L 22 R 1242/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 RA 2316/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1242/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Bei dem geborenen Kläger ist seit 1984 eine HIV-Infektion bekannt. Ein Pfeiffer’sches Drüsenfieber trat zirka 1983 oder 1984 auf, ein Herpes zoster 1994.

Bis April 1995 arbeitete der Kläger, ein graduierter Diplom-Pädagoge. In diesem Monat gab er seine Teilzeittätigkeit bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz in Berlin (30 Stunden) wegen Krankheit auf. Er bezog in der Folge Leistungen der Hanseatischen Ersatzkasse (HEK) wegen Arbeitsunfähigkeit. Am 31. Oktober 1997 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die ihm nach Einholung eines Gutachtens durch die Internistin Dr. K gewährt wurde. Frau Dr. K war zu der Auffassung gelangt, von Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit an im August 1997 sei das Leistungsvermögen des Klägers dauerhaft aufgehoben.

Nach dem Rentenbescheid vom 29. Juli 1998 wurden die Zeiten vom 15. Mai 1975 bis zum 31. Juli 1975, vom 30. Januar 1977 bis zum 30. September 1977, vom 07. Januar 1982 bis zum 30. Juni 1982 sowie vom 01. Oktober 1977 bis zum 06. Januar 1982 nicht als rentenrechtliche Zeiten zugrunde gelegt. Der Kläger brachte eine Erklärung bei, er habe vom 01. Oktober 1977 bis zum 06. Januar 1982 an der Freien Universität Berlin - FU - studiert sowie die entsprechende Diplomprüfung erfolgreich abgelegt und sei in den anderen genannten Zeiten arbeitslos ohne Leistungsbezug gewesen.

Die Beklagte wertete dies als Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1999 zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, die Zeiten vom 15. Mai 1975 bis zum 31. Juli 1975 und vom 30. Januar 1977 bis zum 30. Juni 1982 könnten nicht anerkannt werden, da Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit nur solche seien, in denen der Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet war und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen hat. Der Kläger, der selbst angegeben habe, keine Leistungen bezogen zu haben, habe keinen Nachweis darüber erbringen können, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Anrechnungszeit vorlägen. Darüber hinaus sei durch diese Zeiten auch eine versicherte oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen worden. Die Zeit vom 01. März 1975 bis 14. Mai 1975 könne wegen Überschreitens der Höchstdauer für Ausbildungszeiten nicht berücksichtigt werden. Dies scheitere daran, dass eine derartige Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres nur bis zur Höchstdauer von insgesamt drei Jahren (36 Kalendermonate) berücksichtigt werden könne. Diese Zeit sei anerkannt. Darüber hinaus könnten gemäß § 252 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der damals geltenden Fassung auch Zeiten als Anrechnungszeiten anerkannt werden, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr vor dem 01. Januar 1992 eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht habe. Das führe dazu, dass eine Anrechnungszeit von 41/48 Kalendermonaten, aufgerundet 19 Kalendermonaten, also die Zeit vom 01. August 1973 bis 28. Februar 1975, zu berücksichtigen sei.

Hiergegen hat sich die am 05. Juni 1999 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger sein Begehren bezüglich der Anrechnungszeiten weiter verfolgt und darüber hinaus begehrt hat, den Beginn der Erwerbsunfähigkeit auf den 10. September 1987 festzusetzen.

Das Sozialgericht hat dem Vorbringen des Klägers den Antrag entnommen,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1999 sowie des Änderungsbescheides vom 01. Februar 2000 zu verurteilen, den Beginn der Erwerbsunfähigkeit auf den 14. September 1987 festzusetzen sowie Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 15. Mai 1975 bis zum 31. Juli 1975, vom 30. Januar bis 30. September 1977 sowie vom 07. Januar bis zum 30. Juli 1982 sowie Zeiten des Hochschulbesuchs vom 01. März bis zum 14. Mai 1975 sowie vom 01. Oktober 1977 bis zum 06. Januar 1982 anzuerkennen und dies bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat mit Bescheid vom 01. Februar 2000 nach Vorlage entsprechender Unterlagen die Zeiten vom 30. Januar 1977 bis zum 22. März 1977 und vom 01. Oktober 1977 bis zum 05. Januar 1982 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit beziehungsweise wegen Hochschulausbildung berücksichtigt.

Mit Urteil vom 27. April 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt:

Soweit die Anrechnungszeiten, die die Beklagte mit Bescheid vom 01. Februar 2000 anerkannt hat, Gegenstand der Klage sind, ist diese mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, denn die Zulässigkeit einer Anfechtungs- beziehungsweise Verpflichtungsklage nach § 54 SGG setzt voraus, dass das Anliegen von der Beklagten verweigert wird.

Soweit Anrechnungszeiten des Klägers nach seiner Klageschrift mangels Anerkenntnisses der Beklagten noch offen sind, ist die Klage unbegründet. Anrechnungszeiten nach § 58 SGB VI sind nachzuweisen. Die Zeiten der Arbeitslosigkeit, die der Kläger noch weiter geltend macht, sind schon deshalb nicht als Zeiten nach § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI zu sehen, weil der Kläger selbst auf dem "Fragebogen für Anrechnungszeiten" der Beklagten, der Teil der Rentenakte ist, für diese Zeit angegeben hat, dass er ohne Leistungsbezug, also eine der Voraussetzungen nach der in Anspruch genommenen Vorschrift, bei den Arbeitsämtern in Mönchengladbach beziehungsweise Berlin gemeldet gewesen sei.

Gegen dieses dem Kläger am 19. Juli 2005 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 08. August 2005, mit der er sein Begehren weiter verfolgt: Aus der Bescheinigung der Ärzte K und K vom 14. September 1987 ergebe sich, dass das Leistungsvermögen bereits damals aufgehoben gewesen sei. Er habe im September 1987 einen Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen gestellt, der als Rentenantrag zu werten, aber als solcher nicht beschieden worden sei.

Der Kläger beantragt:

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheides vom 01. Februar 2002 zu verpflichten, einen neuen Rentenbescheid mit

1. Eintritt der Erwerbsminderung zum 14. September 1987,

2. Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 15. Mai 1975 bis 31. Juli 1975, 23. März 1977 bis 30. September 1977 und 06. Januar 1982 bis 30. Juni 1982

3. Zeiten des abgeschlossenen Hochschulbesuches vom 01. Mai 1979 bis 05. Januar 1982

zu erteilen und hieraus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Leistungsakte der Beklagten zum Aktenzeichen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß erhobene Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte weder Anspruch auf Feststellung des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit im September 1987 oder auf die Feststellung einer Erwerbsminderung in diesem Monat noch auf die Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten. Das dies aussprechende Urteil ist dementsprechend nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er Rentenzahlungen bereits nach einem Versicherungsfall im September 1987 begehrt, wofür auch der Wortlaut seines Antrages - "hieraus zu zahlen" – spricht. Dafür fehlt aber eine Entscheidung der Beklagten, die mit einer Klage zulässigerweise noch angegriffen werden könnte.

In dem Rentenbescheid vom 29. Juli 1998 war als Rentenbeginn der 01. August 1997 angenommen und eine entsprechende Nachzahlung gewährt worden. Der Kläger hat diese Feststellungen im Verwaltungsverfahren nicht angegriffen, sondern lediglich weitere Versicherungszeiten geltend gemacht, so dass der Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1999 in Bezug auf den Rentenbeginn keine Entscheidung und dementsprechend auch keine Darlegungen enthalten konnte und der Rentenbescheid vom 29. Juli 1998 insoweit, da die Rechtsmittelfrist verstrichen ist, bestandskräftig geworden ist. Der Kläger könnte insofern allenfalls die Überprüfung durch die Beklagte gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - SGB X - in einem gesonderten Verfahren beantragen. Daher kann dahingestellt bleiben, wie über den Reha-Antrag von September 1987 entschieden worden ist, ob dieser Antrag nicht weiter vom Kläger verfolgt wurde oder unter Umständen als Rentenantrag galt. In den Akten der Beklagten ist er jedenfalls als "auf andere Art erledigt" vermerkt. Zu dem ist dort ein weiterer Reha-Antrag vom 03. Oktober 1989 vermerkt, für den als "Erledigungsart" (Schlüssel-Nr. 13): "Maßnahme bewilligt, aber nicht angetreten" gespeichert ist. Auch bei Zugrundelegung des Rehabilitationsantrages hätte, die Beklagte den Rentenbeginn durch die ursprünglich nur wegen der versicherungsrechtlichen Zeiten angegriffenen Bescheide festgestellt.

Anrechnungszeiten sind nicht zu berücksichtigen, soweit sie von der Beklagten nicht bereits anerkannt sind. Gemäß § 58 Abs. 1 Ziffer 3 SGB VI sind Anrechnungszeiten unter anderem Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Beim ehemaligen Arbeitsamt Mönchengladbach und beim ehemaligen Arbeitsamt Berlin-West liegen ausweislich der vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schreiben diesen Stellen keinerlei Unterlagen mehr über eine Arbeitslosmeldung beziehungsweise einen Leistungsbezug oder einen Nichtleistungsbezug lediglich wegen der Berücksichtigung von Einkommen vor. Der Kläger selbst konnte ebenfalls keine Nachweise erbringen. Es ist nicht ersichtlich, wie insoweit eine weitere Sachaufklärung erfolgen könnte. Die vom Kläger beigebrachten Schreiben vom 16. März 1977, er möge beim Arbeitsamt Mönchengladbach in einer Vermittlungsangelegenheit vorsprechen, beziehungsweise vom Arbeitsamt IV Berlin-West vom 07. Januar 1982, es sei mit einer Ablehnung seines Arbeitslosenhilfeantrages zu rechnen, haben keinerlei Aussagkraft in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Somit ist festzustellen, dass außer den Angaben des Klägers selbst, die nicht spezifiziert sind, und der selbst nur angegeben hat, er hätte keine Leistungen bezogen, ohne den Grund dafür darzulegen, nichts dafür spricht, dass nur sein Einkommen damals dem Leistungsbezug entgegenstand. Es kann auch ein fehlender Leistungsantrag oder das Fehlen der beitragsbezogenen Voraussetzungen Grund dafür gewesen sein. Dass der Kläger damals Reisekosten vom Arbeitsamt Mönchengladbach für seine Bewerbung in Berlin bezahlt bekommen hat, besagt nichts über den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe. Die Bundesagentur – früher BA – darf unterstützende Leistungen zur Arbeitsvermittlung (jetzt § 45 SGB III – früher § 53 AFG), unabhängig von den Voraussetzungen zum Bezug von Entgeltersatzleistungen gewähren. Gemäß der Anordnung des Verwaltungsaktes der Bundesagentur vom 18. Dezember 1964 konnte 1972 Fahrtkosten (§ 91 der AO) auch arbeitssuchenden Berufsanfängern ohne Leistungsbezug (§ 1 Abs. 1 Ziffer 2 der der AO) gewährt werden. Damit aber ist nach den Regeln der objektiven Beweislast die Berufung zurückzuweisen. Denn danach trägt derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache, für den diese günstig wäre. Dies ist hier der Kläger, der sich auf das Vorliegen von tatbestandlichen Voraussetzungen beruft, die nicht bewiesen werden können.

In Bezug auf die weitere Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Ausbildung sind die begehrten Zeiten im Anerkenntnis der Beklagten vom 12. Oktober 1999 (darin wird die Zeit vom 01. Oktober 1977 bis zum 05. Januar 1982 von der Beklagten anerkannt) enthalten und die Berufung ist insoweit unbegründet, da die Klage unzulässig geworden war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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