Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 120/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2006 zur Zusicherung der Übernahme der Kosten i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II eines Umzugs in eine krankheitsgeeignete den Angemessenheitsrichtlinien der Beklagten entsprechenden Wohnung verurteilt.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger will die Zusicherung der Kostenübernahme für einen Wohnungswechsel erreichen.
Der Kläger, geboren 1964, hatte nach Ende der Krankengeldzahlung mit Beendigung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen am 07.06.2005 Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) gestellt. Der Kläger bewohnt eine Einzimmerwohnung in A., U.mauer. Es handelt sich um ein Einzimmerappartement (23 qm) mit Kochnische, Bad/WC, Balkon. Dem Kläger wurde antragsgemäß Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe gewährt.
Am 05.12.2005 stellte der Kläger Antrag auf Anerkennung der Notwendigkeit eines Umzugs unter Zusicherung der Kostenübernahme. Vorgelegt wurde ein Attest des Arztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. K. vom 07.11.2005, wonach beim Kläger eine paranoide Schizophrenie mit stabilem Residuum bestehe, die Medikation zuverlässig eingenommen werde. Aus nervenärztlicher Sicht sei die bestehende äußerst beengte Wohnsituation zur Stabilisierung des psychischen Befundes hinderlich. Das enge Aufeinanderwohnen vieler Parteien, die starke Hellhörigkeit der Wohnung mache es dem Kläger schwer, zwischen realen Stimmen und akustischen Halluzinationen im Rahmen seiner paranoiden Schizophrenie zu unterscheiden. Nervenärztlicherseits sei der Wechsel in eine ruhigere möglichst etwas größere Wohnung sinnvoll.
Mit Bescheid vom 08.12.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aus ihrer Sicht keine objektive Notwendigkeit für einen Umzug bestehe, da auch nach einem Umzug eine Lärmbelästigung nie auszuschließen sei.
Dagegen legte der Kläger am 16.12.2005 Widerspruch ein unter Bezug auf ein nochmaliges Attest des behandelnden Arztes Dr. K ... Der Umzug in eine ruhigere Wohngegend sei dringend notwendig, um eine Verschlechterung des psychischen Zustandes zu verhindern und eine weitere Stabilisierung der Erkrankung zu erreichen.
Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2006 zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 20.02.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Auf Aufforderung, die klägerseits gesehene Notwendigkeit für einen Umzug weiter zu begründen, wurde die aktuelle Wohnsituation unter Beifügung einer Wohnungskizze ausführlich dargelegt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.06.2006 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2006 zur Zusicherung der Übernahme der Kosten im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II zu verurteilen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkaution und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II). § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II enthält Fälle der Ermessensreduzierung, Tatbestände, bei denen der kommunale Träger verpflichtet ist eine Zusicherung zu erteilen (Lang in Eicher/ Spellbrink, Kommentar SGB II, § 22 Rnr 88). Eine Notwendigkeit ist sicher zu bejahen, wenn durch eine konkrete Wohnsituation eine Verschlechterung einer erheblichen Erkrankung bzw. der Ausschluss der Stabilisierung einer Erkrankung objektiv zu befürchten ist.
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Der Kläger leidet ausweislich der ärztlichen Atteste des behandelnden Psychiaters Dr. K. an einer paranoiden Schizophrenie. Bei einer paranoiden Schizophrenie bestehen Wahnvorstellungen (Verfolgungsvorstellungen, Beeinträchtigungswahnvorstellungen und dergleichen), meist begleitet von akustischen Halluzinationen und anderen Wahrnehmungsstörungen. Bezüglich der Entstehung geht die Medizin derzeit davon aus, dass Ursache ein Bedingungsgefüge aus biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren ist. Es besteht ein mehrdimensionaler Therapieansatz. Die drei Säulen sind die medikamentöse, Psycho- und Soziotherapie. Neben der medikamentösen Therapie ist ein unterstützendes Umfeld notwendig. Das Schaffen einer stabilen Situation für die Betroffenen ist für die Vorbeugung von enormer Bedeutung.
Für die Kammer waren somit die Ausführungen von Dr. K. nachvollziehbar und überzeugend, dass die starke Hellhörigkeit der aktuellen Wohnung die Gefahr der Verschlechterung des psychischen Zustandes beinhaltet, da schwer zwischen der realen Lärmexposition und akustischen Halluzinationen im Rahmen der Erkrankung unterschieden werden kann.
Dass die aktuelle Wohnung eine große Lärmexposition durch Nachbarn für den Kläger bedeutet, wurde klägerseits glaubhaft dargelegt. Das kleine Einzimmerappartement ist mit dem einzigen Fenster auf einen Innenhof ausgerichtet, in dem sicher Lärmsäulen entstehen. Ständige stationäre und ambulante Aufenthalte des Klägers im Bezirkskrankenhaus in der Mietzeit der Wohnung sind ebenfalls belegt. Es ist insgesamt glaubhaft, dass die aktuelle Wohnung der Stabilisierung der schweren Erkrankung abträglich ist, mit einem Umzug die Voraussetzung für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gefördert werden kann (§ 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 SGB II).
Damit war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger will die Zusicherung der Kostenübernahme für einen Wohnungswechsel erreichen.
Der Kläger, geboren 1964, hatte nach Ende der Krankengeldzahlung mit Beendigung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen am 07.06.2005 Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) gestellt. Der Kläger bewohnt eine Einzimmerwohnung in A., U.mauer. Es handelt sich um ein Einzimmerappartement (23 qm) mit Kochnische, Bad/WC, Balkon. Dem Kläger wurde antragsgemäß Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe gewährt.
Am 05.12.2005 stellte der Kläger Antrag auf Anerkennung der Notwendigkeit eines Umzugs unter Zusicherung der Kostenübernahme. Vorgelegt wurde ein Attest des Arztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. K. vom 07.11.2005, wonach beim Kläger eine paranoide Schizophrenie mit stabilem Residuum bestehe, die Medikation zuverlässig eingenommen werde. Aus nervenärztlicher Sicht sei die bestehende äußerst beengte Wohnsituation zur Stabilisierung des psychischen Befundes hinderlich. Das enge Aufeinanderwohnen vieler Parteien, die starke Hellhörigkeit der Wohnung mache es dem Kläger schwer, zwischen realen Stimmen und akustischen Halluzinationen im Rahmen seiner paranoiden Schizophrenie zu unterscheiden. Nervenärztlicherseits sei der Wechsel in eine ruhigere möglichst etwas größere Wohnung sinnvoll.
Mit Bescheid vom 08.12.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aus ihrer Sicht keine objektive Notwendigkeit für einen Umzug bestehe, da auch nach einem Umzug eine Lärmbelästigung nie auszuschließen sei.
Dagegen legte der Kläger am 16.12.2005 Widerspruch ein unter Bezug auf ein nochmaliges Attest des behandelnden Arztes Dr. K ... Der Umzug in eine ruhigere Wohngegend sei dringend notwendig, um eine Verschlechterung des psychischen Zustandes zu verhindern und eine weitere Stabilisierung der Erkrankung zu erreichen.
Im Weiteren wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2006 zurückgewiesen.
Dagegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 20.02.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Auf Aufforderung, die klägerseits gesehene Notwendigkeit für einen Umzug weiter zu begründen, wurde die aktuelle Wohnsituation unter Beifügung einer Wohnungskizze ausführlich dargelegt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.06.2006 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2006 zur Zusicherung der Übernahme der Kosten im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II zu verurteilen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkaution und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II). § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II enthält Fälle der Ermessensreduzierung, Tatbestände, bei denen der kommunale Träger verpflichtet ist eine Zusicherung zu erteilen (Lang in Eicher/ Spellbrink, Kommentar SGB II, § 22 Rnr 88). Eine Notwendigkeit ist sicher zu bejahen, wenn durch eine konkrete Wohnsituation eine Verschlechterung einer erheblichen Erkrankung bzw. der Ausschluss der Stabilisierung einer Erkrankung objektiv zu befürchten ist.
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Der Kläger leidet ausweislich der ärztlichen Atteste des behandelnden Psychiaters Dr. K. an einer paranoiden Schizophrenie. Bei einer paranoiden Schizophrenie bestehen Wahnvorstellungen (Verfolgungsvorstellungen, Beeinträchtigungswahnvorstellungen und dergleichen), meist begleitet von akustischen Halluzinationen und anderen Wahrnehmungsstörungen. Bezüglich der Entstehung geht die Medizin derzeit davon aus, dass Ursache ein Bedingungsgefüge aus biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren ist. Es besteht ein mehrdimensionaler Therapieansatz. Die drei Säulen sind die medikamentöse, Psycho- und Soziotherapie. Neben der medikamentösen Therapie ist ein unterstützendes Umfeld notwendig. Das Schaffen einer stabilen Situation für die Betroffenen ist für die Vorbeugung von enormer Bedeutung.
Für die Kammer waren somit die Ausführungen von Dr. K. nachvollziehbar und überzeugend, dass die starke Hellhörigkeit der aktuellen Wohnung die Gefahr der Verschlechterung des psychischen Zustandes beinhaltet, da schwer zwischen der realen Lärmexposition und akustischen Halluzinationen im Rahmen der Erkrankung unterschieden werden kann.
Dass die aktuelle Wohnung eine große Lärmexposition durch Nachbarn für den Kläger bedeutet, wurde klägerseits glaubhaft dargelegt. Das kleine Einzimmerappartement ist mit dem einzigen Fenster auf einen Innenhof ausgerichtet, in dem sicher Lärmsäulen entstehen. Ständige stationäre und ambulante Aufenthalte des Klägers im Bezirkskrankenhaus in der Mietzeit der Wohnung sind ebenfalls belegt. Es ist insgesamt glaubhaft, dass die aktuelle Wohnung der Stabilisierung der schweren Erkrankung abträglich ist, mit einem Umzug die Voraussetzung für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gefördert werden kann (§ 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 SGB II).
Damit war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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