Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 411/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 42/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.05.2005 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten der Beteiligten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen einer verspäteten Meldung von Arbeitslosigkeit um 1.050,- EUR gemindert werden durfte.
Die in X lebende Klägerin bezog auf Grund eines Antrages vom 1. August 2003 Arbeitslosengeld. Mit ihrer Unterschrift bestätigte sie dabei, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten zu haben. Dieses Merkblatt (damaliger Stand April 2003) enthielt unter anderem folgenden Hinweise - z.T. in Fettdruck -:
"Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche
Ab dem 01.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. [ ] Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden.
Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führt."
Ab dem 1.Oktober 2003 erhielt die Klägerin als Altenpflegerin ein bis zum 30. September 2004 befristetes Arbeitsverhältnis. Eine Belehrung über sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthielt der Arbeitsvertrag nicht. Auch eine anderweitige Information hierüber durch den Arbeitgeber erfolgte nicht Die Klägerin zeigte der Beklagten die Aufnahme der auf ein Jahr befristeten Arbeit an. Daraufhin hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid über das Arbeitslosengeld am 17. Oktober 2003 auf. Dieser Bescheid enthielt denselben Hinweis wie das oben genannte Merkblatt 1 für Arbeitslose. Lediglich der letzte Satz lautete anders:
"Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres zukünftigen Leistungsanspruches führen kann."
Am 29. September 2004 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitsuchend. Einen Tag später endete ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf der zu Beginn vereinbarten Frist.
Mit Bescheiden vom 13. und 14. Oktober 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin für 360 Tage Arbeitslosengeld und minderte dies für 90 Tage um insgesamt 1.050,- EUR. Dazu stützte sie sich auf die Vorschrift des § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 140 SGB III. Die Klägerin erhob hiergegen mit dem Vorbringen Widerspruch, ihre direkte Vorgesetzte (Wohnbereichsleitung) habe ihr Überlegungen mitgeteilt, sie zumindest als Altenpflegehelferin weiter zu beschäftigen. Zudem sei sie nach einem Vorstellungsgespräch in einem anderen Heim Mitte September 2004 sehr optimistisch von einer - dann überraschend doch nicht erteilten - Zusage ausgegangen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2004 zurück.
Ab dem 1. Januar 2005 nahm die Klägerin in eine Teilzeit- und dann ab Februar 2005 ein volles Arbeitsverhältnis als Altenpflegerin in N auf und meldete sich wieder aus dem Leistungsbezug bei der Beklagten ab.
Gegen die Minderung des Arbeitslosgengeldes hat sie Klage bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 9. Mai 2005 zur ungeminderten Auszahlung von Arbeitslosengeld verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Vorschrift des § 37 b SGB III sei nicht eindeutig zu entnehmen, wann sich ein befristet Beschäftigter arbeitsuchend melden müsse; daher mangele es an einem Verschulden der Klägerin.
Gegen dieses am 23. Mai 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Juni 2005 eingegangene Berufung der Beklagten, mit der sie sich auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 37 b SGB III stützt (Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - und vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de - ebenso alle nachstehend zitierten Entscheidungen).
Sie beantragt,
wie erkannt.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat sie eingeräumt, sich wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses insgesamt überhaupt keine Gedanken gemacht zu haben. Sie meint, die Beklagte habe sie auch mündlich über ihre Meldeobliegenheiten informieren müssen. Zudem führe die Unterscheidung von unbefristeten und befristeten Arbeitsverhältnissen zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung der befristet Beschäftigten und stelle daher eine reine Schickanemaßnahme gegen den Arbeitslosen dar, um die öffentlichen Kassen zu entlasten.
Die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten hat zur mündlichen Verhandlung und geheimen Beratung des Senats vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird wegen der Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und des Beweisergebnisses verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Unrecht aufgehoben, denn die von der Beklagten verfügte Anspruchsminderung ist nach § 37 b, § 140 SGB III rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Zur Frage des Inhalts und der Verständlichkeit des § 37 b SGB III verweist der erkennende Senat auf die o.g. Rechtsprechung des BSG, der er sich anschließt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit der Vorschrift in dieser - engen - Auslegung bestehen für den Senat nicht, denn der auf den einzelnen Versicherten bezogene Verschuldensmaßstab erlaubt eine verhältnismäßige Anwendung der Norm (a.A. wohl Spellbrink in Eicher/Schlegel SGB III, § 37 b Rz 59 und § 140 Rz 39 ff). Das für eine Sanktion erforderliche Verschulden liegt hier vor, denn die Klägerin war zwar nicht - wie eigentlich geboten - gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III durch ihren Arbeitgeber, jedoch im Ergebnis ebenso hinreichend durch die Hinweise im Aufhebungsbescheid vom 17. Oktober 2003 und im Merkblatt 1 für Arbeitslose und über die sie treffende Verpflichtung zu unverzüglicher Arbeitssuchend-Meldung informiert. Einer mündlichen Belehrung durch die Beklagte bedurfte es nicht. Umstände, die die Klägerin ausnahmsweise entschuldigen können, lagen nicht vor. Wegen verspäteter Meldung war ihr Leistungsanspruch daher gemäß § 140 SGB III in dem von der Beklagten angeordneten Umfang zu mindern.
Dass die Klägerin den Aufhebungsbescheid 17. Oktober 2003 erhalten hat, bestreitet sie nicht. Auch der Erhalt des Merkblatts 1 steht für den Senat fest, denn die Klägerin selbst hat seinen Erhalt durch ihre eigene Unterschrift unter dem Leistungsantrag bestätigt. Der Hinweis im Aufhebungsbescheid ist auch ebenso wie der im Merkblatt 1 klar und unmissverständlich. Der Wortlaut, "Sie müssen sich drei Monate vor Beendigung arbeitsuchend melden" lässt keine Zweifelsfragen bezüglich des geforderten Meldezeitpunkts aufkommen. Die gegebene Erläuterung ist auch im Bezug auf die drohende Rechtsfolge - Minderung des Anspruchs - unmissverständlich oder keine bloß formelhafte Wiedergabe des Gesetzestextes. Ein in eigenen Angelegenheiten sorgfältiger Versicherter kann und muss aus dem gegeben Hinweis die Schlussfolgerung ziehen, dass er, wenn er befristet beschäftigt ist, mit seiner Meldung zur Arbeitssuche nicht das Ende des Arbeitsverhältnisses abwarten kann, sondern die sich drei Monate eher tun muss, wenn er nicht riskieren will, weniger Arbeitslosengeld- oder Hilfe zu erhalten. Die hier erteilten Hinweise der Beklagten genügen daher den von der oben genannten Rechtsprechung des BSG aufgestellten Anforderungen. Der gegenteiligen Auffassung des 12. Senats des Landessozialgerichts (LSG) NRW (Urteile vom 22.02.2006 - L 12 AL 82/05 -, vom 08.03.2006 - L 12 AL 30/05 - vom 05.04.2006 - L 12 AL 114/05 - und vom 24.05.2006 - L 12 AL 87/05 -) tritt der erkennende Senat nicht bei. Vor allem ist die Formulierung, die verspätete Meldung führe "in der Regel" zu einer Minderung des Leistungsanspruchs bzw. diese "könne" in diesen Fällen eintreten, rechtlich nicht zu beanstanden. Denn auch wenn - wie der 12. Senat des LSG NRW a.a.O. im Ausgangspunkt zutreffend hervorhebt - § 140 SGB III die zwingende Rechtsfolge der Minderung anordnet, sind bei der Anwendung dieser Regel Ausnahmen anzuerkennen, die auch in der gerichtlichen Praxis des erkennenden Senats schon vorgekommen sind, so z.B. im Fall der durch Montagetätigkeiten im In-und Ausland oder durch Krankheit verhinderten rechtzeitigen Arbeitslosmeldung oder in den Fällen, in denen eine begründete Erwartung der Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses besteht.
Mithin ist die einschränkende Wortwahl der Beklagten in ihren Hinweisen im Aufhebungsbescheid vom 17. Oktober 2003 sowie im Merkblatt 1 für Arbeitslose sprachlich nichts anderes als die zutreffende Widergabe einer rechtlichen Grundregel. Dabei wäre es für einen durchschnittlichen nicht juristisch vorgebildeten Versicherten eher verwirrend, wenn die Beklagte diese Grundregel des § 140 SGB III mit allen denkbaren Ausnahmen darzustellen suchte. Vielmehr ist der aus § 37 b SGB III folgende Zweck des Merkblatts 1 im Auge zu behalten, der darin liegt, eine Vielzahl von Versicherten allgemein über ihre Meldeobliegenheiten aufzuklären und auf bestehende rechtliche Risiken von Verstößen hinzuweisen. Es ist daher auch nicht zu fordern, dass die mögliche Minderung des Leistungsanspruchs schon anhand konkreter Beträge oder in einer Beispielsrechnung summenmäßig dargestellt wird. Anders als bei Sperrzeiten wegen Arbeitsablehnung, bei der Gesetzgeber eine konkrete Rechtsfolgenbelehrung in bestimmten Fällen ausdrücklich verlangt ( § 144 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 4 und Nr. 6), ist eine so konkrete Belehrung bei Beginn eines zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnisses (das der Beklagten regelmäßig gar nicht im Einzelnen bekannt ist) weder möglich noch sinnvoll bzw. verfassungsrechtlich über den Gesetzestext des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III hinaus geboten. Der Senat hat vorliegend auch keinen Anlass, über die zeitliche Reichweite des im Aufhebungsbescheid erteilten Hinweis zu entscheiden. Denn jedenfalls dann, wenn das erneute Beschäftigungsverhältnis wie hier innerhalb der Regelbezugszeit des Alg endet, reicht der Hinweis aus. So lange nämlich wird auch von einem Arbeitslosen verlangt, die ihm zu Beginn der Arbeitslosigkeit mit dem Merkblatt gegebenen Hinweise zu beachten.
Wenn die Klägerin sich, wie sie gegenüber dem erkennenden Senat erklärt hat, über die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses "insgesamt überhaupt keine Gedanken machte" und mit ihrer Meldung bis zum letzten Tag der Beschäftigung wartete, so tat sie dies unter Verletzung der von ihr subjektiv (besonders bei Versicherungs- und finanziellen Angelegenheiten) zu erwartenden Sorgfalt und damit schuldhaft. Denn nach ihrer Vorbildung als examinierte Altenpflegerin und nach dem persönlichen Eindruck, den die Klägerin dem erkennenden Senat in der Verhandlung vermittelt hat, spricht auch nichts dafür, dass sie den Sinn dieser Obliegenheit subjektiv nicht hätte verstehen und beachten können. Es sind ferner keine Umstände ersichtlich, die aus damaliger Sicht der Klägerin objektiv eine berechtigte und feste Erwartung auf Verlängerung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses hätten rechtfertigen können. Die bloße Mitteilung von "Überlegungen" der Wohnbereichsleitung, sie zumindest als Altenpflegehelferin weiterzubeschäftigen, genügt dazu ebenso wenig wie ihre eigenen ab Mitte September 2004 begonnenen und zunächst von ihr selbst sehr optimistisch eingeschätzten Bemühungen um eine neue Stelle in einer anderen Einrichtung. Denn feste Aussichten waren mit diesen "Überlegungen" (der zudem nicht zu Einstellungen befugten Wohnbereichsleitung) ebenso wenig verbunden wie mit der privaten Stellensuche und einem Vorstellungsgespräch.
Auch dass die Klägerin schon bei ihrer Abmeldung aus dem ersten Leistungsbezug bei Arbeitsaufnahme im September 2003 auf die einjährige Befristung ihres Arbeitsverhältnisses hingewiesen hatte, entlastet sie im Ergebnis nicht. Denn zum Einen kommt eine bloße schriftliche Mitteilung der persönlichen Meldung als arbeitssuchend nicht gleich. Zum Anderen wäre eine solche Meldung zu diesem Zeitpunkt nach der gesetzlichen Regelung des § 37 b SGB III, die die Beklagte auch insoweit in ihren Hinweisen zutreffend wiedergibt, zu früh gewesen. Das Gesetz trägt nämlich den Tatsachen Rechnung, dass sich bei befristeten Arbeitsverhältnissen typischerweise erst gegen Ende herausstellt, ob eine Verlängerung möglich ist und dass ein Beginn der Vermittlungsbemühungen regelmäßig nur dann Sinn macht, wenn der Betreffende zeitnah für den Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses zur Verfügung steht (näher zum Gesetzeszweck: Bundestagsdrucksache 15/25 Seite 27).
Dass der gesetzliche Sinn des § 37 b SGB III dabei - anders als die Klägerin meint - keine fiskalisch motivierte Schikane darstellt, sondern eine reale Chance auf Widerbeschäftigung eröffnet, zeigt nicht zuletzt der Fall der Klägerin, die - in einem Mangelberuf (Altenpflegerin) ausgebildet und einer Mangelregion (Sauerland) lebend - schon nach nur drei Monaten Vermittlungsbemühungen der Beklagten zunächst eine Teilzeit- dann eine Vollzeitbeschäftigung im erlernten Beruf aufnehmen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Zulassung der Revision auf § 160 Absatz 2 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen einer verspäteten Meldung von Arbeitslosigkeit um 1.050,- EUR gemindert werden durfte.
Die in X lebende Klägerin bezog auf Grund eines Antrages vom 1. August 2003 Arbeitslosengeld. Mit ihrer Unterschrift bestätigte sie dabei, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten zu haben. Dieses Merkblatt (damaliger Stand April 2003) enthielt unter anderem folgenden Hinweise - z.T. in Fettdruck -:
"Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche
Ab dem 01.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. [ ] Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden.
Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führt."
Ab dem 1.Oktober 2003 erhielt die Klägerin als Altenpflegerin ein bis zum 30. September 2004 befristetes Arbeitsverhältnis. Eine Belehrung über sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthielt der Arbeitsvertrag nicht. Auch eine anderweitige Information hierüber durch den Arbeitgeber erfolgte nicht Die Klägerin zeigte der Beklagten die Aufnahme der auf ein Jahr befristeten Arbeit an. Daraufhin hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid über das Arbeitslosengeld am 17. Oktober 2003 auf. Dieser Bescheid enthielt denselben Hinweis wie das oben genannte Merkblatt 1 für Arbeitslose. Lediglich der letzte Satz lautete anders:
"Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres zukünftigen Leistungsanspruches führen kann."
Am 29. September 2004 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitsuchend. Einen Tag später endete ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf der zu Beginn vereinbarten Frist.
Mit Bescheiden vom 13. und 14. Oktober 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin für 360 Tage Arbeitslosengeld und minderte dies für 90 Tage um insgesamt 1.050,- EUR. Dazu stützte sie sich auf die Vorschrift des § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 140 SGB III. Die Klägerin erhob hiergegen mit dem Vorbringen Widerspruch, ihre direkte Vorgesetzte (Wohnbereichsleitung) habe ihr Überlegungen mitgeteilt, sie zumindest als Altenpflegehelferin weiter zu beschäftigen. Zudem sei sie nach einem Vorstellungsgespräch in einem anderen Heim Mitte September 2004 sehr optimistisch von einer - dann überraschend doch nicht erteilten - Zusage ausgegangen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2004 zurück.
Ab dem 1. Januar 2005 nahm die Klägerin in eine Teilzeit- und dann ab Februar 2005 ein volles Arbeitsverhältnis als Altenpflegerin in N auf und meldete sich wieder aus dem Leistungsbezug bei der Beklagten ab.
Gegen die Minderung des Arbeitslosgengeldes hat sie Klage bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 9. Mai 2005 zur ungeminderten Auszahlung von Arbeitslosengeld verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Vorschrift des § 37 b SGB III sei nicht eindeutig zu entnehmen, wann sich ein befristet Beschäftigter arbeitsuchend melden müsse; daher mangele es an einem Verschulden der Klägerin.
Gegen dieses am 23. Mai 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Juni 2005 eingegangene Berufung der Beklagten, mit der sie sich auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 37 b SGB III stützt (Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - und vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de - ebenso alle nachstehend zitierten Entscheidungen).
Sie beantragt,
wie erkannt.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat sie eingeräumt, sich wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses insgesamt überhaupt keine Gedanken gemacht zu haben. Sie meint, die Beklagte habe sie auch mündlich über ihre Meldeobliegenheiten informieren müssen. Zudem führe die Unterscheidung von unbefristeten und befristeten Arbeitsverhältnissen zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung der befristet Beschäftigten und stelle daher eine reine Schickanemaßnahme gegen den Arbeitslosen dar, um die öffentlichen Kassen zu entlasten.
Die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten hat zur mündlichen Verhandlung und geheimen Beratung des Senats vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird wegen der Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und des Beweisergebnisses verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Unrecht aufgehoben, denn die von der Beklagten verfügte Anspruchsminderung ist nach § 37 b, § 140 SGB III rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Zur Frage des Inhalts und der Verständlichkeit des § 37 b SGB III verweist der erkennende Senat auf die o.g. Rechtsprechung des BSG, der er sich anschließt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit der Vorschrift in dieser - engen - Auslegung bestehen für den Senat nicht, denn der auf den einzelnen Versicherten bezogene Verschuldensmaßstab erlaubt eine verhältnismäßige Anwendung der Norm (a.A. wohl Spellbrink in Eicher/Schlegel SGB III, § 37 b Rz 59 und § 140 Rz 39 ff). Das für eine Sanktion erforderliche Verschulden liegt hier vor, denn die Klägerin war zwar nicht - wie eigentlich geboten - gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III durch ihren Arbeitgeber, jedoch im Ergebnis ebenso hinreichend durch die Hinweise im Aufhebungsbescheid vom 17. Oktober 2003 und im Merkblatt 1 für Arbeitslose und über die sie treffende Verpflichtung zu unverzüglicher Arbeitssuchend-Meldung informiert. Einer mündlichen Belehrung durch die Beklagte bedurfte es nicht. Umstände, die die Klägerin ausnahmsweise entschuldigen können, lagen nicht vor. Wegen verspäteter Meldung war ihr Leistungsanspruch daher gemäß § 140 SGB III in dem von der Beklagten angeordneten Umfang zu mindern.
Dass die Klägerin den Aufhebungsbescheid 17. Oktober 2003 erhalten hat, bestreitet sie nicht. Auch der Erhalt des Merkblatts 1 steht für den Senat fest, denn die Klägerin selbst hat seinen Erhalt durch ihre eigene Unterschrift unter dem Leistungsantrag bestätigt. Der Hinweis im Aufhebungsbescheid ist auch ebenso wie der im Merkblatt 1 klar und unmissverständlich. Der Wortlaut, "Sie müssen sich drei Monate vor Beendigung arbeitsuchend melden" lässt keine Zweifelsfragen bezüglich des geforderten Meldezeitpunkts aufkommen. Die gegebene Erläuterung ist auch im Bezug auf die drohende Rechtsfolge - Minderung des Anspruchs - unmissverständlich oder keine bloß formelhafte Wiedergabe des Gesetzestextes. Ein in eigenen Angelegenheiten sorgfältiger Versicherter kann und muss aus dem gegeben Hinweis die Schlussfolgerung ziehen, dass er, wenn er befristet beschäftigt ist, mit seiner Meldung zur Arbeitssuche nicht das Ende des Arbeitsverhältnisses abwarten kann, sondern die sich drei Monate eher tun muss, wenn er nicht riskieren will, weniger Arbeitslosengeld- oder Hilfe zu erhalten. Die hier erteilten Hinweise der Beklagten genügen daher den von der oben genannten Rechtsprechung des BSG aufgestellten Anforderungen. Der gegenteiligen Auffassung des 12. Senats des Landessozialgerichts (LSG) NRW (Urteile vom 22.02.2006 - L 12 AL 82/05 -, vom 08.03.2006 - L 12 AL 30/05 - vom 05.04.2006 - L 12 AL 114/05 - und vom 24.05.2006 - L 12 AL 87/05 -) tritt der erkennende Senat nicht bei. Vor allem ist die Formulierung, die verspätete Meldung führe "in der Regel" zu einer Minderung des Leistungsanspruchs bzw. diese "könne" in diesen Fällen eintreten, rechtlich nicht zu beanstanden. Denn auch wenn - wie der 12. Senat des LSG NRW a.a.O. im Ausgangspunkt zutreffend hervorhebt - § 140 SGB III die zwingende Rechtsfolge der Minderung anordnet, sind bei der Anwendung dieser Regel Ausnahmen anzuerkennen, die auch in der gerichtlichen Praxis des erkennenden Senats schon vorgekommen sind, so z.B. im Fall der durch Montagetätigkeiten im In-und Ausland oder durch Krankheit verhinderten rechtzeitigen Arbeitslosmeldung oder in den Fällen, in denen eine begründete Erwartung der Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses besteht.
Mithin ist die einschränkende Wortwahl der Beklagten in ihren Hinweisen im Aufhebungsbescheid vom 17. Oktober 2003 sowie im Merkblatt 1 für Arbeitslose sprachlich nichts anderes als die zutreffende Widergabe einer rechtlichen Grundregel. Dabei wäre es für einen durchschnittlichen nicht juristisch vorgebildeten Versicherten eher verwirrend, wenn die Beklagte diese Grundregel des § 140 SGB III mit allen denkbaren Ausnahmen darzustellen suchte. Vielmehr ist der aus § 37 b SGB III folgende Zweck des Merkblatts 1 im Auge zu behalten, der darin liegt, eine Vielzahl von Versicherten allgemein über ihre Meldeobliegenheiten aufzuklären und auf bestehende rechtliche Risiken von Verstößen hinzuweisen. Es ist daher auch nicht zu fordern, dass die mögliche Minderung des Leistungsanspruchs schon anhand konkreter Beträge oder in einer Beispielsrechnung summenmäßig dargestellt wird. Anders als bei Sperrzeiten wegen Arbeitsablehnung, bei der Gesetzgeber eine konkrete Rechtsfolgenbelehrung in bestimmten Fällen ausdrücklich verlangt ( § 144 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 4 und Nr. 6), ist eine so konkrete Belehrung bei Beginn eines zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnisses (das der Beklagten regelmäßig gar nicht im Einzelnen bekannt ist) weder möglich noch sinnvoll bzw. verfassungsrechtlich über den Gesetzestext des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III hinaus geboten. Der Senat hat vorliegend auch keinen Anlass, über die zeitliche Reichweite des im Aufhebungsbescheid erteilten Hinweis zu entscheiden. Denn jedenfalls dann, wenn das erneute Beschäftigungsverhältnis wie hier innerhalb der Regelbezugszeit des Alg endet, reicht der Hinweis aus. So lange nämlich wird auch von einem Arbeitslosen verlangt, die ihm zu Beginn der Arbeitslosigkeit mit dem Merkblatt gegebenen Hinweise zu beachten.
Wenn die Klägerin sich, wie sie gegenüber dem erkennenden Senat erklärt hat, über die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses "insgesamt überhaupt keine Gedanken machte" und mit ihrer Meldung bis zum letzten Tag der Beschäftigung wartete, so tat sie dies unter Verletzung der von ihr subjektiv (besonders bei Versicherungs- und finanziellen Angelegenheiten) zu erwartenden Sorgfalt und damit schuldhaft. Denn nach ihrer Vorbildung als examinierte Altenpflegerin und nach dem persönlichen Eindruck, den die Klägerin dem erkennenden Senat in der Verhandlung vermittelt hat, spricht auch nichts dafür, dass sie den Sinn dieser Obliegenheit subjektiv nicht hätte verstehen und beachten können. Es sind ferner keine Umstände ersichtlich, die aus damaliger Sicht der Klägerin objektiv eine berechtigte und feste Erwartung auf Verlängerung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses hätten rechtfertigen können. Die bloße Mitteilung von "Überlegungen" der Wohnbereichsleitung, sie zumindest als Altenpflegehelferin weiterzubeschäftigen, genügt dazu ebenso wenig wie ihre eigenen ab Mitte September 2004 begonnenen und zunächst von ihr selbst sehr optimistisch eingeschätzten Bemühungen um eine neue Stelle in einer anderen Einrichtung. Denn feste Aussichten waren mit diesen "Überlegungen" (der zudem nicht zu Einstellungen befugten Wohnbereichsleitung) ebenso wenig verbunden wie mit der privaten Stellensuche und einem Vorstellungsgespräch.
Auch dass die Klägerin schon bei ihrer Abmeldung aus dem ersten Leistungsbezug bei Arbeitsaufnahme im September 2003 auf die einjährige Befristung ihres Arbeitsverhältnisses hingewiesen hatte, entlastet sie im Ergebnis nicht. Denn zum Einen kommt eine bloße schriftliche Mitteilung der persönlichen Meldung als arbeitssuchend nicht gleich. Zum Anderen wäre eine solche Meldung zu diesem Zeitpunkt nach der gesetzlichen Regelung des § 37 b SGB III, die die Beklagte auch insoweit in ihren Hinweisen zutreffend wiedergibt, zu früh gewesen. Das Gesetz trägt nämlich den Tatsachen Rechnung, dass sich bei befristeten Arbeitsverhältnissen typischerweise erst gegen Ende herausstellt, ob eine Verlängerung möglich ist und dass ein Beginn der Vermittlungsbemühungen regelmäßig nur dann Sinn macht, wenn der Betreffende zeitnah für den Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses zur Verfügung steht (näher zum Gesetzeszweck: Bundestagsdrucksache 15/25 Seite 27).
Dass der gesetzliche Sinn des § 37 b SGB III dabei - anders als die Klägerin meint - keine fiskalisch motivierte Schikane darstellt, sondern eine reale Chance auf Widerbeschäftigung eröffnet, zeigt nicht zuletzt der Fall der Klägerin, die - in einem Mangelberuf (Altenpflegerin) ausgebildet und einer Mangelregion (Sauerland) lebend - schon nach nur drei Monaten Vermittlungsbemühungen der Beklagten zunächst eine Teilzeit- dann eine Vollzeitbeschäftigung im erlernten Beruf aufnehmen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Zulassung der Revision auf § 160 Absatz 2 SGG.
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