermittlung für z.B. körperlich weniger belastende Bürotätigkeiten, die mit der Bürde einer Haushaltsführung nicht vergleichbar sind, zur Verfügung gestellt hatte und damit zu Recht Arbeitslosengeld bezogen hatte. Ob die Beigeladene zu 1) insoweit berechtigt gewesen wäre, die Leistungsgewährung aufzuheben oder gewährte Leistungen zurückzufordern, ist jedoch nicht Gegenstand des hier streitigen Verfahrens. In Anbetracht eines bestandskräftigen Bewilligungsbescheides ist von einem rechtmäßigen Leistungsbezug auszugehen.

Da die von der Klägerin im Erstattungswege begehrten Kosten einer Haushaltshilfe im beantragten Umfang entstanden, belegt und nachgewiesen sowie korrekt berechnet sind, war die Beklagte auf die Berufung hin zur Leistungsgewährung zu verurteilen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved