L 24 B 67/06 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 2520/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 B 67/06 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass die Antragsgegnerin seine Versorgung mit dem Medikament "Cialis" eingestellt hat.

Der geborene Antragsteller leidet nach der Durchführung von Operationen auf Grund von Prostatakrebs an erektiler Dysfunktion (ED). Unter dem 11. November 2003 teilte die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (die BKK für steuerberatende und juristische Berufe) dem behandelnden Arzt des Antragstellers folgendes mit:

Auf Grund einer Einzelfallentscheidung können wir Herrn B. die Kosten für das Medikament Cialis für 8 Filmtabletten 20 mg monatlich erstatten.

Wir sind Ihnen für eine entsprechende Verordnung auf Muster 16 dankbar.

Unter gleichem Datum wurde der Apotheke des Antragstellers folgendes mitgeteilt:

Mit Herrn M. B. haben wir folgendes vereinbart:

Das Medikament Cialis 20 mg wird zukünftig von uns übernommen (8 Filmtabletten monatlich). Eine Direktabrechnung kann somit erfolgen.

Bitte beachten Sie die vereinbarte monatliche Abgabemenge.

Ebenfalls unter dem 11. November 2003 richtete die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin folgendes Schreiben an den Antragsteller:

Die beiden als Anlage beigefügten Schreiben erhalten Sie wie besprochen zu Ihrer Information.

Wegen der ersten Verordnung für die bereits eine Abbuchung durch DocM. erfolgte, bitten wir um Übersendung der Rechnung. Wir prüfen den möglichen Erstattungsbetrag und kommen wieder auf Sie zu.

Unter dem 26. November 2003 verfügte die Antragsgegnerin folgenden Bescheid:

Sehr geehrter Herr B.,

Ihre Unterlagen haben wir nochmals geprüft. Bitte gestatten Sie uns den Hinweis, dass wir immer nach Möglichkeiten suchen, unsere Versicherten zu unterstützen. Wir freuen uns, Ihnen die Kosten in Höhe von 83,51 Euro erstatten zu können. Wir möchten, dass Sie uns als flexiblen Dienstleister erleben und haben Ihnen deshalb in diesem Einzelfall die entstandenen Kosten erstattet. Auch für die Zukunft sind wir wie besprochen bereit, die notwendige Verordnung bis zu 8 Tabletten je Monat zu übernehmen.

Nach entsprechender Anhörung des Antragstellers erteilte die Antragsgegnerin den Bescheid vom 11. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2005, mit dem der "Verwaltungsakt vom 26. November 2003" aufgehoben wurde. Der am 11. November 2003 erlassene Verwaltungsakt sei zunächst sicherlich begründet und gesetzlich vertretbar gewesen. Ein Ausschluss der Kostenübernahme von Arzneimitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion sei damals nur durch die Arzneimittelrichtlinien eindeutig gegeben gewesen. Insbesondere hätten Sozialgerichte Krankenkassen auch zur Versorgung von Versicherten mit diesem Medikament verpflichtet. Mit dem am 01. Januar 2004 in Kraft getretenen Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) habe sich die rechtliche Grundlage geändert. Insoweit sei nach § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) die Versorgung mit Arzneimitteln, bei deren Anwendung die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe, insbesondere die überwiegend zur Behandlung der ED dienten, ausgeschlossen. Nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Da die Änderung der Verhältnisse vorliegend durch die Änderung in der Gesetzgebung erfolgt sei, sei der Verwaltungsakt ab Zugang des Bescheides vom 11. Mai 2005 aufzuheben gewesen.

Am 07. November 2005 erhob der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht Berlin und beantragte unter anderem,

1 ...

2. festzustellen, dass der Widerspruch des Klägers vom 05.06.2005 aufschiebende Wirkung hatte,

3. festzustellen, dass die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat, ggf. die aufschiebende Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 86 b Absätze 2 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuordnen,

4 ...

Während die Antragsgegnerin noch im Aufhebungsbescheid vom 11. Mai 2005 gemeint habe, die Kostenübernahme vom 11. November 2003 - im Aufhebungsbescheid "irrtümlich 26. November 2003" - stelle einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt dar, teile der Widerspruchbescheid mit, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt seinerzeit "begründet und gesetzlich vertretbar" gewesen sei, was genau das Gegenteil der Ausführungen im Aufhebungsbescheid bedeute.

Dass die Antragsgegnerin den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) in die Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen eingeschaltet habe, spreche gegen eine Annahme der Antragsgegnerin, dass unter keinen denkbaren Voraussetzungen eine Verordnung von Cialis nach dem GMG möglich wäre. Wenn der MDK festgestellt habe, dass vor dem 01. Januar 2004 die Leistung bereits durch die damals gültigen Arzneimittelrichtlinien ausgeschlossen gewesen sei, würde dies bedeuten, dass sich die Rechtslage nicht oder jedenfalls nicht wesentlich geändert habe und § 48 Abs. 1 SGB X keine geeignete Grundlage für den Aufhebungs- bzw. Widerspruchsbescheid darstelle. Zudem setze sich die Antragsgegnerin mit den Fragen von Bestand- bzw. Vertrauensschutz weder im Aufhebungs- noch im Widerspruchsbescheid auseinander. Vorliegend gehe es im Wesentlichen um die Frage, ob es für die Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2003 eine Rechtsgrundlage gebe und ob diese, sofern sie existiere, dem Aufhebungs- bzw. Widerspruchsbescheid zugrunde gelegt worden sei. Dagegen gehe es nicht um die Frage, ob dem Antragsteller nach der aktuellen Rechtslage ein Anspruch auf Kostenübernahme für das Medikament Cialis zustehe. Einen solchen Anspruch brauche er nicht zu erheben, da es den Bescheid vom 11. November 2003 gebe.

Auch in Anwendung von § 34 Abs. 1 SGB V i. d. F. des GMG sei sein Anspruch allerdings nicht vollständig ausgeschlossen, da aus den dort verwendeten Formulierungen "im Vordergrund" und "überwiegend" ein vom Gesetzgeber gewollter Spielraum enthalten sei. Es sei zu prüfen, ob in seinem Falle die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe bzw. ob das Medikament überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion eingesetzt werde. Im Übrigen seien nicht allein die §§ 31 und 34 SGB V zu beachten, sondern auch die übergreifende Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach ein allgemeiner Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, festgelegt werde. Die Kosten für das bei ihm erforderliche Medikament betragen mehr als 7 v. H. seiner Nettorente, von der zwei Erwachsene leben müssten. Auch eine Rücknahme des Bescheides nach § 45 SGB X sei nicht möglich, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Der Bescheid könne jedenfalls jetzt gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nicht mehr aufgehoben werden.

Die Antragsgegnerin hat beim Sozialgericht beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2005 verwiesen und erklärt, dass sie

1. für die Zeit vom 11. Mai 2005 bis 10. Oktober 2005 die Kosten für das Arzneimittel Cialis (unter Berücksichtigung etwaiger Eigenanteile) übernimmt,

2. die notwendigen außergerichtlichen Kosten erstattet.

Unter dem 23. Dezember 2005 hat das Sozialgericht Berlin beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag sei nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig, aber nicht begründet. Eine einstweilige Anordnung wäre dann zulässig, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Einzelumstände eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der Antragsteller mit seinem Anliegen in der Hauptsache Erfolg haben werde und wenn weiter zu befürchten sei, dass bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache die Gefahr bestehe, dass der Antragsteller seine Rechte nicht mehr verwirklichen könne. Eine einstweilige Anordnung komme vorliegend nicht in Betracht, weil bei summarischer Prüfung nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Antragsteller in der Hauptsache mit seinem Anliegen Erfolg haben werde. Zu Recht habe die Antragsgegnerin mit den in der Hauptsache angefochtenen Bescheiden eine weitere Leistungspflicht verneint. Wegen der Einzelheiten werde auf die in jeder Hinsicht zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen, der die Kammer in jeder Hinsicht folge.

Gegen den ihm am 21. Januar 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13. Februar 2006 erhobene Beschwerde des Antragstellers:

Das Gericht habe über die am 05. November 2005 gestellten Anträge nicht (Antragspunkte 2. und 3. erster Teil), bzw. ablehnend (Antragspunkt 3. zweiter Teil) entschieden. Der spezielle medizinische Hintergrund für die ärztliche Verordnung und frühere Kostenzusage der Antragsgegnerin für das Medikament Cialis sei nicht beachtet worden. Auf den zu 2. gestellten Antrag sei das Gericht, ohne darüber zu beschließen, nur indirekt eingegangen, indem es auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin verweise, die sich vergleichsweise bereit erklärt habe, die Kosten bis Oktober 2005 weiter zu übernehmen. Er zweifle an der Ernsthaftigkeit der Bereitschaft der Antragsgegnerin, die Kosten bis Oktober 2005 zu übernehmen, nachdem die Apotheke die Kosten für das lange vor dem 10. Oktober 2005 gelieferte Medikament von seinem Konto abgebucht habe. Der Antragsteller habe die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage damit begründet, dass es sich nicht um eine "laufende Leistung" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Punkt 3 SGG handle. Es sei davon auszugehen, dass dort nur gleich bleibende oder regelmäßige Leistungen gemeint seien. Vorliegend handele es sich jedoch nicht um regelmäßige, sondern sporadisch in Anspruch genommene Leistungen (im Jahr 2005 fünf Verordnungen). Über den zweiten Teil des Antrages zu 3. sei nur zu entscheiden gewesen, nachdem über den ersten Teil des Antrages gegebenenfalls begründet ablehnend entschieden worden sei. Das Gericht gebe lediglich den Gesetzestext wieder und teile mit, dass nach summarischer Prüfung nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Antragsteller in der Hauptsache mit seinem Anliegen Erfolg haben werde. Sein Vortrag mit dem die Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Widerspruchsbescheides begründet worden sei, werde mit Ausnahme eines Hinweises auf § 48 SGB X nicht erwähnt. Es werde auch der entscheidende medizinische Hintergrund nicht beachtet und gewertet. Obwohl er mehrfach vorgetragen habe, die Kostenübernahme für das Medikament sei schon zum Zeitpunkt des Bescheides vom 11. November 2003 rechtswidrig, unzulässig bzw. ausgeschlossen gewesen, sei dazu weder von der Antragsgegnerin noch vom Gericht Stellung genommen worden.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die beantragte Anordnung zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b SGG liegen nicht vor.

Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86 b Abs. 1 Ziffer 2 SGG in Fällen, in denen Widerspruch- oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Es kann auch nach § 86 b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Jede dieser möglichen Anordnungen bedarf eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches, wobei sich der Anordnungsgrund aus der Eilbedürftigkeit und der Anordnungsanspruch aus der materiellen Rechtslage ergeben muss.

Vorliegend ist ein Anordnungsgrund im Hinblick auf die begehrte Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht ersichtlich. Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens bereits vor Stellung des vorliegenden Antrags ging dieser - jetzt in die Vergangenheit gerichtete - Anspruch ins Leere, weil insoweit kein Schwebezustand mehr besteht, in den durch die einstweilige Anordnung eingegriffen werden könnte. Insoweit kann es allenfalls noch um die Erstattung der vom Antragsteller bereits gezahlten Kosten gehen, aber auch insoweit ist ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich, weil die Antragsgegnerin sich bereits zur Erstattung bereit erklärt hat. Im Übrigen ist in dieser Konstellation kein Grund ersichtlich, im Wege einstweiliger Anordnung eine vom Gesetz grundsätzlich nicht vorgesehene aufschiebende Wirkung anzuordnen. Sollte die Antragsgegnerin nicht von sich aus zahlen, wäre auf § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG hinzuweisen.

Für die zukünftige Versorgung mit dem Medikament mag ein Anordnungsgrund – den der Antragsteller unter Hinweis auf die Notwendigkeit des Medikaments und darauf, dass die Kosten 7 v. H. seines Einkommens betragen würden –, zumindest nicht von vornherein auszuschließen sein. Allerdings dürften die bisherigen Angaben des Antragstellers kaum ausreichen, ein Überwiegen seiner Interessen gegenüber den Interessen der Antragsgegnerin festzustellen. Das Interesse des Antragstellers am weiteren Erhalt des Medikaments ohne erhebliche Kostenbelastung erscheint zwar verständlich, belegt jedoch nicht, dass es ihm nicht zumutbar wäre, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Insoweit ist nicht allein das monatliche Einkommen von Bedeutung, sondern möglicherweise auch die sonstigen Vermögensverhältnisse. Hierzu ist jedoch nichts ersichtlich und vom Antragsteller, dem die Glaubhaftmachung seines Vortrags obliegt (§ 86 b Abs.2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), nichts vorgetragen. Demgegenüber steht das Interesse der Antragsgegnerin, keine rechtswidrigen Leistungen erbringen zu müssen. Dieses Interesse ist um so höher einzuschätzen, je wahrscheinlicher es ist, dass sie letztlich im Hauptsacheverfahren obsiegen wird.

Die Beurteilung des Erfolgs im Verfahren zur Hauptsache entspricht dem Anordnungsanspruch, also der Prüfung der Erfolgsaussicht des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs. Eine derartige Erfolgsaussicht ist vorliegend unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu sehen. Insbesondere verkennt der Antragsteller, dass es im sozialgerichtlichen Verfahren, welches dem Amtsermittlungsgrundsatz unterfällt (§ 103 SGG), nicht maßgeblich auf das Vorbringen der Beteiligten oder auch die Begründungen von Bescheiden ankommt. Selbst eine fehlende Begründung eines Bescheides kann nach § 41 Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt, bzw. eine fehlerhafte Begründung berichtigt werden (hierzu: BSG, Urteil v. 05. November 1997, 9 RV 20/96). Es wird deswegen letztlich nicht entscheidend sein, ob die Antragsgegnerin in ihren Bescheiden, die dann auch nach Auffassung des Gerichts zutreffende Rechtsgrundlage genannt hat. Ein Verwaltungsakt kann nach § 42 SGB X jedenfalls nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil er unter Verletzung von Verfahrensvorschriften – hier des Begründungserfordernisses – zustande gekommen ist, wenn die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Auch mit einer fehlerhaften oder unzutreffenden Begründung wird dem Begründungserfordernis genügt. Die Antragsgegnerin hätte die Leistung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt weiter erbringen dürfen.

Soweit der Antragsteller meint, es gehe um einen Bescheid vom 11. November 2003, ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt ein "Verwaltungsakt vom 11. November 2003", der mit den vorliegend streitigen Bescheiden aufgehoben werden soll, vorliegt. Insoweit ist es unerheblich, dass der Antragsteller davon ausgeht, dies sei die maßgebliche Bewilligung. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche rechtliche Einordnung.

Die Antragsgegnerin hat unter dem 11. November 2003 dem behandelnden Arzt mitgeteilt, dass sie dem Antragsteller die Kosten für das Medikament für 8 Tabletten monatlich erstatten könne. Für eine entsprechende Verordnung sei sie dankbar. Dementsprechend hat sie der Apotheke mitgeteilt, dass die Kosten zukünftig übernommen würden, eine Direktabrechnung könne erfolgen. Diese beiden Schreiben hat sie dann dem Antragsteller "wie besprochen zur Information" übersandt.

Die Schreiben an den behandelnden Arzt und die Apotheke sind auf keinen Fall als Verwaltungsakte zu beurteilen, da sich das Verhältnis zwischen der Krankenkasse und den Leistungserbringern nicht im Rahmen eines Über-/Unterordnungsverhältnisses bewegt, sondern im Rahmen von Vertragsverhältnissen (§ 69 SGB V). Von daher dürfte es sich allein um die Mitteilung an den Arzt bzw. die Apotheke gehandelt haben, dass sie berechtigt sind, im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen auch diese Leistung an den Antragsteller zu erbringen. Es dürfte höchst zweifelhaft sein, die bloße Mitteilung darüber, dass der Arzt berechtigt ist, ein Medikament zu verordnen und die Apotheke berechtigt ist, dieses mit der Krankenkasse direkt abzurechnen, als Verwaltungsakt gegenüber dem Antragsteller anzusehen.

Tatsächlich enthält das Schreiben vom 11. November 2003 auch keine Regelung gegenüber dem Antragsteller, sondern vielmehr die Mitteilung, dass eine (vertragliche) Regelung mit den Leistungserbringern erfolgt ist, aus der die Leistung in Zukunft als Sachleistung in Anspruch genommen werden kann und dass für die Vergangenheit eine Erstattung vorgenommen wird. Aus dem Gesamtzusammenhang könnte allenfalls die angekündigte Erstattung als Verwaltungsakt verstanden werden können. Da der Antragsteller diese aber erhalten haben dürfte, hätte sich der Verwaltungsakt insoweit bereits in der Vergangenheit erledigt. Handelte es sich im Übrigen nicht um einen Verwaltungsakt, bestünde kein Anordnungsanspruch nach § 86 b Abs. 2 SGG, weil dann ein weiterer Anspruch des Antragstellers auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 Sätze 7 und 8 SGB V in der Fassung des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes (GMG) ausgeschlossen wäre.

Selbst wenn allerdings insgesamt ein Verwaltungsakt (unhabhängig von seiner Datierung)angenommen wird, hat die Antragsgegnerin diesen zu Recht mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller den von der Antragsgegnerin aufgehobenen Bescheid (vom 26. November 2003) tatsächlich erhalten hat, was zweifelhaft sein könnte, weil er selbst von einer "irrtümlichen" Datierung auf den 26. November 2003 spricht. Die Antragsgegnerin war jedenfalls zur Aufhebung der Bewilligung berechtigt. Insoweit wäre zu unterscheiden, ob es sich um einen ursprünglich rechtmäßigen oder ursprünglich rechtswidrigen Verwaltungsakt gehandelt hat. In beiden Fällen wäre allerdings das Ergebnis dasselbe. Die Antragsgegnerin geht im Widerspruchsbescheid davon aus, dass es sich ursprünglich um eine rechtmäßige Entscheidung – " seinerzeit sicherlich begründet und gesetzlich vertretbar" – gehandelt hat. Insoweit ließ die sozialgerichtliche Rechtsprechung nach der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Rechtslage in der Tat in Einzelfällen die Versorgung auch mit dem hier streitigen Medikament zu, insbesondere wenn es das einzige geeignete Mittel zur Behandlung der ED war (BSG, Urteil v. 10.Mai 2005, B 1 KR 25/03 R = SGb 2005, 399).

Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung zulässig, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung jedenfalls dann, wenn sie – wie hier – zum Wegfall des Anspruchs aus Rechtsgründen führt. Dabei unterstellt der Senat eine Dauerwirkung eines anzunehmenden Bescheides, denn wenn diese nicht vorläge, hätte sich der Bescheid ohnehin in einer einmaligen Bewilligung erschöpft. Ein von den Beteiligten angenommener Bescheid sollte dann jedenfalls die fortbestehende Grundlage für die Leistungserbringung in Bezug auf zukünftige ärztliche Verordnungen sein. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung durfte daher gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden.

Ein Ausschluss dieser Aufhebungsmöglichkeit nach § 48 Abs. 4 SGB X liegt nicht vor. Insoweit kommt die Berücksichtigung von § 45 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X in Betracht. Die letztgenannte Vorschrift scheidet allerdings bereits deshalb aus, weil es vorliegend nicht um die Aufhebung eines Verwaltungsakts für die Vergangenheit geht. Auch die entsprechende Anwendung von § 45 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 SGB X führt zu keinem anderen Ergebnis, weil insoweit lediglich unter bestimmten Voraussetzungen eine Frist für die Rücknahme von 10 Jahren eröffnet wird, auf die es vorliegend jedoch nicht ankommt, weil die Antragsgegnerin die Aufhebung jedenfalls innerhalb dieser Frist und nur für die Zukunft vorgenommen hat.

Sollte es sich, wie der Antragsteller mit der Beschwerde vorträgt, um einen (von Anfang an) rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt haben, die "Bewilligung" also auch nach dem vor dem 01. Januar 2004 geltenden Recht nicht zulässig gewesen sein, ergibt sich nichts anderes.

Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wäre auch dann eingetreten, denn von der Neuregelung ab 01. Januar 2004 wurden alle Berechtigten erfasst. Es gibt keinen Grund, dass derjenige, der einen fehlerhaften Bescheid erhalten hat, bei Änderungen besser dasteht, als derjenige, der einen fehlerfreien Bescheid erhalten hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Änderung nicht eine im Bescheid zugrunde gelegte Voraussetzung – hier also die gesundheitlichen Verhältnisse – betrifft (hierzu BSG v. 17. Mai 2000, B 3 P 2/99 R = SozR 3-3300 § 37 Nr. 2). Da – wie erwähnt – die Rechtslage vor dem 01. Januar 2004 die Gewährung des Medikaments zuließ, konnte sich eine Fehlbeurteilung der Antragsgegnerin allein auf das Vorliegen der medizinischen (tatsächlichen) Voraussetzungen für die Kostenübernahme beziehen.

Soweit der Antragsteller geltend macht, das Medikament habe auch andere positive Wirkungen auf seinen Zustand nach der Operation, ist dies unerheblich, weil die Antragstellerin Kosten für Medikamente grundsätzlich nur im Rahmen von deren Zulassung übernehmen darf. Cialis wurde durch die Europäische Kommission am 12. November 2002 (nur) "zur Behandlung der erektilen Dysfunktion" zugelassen

Aber auch im Falle des § 45 SGB X wäre eine Rücknahme unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 dieser Vorschrift nicht grundsätzlich ausgeschlossen, was – auch wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen bisher seitens der Antragsgegnerin (aus ihrer rechtlichen Sicht zu Recht) nicht dargelegt worden sind – vorliegend nicht zur Annahme eines Anordnungsanspruchs führen kann. § 45 Abs. 2 SGB X schließt die Rücknahme aus, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Insoweit wäre zwar grundsätzlich eine Vertrauensabwägung und eine Ermessensentscheidung erforderlich (BSG, Urteil v. 5. November 1997, 9 RV 20/96 = SGb 1998, 485). Vorliegend kommt aber nach den im Anordnungsverfahren bekannten Umständen ernstlich in Betracht, dass ein Ermessen "auf Null" geschrumpft ist und dementsprechend eine gebundene Entscheidung zu ergehen hatte. Deshalb erscheint eine Umdeutung des nach § 48 SGB X ergangenen Aufhebungsbescheides in einen solchen nach § 45 SGB X zulässig (hierzu BSG, Urteil v. 11. April 2002, B 3 P 8/01 R). Bei der gegebenen Sachlage sind keinerlei Gründe denkbar, unter denen dem Antragsteller die Versorgung mit dem Medikament aus Vertrauensschutzgründen zu belassen wäre. Es mag unterstellt werden, dass der Antragsteller auf den Bestand der Zusage durch die Antragsgegnerin vertraut hat. Eine Schutzwürdigkeit des Vertrauens dahingehend, dass diese Versorgung auch zukünftig erfolgt, ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Letzteres wäre insbesondere der Fall, wenn eine über das bloße Nichtweitergewähren des Medikaments hinaus gehende Belastung des Antragstellers vorliegen würde. Dass der Antragsteller – wie jeder andere Versicherte auch – in Zukunft das Medikament nicht mehr zu Lasten der Versichertengemeinschaft verordnet bekommen kann, belastet ihn nicht mehr, als jeden anderen von einer Aufhebung nach § 48 SGB X Betroffenen. Ein betätigtes Vertrauen, etwa im Sinne einer Vermögensdisposition, erscheint bei der hier vorliegenden "sporadischen" Versorgung mit dem Medikament nicht möglich. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache noch Gründe von derartiger Bedeutung vorträgt. Diese eher unwahrscheinliche Möglichkeit rechtfertigt den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch nicht, zumal der Senat davon ausgeht, dass ein Fall des § 45 SGB X ohnehin nicht vorliegt.

Insgesamt liegen keine erheblichen Gründe dafür vor, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Von ihm gerügte Fehler in den Bescheidbegründungen können jeweils noch während des Hauptsacheverfahrens korrigiert werden. Mögliche Fehler der Antragsgegnerin sind deshalb nicht so erheblich, dass ihretwegen deren weitere Belastung mit den Kosten eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Medikaments gerechtfertigt wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG und folgt dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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